Urteil des BGH vom 06.07.2006

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 226/03 Verkündet
am:
6. Juli 2006
Walz
Justizamtsinspektor
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ
: nein
BGHR
:
ja
CMR Art. 13 Abs. 1 Satz 2
Eine Leistung des Transportversicherers auf den seinem Versicherungsnehmer
(Absender) wegen Verlustes des Transportgutes entstandenen Schaden führt
nicht zum Erlöschen der Ansprüche des frachtbriefmäßigen Empfängers der
Ware gegen den Frachtführer aus Art. 13 Abs. 1 Satz 2 CMR.
BGH, Urt. v. 6. Juli 2006 - I ZR 226/03 - OLG Frankfurt a.M.
LG
Darmstadt
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 6. Juli 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Bergmann
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 12. Zivilsenats in
Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
4. September 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückver-
wiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist im Februar 2001 durch Verschmelzung Rechtsnachfolge-
rin der A. N.V. (im Weiteren: A. N.V.) geworden. Sie nimmt
die Beklagte, ein belgisches Transportunternehmen, aus abgetretenem und
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übergegangenem Recht wegen des Verlustes von Transportgut auf Schadens-
ersatz in Anspruch.
Die Beklagte erhielt ausweislich des CMR-Frachtbriefs vom 13. Januar
1999 von der L. & Co. N.V. in Schoten/Belgien den Auftrag, einen
Container mit 691 Kartons Jeans zur L. Germany GmbH in Heu-
senstamm/Deutschland zu befördern. Ein Fahrer der Beklagten übernahm das
Gut am 13. Januar 1999 im Containerhof in Schoten und stellte den LKW an-
schließend gegen 20 Uhr auf einem offen zugänglichen und unbewachten
Parkplatz in der Nähe seiner Wohnung in Antwerpen ab. Von dort wurde das
Fahrzeug samt Container in der Nacht vom 13. auf den 14. Januar 1999 ge-
stohlen. Ein Teil der abhanden gekommenen Ware wurde später in verschiede-
nen R. -Märkten in Deutschland entdeckt und an die L. Germany
GmbH herausgegeben. Die Anzahl der herausgegebenen Jeans ist zwischen
den Parteien streitig.
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Die Klägerin hat behauptet, ihre Rechtsvorgängerin, die A. N.V., sei
zum Zeitpunkt des Schadensereignisses alleiniger Transportversicherer der
belgischen L. Unternehmen gewesen. Sie habe wegen des streitge-
genständlichen Warenverlustes über ihre belgische Agentin S. H.
N.V. an die L. & Co. Europe S.A. in Brüssel (im Weiteren: Versiche-
rungsnehmerin) eine Entschädigung i.H. von 12.846.904 BEF gezahlt. Sowohl
die Versicherungsnehmerin als auch die frachtbriefmäßige Empfängerin in
Deutschland hätten ihre Ansprüche gegen die Beklagte an die A. N.V. ab-
getreten.
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Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte hafte für den Verlust
des Transportgutes unbeschränkt, weil der Fahrer den mit besonders dieb-
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stahlsgefährdetem Gut beladenen Container entgegen einer Anordnung der
Beklagten nicht erst am 14. Januar 1999 von dem Containerhof in Schoten ab-
geholt und von dort aus direkt nach Heusenstamm gefahren habe.
Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 318.466,43 € (= 12.846.904 BEF)
nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat die Aktivlegitimation
der Klägerin bestritten und in Abrede gestellt, dass die A. N.V. alleiniger
Transportversicherer der L. Konzerngesellschaften gewesen sei. Es
sei unter anderem davon auszugehen, dass die amerikanische Muttergesell-
schaft A. Insurance Company den Schaden reguliert habe mit der Folge,
dass ein Schadensersatzanspruch auf diese übergegangen sei. Des Weiteren
hat die Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen für eine unbeschränkte
Haftung in Abrede gestellt und die Höhe des behaupteten Schadens bestritten.
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Das Landgericht hat die Klage mangels Aktivlegitimation der Klägerin ab-
gewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben.
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Mit der (vom Senat zugelassenen) Revision verfolgt die Klägerin ihr Kla-
gebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
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Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat die Klage für unbegründet erachtet, weil die
Klägerin nicht dargetan habe, dass ihr wegen des streitgegenständlichen Dieb-
stahls von Transportgut ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu-
stehe. Dazu hat es ausgeführt:
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An sich komme ein Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 CMR in Betracht, der der
L. & Co. N.V. in Schoten als Absenderin der Ware zustehe. Diese
habe jedoch keinen Schaden erlitten. Geschädigte sei vielmehr die Versiche-
rungsnehmerin, an die - so die Behauptung der Klägerin - am 14. Oktober 1999
auch die Versicherungsleistung ausgezahlt worden sei. Daraufhin habe die
Versicherungsnehmerin am 10. Januar 2000 Ansprüche gegen die Beklagte an
die A. N.V. abgetreten. Die Versicherungsnehmerin sei gegenüber der Be-
klagten mangels Bestehens eines Vertragsverhältnisses zwischen diesen Betei-
ligten jedoch nicht forderungsberechtigt. Vertragspartnerin der Beklagten sei die
L. & Co. N.V. in Schoten. Diese könne zwar möglicherweise zur
Drittschadensliquidation berechtigt sein. Sie habe ihre Rechte aus dem Trans-
portvertrag mit der Beklagten aber nicht auf die Rechtsvorgängerin der Kläge-
rin, die A. N.V., übertragen. Ein Rechtsübergang kraft Gesetzes aufgrund
Zahlung an die Versicherungsnehmerin habe ebenfalls nicht stattgefunden. Den
Anspruch der Versicherungsnehmerin auf Übertragung der Ansprüche der L.
& Co. N.V. aus dem Beförderungsvertrag habe die Klägerin nicht gel-
tend gemacht. Die Auftraggeberin der Beklagten habe ihre Ansprüche aus dem
Transportvertrag weder auf die Versicherungsnehmerin noch auf die A.
N.V. oder die Klägerin übertragen.
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Die Abtretung der Ansprüche aus dem Frachtvertrag seitens der L.
Germany GmbH am 10. Januar 2000 habe der A. N.V. ebenfalls
keinen Anspruch verschafft. Zwar könne der Empfänger des Gutes gemäß
Art. 13 Abs. 1 Satz 2 CMR im Falle des Verlustes Ansprüche aus dem Fracht-
vertrag geltend machen und diese auch abtreten. Wenn die Rechtsvorgängerin
der Klägerin aber - wie die Klägerin behaupte - am 14. Oktober 1999 Zahlung
an die Versicherungsnehmerin geleistet habe, sei ein Anspruch der L.
& Co. N.V. auf Entschädigung des Dritten durch Erfüllung erloschen
und habe nicht mehr abgetreten werden können.
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Der Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 15. August 2003, wonach es
sich bei der im Frachtbrief aufgeführten L. & Co. N.V. in Schoten le-
diglich um eine Unterabteilung der Versicherungsnehmerin ohne eigenständige
Rechtspersönlichkeit gehandelt habe, könne wegen Verspätung nicht mehr be-
rücksichtigt werden.
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Die Aktivlegitimation der Klägerin sei aber selbst dann nicht dargetan,
wenn deren (verspätete) Behauptung und auch das sonstige Vorbringen be-
rücksichtigt würden. Ein Schadensersatzanspruch der Versicherungsnehmerin
könne zwar durch Zahlung an die Klägerin oder durch Abtretung vom
10. Januar 2000 auf die A. N.V. übergegangen sein. Ein gesetzlicher For-
derungsübergang durch Zahlung hätte aber nur erfolgen können, wenn die A. -
N.V. zum Zeitpunkt der Zahlung Versicherer der geschädigten Versiche-
rungsnehmerin gewesen wäre, was indes unklar geblieben sei.
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Die Abtretung seitens der Versicherungsnehmerin vom 10. Januar 2000
habe der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin ebenfalls keinen Anspruch ver-
schaffen können, da nicht geklärt sei, ob nicht durch eine vorausgegangene
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Zahlung der Anspruch bereits auf einen anderen Versicherer übergegangen sei,
welcher dieser auch immer gewesen sein möge.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsur-
teils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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1. In der Revisionsinstanz ist davon auszugehen, dass die Beklagte ge-
mäß Art. 17 Abs. 1 i.V. mit Art. 3 CMR wegen des streitgegenständlichen Dieb-
stahls am 13./14. Januar 1999 grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtet
ist. Denn das am 13. Januar 1999 übernommene Gut ist während der Obhuts-
zeit der Beklagten in Verlust geraten.
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Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen steht einer Er-
satzpflicht der Beklagten nicht die von ihr erhobene Verjährungseinrede entge-
gen. Gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 2 CMR verjähren Ansprüche aus einer der
CMR unterliegenden Beförderung im Falle eines qualifizierten Verschuldens
(Art. 29 CMR) in drei Jahren. Die Klägerin hat sich darauf berufen, dass die
Voraussetzungen für eine unbeschränkte Haftung der Beklagten gemäß Art. 29
CMR erfüllt seien. An Feststellungen dazu fehlt es bislang, so dass in der Revi-
sionsinstanz davon auszugehen ist, dass der Anspruch nicht verjährt ist.
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2. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Beru-
fungsgerichts, die Klägerin habe nicht dargetan, dass ihr der Ersatzanspruch
gegen die Beklagte zustehe.
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a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Versicherungsnehmerin
als Geschädigte habe keine eigenen vertraglichen Ansprüche aus einem
Frachtvertrag gegen die Beklagte, da sie die Beklagte nicht mit dem Transport
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der Ware von Schoten/Belgien nach Heusenstamm/Deutschland beauftragt ha-
be. Der Beförderungsvertrag sei vielmehr zwischen der L. & Co.
N.V., bei der es sich um ein Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit
handele, und der Beklagten zustande gekommen. Die unter Beweis gestellte
Behauptung der Klägerin, die im CMR-Frachtbrief aufgeführte L.
& Co. N.V. sei lediglich eine unselbständige Unterabteilung der Versicherungs-
nehmerin, könne wegen Verspätung nicht mehr berücksichtigt werden.
b) Die Revision beanstandet mit Recht, dass die Zurückweisung des
Vorbringens der Klägerin zur Unselbständigkeit der L. & Co. N.V.
verfahrensfehlerhaft war.
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aa) Das Berufungsgericht hat mit Verfügung vom 12. August 2003 darauf
hingewiesen, dass Vertragspartnerin der Beklagten die L. & Co. N.V.
gewesen sei, und den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum
25. August 2003 eingeräumt. Die Klägerin hat daraufhin mit einem am
26. August 2003 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz unter Be-
nennung einer Zeugin vorgetragen, dass es sich bei der Versicherungsnehme-
rin und der L. & Co. N.V. um dieselbe Rechtspersönlichkeit handele
und die Versicherungsnehmerin Auftraggeberin der Beklagten gewesen sei.
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bb) Dieses Vorbringen der Klägerin durfte das Berufungsgericht gemäß
§§ 527 a.F., 296 Abs. 1 ZPO, die im vorliegenden Fall gemäß § 26 Nr. 5
EGZPO zur Anwendung kommen, nur zurückweisen, wenn seine Zulassung zu
einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits geführt hätte. Davon kann
hier aber nicht ausgegangen werden. Ein Gericht ist nach dem Gebot eines fai-
ren Verfahrens verpflichtet, eine Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits
durch zumutbare prozessleitende Maßnahmen gemäß §§ 139, 273 ZPO aufzu-
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fangen (vgl. BVerfG NJW 1998, 2044). Die Revision macht mit Recht geltend,
dass das Berufungsgericht die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zumindest
hätte darauf hinweisen müssen, dass es wegen der Kürze der Zeit bis zum
Verhandlungstermin am 4. September 2003 eine gerichtliche Ladung der Zeu-
gin nicht mehr veranlassen werde. Dementsprechend hätte es der Klägerin da-
her anheim geben müssen, die Zeugin zum Termin zu stellen (vgl. BGH, Urt. v.
25.3.1980 - KZR 10/79, NJW 1980, 1848, 1849), was nach den Darlegungen in
der Revisionsbegründung auch geschehen wäre. In der Revisionsinstanz ist
- wie die Revision ebenfalls dargelegt hat - davon auszugehen, dass die Zeugin
den Vortrag der Klägerin bestätigt hätte.
Handelt es sich bei der Versicherungsnehmerin aber um die Absenderin
der Ware, so ist sie Partei des mit der Beklagten geschlossenen Frachtvertra-
ges mit der Folge, dass ihr grundsätzlich aus Art. 17 Abs. 1 i.V. mit Art. 3 CMR
eigene vertragliche Schadensersatzansprüche wegen Verlustes des Gutes ge-
gen die Beklagte zustehen.
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c) Die Revision wendet sich auch mit Recht gegen die Annahme des Be-
rufungsgerichts, die Aktivlegitimation der Klägerin sei selbst dann nicht darge-
tan, wenn deren Behauptung, die Versicherungsnehmerin habe der Beklagten
einen Frachtauftrag erteilt, als richtig unterstellt werde.
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aa) Das Berufungsgericht ist in diesem Zusammenhang davon ausge-
gangen, dass durch Zahlung der Versicherungsleistung an die Versicherungs-
nehmerin deren Ansprüche aus dem Frachtvertrag gegen die Beklagte auf die
Klägerin übergegangen sein könnten, sofern die A. N.V. zum Zeitpunkt der
Zahlung Versicherer der Geschädigten gewesen sei. Es hat des Weiteren an-
genommen, dass die Bevollmächtigte der A. N.V., die S. H. N.V.,
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am 14. Oktober 1999 einen Betrag i.H. von 12.812.424 BEF an die "L.
in Brüssel" gezahlt habe. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin sei
der Versicherungsbestand der A. N.V. aber bereits mit Vertrag vom
6. Oktober 1999 rückwirkend zum 1. Januar 1999 auf eine andere Gesellschaft,
nämlich die A. /D. S. N.V. oder die A. Belgium Insurance N.V. mit
Sitz in Brüssel, übertragen worden. Ob die Versicherung der L. -
Unternehmen zum Zeitpunkt der Übertragung auch noch zum Bestand der A.
N.V. gehört habe, sei zweifelhaft, da der vom Landgericht vernommene
Zeuge O. , Angestellter der S. H. N.V., ausgesagt habe, die Ver-
sicherung der L. Europe sei ab 1. Mai 1999 auf die A. London
übergegangen. Unter diesen Umständen stehe nicht fest, wer im Zeitpunkt der
Zahlung an die Versicherungsnehmerin deren Versicherer gewesen sei mit der
Folge, dass nicht ersichtlich sei, auf wen ein Ersatzanspruch der Versiche-
rungsnehmerin gegen die Beklagte übergegangen sei. Diese Beurteilung wird
von der Revision mit Erfolg angegriffen.
bb) Der in erster Instanz vernommene Zeuge O. hat bekundet, dass
die A. N.V. zum Schadenszeitpunkt alleiniger Versicherer der europäischen
L. -Unternehmen gewesen sei. Wenn die S.
H. N.V. eine
Zahlung leiste, so tue sie dies als Agentin der A. N.V. Diese sei wiederum
rückversichert bei der A. Insurance Company in B. . Die Zahlung am
14. Oktober 1999 sei von der S. H. N.V. auf den streitgegenständli-
chen Schaden für die A. N.V. (Rechtsvorgängerin der Klägerin) an die Ver-
sicherungsnehmerin erfolgt. Soweit der Zeuge O. einen Übergang des in
Rede stehenden Versicherungsverhältnisses zum 1. Mai 1999 auf die A.
London für möglich gehalten hat, steht das einem Anspruchsübergang auf die
A. N.V. nicht entgegen, weil der Schadenszeitpunkt - 13./14. Januar 1999 -
maßgeblich ist. Zu diesem Zeitpunkt war die A. London nach den Bekun-
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dungen des Zeugen O. nicht zu einer Ersatzleistung an die Versicherungs-
nehmerin verpflichtet.
Ebensowenig steht der Aktivlegitimation der Klägerin eine Übertragung
des Versicherungsbestandes der A. N.V. auf die A. Belgium Insurance
N.V. entgegen, weil dieses Unternehmen seine möglichen Ansprüche gegen die
Beklagte im Jahre 2001 an die Klägerin übertragen hat.
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d) Dem Berufungsgericht kann auch nicht in seiner Annahme beigetreten
werden, eine Inhaberschaft der Klägerin an den von der frachtbriefmäßigen
Empfängerin der Ware an sie abgetretenen Ansprüchen gemäß Art. 13 Abs. 1
Satz 2 CMR scheitere an der von der Klägerin behaupteten, zuvor erfolgten
Zahlung der Versicherungssumme an die Versicherungsnehmerin, weil damit
die Ansprüche der Empfängerin erloschen seien mit der Folge, dass sie nicht
mehr hätten abgetreten werden können.
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Der Annahme des Berufungsgerichts widersprechen schon seine (ange-
griffenen) Feststellungen, wonach die Versicherungsnehmerin nicht Vertrags-
partei der Leistenden gewesen sei. Träfe das zu, konnte die Zahlung mangels
Vertragsbezogenheit keine Auswirkungen auf die Anspruchsberechtigung der
Empfängerin des Gutes haben.
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Unabhängig von dieser Widersprüchlichkeit im Tatsächlichen ist auch die
rechtliche Folgerung des Berufungsgerichts unzutreffend, dass eine Leistung
des Transportversicherers auf den dem Versicherungsnehmer (Absender)
durch den Verlust des Gutes entstandenen Schaden zu einem Erlöschen der
Ansprüche des Empfängers gegen den Frachtführer aus Art. 13 Abs. 1 Satz 2
CMR führe. Dieser Anspruch gegen den Frachtführer erlischt ebenso wenig wie
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der gemäß § 67 Abs. 1 VVG übergegangene Anspruch des versicherten Ab-
senders. Der Umstand, dass der Empfänger ebenfalls ein Recht zur Geltend-
machung von Schadensersatzansprüchen gegen den Frachtführer hat, führt zur
Doppellegitimation von Absender und Empfänger (BGH, Urt. v. 6.5.1981
- I ZR 70/79, VersR 1981, 929, 930; Urt. v. 28.4.1988 - I ZR 32/86, TranspR
1988, 338, 339 = VersR 1988, 825; MünchKomm.HGB/Basedow, Art. 13 CMR
Rdn. 23; Herber/Piper, CMR, Art. 13 Rdn. 31). Empfänger und Absender sind
im Verhältnis zum Frachtführer Gesamtgläubiger i.S. von § 428 BGB. Nur die
Leistung des Frachtführers an einen der beiden Ersatzberechtigten lässt auch
die Anspruchsberechtigung des anderen Gläubigers entfallen (BGH TranspR
1988, 338; Herber/Piper aaO Art. 13 Rdn. 34). Die Rechtsbeziehungen zwi-
schen dem Absender und dem Empfänger der Ware sind für den Schädiger
grundsätzlich ohne Bedeutung (vgl. BGH, Urt. v. 1.6.2006 - I ZR 200/03, Urteils-
umdruck S. 6).
3. Das angefochtene Urteil kann danach mit der bisherigen Begründung
nicht aufrecht erhalten werden. Eine abschließende Entscheidung in der Sache
ist dem Senat nicht möglich, weil das Berufungsgericht insbesondere keine
Feststellungen zum Grad des Verschuldens der Beklagten und zur umstrittenen
Schadenshöhe getroffen hat.
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III. Dementsprechend war das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der
Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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Ullmann
v.
Ungern-Sternberg Pokrant
Büscher
Bergmann
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 27.11.2001 - 16 O 99/00 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 04.09.2003 - 12 U 3/02 -