Urteil des BGH vom 07.06.2010

BGH (verfügung, antragsteller, akten, verwahrung, verwaltungsakt, antrag, notar, beschwerde, wirkung, ergebnis)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
NotZ 2/10
Verkündet
am:
7.
Juni
2010
Holmes
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Verfahren
wegen Verwahrung von Notarsakten
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 7. Juni 2010 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin
Diederichsen, den Richter Dr. Herrmann, die Notarin Dr. Doyé und den Notar
Eule
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Se-
nats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Köln vom 4. März
2010 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller hat die Gerichtskos-
ten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die dem Antrags-
gegner im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen
Kosten zu erstatten.
Gegenstandswert: 5.000 €
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist Notar im Bezirk des Antragsgegners. Mit Verfügung
des Präsidenten des Oberlandesgerichts vom 31. Januar 2000 wurde ihm ent-
sprechend seinem Antrag vom 12. Januar 2000 die Verwahrung der Urkunden,
Akten und Bücher seiner Amtsvorgänger, Notare H. und Prof. Dr. K., sowie des
anstelle des Notars Prof. Dr. K. tätig gewesenen Notariatsverwalters gemäß
§ 51 Abs. 1 Satz 2 BNotO i.V.m. § 47 Abs. 1 AVNot NW (a.F.) übertragen. Au-
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ßerdem wurde dem Antragsteller aufgegeben, die Vollzähligkeit der übernom-
menen Notariatsunterlagen für die Zeit seit dem 16. Februar 1970 nachzuprüfen
und das Ergebnis der Nachprüfung alsbald auf dem Dienstwege mitzuteilen. Im
Jahre 1997 hatte der Amtsvorgänger des Antragstellers Notar H. dem Amtsge-
richt B. die Akten seines Amtsvorgängers Prof. Dr. K. aus den Jahren 1931 bis
1960 zur Verwahrung übergeben. Die Akten bis 1949 wurden zwischenzeitlich
an das Hauptstaatsarchiv D. abgegeben. Am 12. September 2000 übergab der
Antragsteller die Akten der Jahrgänge 1961 bis 1970 dem Amtsgericht B. zur
Verwahrung. In gleicher Weise übergab er am 11. März 2003 die Akten der
Jahrgänge 1971 bis 1973 und im April 2005 die Akten der Jahrgänge 1974 bis
1975. Mit Schreiben vom 2. Juli 2008 forderte der Antragsgegner den An-
tragsteller auf, entsprechend der Verfügung des Präsidenten des Oberlandes-
gerichts vom 31. Januar 2000 die Akten der Jahrgänge 1950 bis 1975 in die
eigene Verwahrung zurückzunehmen.
Dagegen hat der Antragsteller beim Oberlandesgericht Antrag auf ge-
richtliche Entscheidung gestellt. Er hält die Verfügung des Antragsgegners vom
2. Juli 2008 für einen selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt. Dieser sei
rechtswidrig und aufzuheben. Hilfsweise begehrt er, unter Aufhebung der Ver-
fügung im Übrigen die Rücknahme der Unterlagen in die eigene Verwahrung
des Antragstellers erst für die Zeit ab dem 16. Februar 1970 anzuordnen. Das
Oberlandesgericht hat den Antrag des Antragsstellers mit dem angefochtenen
Beschluss zurückgewiesen.
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Zur Begründung hat es ausgeführt: Zwar bestünden schon Bedenken
gegen die Zulässigkeit des Antrags, weil dem Schreiben des Antragsgegners
vom 2. Juli 2008 ein eigenständiger belastender Regelungsgehalt fehle. Letzt-
lich werde dem Antragsteller nur die Erfüllung der bestandskräftigen Verfügung
des Präsidenten des Oberlandesgerichts vom 31. Januar 2000 abverlangt. Die-
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se Frage bedürfe jedoch keiner Klärung. Die Entgegennahme der Akten durch
das Amtsgericht B. in den Jahren 2000, 2003 und 2005 habe jedenfalls den von
dem Präsidenten des Oberlandesgerichts erlassenen und überdies bestands-
kräftigen Verwaltungsakt nicht abgeändert.
Gegen diesen Beschluss des Oberlandesgerichts wendet sich der An-
tragsteller mit der sofortigen Beschwerde.
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II.
Die gemäß § 111 Abs. 4 Satz 1 BNotO a.F. i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zu-
lässige Beschwerde ist unbegründet. Gemäß § 118 Abs. 3 BNotO n.F. werden
die vor dem 1. September 2009 anhängigen gerichtlichen Verfahren in verwal-
tungsrechtlichen Notarsachen nach den bis zu diesem Tag geltenden Bestim-
mungen einschließlich der kostenrechtlichen Regelungen fortgeführt. Da der
Antrag auf gerichtliche Entscheidung am 9. Juli 2008 gestellt worden ist, richtet
sich mithin das Verfahren nach § 111 BNotO a.F. Das Oberlandesgericht hat im
Ergebnis zutreffend den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.
Der Antrag ist bereits nicht zulässig, weil die angefochtene Verfügung des An-
tragsgegners vom 2. Juli 2008 mangels eines eigenständigen rechtlichen Rege-
lungsgehalts kein Verwaltungsakt ist.
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Gemäß § 111 Abs. 1 Satz 2 BNotO a.F. können Verwaltungsakte, die
nach der Bundesnotarordnung ergehen, durch einen Antrag auf gerichtliche
Entscheidung angefochten werden. Verwaltungsakte sind Entscheidungen einer
Verwaltungsbehörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffent-
lichen Rechts, von denen eine unmittelbare rechtliche Wirkung ausgeht (BGHZ
57, 351, 353; BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1962 - NotZ 7/62 - DNotZ
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1963, 357, 358; vom 22. Oktober 1979 - NotZ 4/79 - DNotZ 1980, 181, 182 und
Beschluss vom 5. Dezember 1988 - NotZ 5/88 - BGH-DAT Zivil). Zwar kann die
Behörde den durch einen unanfechtbaren belastenden Verwaltungsakt geregel-
ten Einzelfall durch eine neue Sachentscheidung wiederum regeln. Dann liegt
ein neuer Verwaltungsakt vor, der angefochten werden kann (BGHZ 57, 351,
353; BVerfGE 13, 99, 101). Der Hinweis auf eine frühere Verfügung ist jedoch
kein neuer Verwaltungsakt, sofern damit lediglich über die durch einen voran-
gegangenen Verwaltungsakt bereits geregelte Rechtslage unterrichtet wird.
Dieser Fall ist aber hier gegeben.
Zweifellos handelt es sich bei der Verfügung des Präsidenten des Ober-
landesgerichts vom 31. Januar 2000 um einen Verwaltungsakt, weil damit dem
Antragsteller die Verpflichtung zur Verwahrung der Akten seiner Amtsvorgänger
übertragen worden ist. Zutreffend weist das Oberlandesgericht in dem angegrif-
fenen Beschluss jedoch darauf hin, dass der angegriffenen Aufforderung des
Antragsgegners, zuvor übergebene Akten wieder zurückzunehmen, ein eigen-
ständiger belastender Regelungsgehalt fehlt. Dem Antragsteller wird dadurch
letztlich nur abverlangt, sich an die bestandskräftige Verfügung des Präsidenten
des Oberlandesgerichts vom 31. Januar 2000 zu halten. Es ging dem Antrags-
gegner ausdrücklich darum, dass der Antragsteller die Notarsakten im Einklang
mit der Verfügung vom 31. Januar 2000 wieder in die eigene Verwahrung
nimmt.
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Dem Antragsteller kann ferner nicht in der Auffassung gefolgt werden,
dass die Verfügung des Präsidenten des Oberlandesgerichts durch die Über-
nahme der Aktenjahrgänge bis 1975 in die Verwahrung des Amtsgerichts B.
abgeändert worden sei. Zwar war durch § 2 der Verordnung zur Übertragung
von Befugnissen nach der Bundesnotarordnung vom 26. Februar 2002 (GVBl.
NRW S. 94) dem Antragsgegner mit Wirkung vom 1. April 2002 für seinen Be-
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zirk die Befugnis übertragen worden, die Verwahrung der Akten und Bücher der
Notarinnen oder Notare sowie der ihnen amtlich übergebenen Urkunden einem
anderen Amtsgericht, einer Notarin oder einem Notar zu übertragen. Auch ist
unerheblich, in welcher Form ein Verwaltungsakt, um welchen es sich bei einer
abändernden Verfügung handeln würde, ergeht. Maßgeblich ist vielmehr der
objektive Sinngehalt der Regelung, wie er sich aus der Sicht des Adressaten
darstellt (vgl. Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO 6. Aufl. § 111
Rn. 10). Soweit der Antragsteller geltend macht, er habe im Benehmen mit Jus-
tizamtsinspektor Sch. gehandelt, fehlte diesem jedenfalls auch aus der Sicht
des Antragstellers in offenkundiger Weise schon der Wille und die rechtliche
Befugnis zur Änderung der Verfügung vom 31. Januar 2000. Justizamtsinspek-
tor Sch. hatte bei dem Landgericht B. die Verwaltungsgeschäftsstelle inne und
war für die Führung der Notarakte des Antragstellers zuständig; er konnte als
Geschäftsstellenbeamter jedoch keine inhaltlichen Entscheidungen treffen.
Auch im Übrigen fehlt jedweder - nach außen getretene - Anhaltspunkt dafür,
dass er die Verfügung des Präsidenten des Oberlandesgerichts hätte abändern
wollen. Ein schützenswertes Vertrauen auf die Beibehaltung der der Verfügung
des Präsidenten des Oberlandesgerichts vom 31. Januar 2000 offenkundig zu-
wider laufenden Übung und auf Fortdauer der Verwahrung der bereits überge-
benen Akten durch das Amtsgericht B. kann danach dem Antragsteller, für den
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die Unvereinbarkeit der Aktenübernahme mit der Verfügung vom 30. Januar
2000 auch im Hinblick auf seine juristische Vorbildung ohne weiteres erkennbar
war, nicht zugebilligt werden.
Galke Diederichsen Herrmann
Doyé Eule
Vorinstanz:
OLG Köln, Entscheidung vom 04.03.2010 - 2 X (Not) 26/08 -