Urteil des BGH vom 27.04.1993

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 324/06 Verkündet
am:
18. Dezember 2007
Herrwerth,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
BGB § 138 Abs. 1 Aa;
VerbrKrG § 3 Abs. 2 Nr. 2, § 9 Abs. 1 (in der Fassung vom 27. April 1993)
a) Zur Abgrenzung und zu den Voraussetzungen eines verbundenen
Geschäfts nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 VerbrKrG.
b) Zur Feststellung der Üblichkeit der Bedingungen für grundpfand-
rechtlich abgesicherte Kredite (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG).
c) Zur Ermittlung des Verkehrswertes und zu den Voraussetzungen der
verwerflichen Gesinnung des Verkäufers im Rahmen der Sittenwid-
rigkeitsprüfung nach § 138 Abs. 1 BGB.
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 - XI ZR 324/06 - OLG Köln
LG Köln
- 2 -
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 18. Dezember 2007 durch den Vorsitzenden Richter
Dr.
h.c.
Nobbe und die Richter Dr.
Müller, Dr.
Ellenberger,
Prof. Dr. Schmitt und Dr. Grüneberg
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des
13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom
6. September 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Ent-
scheidung, auch über die Kosten des Revisions-
verfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwie-
sen.
Von Rechts wegen
- 3 -
Tatbestand:
1
Die Kläger begehren von der Beklagten, einer Bank, Rückzahlung
von Leistungen, die sie auf zwei Finanzierungsdarlehen erbracht haben.
2
Die Kläger wurden zum Jahresende 1994 von einer Mitarbeiterin
des Vermittlungsunternehmens C. (im Folgenden: C. ) ge-
worben, eine Immobilienkapitalanlage in der Form eines PKW-
Stellplatzes in einem Parkhaus in B. zu erwerben. C. war für die
I. GmbH (im Folgenden:
I. ) tätig, die zum Vertrieb der PKW-Stellplätze durch die Eigen-
tümerin und Verkäuferin, die G.
GmbH (im Folgenden: G. ), beauftragt worden war. Der
Nettokaufpreis betrug 28.405 DM, das Gesamtvolumen der Investition
einschließlich aller Kosten belief sich auf 38.134,36 DM.
Am 9. Januar 1995 erteilten die Kläger der I. eine umfas-
sende und unwiderrufliche notarielle Vollmacht, durch die diese bevoll-
mächtigt wurde, neben dem Abschluss des Kaufvertrages auch "Verträge
über die Mietverwaltung, Teileigentumsverwaltung, Finanzierungsvermitt-
lung, Mittelverwendungstreuhandschaft/Steuerberatung, Mietvermittlung
und Darlehen" abzuschließen sowie "die Mieten bzw. Pachtauszahlungs-
ansprüche des Vollmachtgebers an die Bank zur Bedienung von deren
Forderungen abzutreten und entsprechende Bankkonten zu eröffnen".
3
Die Beklagte erklärte sich gegenüber der für die G. handelnde
I. im März 1995 bereit, die Finanzierung der Erwerber zu über-
4
- 4 -
nehmen, wobei die Bonitätsunterlagen und die Kreditverträge jeweils
über die I. laufen sollten.
5
Am 19. Mai 1995 unterzeichneten die Kläger persönlich in ihrer
Wohnung zwei Kreditanträge bei der Beklagten, die ihnen über die
I. von einer Vertriebsmitarbeiterin der C. vorgelegt worden wa-
ren. Über die Vertriebsmitarbeiterin, die für die Beklagte die Identitäts-
prüfung vornahm, wurden die Verträge an die Beklagte zurückgeleitet,
die sie jeweils am 11. Januar 1996 gegenzeichnete. Ein Darlehen über
4.700 DM, endfällig am 30. März 1996, diente der Finanzierung des
Mehrwertsteuerbetrages und ist nach Rückerstattung der Mehrwertsteuer
vollständig getilgt worden. Das zweite Darlehen lautete über einen Net-
tokreditbetrag von 32.500 DM zuzüglich einer mitzufinanzierenden Rest-
schuldversicherungsprämie von 2.002 DM und sollte grundpfandrechtlich
gesichert werden. Die Verzinsung betrug nominal 9,75% pro Jahr (effek-
tiv 11,68%). Die Zinsbindung lief am 30. Juni 2000 aus.
Aufgrund der erteilten Vollmacht erwarb die I. für die Klä-
ger mit notariellem Kaufvertrag vom 16. Juni 1995 von der G. einen
1/2008tel Miteigentumsanteil an dem Parkhausgrundstück verbunden mit
dem Sondereigentum an dem Garagenstellplatz Nr. ....
6
Mit notarieller Urkunde vom 20. Dezember 1995 bestellten die Klä-
ger, vertreten durch die I. , der Beklagten eine Grundschuld in
Höhe von 38.000 DM, übernahmen in dieser Höhe die persönliche Haf-
tung und unterwarfen sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr ge-
samtes Vermögen. Die Valutierung der Darlehen erfolgte auf ein
Notaranderkonto.
7
- 5 -
8
Auf beide Kreditverträge leisteten die Kläger bis September 2000
Zahlungen in Höhe von insgesamt 27.068,67 DM einschließlich der
Mehrwertsteuerrückerstattung und erhielten als Pachtzinsen bzw. aus
einer Mietgarantie Zahlungen von insgesamt 3.793,58 DM. Mit Schreiben
vom 14. Februar 2002 widerriefen sie ihre auf Abschluss des Darlehens-
vertrages über 34.502 DM gerichtete Willenserklärung gegenüber der
Beklagten unter Berufung auf das Haustürwiderrufsgesetz.
Mit ihrer Klage haben die Kläger Rückzahlung geleisteter Darle-
hensraten, hilfsweise Neuberechnung der Darlehen sowie weiter hilfs-
weise die Feststellung, dass der Darlehensvertrag über 34.502 DM wirk-
sam widerrufen worden sei, begehrt.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der
Kläger hat das Berufungsgericht die Beklagte verurteilt, an die Kläger
9.497,29 € nebst Zinsen zu zahlen Zug-um-Zug gegen Übertragung des
Eigentums an dem Stellplatz. Mit der - vom Berufungsgericht zugelasse-
nen - Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter
und begehrt Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefoch-
tenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsge-
richt.
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- 6 -
I.
12
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
Die Darlehensverträge seien wirksam zustande gekommen. Wenn
die Beklagte die Darlehensanträge der Kläger verspätet angenommen
haben sollte, so sei darin ein neues Angebot der Beklagten zu erblicken.
Dieses hätten die Kläger konkludent durch Schweigen angenommen.
13
Der Zahlungsanspruch der Kläger folge aus § 9 Abs. 2 Satz 4, § 7
Abs. 4 VerbrKrG, § 3 HWiG jeweils in der bis zum 30. September 2000
gültigen Fassung (im Folgenden: nur noch VerbrKrG bzw. HWiG). Die
Voraussetzungen für einen solchen Rückforderungsdurchgriff stünden
nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest. Der Kaufvertrag vom
16. Juni 1995 und die Darlehensverträge vom 19. Mai 1995/11. Januar
1996 bildeten ein verbundenes Geschäft i.S. von § 9 Abs. 1 VerbrKrG,
dessen Anwendbarkeit nicht durch § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG ausge-
schlossen sei.
14
Ein verbundenes Geschäft i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 2 VerbrKrG
werde vermutet, wenn sich der Kreditgeber bei der Vorbereitung oder
dem Abschluss des Kreditvertrages der Mitwirkung des Verkäufers be-
diene. So sei es nach der Beweisaufnahme hier gewesen. Die Beklagte
habe bereits Ende März 1995 die Grundsatzzusage erteilt, Interessenten
an dem Parkhausobjekt, Bonität vorausgesetzt, Kredite zu gewähren. Die
auf der Grundlage dieser Finanzierungszusage von den Klägern abge-
15
- 7 -
schlossenen Darlehensverträge seien nicht auf ihre Initiative hin zustan-
de gekommen. Der Vertragsschluss habe vielmehr darauf beruht, dass
die Vertriebsbeauftragten der Verkäuferin, nämlich Mitarbeiter der von
der I. beauftragten C. den Klägern die Darlehensurkunden zur
Verfügung gestellt hätten. Das vom Bundesgerichtshof aufgestellte Krite-
rium, dass dem Anleger Darlehensantrag und Anlageunterlagen zugleich
vorgelegt werden müssten, sei nicht so zu verstehen, dass der Ver-
triebsbeauftragte den Darlehensantrag am selben Tag übergeben müsse,
an dem auch die Anlageunterlagen überreicht würden. Denn für die Fra-
ge, ob Kauf und Darlehen eine wirtschaftliche Einheit bildeten, sei letzt-
lich entscheidend, ob auch die Anbahnung des Darlehensvertrages durch
die Verkäuferin bzw. dem von ihr eingeschalteten Vermittler erfolge und
die Entscheidung für die Inanspruchnahme des Darlehens in engem zeit-
lichem Zusammenhang mit dem Erwerb des Anlageobjekts gefallen sei.
Das sei hier der Fall. Im Übrigen werde die Annahme, die Beklagte habe
sich bei Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung der Verkäu-
ferin bzw. ihres Vertriebs bedient, auch durch die weiteren Umstände
des Vertragsschlusses gestützt. Die Kläger selbst hätten mit der Beklag-
ten keine eigenen Verhandlungen geführt. Sämtliche Bonitäts- und Kre-
ditunterlagen seien unmittelbar von der Beklagten zur I. und von
dort zurückgereicht worden. Auch die Begleitschreiben der Beklagten zu
den Kreditanträgen seien jeweils an den Vertrieb weitergegeben worden
und zusammen mit den Kreditverträgen von diesem den Klägern vorge-
legt worden. Der Vertrieb habe sogar die Unterschriften der Kläger auf
den Kreditverträgen bestätigt.
Der Anwendbarkeit des § 9 VerbrKrG stehe auch die Vorschrift des
§ 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG nicht entgegen. Zwar sei der Kredit über
16
- 8 -
32.500 DM durch eine Grundschuld gesichert gewesen. Er sei aber nicht
zu den für Realkredite üblichen Konditionen gewährt worden. Denn der
vereinbarte effektive Jahreszins von 11,68% übersteige die in der amtli-
chen Statistik der Deutschen Bundesbank für Mai 1995 ausgewiesene
Obergrenze der Streubreite für Hypothekarkredite mit fünfjähriger Zins-
bindung (8,36%) um 3,32 Prozentpunkte bezogen auf den Zeitpunkt der
Gegenzeichnung des Darlehensvertrages durch die Beklagte im Januar
1996 sogar um 4,71 Prozentpunkte.
Die Kläger könnten Ansprüchen aus dem Kreditvertrag die Sitten-
widrigkeit des mit ihm verbundenen Vertrages über den Erwerb des Stell-
platzes entgegenhalten. Der Kaufvertrag über den Stellplatz sei gemäß
§ 138 Abs. 1 BGB nichtig, weil der Verkaufspreis sittenwidrig überteuert
gewesen sei. Aufgrund des eingeholten gerichtlichen Sachverständigen-
gutachtens stehe fest, dass der Ertragswert des erworbenen Stellplatzes
von 14.000 DM in einem krassen Missverhältnis zum Kaufpreis von
28.405 DM stehe. Die subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit
auf Seiten der Verkäuferin würden angesichts des objektiv krassen Miss-
verhältnisses von Leistung und Gegenleistung vermutet.
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Rechtsfolge der Nichtigkeit des mit dem Darlehen verbundenen
Kaufvertrages sei, dass die Kläger gegenüber der Beklagten die Rück-
forderung geleisteter Zahlungen von 27.068,67 DM abzüglich der Ein-
nahmen aus Pacht und Mietgarantien in Höhe von 3.793,58 DM und der
erstatteten Mehrwertsteuer von 4.700 DM, insgesamt also 9.497,29 €,
Zug-um-Zug gegen Übertragung des Eigentums an dem Parkhausstell-
platz verlangen könnten. Etwaige Steuervorteile der Kläger seien nicht
zu berücksichtigen.
18
- 9 -
II.
19
Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung in wesentlichen
Punkten nicht stand. In mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft sind die
Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es einen Rückforde-
rungsanspruch der Kläger gegen die Beklagte bejaht hat.
1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann ein solcher
Anspruch nicht auf § 9 Abs. 2 Satz 4, § 7 Abs. 4 VerbrKrG (VerbrKrG
nachfolgend immer in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fas-
sung) und § 3 HWiG (in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fas-
sung) gestützt werden. Wie der Senat mit Urteil vom 4. Dezember 2007
(XI ZR 227/06, WM 2008, 244, 246, Tz. 30 f., zur Veröffentlichung in
BGHZ vorgesehen) - nach Erlass des Berufungsurteils - erkannt und im
einzelnen begründet hat, ist für eine solche Analogie zu § 9 Abs. 2
Satz 4 VerbrKrG kein Raum, weil der Verbraucher beim Vorliegen eines
verbundenen Geschäfts nach § 9 Abs. 1 VerbrKrG gemäß § 813 Abs. 1
Satz 1 BGB i.V. mit § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB die auf den Finanzierungs-
kredit geleisteten Beträge vom Kreditgeber zurückverlangen kann, wenn
der Verbraucher gegenüber dem Verkäufer berechtigt war, die Kauf-
preiszahlung zu verweigern. In diesem Fall steht wegen des möglichen
Einwendungsdurchgriffs (§ 9 Abs. 3 Satz 1 VerbrKrG) dem Zahlungsan-
spruch des Kreditgebers eine dauernde Einrede des Kreditnehmers ent-
gegen.
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- 10 -
2. Auch die Anwendung des § 9 Abs. 1 VerbrKrG ist von Rechts-
fehlern beeinflusst.
21
22
a) Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1
Satz 2 VerbrKrG zu Unrecht als gegeben angesehen. Nach dieser Vor-
schrift wird die wirtschaftliche Einheit zwischen dem Kreditvertrag und
dem finanzierten Geschäft und damit das Vorliegen eines verbundenen
Geschäfts unwiderleglich vermutet, wenn der Kreditgeber sich bei der
Vorbereitung oder dem Abschluss des Kreditvertrages der Mitwirkung
des Verkäufers oder des von diesem eingeschalteten Vermittlers bedient.
Von einer solchen Mitwirkung ist auszugehen, wenn der Kreditvertrag
nicht aufgrund eigener Initiative des Kreditnehmers zustande kommt,
sondern weil der Vertriebsbeauftragte des Verkäufers dem Interessenten
zugleich mit dem Kaufvertrag bzw. den Beitrittsunterlagen einen Kredit-
antrag des Finanzierungsinstituts vorgelegt hat, das sich dem Verkäufer
gegenüber zur Finanzierung bereit erklärt hatte (st.Rspr., vgl. u.a. Se-
natsurteile BGHZ 167, 252, 257, Tz. 14; vom 19. Juni 2007 - XI ZR
142/05, WM 2007, 1456, 1458, Tz. 19 und vom 4. Dezember 2007
- XI ZR 227/06, WM 2008, 244, 245 f., Tz. 21 m.w.Nachw.).
Das Berufungsgericht konnte nicht feststellen, dass die Anlageun-
terlagen zugleich mit dem Kreditantrag vom Vertrieb den Klägern vorge-
legt worden sind. Entgegen seiner Ansicht ist diese Feststellung aber für
die Annahme einer unwiderleglichen Vermutung der wirtschaftlichen Ein-
heit nach § 9 Abs. 1 Satz 2 VerbrKrG unverzichtbar und kann nicht durch
andere Indizien ersetzt werden. Einen Indizienbeweis hat der Senat im
Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 2 VerbrKrG lediglich hinsichtlich der Finan-
zierungszusage für zulässig gehalten, wobei aber auch hier die Finanzie-
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- 11 -
rungszusage selbst nicht durch andere Indizien ersetzt werden kann (vgl.
Senatsurteil vom 19. Juni 2007 - XI ZR 142/05, WM 2007, 1456, 1458,
Tz. 19).
24
b) Indes sind hier die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1
VerbrKrG für eine wirtschaftliche Einheit von Kauf- und Kreditvertrag ge-
geben.
aa) Eine wirtschaftliche Einheit ist danach dann anzunehmen,
wenn über ein Zweck-Mittel-Verhältnis hinaus beide Verträge derart mit-
einander verbunden sind, dass ein Vertrag nicht ohne den anderen ab-
geschlossen worden wäre. Die Verträge müssen sich wechselseitig be-
dingen bzw. der eine seinen Sinn erst durch den anderen erhalten. Dazu
bedarf es der Verknüpfung beider Verträge durch konkrete Umstände
(Verbindungselemente), die sich nicht wie notwendige Tatbestandsele-
mente abschließend umschreiben lassen, sondern im Einzelfall verschie-
den sein oder gar fehlen können, wenn sich die wirtschaftliche Einheit
aus anderen Umständen ergibt (Staudinger/Kessal-Wulf, BGB
Bearb. 2004 § 358 Rdn. 31 m.w.Nachw.).
25
Zu diesen Indizien gehören die Zweckbindung des Darlehens zur
Finanzierung eines bestimmten Geschäfts, durch die dem Darlehens-
nehmer die freie Verfügbarkeit über die Darlehensvaluta genommen wird,
der zeitgleiche Abschluss beider Verträge, das Verwenden einheitlicher
Formulare mit konkreten wechselseitigen Hinweisen auf den jeweils an-
deren Vertrag (vgl. Senatsurteil vom 23. September 2003 - XI ZR
135/02, WM 2003, 2232, 2234), die Einschaltung derselben Vertriebsor-
ganisation durch Kreditgeber und Verkäufer und das Abhängigmachen
26
- 12 -
des Wirksamwerdens des Erwerbsvertrages vom Zustandekommen des
Finanzierungsvertrages mit einer vom Unternehmer vorgegebenen Bank
(Staudinger/Kessal-Wulf, BGB Bearb. 2004 § 358 Rdn. 32 m.w.Nachw.;
Ott, in: Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt, VerbrKrG 2. Aufl. § 9 Rdn. 51).
27
bb) Aus den vom Berufungsgericht festgestellten Umständen ergibt
sich eine die wirtschaftliche Einheit begründende Verknüpfung des Dar-
lehensvertrages mit dem Kaufvertrag. Danach haben die Kläger selbst
mit der Beklagten keine eigenen Verhandlungen geführt. Sämtliche Boni-
täts- und Kreditunterlagen sowie die Kreditverträge sind unmittelbar von
der Beklagten zur I. und weiter an die C. und auf demselben
Weg zurückgereicht worden. Die Vertriebsgesellschaft, der die Beklagte
zuvor eine allgemeine Finanzierungszusage erteilt hatte, hat zudem die
Legitimationsprüfung im Auftrag der Beklagten durchgeführt. Vor allem
aber wurde der Kaufvertrag erst abgeschlossen, nachdem die Beklagte
die Bonität der Kläger geprüft, ihnen gegenüber die Bereitschaft zur Fi-
nanzierung des Stellplatzerwerbs erklärt hatte und die Kläger die Kredit-
verträge unterschrieben hatten. Hieraus ergibt sich, dass die I.
den Kaufvertrag für die Kläger ohne die von ihr ausgehandelte Finanzie-
rungszusage der Beklagten nicht geschlossen hätte und Kauf- und Kre-
ditvertrag eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dem steht nicht entgegen,
dass die Kläger im Zeitpunkt der Finanzierungszusage der I. be-
reits eine Vollmacht zum Erwerb des Stellplatzes erteilt hatten. Selbst
die nachträgliche Verbindung von Kauf- und Kreditvertrag kann eine wirt-
schaftliche Einheit begründen, wenn nur die Erfüllung des Kaufvertrages
erst nach der Finanzierungszusage erfolgt (Senatsurteil vom 18. März
2003 - XI ZR 422/01, WM 2003, 916, 917).
- 13 -
c) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht auch die Vorausset-
zungen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG verneint. Durch diese Vorschrift
wird die Anwendung des § 9 VerbrKrG bei einem Grundpfandkredit, der
zu für solche Kredite üblichen Bedingungen gewährt wird, ausgeschlos-
sen.
28
aa) Für die Frage, ob ein Kredit zu für Grundpfandkredite üblichen
Bedingungen ausgereicht worden ist, kommt es nach der Rechtspre-
chung des Senats entscheidend auf die Zinshöhe an. Die für Grund-
pfandkredite marktüblichen Zinsen sind regelmäßig niedriger als die
marktgängigen Zinsen für Konsumentenkredite. Die in den Monatsberich-
ten der Deutschen Bundesbank ausgewiesenen Zinssätze bieten einen
Anhaltspunkt für die Marktüblichkeit der vereinbarten Zinsen. Liegt der
vereinbarte Zinssatz innerhalb der Streubreite oder nur geringfügig bis
zu 1% darüber, ist von der Marktüblichkeit auszugehen. Liegt er mehr als
1% über der oberen Streubreitengrenze für vergleichbare Kredite, bedarf
es einer genaueren Prüfung der Marktüblichkeit unter Berücksichtigung
der vereinbarten Bedingungen im Einzelfall, ggf. unter Heranziehung ge-
eigneter Beweismittel (Senatsurteile vom 18. März 2003 - XI ZR 422/01,
WM 2003, 916, 918 und vom 25. April 2006 - XI ZR 219/04, WM 2006,
1060, 1066, Tz. 50).
29
bb) Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze seiner Entschei-
dung zwar zugrunde gelegt, sie aber rechtsfehlerhaft angewendet. Im
Ausgangspunkt zutreffend hat es ausgeführt, die erhebliche Überschrei-
tung des Vertragszinses zu den in der Bundesbankstatistik ausgewiese-
nen Hypothekarkrediten mit fünfjähriger Zinsbindung in Höhe von
3,32 Prozentpunkten im Mai 1995 und von 4,71 Prozentpunkten im Zeit-
30
- 14 -
punkt der Gegenzeichnung des Kreditvertrages durch die Beklagte im
Januar 1996 sei ein Indiz gegen übliche Bedingungen für einen Grund-
pfandkredit. Die Revision weist aber zu Recht darauf hin, dass die Bun-
desbankstatistik nur das Zinsniveau erstrangiger Wohnungsbaukredite
abbildet, die lediglich das beliehene Grundstück zu 60% finanzieren. Bei
der vorliegenden 100%igen Finanzierung eines Gewerbeobjektes durfte
das Berufungsgericht die Marktüblichkeit der Zinsen nicht allein deswe-
gen verneinen, weil der Zinssatz des ausgegebenen Kredits bereits in-
nerhalb der Streubreite von Personalkrediten liegt. Vorliegend musste
das beantragte Sachverständigengutachten allein schon deswegen
eingeholt werden, weil die Beklagte ihren Vortrag zur Marktüblichkeit
der Kreditbedingungen durch Vorlage eines Privatgutachtens von
Prof. Dr. H. untermauert hat, nach dem die übliche
Streubreite für vergleichbare Kredite im fraglichen Zeitraum zwischen
10,46% bis 11,71% betragen hat.
3. Rechtsfehlerhaft sind auch die Ausführungen des Berufungsge-
richts zur Sittenwidrigkeit des Kaufpreises nach § 138 Abs. 1 BGB. Von
einer Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages kann nach ständiger Rechtspre-
chung nur dann ausgegangen werden, wenn der Verkaufspreis rund
doppelt so hoch ist wie der tatsächliche Wert des Verkaufsobjekts (vgl.
BGHZ 146, 298, 302; Senatsurteil BGHZ 168, 1, 21, Tz. 47 m.w.Nachw.).
31
a) Die Auswahl der geeigneten Wertermittlungsmethode zur Fest-
stellung des tatsächlichen Wertes einer Immobilie steht nach der Recht-
sprechung des Bundesgerichtshofs, wenn das Gesetz nicht die Anwen-
dung eines bestimmten Verfahrens anordnet, im pflichtgemäßen Ermes-
sen des Tatrichters (vgl. BGHZ 160, 8, 11 m.w.Nachw.). Die Methoden-
32
- 15 -
wahl ist unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr
bestehenden Gepflogenheiten und sonstiger Umstände des Einzelfalles
zu treffen; sie ist zu begründen. Lässt sich eine aussagekräftige Menge
von Vergleichspreisen verlässlich ermitteln, wird die Vergleichswertme-
thode als die einfachste und zuverlässigste Methode angesehen; sie
steht deshalb bei Wohnungseigentum im Vordergrund (BGHZ 160, 8,
12 f. m.w.Nachw.; in diesem Sinne auch Senatsurteil vom 23. Oktober
2007 - XI ZR 167/05, WM 2008, 154, 156, Tz. 16).
Indem das Berufungsgericht die Ertragswertmethode seiner Ent-
scheidung zugrunde gelegt hat, hat es sein Ermessen fehlerhaft ausge-
übt. Der gerichtliche Sachverständige V. hat in seinem Gutachten
vom 9. Dezember 2004 und in seinem Ergänzungsgutachten vom 4. Mai
2005 erklärt, dass er wegen des ausdrücklichen gerichtlichen Auftrags
ein Ertragswertgutachten erstatte, obwohl er das Vergleichswertverfah-
ren für geeigneter halte und der Ertragswert nicht identisch mit dem Ver-
kehrswert sei. Angesichts dieser Äußerungen des Sachverständigen
durfte das Berufungsgericht nicht an seinem beschränkten Gutachten-
auftrag festhalten und seine Entscheidung nicht auf ein Gutachten stüt-
zen, das den Verkehrswert nach den eigenen Ausführungen des Sach-
verständigen nicht abbildet.
33
b) Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur verwerflichen
Gesinnung der Verkäuferin sind nicht frei von Rechtsfehlern.
34
aa)
Die
Rechtsprechung lässt zwar auf der objektiven Grundlage
eines besonders groben Missverhältnisses zwischen dem Wert des Kauf-
objekts und dem Kaufpreis den Schluss auf das - für das Unwerturteil
35
- 16 -
des § 138 Abs. 1 BGB unerlässliche - subjektive Unrechtsmerkmal der
verwerflichen Gesinnung des Verkäufers zu (BGHZ 146, 298, 303 ff.;
160, 8, 14). Ein solcher Rückschluss ist aber nur dann gerechtfertigt,
wenn das grobe Missverhältnis durch einen direkten Vergleich mit dem
maßgeblichen Markt gewonnen wird, weil nur dann der Vorwurf begrün-
det ist, der Begünstigte habe sich leichtfertig der Erkenntnis eines be-
sonders groben Missverhältnisses bzw. der Zwangslage seines Ver-
tragspartners verschlossen. Eine Kontrolle der Marktergebnisse anhand
prognostizierter Erträge schuldet der Begünstigte dem Vertragspartner
nicht (BGHZ 160, 8, 15). Daher bedarf es, wenn sich das grobe Missver-
hältnis aus einer Wertermittlung nach dem Ertragswertverfahren ergibt,
grundsätzlich besonderer Anhaltpunkte dafür, dass es dem Verkäufer
auch subjektiv bekannt war oder er sich dieser Erkenntnis leichtfertig
verschlossen hat. Das Berufungsgericht hat dazu keine Feststellung ge-
troffen und erweist sich deshalb auch aus diesem Grund als rechtsfeh-
lerhaft.
bb) Das Berufungsgericht hat sich rechtsfehlerhaft auch nicht da-
mit auseinandergesetzt, ob die - unterstellte - Vermutung der verwerfli-
chen Gesinnung widerlegt ist. Nach der Rechtsprechung kommt eine sol-
che Widerlegung insbesondere dann in Betracht, wenn der Verkäufer auf
ein Verkehrswertgutachten vertraut hat, selbst wenn dieses sich später
als fehlerhaft erweist (BGHZ 146, 298, 305). Die Beklagte hat vorgetra-
gen, dass den Verkaufspreisen ein Verkehrswertgutachten des Sachver-
ständigen S. von der A. bank vom 12. August 1994 zugrunde
gelegen habe, welches umgerechnet für den klägerischen Stellplatz zu
einem Wert von rund 26.500 DM gelangt sei. Erweist sich dieses Vor-
36
- 17 -
bringen als richtig, kann es den Vorwurf, die Verkäuferin habe in verwerf-
licher Gesinnung gehandelt, entfallen lassen.
III.
Das
Berufungsurteil
stellt sich entgegen der Ansicht der Revisi-
onserwiderung auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561
ZPO). Ohne weitere Feststellungen kann nicht davon ausgegangen wer-
den, dass die Darlehensverträge nicht wirksam zustande gekommen sind
und den Klägern deshalb ein Bereicherungsanspruch auf Rückzahlung
erbrachter Leistungen zusteht. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die
Darlehensverträge seien auch dann mit den in der Vertragsurkunde nie-
dergelegten Konditionen wirksam geschlossen worden, wenn die Beklag-
te das Darlehensvertragsangebot der Kläger verspätet angenommen ha-
be, ist allerdings fehlerhaft.
37
1. Nach dem vom Berufungsgericht unterstellten Vortrag der Klä-
ger lagen zwischen dem Antrag der Kläger und der Annahme der Beklag-
ten rund acht Monate. Die Annahme war, wie das Berufungsgericht zu-
treffend ausgeführt hat, verspätet (§ 147 Abs. 2 BGB) und ist als ein neu-
er Vertragsantrag zu werten (§ 150 Abs. 1 BGB). Ob die Kläger diesen,
wie das Berufungsgericht gemeint hat, durch Schweigen angenommen
haben, erscheint zweifelhaft, bedarf aber keiner Entscheidung. Jeden-
falls liegt in der Erbringung der im Darlehensvertrag vorgesehenen Leis-
tungsraten durch die Kläger ab Januar 1996 eine konkludente Annahme
des Vertragsantrages der Beklagten.
38
- 18 -
2. Das Berufungsgericht hat aber rechtsfehlerhaft übersehen, dass
es bei einer verspäteten Annahmeerklärung der Beklagten an der nach
§ 4 Abs. 1 Satz 2 VerbrKrG erforderlichen schriftlichen Erklärung der
Kläger fehlt und die Darlehensverträge daher nach § 6 Abs. 1 Satz 1
VerbrKrG formnichtig sind.
39
a) Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VerbrKrG haben beide Willenserklärun-
gen, die zum Abschlusstatbestand des Verbraucherdarlehensvertrages
gehören, der gesetzlichen Schriftform zu entsprechen. Eine konkludente
Annahmeerklärung entspricht dabei ebenso wenig wie die Annahme
durch Schweigen der gesetzlichen Schriftform (vgl. OLG München ZIP
2005, 160, 162; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB Bearb. 2004 § 492 Rdn. 8;
Bülow/Artz, VerbrKrR 6. Aufl. § 492 BGB Rdn. 35).
40
b)
Die
Formnichtigkeit wäre allerdings nach § 6 Abs. 2 Satz 1
VerbrKrG mit den Rechtsfolgen des § 6 Abs. 2 Satz 2 bis 6 VerbrKrG ge-
heilt, wenn die Kläger die Darlehensvaluta erhalten haben. Nach dem in
der Revisionsinstanz zu unterstellenden - streitigen - Vortrag der Kläger
ist die Darlehensvaluta von der Beklagten auf Anweisung der I.
direkt auf ein Notaranderkonto des beurkundenden Notars geflossen.
Diese Anweisung ist den Klägern nur zuzurechnen, wenn die umfassen-
de Vollmacht der I. wirksam ist, weil sie über eine Erlaubnis nach
dem Rechtsberatungsgesetz verfügte, oder aber - bei Nichtigkeit der
Vollmacht - gegenüber der Beklagten gemäß §§ 171 ff. BGB als wirksam
zu behandeln ist, weil der Beklagten bei der Ausführung der Überwei-
sung eine Ausfertigung der notariellen Vollmacht vorlag (vgl. Nobbe
WM 2007 Sonderbeilage Nr. 1 S. 4 ff. m.w.Nachw.). Feststellungen feh-
len auch hierzu.
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IV.
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Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1
ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie zur weite-
ren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563
Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sollte ein Rückforderungsanspruch der Kläger unter
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Berücksichtigung vorstehender Ausführungen nicht gegeben sein, wird
das Berufungsgericht dem Vorbringen der Kläger nachzugehen haben,
sie hätten ihre Darlehensvertragserklärungen nach § 1 HWiG wirksam
widerrufen.
Nobbe Müller Ellenberger
Schmitt Grüneberg
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 04.09.2003 - 2 O 191/00 -
OLG Köln, Entscheidung vom 06.09.2006 - 13 U 193/03 -