Urteil des BGH vom 15.05.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 49/11
Verkündet am:
15. Mai 2013
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
BGB § 1600 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5
Die Anfechtung der Vaterschaft durch den sog. biologischen Vater nach § 1600
Abs. 1 Nr. 2 BGB steht im Fall einer nicht erklärten Einwilligung des rechtlichen Va-
ters im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB grundsätzlich auch dem Samenspender offen.
BGH, Urteil vom 15. Mai 2013 - XII ZR 49/11 - OLG Köln
AG Köln
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Mai 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-
Monecke und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Nedden-Boeger
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats - Familiensenat -
des Oberlandesgerichts Köln vom 17. Mai 2011 wird zurückgewie-
sen.
Die Beklagten tragen die für die Revisionsinstanz angefallenen
Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten des Klägers je zur
Hälfte und ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Anfechtung und die Feststellung der Vater-
schaft für den am 21. Juli 2008 geborenen Beklagten zu 2 (im Folgenden: das
Kind). Das Kind war mittels einer Samenspende gezeugt worden, welche der
Kläger der Mutter in einem Gefäß übergeben hatte und von dieser selbst einge-
führt worden war.
Der Kläger lebt ebenso wie die Mutter in einer gleichgeschlechtlichen
Partnerschaft. Nachdem eine vom Kläger im Januar 2009 erklärte Anerkennung
der Vaterschaft mangels Zustimmung der Mutter nicht wirksam geworden war,
erkannte im März 2009 der Beklagte zu 1 mit Zustimmung der Mutter die Vater-
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schaft an. Der Kläger hat mit der im August 2009 eingereichten Klage die Va-
terschaft des Beklagten zu 1 angefochten und die Feststellung seiner eigenen
Vaterschaft beantragt. Zwischen den Parteien ist streitig, ob mit der Mutter und
den jeweiligen Lebenspartnern vereinbart war, dass der Kläger die väterliche
Verantwortung für das Kind habe übernehmen sollen oder ob von vornherein
beabsichtigt war, dass das Kind von der Lebenspartnerin der Mutter als Stief-
kind adoptiert werden sollte.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klä-
gers hat das Berufungsgericht nach Einholung eines Abstammungsgutachtens
festgestellt, dass nicht der Beklagte zu 1, sondern der Kläger der Vater des
Kindes ist. Dagegen haben die Beklagten die zugelassene Revision eingelegt.
Sie erstreben die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis
31. August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor
diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom
3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10).
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I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger nach § 1600
Abs. 1 Nr. 2 BGB bei verfassungskonformer Auslegung dieser Vorschrift ein
Anfechtungsrecht bezüglich der Vaterschaft des Beklagten zu 1 zu. Nach der
vom Kläger abgegebenen eidesstattlichen Versicherung habe dieser der Mutter
wiederholt Samen zur Verfügung gestellt, damit die Mutter diesen in der Hoff-
nung, schwanger zu werden, einführen sollte. Dadurch sei die Voraussetzung
einer Versicherung, der Mutter in der Empfängniszeit "beigewohnt" zu haben,
erfüllt.
Das Merkmal des Beiwohnens diene in erster Linie der Eingrenzung der
Anfechtungsberechtigten auf diejenigen, die als biologische Väter in Betracht
kämen. Dies sei bei der vorliegenden "Samenübertragung" ebenso der Fall wie
bei unmittelbarem Geschlechtsverkehr. Auch im Rahmen der Vaterschaftsver-
mutung des § 1600 d Abs. 2 BGB stünden beide Fälle gleich. Allerdings solle
nach der Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des
Deutschen Bundestages neben der Anfechtung "ins Blaue hinein" zugleich ver-
hindert werden, dass ein samenspendender Dritter ein Anfechtungsrecht erhal-
te. Auch habe der Bundesgerichtshof in einem obiter dictum angemerkt, dass
der bloße Samenspender nicht zur Anfechtung berechtigt sei, weil es regelmä-
ßig nicht zutreffe, dass er der Mutter beigewohnt habe. Auf der Grundlage der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. April 2003 dürfe die An-
fechtung indessen im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen werden, weil
sonst das verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht des biologischen Vaters
verletzt würde.
Soweit es dem Willen des Gesetzgebers entsprochen habe, den Samen-
spender vom Anfechtungsrecht auszuschließen, sei davon auszugehen, dass
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hierbei nur der "herkömmliche" Samenspender im Blickpunkt gestanden habe,
der an einem den Regeln der Ärzteschaft entsprechenden Verfahren teilnehme,
bei dem durch möglichst weitgehende Vereinbarungen und weitgehende Ano-
nymisierung von vornherein die väterliche Verantwortung des Spenders ausge-
schlossen und diejenige des sozialen Vaters begründet werde. Das erkläre sich
daraus, dass verfassungsrechtliche Bedenken verneint worden seien, weil die
erklärte Bereitschaft zur Teilnahme an einer Samenspende als konkludenter
Verzicht auf die rechtliche Vaterschaft und damit auf ein entsprechendes An-
fechtungsrecht zu deuten sei. Gleiches erschließe sich auch aus der Regelung
in § 1600 Abs. 5 BGB.
Im vorliegenden Fall seien dagegen keine rechtlich verbindlichen Ab-
sprachen getroffen worden. Vielmehr sei dem Kläger von der Mutter die Inan-
spruchnahme auf Unterhalt in Aussicht gestellt worden, wenn er nicht von der
Durchsetzung von Vaterrechten absehe.
Das Anfechtungsrecht allein von der Art der Samenübertragung abhän-
gig zu machen, werde dem grundrechtlich geschützten Elternrecht des Klägers
nicht gerecht. Wie auch ein Vergleich mit der homologen Insemination zeige,
dürfe das Elternrecht des biologischen Vaters insoweit nicht allein vom Willen
der Mutter abhängen, was durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts zur gemeinsamen elterlichen Sorge nicht verheirateter Väter bestätigt
werde. Der Ausschluss des Anfechtungsrechts des Samenspenders sei unter
Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Bedeutung seines Elternrechts
nur haltbar, wenn die Samenspende von vornherein in einem Verfahren abge-
geben werde, in dem der Spender im Rahmen des rechtlich Zulässigen auf Va-
terrechte und
–pflichten verzichte bzw. von diesen entbunden werde.
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Im vorliegenden Fall liege auch nach dem Vortrag der Beklagten keine
sozial-familiäre Beziehung vor. Unstreitig bestehe zwischen dem Beklagten zu
1 und der Mutter lediglich eine kollegiale freundschaftliche Beziehung und ma-
che die Mutter keinen Hehl daraus, dass jener sozusagen als "Sperrvater" aus-
gewählt worden sei, damit die Stiefkind-Adoption durch ihre Partnerin nicht er-
schwert oder unmöglich werde. Die sozial-familiäre Beziehung des Kindes mit
der Partnerin der Mutter spiele für den Ausschluss des Anfechtungsrechts hin-
gegen keine Rolle. Dass eine solche Beziehung zwischen dem Kläger und dem
Kind bestehe, sei nicht erforderlich, sondern vom Bundesverfassungsgericht
nur als zusätzliches Argument für die Anfechtungsmöglichkeit des biologischen
Vaters angeführt worden.
II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist der Mann, der an Eides statt versi-
chert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu ha-
ben, zur Anfechtung der Vaterschaft berechtigt.
a) Inhalt der im vorliegenden Fall vom Kläger abgegebenen eidesstattli-
chen Versicherung ist allerdings nur, dass er der Mutter Sperma zum Zweck der
Befruchtung zur Verfügung gestellt habe. Der Wortlaut der Vorschrift schließt
eine Erstreckung auf die Samenspende nicht aus.
Vielmehr gebieten sowohl Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung
als auch ihre Stellung im System des Abstammungsrechts eine Anwendung der
Vorschrift auch auf eine ohne Geschlechtsverkehr mögliche genetische Vater-
schaft des Anfechtenden, wenn der Zeugung des Kindes keine auf die (aus-
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schließliche) Vaterschaft eines Dritten als Wunschvater gerichtete Vereinbarung
im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB vorausgegangen ist (sog. konsentierte hetero-
loge Insemination). Dies wird nicht zuletzt durch verfassungsrechtliche Erwä-
gungen gestützt.
b) Der vorliegende Fall einer Samenspende, welche nicht aufgrund einer
auf die ausschließliche rechtliche Vaterstellung eines anderen Mannes gerichte-
ten Abrede erfolgt ist, ist von einer Anfechtung nicht ausgenommen.
aa) § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist durch das Gesetz zur Änderung von
Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von
Bezugspersonen vom 23. April 2004 (BGBl. I 2004, 598) eingeführt worden. Mit
der gesetzlichen Neuregelung hat der Gesetzgeber einer Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 9. April 2003 (FamRZ 2003, 816) Rechnung
getragen, durch die § 1600 BGB in seiner vorausgegangenen Fassung für teil-
weise verfassungswidrig erklärt worden war.
Der leibliche, aber nicht rechtliche Vater ist nach der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts als solcher zwar noch nicht Träger des Eltern-
rechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Grundrechtsnorm schützt den leiblichen
Vater aber in seinem Interesse, die Rechtsstellung als Vater des Kindes einzu-
nehmen (BVerfG FamRZ 2003, 816; FamRZ 2008, 2257). Auch dieser Schutz
vermittelt noch kein Recht, in jedem Fall vorrangig vor dem rechtlichen Vater
die Vaterstellung eingeräumt zu erhalten. Der Gesetzgeber kann den Interes-
sen des Kindes und seiner rechtlichen Eltern am Erhalt eines durch Art. 6
Abs. 1 GG bestehenden sozialen Familienverbandes den Vorrang einräumen.
Dagegen ist dem leiblichen Vater jedoch von Verfassungs wegen die Möglich-
keit zu eröffnen, die rechtliche Vaterposition zu erlangen, wenn dem der Schutz
einer familiären Beziehung zwischen dem Kind und seinen rechtlichen Eltern
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nicht entgegensteht und festgestellt wird, dass er der leibliche Vater des Kindes
ist (BVerfG FamRZ 2003, 816, 818).
Nach dem zugrunde liegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung war
das Anfechtungsrecht noch an die Glaubhaftmachung der Beiwohnung ge-
knüpft. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollte die Glaubhaftmachung
(nur) der "Schlüssigkeitsprüfung" dienen. Die Glaubhaftmachung sollte "insbe-
sondere aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes von Mutter, Kind und recht-
lichem Vater als - wenn auch kleine - formelle Hürde eine Anfechtung 'ins
Blaue' hinein" verhindern (BT-Drucks. 15/2253 S. 10). Der Entwurfstext wurde
im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens nur insoweit geändert, als auf Vorschlag
des Rechtsausschusses die Glaubhaftmachung durch die eidesstattliche Versi-
cherung ersetzt wurde.
Die vom Berufungsgericht berücksichtigte weitere Begründung des
Rechtsausschusses, dass durch die Bezugnahme der eidesstattlichen Versi-
cherung auf die Beiwohnung zugleich verhindert werde, dass ein samenspen-
dender Dritter als "biologischer Vater" ein Anfechtungsrecht erhalte, hat im Ge-
setzestext keinen Niederschlag gefunden. Denn die Beiwohnung selbst ist nicht
Voraussetzung eines erfolgreichen Anfechtungsantrags. Die Begründetheit der
Anfechtungsklage hängt vielmehr nach § 1600 Abs. 2 BGB allein von der leibli-
chen Abstammung ab, während die Beiwohnung lediglich Gegenstand der ei-
desstattlichen Versicherung sein muss. Dementsprechend ging auch die Ent-
wurfsbegründung - wie ausgeführt - davon aus, dass es sich bei der Vorausset-
zung lediglich um eine ("kleine") formelle Hürde handele, die eine Anfechtung
"ins Blaue" hinein verhindern solle. Wenn hingegen - wie im vorliegenden Fall -
die genetische Vaterschaft von den Beteiligten nicht bezweifelt wird, kann da-
von nicht die Rede sein.
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Auf die Frage, ob die vom Rechtsausschuss des Bundestages geäußerte
Vorstellung von der - darüber möglicherweise hinausgehenden - Wirkungsweise
der Vorschrift den für die Gesetzesanwendung verbindlichen Willen des Ge-
setzgebers repräsentieren kann (vgl. auch die Begründung des Entwurfs eines
Gesetzes zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters BT-
Drucks. 17/12163 S. 14), kommt es hier nicht entscheidend an. Denn aus den
weiteren Erwägungen des Rechtsausschusses ergibt sich, dass diese sich auf
den Fall der Einwilligung eines Wunschvaters in die Zeugung mittels Samen-
spende im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB (konsentierte heterologe Inseminati-
on) bezogen, welche im vorliegenden Fall unstreitig nicht vorliegt. Der Bundes-
rat hatte abweichend vom Regierungsentwurf für den Fall der künstlichen Be-
fruchtung mittels einer Samenspende eine eigenständige Ausschlussvorschrift
vorgeschlagen. Diese sollte aber in einer Ergänzung von § 1600 Abs. 4 (heute:
Abs. 5) BGB bestehen und neben der Vaterschaftsanfechtung durch den (recht-
lichen) Vater und die Mutter auch die des samenspendenden Dritten ausschlie-
ßen (BT-Drucks. 15/2253 S. 15), was nach der Begründung des Rechtsaus-
schusses nicht mehr erforderlich war. Dementsprechend sah der Rechtsaus-
schuss im Hinblick auf das (etwaige) Elternrecht des leiblichen Vaters nach
Art. 6 Abs. 2 GG keine Bedenken gegen eine Versagung der Anfechtungsbe-
fugnis, weil dessen erklärte Bereitschaft zur Teilnahme an einer Samenspende
als konkludenter Verzicht auf die rechtliche Vaterschaft und auf ein entspre-
chendes Anfechtungsrecht zu deuten sei (BT-Drucks. 15/2942 S. 9). Die vom
Rechtsausschuss angestellten Erwägungen beziehen sich damit auf den Fall
des § 1600 Abs. 5 BGB, der zum Ausschluss der Anfechtung durch den (recht-
lichen) Vater oder die Mutter führt. Nur diese Konstellation ist dadurch gekenn-
zeichnet, dass mit der Mutter, dem Wunschvater und dem samenspendenden
Dritten alle an der Zeugung des Kindes Beteiligten übereinstimmend von einer
(noch zu begründenden) rechtlichen Vaterschaft des Wunschvaters ausgehen.
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Bei dieser Form des Zusammenwirkens beschränkt sich der Samenspender auf
die Hergabe des Spermas, während er die Übernahme elterlicher Verantwor-
tung dem Wunschvater überlassen und selbst regelmäßig im Rahmen des
rechtlich Zulässigen (oder darüber hinaus) anonym bleiben will.
Nur in der genannten Konstellation kann schließlich entsprechend den in
den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommenen Vorstellungen des
Rechtsausschusses davon ausgegangen werden, dass der Samenspender
durch seine Mitwirkung konkludent auf seine rechtliche Vaterschaft und sein
Anfechtungsrecht verzichtet. Ist dies nicht der Fall und soll sogar seine Rolle bei
der Zeugung - wie im vorliegenden Verfahren unstreitig ist - dem Kind später
offengelegt werden, so steht er dem leiblichen Vater nach einer homologen In-
semination näher als dem bloßen Samenspender im Fall des § 1600 Abs. 5
BGB. Im einen wie im anderen Fall bezweckt die nur als "formelle Hürde" be-
trachtete Voraussetzung des § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB, die unabhängig von der
Richtigkeit der eidesstattlichen Versicherung erfüllt wäre, nicht den Ausschluss
des leiblichen Vaters von der Anfechtung und schließt dessen Anfechtungsrecht
folglich nicht aus.
Wenn mit der Samenspende - anders als im Fall von § 1600 Abs. 5
BGB - kein Verzicht auf die (spätere) Begründung des Elternrechts verbunden
ist, muss dem Samenspender aufgrund seiner genetischen Vaterschaft somit
schon aus verfassungsrechtlichen Erwägungen wenigstens der Zugang zur El-
ternschaft grundsätzlich möglich sein.
bb) Ein Zugang des Samenspenders zur Vaterschaft entspricht außer-
halb der konsentierten heterologen Insemination auch im Übrigen der Systema-
tik des Abstammungsrechts. Die konsentierte heterologe Insemination zeichnet
sich im Gegensatz zur bloßen Anerkennung der Vaterschaft dadurch aus, dass
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bereits die Zeugung des Kindes auf einer entsprechenden Abrede der Beteilig-
ten beruht und das Kind damit - wie es bei der medizinisch assistierten hetero-
logen Insemination aufgrund der medizinrechtlichen Vorschriften (vgl. Rütz He-
terologe Insemination - Die rechtliche Stellung des Samenspenders 2008 S. 75
ff.) besonders deutlich wird - der Abrede der Beteiligten letztlich seine Existenz
verdankt (vgl. Wanitzek Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter
Fortpflanzung 2002 S. 254). Dieser Umstand rechtfertigt es des Weiteren, das
Anfechtungsrecht des Samenspenders im Fall des § 1600 Abs. 5 BGB - über
den Wortlaut des § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB hinausgehend - selbst dann auszu-
schließen, wenn der Anfechtende eine genügende eidesstattliche Versicherung
abgegeben hat und zwischen dem rechtlichen (Wunsch-)Vater und dem Kind
keine sozial-familiäre Beziehung mehr besteht.
Mangelt es dagegen an einem in die künstliche Befruchtung einwilligen-
den Wunschvater, kann ohne weiteres eine Feststellung des Samenspenders
als Vater nach § 1600 d BGB erfolgen. Zu einem entsprechenden Antrag waren
nach dem hier noch geltenden § 1600 e Abs. 1 Nr. 1, 2 BGB nicht nur das Kind
und die Mutter befugt, sondern auch der Samenspender selbst als (angeblicher)
leiblicher Vater. Dasselbe gilt auch für das seit 1. September 2009 geltende
Verfahrensrecht im Hinblick auf den Antrag nach § 171 FamFG (vgl. Löhnig
FamRZ 2009, 1798, 1799; Prütting/Helms/Stößer FamFG 2. Aufl. § 171 Rn. 7).
Dementsprechend ist auch der Bestand der Vaterschaft eines noch nicht in die
künstliche Zeugung einwilligenden und erst aufgrund späteren Entschlusses die
Vaterschaft anerkennenden Mannes vom Gesetz nicht besonders gesichert.
Denn sowohl der Anerkennende als auch die Mutter können die Vaterschaft
(innerhalb der Anfechtungsfrist) anfechten. Der Ausschluss der Anfechtung
nach § 1600 Abs. 5 BGB greift mangels Einwilligung des Mannes in die künstli-
che Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten nicht ein. Damit fehlt es
zugleich an einer Rechtfertigung, einen solchen Samenspender von der An-
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fechtung auszuschließen. Fehlt es zudem an einer sozial-familiären Beziehung
zwischen dem Anerkennenden und dem Kind, so muss auch dem Samenspen-
der die Anfechtung der Vaterschaft möglich sein.
In diesem Sinne eingeschränkt sind auch die - die damalige Entschei-
dung nicht tragenden - Ausführungen im Senatsurteil vom 26. Januar 2005
(FamRZ 2005, 612, 614) zu verstehen, die sich ausdrücklich auf den bloßen
Samenspender beziehen. Soweit die Ausführungen einen darüber hinausge-
henden Inhalt haben, hält der Senat daran nicht fest.
2. Dass die Mutter und ihre Lebenspartnerin eine Stiefkindadoption an-
streben, ist schließlich unabhängig von dem zwischen den Parteien streitigen
Umstand, ob der Kläger ursprünglich mit diesem Vorhaben einverstanden war,
für die Vaterschaftsanfechtung als alleinigen Gegenstand des vorliegenden Ver-
fahrens nicht ausschlaggebend.
Ob die Lebenspartnerin der Mutter das Elternrecht erlangen kann, ist oh-
nedies nicht im vorliegenden Anfechtungsverfahren, sondern nur im Rahmen
einer Stiefkindadoption nach § 9 Abs. 7 LPartG zu entscheiden. Vor der Adopti-
on ist der Lebenspartner des Elternteils nach der Rechtsprechung des Bundes-
verfassungsgerichts selbst dann nicht Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2
Satz 1 GG, wenn er mit diesem und dessen Kind in einer sozial-familiären Be-
ziehung lebt. Das bis zur Adoption allein bestehende soziale Elternverhältnis
zum Kind des Lebenspartners begründet keine verfassungsrechtliche Eltern-
schaft (BVerfG FamRZ 2013, 521, 524). Auch die zwischen den Parteien strei-
tige Frage, ob der Kläger vor der Zeugung mit einer späteren Adoption durch
die Lebenspartnerin einverstanden war, wäre somit erst im Adoptionsverfahren
zu prüfen und dort im Rahmen der Kindeswohldienlichkeit zu berücksichtigen.
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Das von der Revision angeführte Recht auf Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG,
das auch der Lebenspartnerin der Mutter zustehe, ist für den vorliegenden
Streitgegenstand nicht erheblich. Denn durch die Anfechtung der Vaterschaft
wird in die bestehende soziale Familie nicht unmittelbar eingegriffen. Vielmehr
handelt es sich hierbei um ein Statusverfahren, welches ausschließlich die
rechtliche Elternstellung im Hinblick auf die Person des Vaters betrifft. Daher
stellt nach § 1600 Abs. 2 BGB allein eine sozial-familiäre Beziehung zum recht-
lichen Vater ein Hindernis für die Anfechtung dar. Sich aus der Statusänderung
ergebende mittelbare Folgen wie etwa eine mögliche Beteiligung am Sorge-
recht oder die Regelung des Umgangs zwischen Vater und Kind sind unter vor-
rangiger Berücksichtigung des Kindeswohls in besonderen Verfahren zu klären.
Die Anerkennung der Vaterschaft durch einen die (soziale) Elternschaft
nicht anstrebenden Dritten ist demnach jedenfalls kein legitimes Mittel, um eine
Adoption zu erleichtern, indem der an einer Elternschaft in Wirklichkeit nicht
interessierte rechtliche Vater in die Adoption nach § 9 Abs. 7 LPartG, § 1747
BGB einwilligt. Ein solches Vorgehen würde nicht nur die Grundlage für die im
Adoptionsverfahren anzustellende Beurteilung durch das Familiengericht verfäl-
schen, sondern auch einen Missbrauch des durch die Anerkennung erworbe-
nen Elternrechts darstellen, das allein zu dem Zweck eingesetzt würde, den
dauerhaften Ausschluss des leiblichen Vaters von der Elternstellung zu errei-
chen (vgl. auch EGMR FamRZ 2004, 1456 sowie BVerfG FamRZ 2004, 1857).
Einen solchen Rechtsmissbrauch zu unterbinden und dem leiblichen Vater den
Zugang zur Elternstellung zu ermöglichen, entspricht schließlich der Zielsetzung
der in § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB eingeräumten Vaterschaftsanfechtung.
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3. Im Ergebnis steht demnach das Anfechtungsrecht nach § 1600 Abs. 1
Nr. 2 BGB auch dem Samenspender zu, wenn kein Fall des § 1600 Abs. 5 BGB
vorliegt.
Dose
Weber-Monecke
Klinkhammer
Schilling
Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 11.08.2010 - 315 F 226/09 -
OLG Köln, Entscheidung vom 17.05.2011 - 14 UF 160/10 -
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