Urteil des BGH vom 29.05.2002
BGH (bedrohung, verurteilung, stpo, stgb, vernehmung, hamburg, aufhebung, höhe, aussetzung, nähe)
5 StR 199/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 29. Mai 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Bedrohung u.a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Mai 2002
beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird
das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 27. Dezember
2001 nach § 349 Abs. 4 StPO
a) in den Schuldsprüchen dahin ab-
geändert, daß jeweils die tateinheitliche Verurteilung
wegen Landfriedensbruchs entfällt,
b) aufgehoben
aa) bei dem Angeklagten G im Aus-
spruch über die Höhe der einheitlichen Jugend-
strafe, einschließlich der Entscheidung über de-
ren Aussetzung zur Bewährung,
bb) bei dem Angeklagten Gh im
Rechtsfolgenausspruch.
1. Die weitergehenden Revisionen werden
nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache
zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten der Rechtsmittel, an das Amtsgericht Hamburg –
Jugendschöffengericht – zurückverwiesen.
- 3 -
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des Landfriedensbruchs
in Tateinheit mit Bedrohung für schuldig befunden, den Angeklagten
G ferner der Bedrohung in zwei Fällen, der Beleidigung in fünf
Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, sowie der gefährli-
chen Körperverletzung. Es wurden gegen den Angeklagten G
unter Einbeziehung von zwei rechtskräftigen Urteilen, mit denen er je-
weils zu Jugendstrafe verurteilt worden war, eine einheitliche Jugendstrafe
von einem Jahr und sechs Monaten, gegen den Angeklagten Gh
zwei Wochen Jugendarrest verhängt.
Die Revisionen beider Angeklagter führen jeweils mit der Sachrüge zu
einer Schuldspruchänderung zugunsten der Angeklagten, welche die Aufhe-
bung der Rechtsfolgenaussprüche, bei Gh umfassend, bei
G teilweise, nach sich zieht. Darüber hinaus sind die Revi-
sionen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Insoweit wird auf die Antrags-
schrift des Generalbundesanwalts vom 6. Mai 2002 Bezug genommen. Die
Schriftsätze der Verteidiger vom 21. und 29. Mai 2002 haben dem Senat
vorgelegen.
1. Die Verurteilung der Angeklagten wegen Landfriedensbruchs gemäß
§ 125 Abs. 1 Nr. 2 StGB hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand. Es fehlt
an tragfähigen Feststellungen zum Tatbestandsmerkmal der Menschenmen-
ge. Vor der Polizeirevierwache fanden sich möglicherweise nur zehn Perso-
nen ein, die dort gemeinsam diensthabende Beamte unter anderem mit ihrer
Tötung bedrohten. Diese Personenzahl reicht als solche zur Annahme einer
Menschenmenge noch nicht aus, es sei denn, es kämen eine besondere
Unübersichtlichkeit am Tatort oder sonstige besondere Umstände hinzu (vgl.
BGHR StGB § 125 Menschenmenge 1; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl.
§ 124 Rdn. 2a m. w. N.), wofür es indes an Feststellungen fehlt. Da hierfür
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auch keine hinreichenden Anhaltspunkte bestehen und die verbleibende
Beurteilung der Tat als gemeinschaftliche Bedrohung keinen Rechtsfehler
zum Nachteil der Angeklagten erkennen läßt, kann der Senat über den so
reduzierten Schuldspruch abschließend entscheiden.
Auf die Verfahrensrüge des Angeklagten Gh , die Ab-
lehnung eines für den Fall der Verurteilung wegen Landfriedensbruchs ge-
stellten Hilfsbeweisantrages betreffend, kommt es danach nicht an. Soweit
dieser Antrag, der auf zeugenschaftliche Vernehmung des Vaters der Ange-
klagten, eines Augenzeugen der Tat, gerichtet war, wegen tatsächlicher Be-
deutungslosigkeit abgelehnt wurde, liegt indes die von der Revision gerügte
unzulässige Einengung des Beweisthemas außerordentlich nahe.
2. Trotz der immerhin verbleibenden Nähe der Tat zu einem Landfrie-
densbruch läßt sich ein Beruhen der Rechtsfolgenaussprüche auf dem
Rechtsfehler nicht mit letzter Sicherheit gänzlich auszuschließen. Der Senat
schließt indes bei dem Angeklagten G im Blick auf die zahl-
reichen weiteren Schuldsprüche, die Vorbelastungen dieses Angeklagten
und den Bewährungsbruch aus, daß eine mindere Sanktion als die Verhän-
gung einer einheitlichen Jugendstrafe nach § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG in Be-
tracht kommen könnte. Über deren Höhe und die Frage ihrer Aussetzung zur
Bewährung wird ein neuer Tatrichter – hier das Jugendschöffengericht – zu
entscheiden haben, desgleichen über den gesamten Rechtsfolgenausspruch
gegen den Angeklagten Gh .
Der neue Tatrichter wird dabei die rechtsfehlerfrei getroffenen, insge-
samt – auch zu den einbezogenen früheren Urteilen gegen den Angeklagten
G – aufrechtzuerhaltenden Feststellungen des angefochte-
nen Urteils zugrundezulegen haben. Er darf sie lediglich durch neue wider-
spruchsfreie Feststellungen ergänzen, die namentlich zur weiteren persönli-
chen Entwicklung der Angeklagten zu treffen sein werden. Nicht zu den auf-
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rechterhaltenen Feststellungen gehören die als wahr unterstellten, im an-
gefochtenen Urteil indes nicht erörterten Beweisbehauptungen aus dem Be-
weisantrag des Angeklagten G auf zeugenschaftliche Ver-
nehmung eines Sozialarbeiters. Hierüber wird bei erneutem entsprechenden
Beweisantritt der neue Tatrichter zu befinden haben und die unter Beweis
gestellten Behauptungen, sofern er sie feststellt oder zugunsten des Ange-
klagten G unterstellt, bei der von ihm zu treffenden Rechts-
folgenentscheidung, namentlich zur Strafaussetzung, zu berücksichtigen
und im Urteil zu erörtern haben.
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