Urteil des BGH vom 15.08.2002

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 139/06 Verkündet
am:
4. April 2007
Ermel,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EEG (2004) § 8 Abs. 2 Satz 2
Holz im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 2 EEG (2004) muss die Voraussetzung des
§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EEG (2004) erfüllen, dass der Strom aus-
schließlich aus Pflanzen oder Pflanzenbestandteilen gewonnen wird, die keiner
weiteren als der zur Ernte, Konservierung oder Nutzung in der Biomasseanlage
erfolgten Aufbereitung oder Veränderung unterzogen wurden. Es darf deswe-
gen kein Altholz der Kategorien A I und A II im Sinne von § 2 Nr. 4 der Altholz-
verordnung vom 15. August 2002 sein.
BGH, Urteil vom 4. April 2007 - VIII ZR 139/06 - OLG Jena
LG Erfurt
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. April 2007 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Wiechers
und Dr. Wolst sowie die Richterinnen Hermanns und Dr. Milger
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des
Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 26. April 2006 wird zu-
rückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin betreibt ein Holzheizkraftwerk, in dem auch Altholz der Ka-
tegorien A I und A II der Altholzverordnung vom 15. August 2002 (AltholzVO,
BGBl. I S. 3302) verbrannt wird. Die im Einzelnen streitige Leistung des Kraft-
werks beträgt jedenfalls bis zu 5 Megawatt. Die Klägerin speist den Strom auf
der Grundlage eines Vertrages aus dem Jahr 2002 in das Netz der Beklagten
ein.
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Nach dem Inkrafttreten des neu gefassten Gesetzes für den Vorrang Er-
neuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG) vom 21. Juli 2004
(BGBl. I S. 1918) am 1. August 2004 begehrte die Klägerin von der Beklagten
unter Berufung auf § 8 Abs. 2 Satz 2 EEG eine Erhöhung der Stromeinspeise-
vergütung. Dies lehnte die Beklagte ab.
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In dem vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin deswegen von der
Beklagten für die Einspeisung von 20.318.968 KWh Strom in den Monaten Au-
gust 2004 bis Februar 2005 über die dafür bereits geleistete Vergütung hinaus
Zahlung weiterer 507.974,21 € zuzüglich Mehrwertsteuer nebst Verzugszinsen.
Die Parteien streiten darüber, ob sich die Stromeinspeisevergütung nach § 8
Abs. 2 Satz 2 EEG auch dann um 2,5 Cent pro Kilowattstunde erhöht, wenn der
Strom nicht nur aus unbehandeltem Neuholz, sondern wie in dem Kraftwerk der
Klägerin auch durch die Verbrennung von Altholz gewonnen wird. Das Landge-
richt (RdE 2006, 59) hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht (OLG-
NL 2006, 140 = OLGR Jena 2006, 645 = RdE 2006, 280) hat die Berufung der
Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat im Einzelnen ausgeführt:
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Eine nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EEG erhöhte Vergütung stehe der Klägerin
nicht zu, da sie in ihrer Anlage nicht nur unbehandeltes Neuholz, sondern auch
Altholz der Kategorien A I und A II nach § 2 Nr. 4 AltholzVO verbrenne. Holz im
Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 2 EEG müsse auch Holz im Sinne von § 8 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EEG sein. Dies ergebe eine Auslegung nach dem Wort-
laut, der Systematik, der Entstehungsgeschichte und dem aus der Gesetzesbe-
gründung hervorgehenden Zweck der Vorschrift. Die abweichende Auslegung
durch die Beklagte (richtig: Klägerin) und durch das im Rahmen der Berufungs-
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begründung vorgelegte Rechtsgutachten von Prof. Dr. S. sei nicht überzeu-
gend.
II.
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Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Sie ist daher zurückzu-
weisen. Zu Recht hat das Berufungsgericht den von der Klägerin unter Beru-
fung auf § 8 Abs. 2 Satz 2 EEG geltend gemachten Anspruch auf Zahlung wei-
terer 507.974,21 € zuzüglich Mehrwertsteuer für die in den Monaten August
2004 bis Februar 2005 aus ihrem Holzheizkraftwerk in das Netz der Beklagten
eingespeiste Strommenge von 20.318.968 KWh verneint, weil die Vorausset-
zungen der genannten Vorschrift für eine Erhöhung der Mindestvergütung nach
§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EEG beziehungsweise hier gemäß § 21 Abs. 1 EEG
nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 EEG aF um 2,5 Cent pro Kilowattstunde nicht erfüllt sind.
Nach Satz 2 des § 8 Abs. 2 EEG, der im vorliegenden Fall gemäß § 21
Abs. 1 Nr. 4 EEG Anwendung findet, erhöhen sich abweichend von Satz 1 die
Mindestvergütungen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 um 2,5 Cent pro Kilowattstun-
de, wenn der Strom durch die Verbrennung von Holz gewonnen wird. Gemäß
dem angeführten Satz 1 des § 8 Abs. 2 EEG erhöhen sich die Mindestvergü-
tungen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 um jeweils 6,0 Cent pro Kilowattstun-
de und die Mindestvergütungen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 um 4,0 Cent pro
Kilowattstunde. Voraussetzung dafür ist unter anderem gemäß Nr. 1 Buchst. a
des § 8 Abs. 2 Satz 1 EEG, dass der Strom ausschließlich aus Pflanzen oder
Pflanzenbestandteilen gewonnen wird, die keiner weiteren als der zur Ernte,
Konservierung oder Nutzung in der Biomasseanlage erfolgten Aufbereitung
oder Veränderung unterzogen wurden. Zu Recht hat das Berufungsgericht wie
schon das Landgericht angenommen, dass Holz im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 2
EEG die vorgenannte Voraussetzung des § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a
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EEG erfüllen, also – verkürzt ausgedrückt – unbehandeltes Neuholz sein muss,
dagegen nicht verunreinigtes Altholz der Kategorien A I und A II im Sinne des
§ 2 Nr. 4 AltholzVO sein darf, wie es auch in dem Holzheizkraftwerk der Kläge-
rin verbrannt wird. Der Senat schließt sich insoweit der eingehenden und insge-
samt überzeugenden Begründung des Berufungsgerichts an. Zusammenfas-
send und ergänzend ist auszuführen:
1. Für die Auslegung des Berufungsgerichts spricht zunächst der Wort-
laut des § 8 Abs. 2 Satz 2 EEG. Zwar könnte das dort verwendete Wort "Holz"
für sich allein genommen auch Altholz jeder Art umfassen. Dem steht jedoch
entgegen, dass die Vorschrift mit der Wendung "Abweichend von Satz 1" einge-
leitet wird. Die Abweichung betrifft lediglich die in Satz 1 ausgesprochene
Rechtsfolge. Sie bezieht sich nach der Satzstellung unmittelbar auf die Erhö-
hung der Mindestvergütungen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EEG, die nach
Satz 1 des § 8 Abs. 2 EEG 4,0 Cent pro Kilowattstunde, nach Satz 2 jedoch nur
2,5 Cent pro Kilowattstunde beträgt. Zudem kann für den Satz 2 des § 8 Abs. 2
EEG nichts anderes gelten als für den Satz 2 des § 8 Abs. 1 EEG, der ebenfalls
mit der Wendung "Abweichend von Satz 1" eingeleitet wird. Dort bezieht sich
die Abweichung von Satz 1 aber unstreitig lediglich auf die Rechtsfolge, nämlich
die Höhe der Mindestvergütung. Betrifft somit die Abweichung in § 8 Abs. 2
Satz 2 EEG nicht die in Satz 1 aufgestellten Voraussetzungen einer Erhöhung,
bleibt auch die Voraussetzung nach Satz 1 Nr. 1 Buchst. a unberührt, dass der
Strom ausschließlich aus Pflanzen oder Pflanzenbestandteilen gewonnen wird,
die keiner weiteren als der zur Ernte, Konservierung oder Nutzung in der Bio-
masseanlage erfolgten Aufbereitung oder Veränderung unterzogen wurden.
Demgemäß kommt als Holz im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 2 EEG nur unbehan-
deltes Neuholz in Betracht (so auch Altrock/Oschmann/Theobald, EEG, § 8
Rdnr. 70).
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2. Das ergibt sich auch aus dem Aufbau, der Systematik, dem Zweck
und der Begründung des Gesetzes.
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a) Die Sätze 3 und 4 des § 8 Abs. 2 EEG regeln, wann der Anspruch aus
Satz 1 auf Erhöhung der Mindestvergütung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3
EEG entsteht und entfällt. Den Satz 2 erwähnen sie insoweit nicht. Dies spricht
dagegen, dass Satz 2 gegenüber Satz 1 eine eigenständige Regelung der Er-
höhung der Mindestvergütung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EEG ist. Andernfalls
wäre auch die Stellung des Satzes 2 zwischen dem Satz 1 einerseits und den
sich allein auf Satz 1 beziehenden Sätzen 3 und 4 andererseits systematisch
verfehlt. Der Umstand, dass Satz 2 erst im Laufe des Gesetzgebungsverfah-
rens auf Empfehlung des Umweltausschusses in § 8 Abs. 2 EEG eingefügt
worden ist (vgl. BT-Drs. 15/2864 S. 8/9 zu Antrag Nr. 9 unter 2 b), rechtfertigt
keine andere Beurteilung. Das hätte es gegebenenfalls nicht ausgeschlossen,
die Sätze 3 und 4 auf die Regelung des Satzes 2 zu erstrecken und diese sys-
tematisch richtig in einen gesonderten Absatz des § 8 EEG einzustellen.
b) Im Rahmen der durch § 8 EEG bezweckten Förderung der Gewinnung
von Strom aus Biomasse bevorzugt die Vorschrift kleine Anlagen, indem in Ab-
satz 1 die Mindestvergütung und in Absatz 2 deren Erhöhung mit zunehmender
Leistung der Anlagen geringer wird. Durch die Bevorzugung der kleineren Anla-
gen soll diesen ausweislich der Gesetzesbegründung trotz vergleichsweise hö-
herer Kosten ein wirtschaftlicher Betrieb ermöglicht werden (BT-Drs. aaO
S. 39). In Einklang mit diesem Gesetzeszweck steht es, dass Satz 2 des § 8
Abs. 2 EEG gemäß der hier vertretenen Auslegung gegenüber Satz 1 eine ge-
ringere Erhöhung der Mindestvergütung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EEG, also
für Strom aus größeren Anlagen, vorsieht, wenn dieser Strom durch die – nur
eingeschränkt erwünschte (vgl. die Gesetzesbegründung, aaO S. 40: "Fehlan-
reize vermeiden") – Verbrennung von unbehandeltem Neuholz gewonnen wird.
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Dagegen wäre es systemwidrig, wenn gemäß der Gegenansicht in § 8 Abs. 2
Satz 2 EEG durch die Begrenzung auf die Erhöhung der Mindestvergütung
nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 die Verbrennung von Altholz ausschließlich in den
Anlagen der dritten Stufe zusätzlich vergütet würde. Letztlich wäre dadurch die
nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EEG erhöhte Vergütung für die Verbrennung von Altholz
in der dritten Stufe (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EEG) mit (8,9 + 2,5 =) 11,4 Cent pro
Kilowattstunde höher als die nicht nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EEG erhöhte Min-
destvergütung von 9,9 Cent pro Kilowattstunde nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
EEG (zweite Stufe) und fast so hoch wie die gleichfalls nicht erhöhte Vergütung
von 11,5 Cent pro Kilowattstunde nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EEG (erste Stu-
fe). Eine Rechtfertigung für eine solche systemwidrige Bevorzugung der leis-
tungsstärkeren Anlagen auf der Vergütungsstufe des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
EEG gegenüber den leistungsschwächeren Anlagen auf den Vergütungsstufen
des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 EEG lässt sich der Gesetzesbegründung
nicht entnehmen.
c) Auch die Gesetzesmaterialien deuten darauf hin, dass das Holz im
Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 2 EEG die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 Buchst. a EEG erfüllen muss. So ist bereits in der Begründung des Um-
weltausschusses für die Einfügung des jetzigen Satzes 2 in § 8 Abs. 2 EEG von
der "Beschränkung des Bonus für nachwachsende Rohstoffe bei der Verbren-
nung von Holz in Anlagen mit einer Leistung von mehr als 500 kW" die Rede
(BT-Drs. aaO S. 16). Dementsprechend heißt es in der Gesetzesbegründung,
dass Satz 2 die Anwendbarkeit des Absatzes 2 auf Biomasseanlagen mit einer
Leistung von über 500 kW installierter Leistung "einschränkt", wenn in diesen
Holz verbrannt wird (aaO S. 40). Wäre § 8 Abs. 2 Satz 2 EEG entgegen der hier
vertretenen Auffassung eine eigenständige Regelung der Erhöhung der Min-
destvergütung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EEG, die auch für die Verbrennung
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von Altholz gilt, würde es sich insoweit gegenüber Satz 1 nicht um eine Be-
schränkung, sondern ganz im Gegenteil um eine Erweiterung handeln.
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3. Nach alledem kann kein Zweifel daran bestehen, dass das Holz im
Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 2 EEG die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 Buchst. a EEG erfüllen muss, was für das Altholz der Kategorien A I und
A II der AltholzVO, das auch in dem Holzheizkraftwerk der Klägerin verbrannt
wird, nicht zutrifft. Daher ist den Ausführungen der Revision, im Zweifelsfall
müsse nach dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) und dem daraus folgenden
Gebot der Normklarheit gerade bei einem Fördergesetz, das Grundlage für er-
hebliche Investitionen sei, das Vertrauen darauf geschützt werden, dass unter
dem vom Gesetzgeber verwendeten gebräuchlichen Begriff "Holz" auch Altholz
zu verstehen sei, bereits im Ansatz die Grundlage entzogen. Zudem weist die
Revisionserwiderung zu Recht darauf hin, dass die Klägerin sich schon deswe-
gen nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, weil sie das Holzheizkraftwerk
bereits errichtet hatte, bevor überhaupt das Gesetzgebungsverfahren begonnen
hatte, das zu dem Erneuerbare-Energien-Gesetz vom 21. Juli 2004 mit der hier
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in Rede stehenden Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 geführt hat.
Ball
Wiechers
Dr. Wolst
Hermanns
Dr. Milger
Vorinstanzen:
LG Erfurt, Entscheidung vom 20.09.2005 - 1 HKO 103/05 -
OLG Jena, Entscheidung vom 26.04.2006 - 2 U 1054/05 -