Urteil des BGH vom 13.11.2003
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 356/03
Verkündet am:
15. März 2005
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
LuftVG (1999) § 33 Abs. 1 Satz 2, §§ 44 bis 51
Zur Haftung nach den §§ 44 bis 51 Luftverkehrsgesetz bei einem sogenannten
"Schnupperflug".
BGH, Urteil vom 15. März 2005 - VI ZR 356/03 - OLG Celle
LG Hildesheim
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. März 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Celle vom 13. November 2003 im Ko-
stenpunkt und insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil des Be-
klagten ergangen ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger begehren Schadensersatz wegen eines Flugunfalls, bei dem
der Ehemann der Klägerin zu 1 bzw. Vater der Kläger zu 2 und 3 (künftig: D.),
und der Halter des Luftfahrzeugs, der Fluglehrer K., ums Leben gekommen
sind. Der Beklagte ist durch Beschluß des Nachlaßgerichts vom 10. Juni 2002
zum Nachlaßpfleger für die unbekannten Erben des Fluglehrers K. bestellt wor-
den.
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Am 24. Juli 1999 veranstaltete der Drachensportclub W. e.V., dem D. als
aktives Mitglied angehörte, einen Tag der offenen Tür. Aus diesem Anlaß bot K.
Besuchern und Vereinsmitgliedern den Mitflug in seinem zweisitzigen Ultra-
Leichtflugzeug an. D., der Drachenflieger war, hatte bereits erwogen, eine Pilo-
tenausbildung für solche Flugzeuge zu beginnen. Er nahm deshalb das Ange-
bot des K. wahr. Während des Fluges nahm D. den vorderen Sitz des zweisitzi-
gen Flugzeugs ein, der üblicherweise dem verantwortlichen Piloten vorbehalten
ist. K., der hinter D. saß, konnte auch von dort aus das Flugzeug steuern.
Nachdem dieses sich in eine steile Aufwärtsbewegung begeben hatte, kam es
zum Absturz, bei dem beide Insassen ums Leben kamen.
Die Kläger behaupten, K. habe zum Unfallzeitpunkt gelenkt und sei in
grob fahrlässiger Weise ein riskantes Flugmanöver geflogen. Der Beklagte be-
streitet dies und erhebt die Einrede der Verjährung.
Die Klägerin zu 1 begehrt Ersatz der für die Bestattung ihres Ehemannes
aufgewendeten Kosten in Höhe von 10.598,50 DM (= 5.418,93 €). Weiterhin
begehrt sie die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes und die Fest-
stellung der Schadensersatzpflicht für sämtliche materiellen und immateriellen
Schäden, welche ihr auf Grund des Flugunfalls entstanden sind, soweit diese
Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind. Die Klägerin zu 2 und der Kläger
zu 3 begehren als die noch minderjährigen Kinder des verstorbenen unterhalts-
pflichtigen D. eine im voraus zu entrichtende monatliche Geldrente in Höhe von
jeweils 160 € bis zur Vollendung ihres 18. Lebensjahres einschließlich der rück-
ständigen Beträge ab August 1999, sowie die Feststellung der Verpflichtung
des Beklagten, sämtlichen darüber hinausgehenden Unterhaltsschaden zu er-
setzen.
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Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der Zahlungsansprüche und
dem Antrag auf Feststellung der Pflicht zum Ersatz des Unterhaltsschadens im
wesentlichen stattgegeben; die Klage auf angemessenes Schmerzensgeld und
auf Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für weitere Schäden hat es ab-
gewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten mit der Maß-
gabe zurückgewiesen, daß die Verpflichtung des Beklagten nicht über die Zah-
lung eines Gesamtbetrages von 163.613,40 € (= 320.000 DM) hinausgehe. Mit
der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der vollen
Klagabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht - dessen Urteil in OLGR Celle 2004, 69 veröffent-
licht ist - ist der Auffassung, der Beklagte hafte als Nachlaßpfleger für die unbe-
kannten Erben des Fluglehrers K. nach §§ 44, 47, 35 Abs. 2 Luftverkehrsgesetz
(Fassung ab 1. März 1999) für die durch den Tod des D. eingetretenen materi-
ellen Schäden. D. habe mit dem Fluglehrer K. als Luftfrachtführer einen Beför-
derungsvertrag geschlossen und sei bei dem "Schnupperflug" Fluggast im Sin-
ne des § 44 Abs. 1 Luftverkehrsgesetz (a.F.) gewesen. Nach der Definition des
Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 30. November 1983 - IVa ZR 32/82 -
VersR 1984, 155) sei Fluggast derjenige, der weder das Luftfahrzeug verant-
wortlich führe noch den verantwortlichen Luftfahrzeugführer zu unterstützen
bzw. sonstige Dienste im Flugzeug zu verrichten habe. Selbst wenn D. zeitwei-
se die Steuerung des Flugzeugs übernommen habe, habe er dadurch lediglich
in die Funktion und die Bedienung eines Ultra-Leichtflugzeugs "hineinschnup-
pern" wollen. Dadurch sei er weder Flugzeugführer noch zu einem Mitglied des
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"fliegenden Personals" geworden, das seitens des Flugbetreibers zu einer Tä-
tigkeit angestellt worden sei, um - aus fliegerischer Notwendigkeit - bestimmte
Funktionen zu übernehmen. D. sei auch nicht Flugschüler gewesen, da ein
Schulungsvertrag noch nicht abgeschlossen, sondern letztlich das Fernziel des
"Schnupperfluges" gewesen sei. Den Flug habe K. auch nicht aus reiner Gefäl-
ligkeit, sondern mit Blick auf die beabsichtigte spätere Schulung des Unter-
haltspflichtigen aus luftsportlichem Interesse durchgeführt. Es sei deshalb von
einem unentgeltlichen Beförderungsvertrag zwischen D. und K. auszugehen.
Obwohl ein Transport von einem Ort zu einem anderen Ort nicht geschuldet
gewesen sei, sei eine Beförderung gegeben. Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (Senatsurteil BGHZ 88, 70, 74) sei nämlich auch bei einem
Rundflug von einer Beförderung auszugehen. Daran ändere nichts, daß der
Flug aus luftsportlichem Interesse durchgeführt worden sei.
Die Ansprüche der Kläger seien auch nicht verjährt. Zwar sei die Klage
genau 3 Jahre und einen Tag nach dem Unfall eingereicht worden. Eine Kennt-
nis von der Person des Ersatzpflichtigen - dem Beklagten als Nachlaßpfleger -
hätten die Kläger aber frühestens mit dessen Bestellung erlangt.
II.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. An-
sprüche der Kläger gegen den Beklagten nach §§ 44, 47, 48 Abs. 1, 35 Luftver-
kehrsgesetz, § 1967 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 1960 Abs. 3, 1958 BGB kommen
mangels eines auf Beförderung im Sinne des Luftverkehrsgesetzes gerichteten
Vertrages zwischen D. und K. nicht in Betracht.
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1. Im Ansatz zutreffend prüft das Berufungsgericht die §§ 44, 47, 35 Luft-
verkehrsgesetz in der zum Zeitpunkt des Fluges geltenden Fassung (§ 72 Luft-
verkehrsgesetz) als in Frage kommende Haftungsnormen für die Ansprüche der
Kläger.
a) Keinen rechtlichen Bedenken begegnet die Beurteilung des verun-
glückten Ultraleichtflugzeugs als Luftfahrzeug im Sinne des § 1 Abs. 2 Luftver-
kehrsgesetz. Dementsprechend war K. als Halter des Flugzeuges auch der
verantwortliche Luftfrachtführer. Dies wird von der Revision auch nicht in Frage
gestellt.
b) Eine Haftung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 nebst §§ 34 bis 43 Luftver-
kehrsgesetz kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil D. Insasse des verun-
glückten Flugzeugs war. Die Gefährdungshaftung nach diesen Vorschriften
greift nämlich nicht zu Gunsten des Geschädigten ein, der am Betrieb des Luft-
fahrzeugs selbst beteiligt war. Sie betrifft nur Personen und Sachen, die sich im
Unfallzeitpunkt nicht im Flugzeug befinden (vgl. Senatsbeschluß vom 8. Mai
1962 - VI ZA 6/62 - VersR 1962, 530; Senatsurteile BGHZ 88, 70, 72; vom
25. Mai 1971 - VI ZR 248/69 - VersR 1971, 863 und vom 23. Oktober 1990
- VI ZR 329/89 - VersR 1991, 341; Giemulla/Schmid, Frankfurter Kommentar
zum Luftverkehrsrecht, § 33 Luftverkehrsgesetz, Rdnr. 3; Hofmann/Grabherr,
§ 33 Luftverkehrsgesetz, Rdnr. 5; Schleicher/Reymann/Abraham, 3. Aufl., § 33
Luftverkehrsgesetz, Anm. 4; Geigel/Mühlbauer, Haftpflichtprozeß, 24. Aufl.,
29. Kap., Rdnr. 21).
c) Für die Haftung gegenüber einem Flugzeuginsassen und seinen ge-
setzlich unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen sind hingegen die Haftungsvor-
schriften nach den §§ 44 bis 51 Luftverkehrsgesetz maßgebend. Vorausset-
zung für die besondere Haftung des Luftfrachtführers nach den §§ 44 bis 51
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Luftverkehrsgesetz ist, daß zwischen dem Flugzeuginsassen und dem Luft-
frachtführer ein auf Beförderung gerichteter Vertrag bestanden hatte. Davon
geht auch das Berufungsgericht aus.
aa) Hingegen spielt im Streitfall keine Rolle, ob für die Haftung nach dem
Luftverkehrsgesetz die im Versicherungsrecht geltende Definition des Flugga-
stes (§ 4 Nr. (3) lit. a der AUB 61 i.d.F. von 1961 (VerBAV 1961, 211) oder i.d.F.
von 1984 (VerBAV 1984, 10) oder gemäß § 3 Abs. 3 der Bedingungen für die
Unfall-Zusatzversicherung (BBUZ; i.d.F. von 1984, VerBAV 1984, 2, 6)) gilt,
wonach Fluggast ist, wer als Flugzeuginsasse nicht zum fliegenden Personal
oder zum Flugzeugpersonal zählt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 30. November
1983 - IVa ZR 32/82 - VersR 1984, 155; im Grundsatz ebenso: BGH, Urteil vom
16. Juni 1999 - IV ZR 44/98 - VersR 1999, 1224, 1225; OLG Koblenz VersR
1998, 1146, 1147). Die maßgebenden Kriterien für die Definition des Flugga-
stes im Sinne der Versicherungsbedingungen könnten - entgegen der Auffas-
sung des Berufungsgerichts - bei Anwendung des Luftverkehrsgesetzes nicht
ohne nähere Prüfung herangezogen werden. Insoweit bestehen erhebliche Un-
terschiede nach Normzusammenhang, Sinn und Zweck der entsprechenden
Versicherungsbedingungen und der Haftungsvorschriften nach dem Luftver-
kehrsgesetz.
bb) Im Streitfall kommt es darauf jedoch nicht an, weil sich D. dem Flug-
lehrer K. jedenfalls nicht zum Zwecke der Beförderung anvertraut hat und mithin
der Flug nicht in Erfüllung eines Beförderungvertrags unternommen wurde. Die-
ses Erfordernis für die Haftungserleichterungen nach den §§ 44 ff. Luftver-
kehrsgesetz ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 Satz 2
Luftverkehrsgesetz, wonach für die Haftung aus dem Beförderungsvertrag ge-
genüber einem Fluggast … die besonderen Vorschriften der §§ 44 bis 54 gel-
ten. Des weiteren lautet die Überschrift des betreffenden zweiten Unterab-
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schnitts des Luftverkehrsgesetzes in der für den Streitfall geltenden Fassung
"Haftung aus dem Beförderungsvertrag". Dementsprechend kommen die §§ 44
bis 51 Luftverkehrsgesetz und insbesondere die damit verbundene Beweiser-
leichterung in § 45 Luftverkehrsgesetz (a.F.) nur zur Anwendung, wenn der Flug
aufgrund eines Beförderungsvertrags durchgeführt wird (vgl. Senatsbeschluß
vom 8. Mai 1962 - VI ZA 6/62 - aaO; Senatsurteile BGHZ 76, 32, 33; BGHZ 88,
70, 72 f.; vom 14. November 1967 - VI ZR 216/65 - LM Nr. 5 zu § 44 Luftver-
kehrsgesetz und vom 25. Mai 1971 - VI ZR 248/69 - aaO, S. 863; Hofmann/
Grabherr, Luftverkehrsgesetz 2. Aufl., § 44 Rdnr. 13).
cc) Für die Beantwortung der Frage, ob ein Beförderungsvertrag gege-
ben ist, ist die dem Flug zugrundeliegende Interessenlage insbesondere hin-
sichtlich des mitfliegenden Insassen maßgebend.
(1) Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte und der Begründung
zu § 33 Abs. 1 Luftverkehrsgesetz. § 33 Abs. 1 Luftverkehrsgesetz beruht wort-
gleich auf § 19 Abs. 1 Luftverkehrsgesetz in der Fassung des Änderungsgeset-
zes vom 16. Juli 1957 (BGBl. I 1957, 710, 712). Vor diesem Änderungsgesetz
war mit dem 4. Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes vom 26. Januar
1943 (RGBl. I 1943, 69) eine sehr weitgehende gesetzliche Haftpflicht für die
Flugausbildung eingeführt worden, was mit der damaligen gesteigerten Bedeu-
tung der vormilitärischen Flugausbildung begründet wurde (vgl. amtliche Be-
gründung in DJ 1943, 123, 124 zu § 29m Luftverkehrsgesetz). Demgegenüber
entschied sich 1957 der Gesetzgeber, die Haftung für Schäden bei der Flug-
ausbildung gänzlich aus dem Luftverkehrsgesetz herauszunehmen. Es erschien
ihm nunmehr "keineswegs angebracht", dem Flugschüler die erleichterten Haf-
tungsvoraussetzungen aus dem Luftverkehrsgesetz weiterhin zugute kommen
zu lassen, denn "der Flugschüler begibt sich bewußt in die Gefahren des Luft-
verkehrs" (Regierungsentwurf, BT-Drucks. II/1265, S. 13). Demnach hielt es der
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Gesetzgeber nicht für angemessen, demjenigen die Haftungserleichterungen
des Luftverkehrsgesetzes zukommen zu lassen, der sich für die technische Sei-
te der Luftfahrt und damit auch für die gefahrenbegründenden Abläufe des Luft-
verkehrs interessiert, diese Technik und diese Gefahren kennenlernen will und
vor allem deshalb an dem zum Schadensereignis führenden Flug teilnimmt.
Nach § 33 Abs. 1 Satz 3 Luftverkehrsgesetz verbleibt es in einem solchen Fall
bei der Haftung nach den allgemeinen Vorschriften gegenüber Personen, die zu
Luftfahrern ausgebildet werden.
(2) Dem entspricht die Rechtsprechung des erkennenden Senats, wo-
nach es an einem Beförderungsvertrag fehlt, wenn der Flug zum Zwecke der
Ausübung des Flugsports angetreten wurde. Steht die flugsportliche Betätigung
ganz im Vordergrund, während die Beförderung nur einen zwar notwendigen,
aber unselbständigen Faktor für diesen Bestimmungsgrund darstellt, entspre-
chen die diesen Flügen zugrundeliegenden Rechtsbeziehungen in aller Regel
nicht der Pflichten- und Risikozuordnung eines Beförderungverhältnisses (vgl.
Senatsurteile BGHZ 88, 70, 72 f. und vom 25. Mai 1971 - VI ZR 248/69 - VersR
1971, 863 für die Durchführung eines Schleppfluges; ebenso OLG Karlsruhe,
VersR 1969, 287; LG Frankfurt/Main, VersR 1994, 1485 f.). Die Haftungser-
leichterungen nach den §§ 44 bis 51 Luftverkehrsgesetz sollen nämlich nur ein-
greifen, wenn das Beförderungsinteresse gegenüber dem an dem Erlernen
oder der Ausübung des Flugsports im allgemeinen gegebene im Vordergrund
steht und dem Flug sein Gepräge gibt.
(3) Ein Beförderungsvertrag im Sinne der §§ 44 ff. Luftverkehrsgesetz ist
deshalb nur dann gegeben, wenn das Interesse des Flugzeuginsassen haupt-
sächlich darin besteht, in der Luft befördert zu werden, sei es um an einen an-
deren Ort zu gelangen oder wie bei einem Rundflug auch nur in den Luftraum
zu kommen, um etwa eine besondere Höhensicht zu erhalten oder bei einer
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Ballonfahrt, um ein besonderes Fluggefühl zu erfahren. Dementsprechend hat
der erkennende Senat bei Ballonfahrten von Gästen eines luftsportlichen Ver-
eins (vgl. Senatsurteil vom 14. November 1967 - VI ZR 216/65 - aaO; ferner
OLG München VersR 1990, 1247 mit Nichtannahmebeschluß des Senats vom
29. Mai 1990 - VI ZR 278/89 -) und für einen Rundflug zur Golfplatzbesichtigung
für ein passives Vereinsmitglied (vgl. Senatsurteil BGHZ 88, 70, 74) einen Be-
förderungsvertrag bejaht. Der wesentliche Zweck der Beförderung muß somit
darin liegen, dem Fluggast den Nutzen einer Ortsveränderung - sei es auch nur
in die Höhe - und/oder ihm einen fliegerischen Genuß zu verschaffen, der sich
aus dem Gefühl des Fliegens selbst ergibt. Nur bei einer solchen Konstellation
begibt sich der Fluggast hinsichtlich der technischen Bewältigung in die Obhut
des Luftfrachtführers und sieht es letzterer zugleich als seine vertragliche Auf-
gabe an, vollumfänglich für die technische Bewältigung des Fluges Sorge zu
tragen, um dem Fluggast die Vorteile des Fliegens zu verschaffen.
Dieses Obhutsverhältnis zum Nutzen des Fluggastes charakterisiert den
Beförderungsvertrag im Sinne der § 33 Abs. 1 Satz 2, §§ 44 bis 51 Luftver-
kehrsgesetz (vgl. Giemulla/Schmid, aaO, § 33 Luftverkehrsgesetz, Rdnr. 3; § 44
Luftverkehrsgesetz, Rdnr. 52) und stellt den Grund für das vermutete Verschul-
den des Luftfrachtführers im Falle eines Flugunfalls dar (vgl. Giemulla/Schmid,
aaO, § 44 Luftverkehrsgesetz, Rdnr. 3). Eben weil dabei allein dem Luftfracht-
führer die technische Abwicklung und damit die Abwendung der im Luftverkehr
drohenden Gefahren obliegt und der Fluggast nur die sich aus dem Fliegen er-
gebenden Vorteile ziehen soll, ist der Fluggast vom Nachweis eines Verschul-
dens entlastet. Die Anwendung der §§ 44 bis 51 Luftverkehrsgesetz kommt da-
her nur bei Vorliegen eines solchen Obhutsverhältnisses in Betracht.
d) Nach den von der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststel-
lungen des Berufungsgerichts sind im Streitfall diese Voraussetzungen nicht
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gegeben. Danach wollte D. durch den Flug Flugeigenschaften und Bedienung
des Ultra-Leichtflugzeuges des K. kennenlernen. Dementsprechend nahm D. im
Flugzeug den vorderen Platz ein, der gewöhnlich dem Piloten oder dem Flug-
schüler vorbehalten ist. Als aktiver Drachenflieger wollte er die flugtechnischen
Aspekte eines Fluges mit einem Ultra-Leichtflugzeug kennenlernen, sei es um
zumindest diese luftsportliche Erfahrung zu machen oder um sich schließlich für
die Ausbildung in diesem Fluggerät zu entscheiden. Hingegen bestand sein
Interesse an dem Flug nicht darin, befördert zu werden. Vielmehr trat die ei-
gentliche Beförderungsleistung in den Hintergrund.
Die Kläger haben deshalb gegen den Beklagten keine Ansprüche auf-
grund der besonderen Haftung nach den Vorschriften des Luftverkehrsgeset-
zes.
2. Eine Haftung des Beklagten kommt allerdings nach den allgemeinen
Vorschriften in Betracht, insbesondere aus deliktischer Sicht (§§ 823 Abs. 1,
844 BGB).
a) Insoweit haben die Kläger in ihrer Replik auf die Klageerwiderung zu
einem Verschulden seitens des Fluglehrers K. hinreichend vorgetragen und
Beweis angeboten. Auch dem Vortrag des Beklagten, der Unfall sei auf einen
Herzinfarkt des Fluglehrers K. zurückzuführen, sind die Kläger - unter Beweis-
antritt - entgegengetreten. Aus der Sicht des Berufungsgerichts kam es hierauf
bisher nicht an. Dem wird nunmehr nachzugehen sein.
b) Schadensersatzansprüche nach den §§ 823 Abs. 1, 844 BGB sind
auch nicht verjährt, § 852 BGB a.F.. Das Berufungsgericht weist in diesem Zu-
sammenhang zu Recht darauf hin, daß den Klägern erst mit der Bestellung des
Beklagten als Nachlaßpfleger für die unbekannten Erben des K. am 10. Juni
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2002 die gerichtliche Geltendmachung ihrer Ansprüche möglich wurde und
dementsprechend erst die Verjährungsfrist zu laufen begann.
III.
Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben und die Sache an das Be-
rufungsgericht zurückzuverweisen.
Müller Greiner Diederichsen
Pauge Zoll