Urteil des BGH vom 04.10.2001

BGH (zpo, darlehen, schiedsvertrag, gesellschaft, schiedsklausel, schiedsvereinbarung, schiedsgericht, gegenstand, gesellschaftsvertrag, 1995)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 281/00
Verkündet am:
4. Oktober 2001
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke
für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 18. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Köln vom 9. November 2000 wird zurück-
gewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die klagende Kommanditgesellschaft beansprucht von dem Beklagten,
einem ihrer Kommanditisten, die Rückzahlung des mit Vertrag vom 3. Januar
1996 gewährten Darlehens. Sie hat im Urkundenprozeß ein Vorbehaltsurteil
erwirkt, durch das der Beklagte zur Zahlung von 160.981,76 DM nebst Zinsen
verurteilt worden ist.
Im Nachverfahren hat der Beklagte erstmals die Schiedseinrede erho-
ben und sich dazu auf den Schiedsvertrag berufen, den die Gesellschafter der
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Klägerin am 26. September 1995 geschlossen hatten. Dort heißt es, daß "für
alle Streitigkeiten aus diesen Gesellschaftsverträgen [d.h. den Verträgen über
die Errichtung der Klägerin und der Komplementär-GmbH], sei es der Gesell-
schaft mit Gesellschaftern, sei es von Gesellschaftern untereinander in Ange-
legenheiten der Gesellschaft auch über Fragen der Rechtswirksamkeit des Ge-
sellschaftsvertrages und dieses Schiedsvertrages, ... der ordentliche Rechts-
weg ausgeschlossen sein und - soweit gesetzlich zulässig - statt dessen die
Entscheidung durch ein Schiedsgericht erfolgen" soll (Vorbemerkungen zum
Schiedsvertrag Abs. 2 Satz 1).
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Schiedseinrede nicht
durchgreifen lassen und das Vorbehaltsurteil für vorbehaltlos erklärt. Mit der
Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren, das Vorbehaltsurteil aufzuheben
und die Klage abzuweisen, weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt
begründet:
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Es könne dahinstehen, ob es sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit um
eine gesellschaftsspezifische Streitigkeit handele, die von der Schiedsverein-
barung erfaßt werde. Die Einrede des Schiedsvertrages könne jedenfalls im
Nachverfahren nicht mehr wirksam erhoben werden. Dem Vorbehaltsurteil
komme, soweit es nicht auf den eigentümlichen Beschränkungen der Beweis-
mittel im Urkundenprozeß beruhe, Bindungswirkung für das Nachverfahren zu.
Dementsprechend schließe das klagestattgebende Vorbehaltsurteil die Be-
rücksichtigung der Schiedseinrede im Nachverfahren aus, weil sie als prozeß-
hindernde Einrede den Beschränkungen der §§ 592, 595 Abs. 2 und 3 ZPO
nicht unterliege. Das Nachverfahren erstrecke sich auch nicht auf den Ein-
wand, die Kündigung des Darlehens sei vertraglich ausgeschlossen gewesen.
II.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung im Ergebnis stand.
1.
Die Klage ist zulässig; der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten ist
eröffnet.
a) Die Entscheidung, ob die Klage als unzulässig abzuweisen ist, weil
der Beklagte sich auf den Abschluß einer Schiedsvereinbarung berufen hat,
richtet sich nach § 1032 Abs. 1 ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Neure-
gelung des Schiedsverfahrensrechts (Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz
- SchiedsVfG) vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3224). Denn dieses gericht-
liche Verfahren ist am 26. Februar 1999, nach Inkrafttreten des Schiedsverfah-
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rens-Neuregelungsgesetzes am 1. Januar 1998, anhängig geworden (vgl.
Art. 4 § 1 Abs. 3 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 SchiedsVfG). Die Wirksamkeit des am
26. September 1995 geschlossenen Schiedsvertrages beurteilt sich dagegen
noch nach altem Recht (vgl. Art. 4 § 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 SchiedsVfG).
§ 1032 Abs. 1 ZPO (n.F.) bestimmt - soweit hier maßgeblich -, daß das
Gericht die Klage, die in einer Angelegenheit erhoben wird, die Gegenstand
einer Schiedsvereinbarung ist, als unzulässig abzuweisen hat, sofern der Be-
klagte dies vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügt. Die
Voraussetzungen einer solchen Prozeßabweisung liegen nicht vor.
b) Es kann dahinstehen, ob die Schiedseinrede schon daran scheitert,
daß der Beklagte sie erst im Nachverfahren - schriftsätzlich am 24. September
1999, innerhalb der ihm zur Darlegung seiner Rechte im Nachverfahren ge-
setzten Frist, sowie in der mündlichen Verhandlung vom 2. November 1999 -
erhoben hat. Die Schiedseinrede greift jedenfalls nicht durch, weil die Klage
nicht in einer Angelegenheit erhoben worden ist, die Gegenstand der Schieds-
vereinbarung ist (vgl. § 1032 Abs. 1 ZPO).
Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob der vorliegende Rechtsstreit
von der Schiedsvereinbarung erfaßt wird. Der Senat kann sie aber selbst aus-
legen. Die dazu erforderlichen tatsächlichen Grundlagen sind in dem Beru-
fungsurteil und im unstreitigen Sachverhalt gegeben; daß die Parteien durch
ergänzendes Vorbringen noch erhebliches Material für die Auslegung der
Schiedsklausel beibringen könnten, ist nach Lage der Sache nicht zu erwarten.
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Die Auslegung der Schiedsklausel durch den Senat ergibt, daß der ein-
geklagte Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens nicht in die Zuständigkeit
des Schiedsgerichts fällt.
aa) Die Reichweite eines Schiedsvertrages richtet sich nach dem Willen
der Parteien, die darüber zu bestimmen haben, welche Streitigkeit sie der Ent-
scheidung des Schiedsgerichts unterwerfen wollen. Es ist also zu prüfen, was
zunächst der Schiedsvertrag darüber besagt; zu beachten sind ferner spätere
Vereinbarungen, die unter Umständen die Schiedsklausel über ihren ursprüng-
lichen Rahmen erweitern, sie andererseits aber auch einschränken können
(BGHZ 40, 320, 325). Eine Abrede, die Meinungsverschiedenheiten oder Strei-
tigkeiten aus einem Vertrag allgemein einem Schiedsgericht zuweist, ist grund-
sätzlich weit auszulegen (BGHZ 53, 315, 319 ff; vgl. auch BGH, Urteil vom
10. Dezember 1970 - II ZR 148/69 - BB 1971, 369, 370).
bb) Eine Schiedsklausel, die alle im Zusammenhang mit dem Hauptver-
trag entstehenden Streitfragen zur Entscheidung des Schiedsgerichts stellt
(vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1970 aaO), liegt hier nicht vor. Das
Schiedsgericht ist nur "für alle Streitigkeiten aus diesen Gesellschaftsverträ-
gen, sei es der Gesellschaft mit Gesellschaftern, sei es von Gesellschaftern
untereinander in Angelegenheiten der Gesellschaft auch über Fragen der
Rechtswirksamkeit des Gesellschaftsvertrages und dieses Schiedsvertrages"
zuständig (Vorbemerkungen zum Schiedsvertrag Abs. 2 Satz 1). Ähnlich heißt
es in § 17 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages der Klägerin vom 26. September
1995, daß ein Schiedsgericht über "Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsver-
hältnis auch über die Rechtswirksamkeit des Gesellschaftsvertrages oder ein-
zelner seiner Bestimmungen" entscheiden soll. Für die Zuständigkeit des
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Schiedsgerichts kommt es mithin darauf an, ob die Klage - nach dem behaup-
teten Sachverhalt, nicht nach der zivilrechtlichen Grundlage des daraus her-
geleiteten Anspruchs (Senatsurteil BGHZ 102, 199, 200) - eine Streitigkeit "aus
dem Gesellschaftsvertrag" (oder "aus dem Gesellschaftsverhältnis") zum Ge-
genstand hat. Die Frage ist zu verneinen; es geht im Streitfall um die Rück-
zahlung eines Darlehens.
Das Darlehen ist zwar im schriftlichen Vertrag vom 3. Januar 1996 als
"Gesellschafterdarlehen" bezeichnet worden. Auf "gesellschaftsrechtlicher
Grundlage" ist es jedoch - insoweit ist der Revision nicht zu folgen - nicht aus-
gereicht worden. Das Darlehen diente nach der unangefochtenen Feststellung
des Berufungsgerichts nicht einem geschäftlichen Zweck der klagenden Ge-
sellschaft, sondern dazu, einen privaten Kredit des Beklagten abzulösen.
Dementsprechend hat sich der Beklagte verpflichtet, "die Zinsen, Tilgung und
andere(n) Kosten" eines Darlehens zu tragen, das die Klägerin ihrerseits zur
Refinanzierung des ihm gewährten Darlehens aufgenommen hat (Abs. 2 des
Darlehensvertrages vom 3. Januar 1996). Wohl sind das Darlehen und die
- den Refinanzierungskredit der Klägerin betreffenden - Zahlungsverpflichtun-
gen des Beklagten, die angeblich erst ab einem 60.000 DM übersteigenden
Gewinnanteil entstehen sollten, einem Gesellschafterkonto des Beklagten be-
lastet worden. Diese buchhalterischen Maßnahmen änderten indes nichts dar-
an, daß es sich bei dem Darlehen um einen von dem Gesellschaftsvertrag zu
trennenden Sachverhalt handelte.
Es kann auch nicht die Rede davon sein, daß vorwiegend Einwendun-
gen des Beklagten "aus dem Gesellschaftsvertrag" den eigentlichen Gegen-
stand der "Streitigkeit" bilden, so daß der ganze Rechtsstreit als "Streitigkeit ...
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aus diesen Gesellschaftsverträgen" im Sinne der Vorbemerkungen zum
Schiedsvertrag angesehen werden müßte (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember
1963 - KZR 9/62 - LM Nr. 20 zu § 1025 ZPO ). Der Be-
klagte hat sich hauptsächlich damit verteidigt, das Darlehen sei nach seinem
Sinn und Zweck unkündbar gewesen; es sei langfristig gewährt worden. Kon-
krete, auf dem Gesellschaftsvertrag beruhende Rechte oder Pflichten, die dem
Darlehensrückzahlungsanspruch der Klägerin entgegenstehen könnten, hat er
nicht benannt. Im Gegenteil hat er selbst - im Zusammenhang mit der Frage
nach der Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen gemäß § 95 Abs. 1
Nr. 4 lit. a GVG - ursprünglich auf dem Standpunkt gestanden, es handele sich
bei dem vorliegenden Rechtsstreit nicht um einen Gesellschaftsprozeß (S. 2
des Schriftsatzes des Beklagtenvertreters vom 15. März 1999).
2.
Die - mithin einer Schiedsklausel nicht unterworfene - Klage ist begrün-
det.
Dem geltend gemachten Darlehensanspruch (§ 607 Abs. 1 BGB) setzt
die Revision entgegen, das Darlehen sei nicht wirksam gekündigt worden; die
Kündigung sei vertraglich ausgeschlossen gewesen. Auf diesen Einwand kann,
wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, sich das Nachverfahren nicht
mehr erstrecken. Das Landgericht hat ihn im Vorbehaltsurteil mangels hinrei-
chender Substantiierung, also nicht aufgrund der im Urkundenprozeß gelten-
den Beweismittelbeschränkung, als unbegründet zurückgewiesen. Damit steht
die Bindungswirkung des § 318 ZPO der Berücksichtigung des Einwandes ent-
gegen, und zwar ungeachtet dessen, daß er im Nachverfahren vertieft begrün-
det worden ist. Neuen Sachvortrag, der im Nachverfahren erheblich wäre (vgl.
BGH, Urteil vom 24. November 1992 - XI ZR 86/92 - NJW 1993, 668; Senats-
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urteil vom 1. Oktober 1987 - III ZR 134/86 - NJW 1988, 1468), zeigt die Revisi-
on nicht auf.
Rinne
Wurm
Kapsa
Dörr
Galke