Urteil des BGH vom 21.08.2003
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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 284/03
Verkündet am:
23. Juni 2004
Kirchgeßner,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren ge-
mäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis 19. Mai 2004 durch die Vorsitzen-
de Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Beyer, Wiechers und Dr. Wolst so-
wie die Richterin Hermanns
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil der Zivilkam-
mer 61 des Landgerichts Berlin vom 21. August 2003 aufgehoben
und
das
Urteil
des
Amtsgerichts
Charlottenburg
vom
11. Dezember 2002 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, der Erhöhung der Bruttokaltmiete der
von
ihr
bewohnten
Wohnung
G. -Straße ,
4. Obergeschoß rechts, Berlin, von bisher monatlich 324,47 € um
64,89 € auf nunmehr 389,36 € (zuzüglich Vorschuß Heizung und
Warmwasser in Höhe von monatlich 60,92 €) ab dem 1. Juni 2002
zuzustimmen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte mietete von der Klägerin mit Vertrag vom 31. Januar 1997
im Haus G. -Straße in Berlin im 4. Obergeschoß eine Woh-
nung. Die Modernisierung der Wohnung war entsprechend den Vereinbarungen
im Modernisierungsvertrag vom 10. Oktober/12. November 1979 zwischen der
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Klägerin und dem Land Berlin mit öffentlichen Mitteln gefördert worden. Der
Modernisierungsvertrag enthält unter anderem folgende Klauseln:
"§ 2
...
(6) Nach Beendigung der Modernisierungs- und Instandset-
zungsmaßnahmen ist - soweit preisrechtlich zulässig - von ei-
ner Miete in Höhe von 4,80 DM/qm/Monat (ohne Umlage für
Heizung, Warmwasser und Personenaufzug) auszugehen.
Basis ist die von Berlin genehmigte Schlußabrechnung. Diese
Miete soll für die ersten drei Jahre nach Beendigung der Mo-
dernisierungs-
und
Instandsetzungsmaßnahmen
um
1 DM/qm/Monat gesenkt werden. Nach Ablauf der drei Jahre
soll die Miete für weitere drei Jahre um 0,50 DM/qm/Monat
abgesenkt werden. Die durch die Mietminderung verursachten
Mindereinnahmen des Eigentümers werden durch Vorauszah-
lungsmittel gemäß § 39 Abs. 5 StBauFG gedeckt. Sie sind ein
Teil des Kostenerstattungsbetrages gemäß § 43 StBauFG
(siehe § 3 Abs. 8 ff.).
(7) Bis zum Ablauf des neunten vollen Kalenderjahres, das dem
Jahr der Bezugsfertigkeit nach Durchführung der Modernisie-
rungs- und Instandsetzungsmaßnahmen folgt, darf keine hö-
here Miete erhoben werden, als sich bei Zugrundelegen der
endgültigen Wirtschaftlichkeitsberechnung ergibt. Gesetzliche
Grundmietenerhöhungen dürfen bei Anwendung einer Er-
tragsberechnung nur auf der Basis der Grundmiete vor Durch-
führung der Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnah-
men erhoben werden. ..."
Mit Erklärung vom 13. März 2002 begehrte die Klägerin von der Beklag-
ten die Zustimmung zu einer Erhöhung der Bruttokaltmiete von 324,47 € um
64,89 € auf 389,36 € zuzüglich eines Vorschusses für Heizung und Warmwas-
ser in Höhe von monatlich 60,92 € ab dem 1. Juni 2002. Sie berief sich dabei
auf den Berliner Mietspiegel für die westlichen Bezirke. Das Mieterhöhungsver-
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langen enthält keine Abzugsbeträge für die erhaltene öffentliche Förderung. Die
Beklagte stimmte dem Mieterhöhungsverlangen der Klägerin nicht zu. Mittlere
Bezugsfertigkeit nach Durchführung der Modernisierungsmaßnahmen ist seit
über 23 Jahren gegeben.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin die Zustimmung der Beklagten zu ih-
rer Mieterhöhungserklärung vom 13. März 2002. Das Amtsgericht hat die Klage
abgewiesen. Das Landgericht hat die hiergegen von der Klägerin eingelegte
Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revisi-
on verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Es könne dahinstehen, ob das Mieterhöhungsverlangen wegen fehlender
Angabe von Abzugsbeträgen bereits formell unwirksam sei. Die Klägerin habe
im Rahmen des Modernisierungsvertrages vom 10. Oktober 1979 öffentliche
Förderungen für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen erhalten.
Solche Zuschüsse seien gemäß § 558 Abs. 5 BGB grundsätzlich als Drittmittel
im Sinne von § 559 a BGB bei einer Mieterhöhung nach § 558 BGB von dem
Jahresbetrag des ortsüblichen Mietzinses abzuziehen.
Ein solcher Abzug entfalle nicht bereits deshalb, weil die Wohnung bei
Abschluß des Mietvertrages vom 31. Januar 1997 bereits modernisiert gewesen
sei. Der Wortlaut des § 558 Abs. 5 BGB enthalte eine solche Einschränkung
nicht. Vielmehr sei davon auszugehen, daß die erhaltenen Drittmittel unabhän-
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gig von der Person des jeweiligen Mieters und unabhängig davon, ob der fragli-
che Mietvertrag erst nach Auslaufen der öffentlichen Förderung abgeschlossen
worden sei, gemäß § 558 Abs. 5 BGB bei anstehenden Mieterhöhungen zu be-
rücksichtigen seien. Die gewährten Förderbeträge seien nicht an die Person
des jeweiligen Mieters gebunden, sondern würden wohnungsbezogen verge-
ben, so daß die öffentliche Förderung von Beginn an Gegenstand des Mieter-
vertrages gewesen sei. Dem liege der Gedanke zugrunde, daß den Wohnwert
und die allgemeine Ausstattung der Wohnung verbessernde öffentliche Förder-
gelder ausschließlich den jeweiligen Mietern als Teil der Allgemeinheit zugute
kommen sollten.
Die Abzugspflicht sei auch nicht durch den erheblichen seit Abschluß der
Modernisierung und seit Auszahlung der Förderbeträge verstrichenen Zeitraum
entfallen. Das Gesetz sehe eine zeitliche Beschränkung nicht vor. Für eine
Analogie zu anderen gesetzlich formulierten Fristenregelungen bestehe in Er-
mangelung einer Gesetzeslücke kein Raum.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Wie der Senat in seiner noch zu den §§ 2, 3 MHG ergangenen Entscheidung
(Urteil vom 25. Februar 2004 - VIII ZR 116/03, WuM 2004, 283) dargelegt hat,
sind bei der Mieterhöhung wegen einer öffentlichen Förderung abzuziehende
Kürzungsbeträge nicht auf unbegrenzte Zeit zu berücksichtigen; entsprechen-
des hat für die Nachfolgebestimmungen der §§ 558, 559 a BGB zu gelten.
Vielmehr bedürfen die vorgenannten Vorschriften einer den Anforderungen des
Art. 14 GG gerecht werdenden verfassungskonformen Auslegung dahingehend,
daß die Anrechnung nur für einen bestimmten Zeitraum zu erfolgen hat. Würde
dem Eigentümer eines öffentlich geförderten Wohnraums auf unbegrenzte Zeit
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verboten, für diesen Wohnraum die ortsübliche Vergleichsmiete zu verlangen,
und zwar auch dann, wenn die geförderte Maßnahme längst nicht mehr mieter-
höhend wirkt und der Zuschuß somit "aufgebraucht" ist, wäre er ungerechtfertigt
schlechter gestellt als derjenige Vermieter, der für eine Modernisierung privates
Vermögen aufgewendet hat. Damit würde der Zweck der Regelungen der
§§ 558 und 559 a BGB verfehlt, die Modernisierung von Wohnungen durch Ein-
satz öffentlicher Gelder zu fördern, weil der Vermieter soweit wie möglich auf
die Inanspruchnahme einer Förderung verzichten würde (Senatsurteil vom
25. Februar 2004 aaO). Diese von Verfassung wegen vorzunehmende Ausle-
gung ist auch bei der jetzigen gesetzlichen Regleung der §§ 558, 559 a BGB
geboten (vgl. Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Aufl., § 558
Rdnr. 246).
Dabei kann für den vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob der Zeit-
raum, in dem Kürzungsbeträge von der Mieterhöhung abzusetzen sind, auf 10
oder auf 12 Jahre festzulegen ist. Jedenfalls 23 Jahre nach mittlerer Bezugsfer-
tigkeit und Gewährung des letzten Förderbetrages ist die gewährte Förderung
durch die verminderte Mieterhöhung aufgezehrt.
Da somit Kürzungsbeträge nach den §§ 558 Abs. 5, 559 a BGB von der
begehrten Mieterhöhung nicht abzuziehen waren, bedurfte es in dem Mieterhö-
hungsverlangen der Klägerin auch keiner Angaben über die gewährten Förder-
mittel (Senatsurteil vom 25. Februar 2004 aaO). Aus diesem Grund stellt sich
die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage, ob ein Mieterhöhungsverlangen
auch dann noch Kürzungsbeträge ausweisen muß, wenn zwischenzeitlich ein
Mieterwechsel unter Abschluß eines neuen Mietvertrages stattgefunden hat, im
vorliegenden Fall nicht. Das Mieterhöhungsverlangen vom 11. März 2002 war
formell wirksam.
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III.
Das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin ist im übrigen hinsichtlich der
Höhe nicht im Streit. Auf die Rechtsmittel der Klägerin ist daher das Berufungs-
urteil aufzuheben, und das erstinstanzliche Urteil ist antragsgemäß abzuändern
(§ 563 Abs. 3 ZPO).
Dr. Deppert
Dr. Beyer
Wiechers
Dr. Wolst
Hermanns