Urteil des BGH vom 08.04.2014
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VI ZB 1/13
vom
8. April 2014
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 233 B, Fe
Zur Glaubhaftmachung des rechtzeitigen Beginns der Übertragung einer Rechts-
mittelbegründung mittels Telefax.
BGH, Beschluss vom 8. April 2014 - VI ZB 1/13 - OLG Dresden
LG Dresden
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. April 2014 durch den Vor-
sitzenden Richter Galke, die Richter Wellner, Pauge und Stöhr und die Richte-
rin von Pentz
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Dresden vom 5. Dezember 2012 wird auf
Kosten des Streithelfers des Klägers als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 46.200
€.
Gründe:
I.
Mit Urteil vom 24. August 2012 hat das Landgericht die auf Unterlassung
der Verbreitung von Fotos gerichtete Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem
Prozessbevollmächtigten des Klägers am 30. August 2012 zugestellt worden.
Hiergegen hat er am Montag, dem 1. Oktober 2012 Berufung eingelegt. Die
Berufungsbegründung ist nach Ablauf der bis zum 30. Oktober 2012 laufenden
Frist am 31. Oktober 2012 um 00.02 Uhr beim Oberlandesgericht eingegangen.
Auf den Hinweis des Oberlandesgerichts vom 9. November 2012 hat der
Kläger am 15. November 2012 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen
die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat
er - anwaltlich versichert durch seinen Prozessbevollmächtigten - vorgetragen,
dieser habe am 30. Oktober 2012 um 23.45 Uhr versucht, das Telefax mit dem
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Berufungsbegründungsschriftsatz zu übersenden, und danach im Wahlwieder-
holungsmodus zunächst alle 15 Sekunden, später in minütlichen Abständen
versucht, eine Verbindung aufzubauen. Dies sei jedoch erst um 00.00 Uhr ge-
glückt, so dass die Übertragung erst um 00.02 Uhr abgeschlossen gewesen sei.
Das Oberlandesgericht hat ihn daraufhin mit Verfügung vom 16. Novem-
ber 2012 darauf hingewiesen, dass sein Vorbringen im Widerspruch zu dem
Faxjournal des Gerichts stehe. Danach sei das Faxgerät am 30. Oktober 2012
um 22.27 Uhr für 45 Sekunden mit dem Empfang einer Faxsendung belegt und
anschließend bis zum Empfang der Berufungsbegründungsschrift nicht mehr
aktiv gewesen. Es seien keine Gründe in der Sphäre des Gerichts erkennbar,
dass um 23.45 Uhr keine Verbindung hätte zustande kommen können. Deshalb
dürfte eine Glaubhaftmachung durch anwaltliche (und nicht eidesstattliche) Ver-
sicherung nicht genügen. Zudem dürfte es erforderlich sein, die Anwählversu-
che am 30. Oktober 2012 und die Gründe für das Scheitern durch geeignete
technische Aufzeichnungen zu belegen. Der Prozessbevollmächtigte des Klä-
gers hat daraufhin vorgetragen, welche Ursache die zunächst fehlgeschlagenen
Übertragungsversuche gehabt hätten, lasse sich nicht mehr feststellen. Eine
fehlerhafte "Amtsholung" sei jedoch auszuschließen, weil die Nebenstellenan-
lage in der Kanzlei automatisch zunächst über die "0" eine Amtsleitung aufbaue
und erst danach die Teilnehmernummer wähle. Es werde anwaltlich versichert,
dass diese "Amtsholung" erfolgreich verlaufen sei. Da im Wahlwiederholungs-
modus schließlich der Verbindungsaufbau gelungen sei, sei davon auszugehen,
dass die Nummer des Oberlandesgerichts ursprünglich korrekt eingegeben
worden sei. Weitere Mittel als die Glaubhaftmachung durch anwaltliche Versi-
cherung stünden nicht zur Verfügung. Insbesondere sei es nicht möglich, ein
Telefaxprotokoll vorzulegen, da dieses nur das Ergebnis der Wahlwiederholung
protokolliere, nicht aber die vorausgegangenen erfolglosen Versuche.
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Das Oberlandesgericht hat den Antrag des Klägers, ihm Wiedereinset-
zung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungs-
frist zu bewilligen, abgelehnt, weil nicht hinreichend glaubhaft gemacht sei, dass
die Fristversäumung nicht auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten
beruhe. Zugleich hat es die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen.
Dagegen wendet sich der auf Seiten des Klägers als Streithelfer beigetretene
Prozessbevollmächtigte II. Instanz mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte
Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574
Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde
erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung
des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt den Klä-
ger weder in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wir-
kungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechts-
staatsprinzip) noch in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1
GG). Danach darf einem Beteiligten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten seines Prozessbe-
vollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung
nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrens-
ordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr
zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. Juni
2012 - VI ZB 54/11, VersR 2012, 1411 Rn. 5; vom 10. September 2013 - VI ZB
61/12, NJW-RR 2013, 1467 Rn. 5).
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1. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag des
Klägers mit der Begründung zurückgewiesen, es sei nicht hinreichend glaubhaft
gemacht, dass die Fristversäumnis nicht auf einem Verschulden seines Pro-
zessbevollmächtigten beruht.
a) Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu ge-
währen, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungs-
begründungsfrist einzuhalten. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten
ist der Partei zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Die Partei muss die die Wieder-
einsetzung begründenden Tatsachen glaubhaft machen (§ 236 Abs. 2 Satz 1
ZPO). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden,
wenn nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit of-
fen bleibt, dass die Fristversäumnis von der Partei bzw. ihrem Prozessbevoll-
mächtigten verschuldet war (vgl. BGH, Beschluss vom 6. April 2011 - XII ZB
701/10, VersR 2011, 1417 Rn. 8). Dies ist hier der Fall.
b) Zwar hat der Nutzer mit der Wahl einer Telefaxübertragung bei ord-
nungsgemäßer Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten
Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung
getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übertragung beginnt, dass unter normalen
Umständen mit deren Abschluss vor 24.00 Uhr zu rechnen ist (vgl. BGH, Be-
schlüsse vom 1. Februar 2001 - V ZB 33/00, NJW-RR 2001, 916; vom 20. De-
zember 2007 - III ZB 73/07, juris Rn. 4; vom 11. Januar 2011 - VIII ZB 44/10,
juris Rn. 8; vom 6. April 2011 - XII ZB 701/10, aaO Rn. 9). Wird die Übermitt-
lung fristwahrender Schriftsätze durch Telefax durch ein Gericht eröffnet, dürfen
die aus den technischen Gegebenheiten dieses Kommunikationsmittels herrüh-
renden besonderen Risiken nicht auf die Nutzer dieses Mediums abgewälzt
werden. Das gilt im Besonderen für Störungen des Empfangsgeräts im Gericht.
Denn in diesem Fall liegt die entscheidende Ursache für die Fristversäumung in
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der Sphäre des Gerichts (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Januar 2011 - VIII ZB
44/10, aaO; vom 6. April 2011 - XII ZB 701/10, aaO).
c) Im Streitfall ist aber nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
weder eine Störung des Empfangsgeräts im Gericht noch eine solche bei dem
Telefaxgerät des Prozessbevollmächtigten des Klägers noch ein rechtzeitiger
Beginn der Übertragung seitens des Prozessbevollmächtigten des Klägers
glaubhaft gemacht.
Das Oberlandesgericht hat anhand einer Überprüfung des Faxjournals
des Gerichts festgestellt, dass das Faxgerät am 30. Oktober 2012 um
22.27 Uhr für 45 Sekunden mit dem Empfang einer Faxsendung belegt und an-
schließend bis zum Empfang der Berufungsbegründungsschrift im hiesigen Ver-
fahren nicht mehr aktiv war. Da es bei der Übersendung des Faxes um
0.00 Uhr einwandfrei funktionierte und den Eingang dieser Sendung speicherte,
sind keine Gründe ersichtlich und auch nicht vom Beschwerdeführer dargetan,
die auf eine Störung im Bereich des Gerichts hinweisen könnten. Eine Störung
des Faxgeräts seines Prozessbevollmächtigten hat der Kläger nicht vorgetra-
gen.
Unter diesen Umständen ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungs-
gericht alleine die anwaltliche Versicherung, der Prozessbevollmächtigte habe
mit dem Versuch einer Übersendung der Berufungsbegründung um 23.45 Uhr
begonnen, nicht als ausreichend angesehen hat. Trotz des Hinweises, dass
eine anwaltliche (und nicht eidesstattliche) Versicherung nicht ausreiche, hat
der Kläger auch mit seiner ergänzenden Stellungnahme keine weiteren Mittel
der Glaubhaftmachung, insbesondere keine eidesstattliche Versicherung, zu
dem Vortrag vorgelegt, die Anwählversuche hätten bereits um 23.45 Uhr be-
gonnen. Er hat auch kein Sendeprotokoll vorgelegt, sondern nur anwaltlich ver-
sichern lassen, es gebe kein Telefaxprotokoll, das auch die erfolglosen Anwähl-
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versuche protokolliert habe. Letzteres hat der Beschwerdeführer im Rechtsbe-
schwerdeverfahren durch seine eidesstattliche Versicherung und eine Bestäti-
gung des Geräteherstellers, dass die Faxmodelle Fax-8070P die einzelnen
Wahlwiederholungsversuche nicht einzeln protokollierten, ergänzt. Unabhängig
davon, ob die eidesstattliche Versicherung im Rechtsbeschwerdeverfahren
noch zu berücksichtigen ist, reicht sie jedenfalls für die nach § 236 Abs. 2
Satz 1 ZPO erforderliche Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begrün-
denden Tatsachen nicht aus. Insoweit kommt es nämlich entscheidend darauf
an, ob die Anwählversuche bereits um 23.45 Uhr begonnen haben.
Die von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Verletzung des An-
spruchs auf rechtliches Gehör wegen eines Verstoßes des Berufungsgerichts
gegen § 139 ZPO liegt schon deshalb nicht vor, weil das Berufungsgericht mit
der Verfügung vom 16. November 2012 den erforderlichen Hinweis erteilt hat.
Im Übrigen ist auch im Rechtsbeschwerdeverfahren nichts anderes vorgetra-
gen, als der Entscheidung des Berufungsgerichts zugrunde liegt. Selbst wenn
der Sendebericht, der nach wie vor nicht vorgelegt ist, die Darstellung des Klä-
gervertreters nicht widerlegen würde, dass nur das Ergebnis der Wahlwiederho-
lung protokolliert werde, ist er nach dem Vortrag des Beschwerdeführers nicht
geeignet, dessen Darstellung hinsichtlich der behaupteten Anwählversuche
glaubhaft zu machen.
d) Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann mithin
nicht gewährt werden, weil zumindest die Möglichkeit offen bleibt, dass die
Fristversäumung von der Partei bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten verschul-
det war.
2. Die Berufung war demgemäß nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzu-
lässig zu verwerfen, weil der Kläger sie entgegen § 520 Abs. 2 ZPO nicht recht-
zeitig begründet hat. Für die Rechtzeitigkeit des Eingangs eines per Telefax
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übersandten Schriftsatzes kommt es allein darauf an, ob die gesendeten Signa-
le noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist vom Telefaxgerät des Gerichts
vollständig empfangen (gespeichert) worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom
14. Mai 2013 - III ZR 289/12, NJW 2013, 2514 Rn. 11 mwN). Dies war nicht der
Fall. Die Berufungsbegründung ist unstreitig erst nach Ablauf der bis zum
30. Oktober 2012 laufenden Frist am 31. Oktober 2012 um 00.02 Uhr beim
Oberlandesgericht eingegangen.
Galke
Wellner
Pauge
Stöhr
von Pentz
Vorinstanzen:
LG Dresden, Entscheidung vom 24.08.2012 - 3 O 1794/11 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 05.12.2012 - 4 U 1590/12 -