Urteil des BGH vom 10.07.2014
BGH: anschluss, allgemeine geschäftsbedingungen, grundstück, abwasseranlage, gesellschaft, beschränkung, gewässer, satzung, abwasserbeseitigung, erneuerung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V I I Z R 1 8 9 / 1 3
Verkündet am:
10. Juli 2014
Anderer,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Juli 2014 durch den Richter Dr. Eick, die Richterin Safari Chabestari,
die Richter Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterin Graßnack
für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. Juli 2013 wird zurück-
gewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung eines Baukostenzu-
schusses für den Anschluss an das öffentliche Abwassersystem sowie die Er-
stattung der Kosten für die Herstellung des Grundstücksanschlusses (An-
schlusskanal).
Die klagende GmbH ist gemäß § 3 Abs. 2 der Satzung des Zweckver-
bandes für Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Leipzig-Land für die
öffentliche Abwasserbeseitigung und für die Grundstücksentwässerung
(Abwassersatzung - AbwS) vom 23. September 2010 (SächsABl. AAz. 2010,
S. A 410 f.) Betreiber der dem Zweckverband übertragenen Aufgabe der Was-
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serversorgung und Abwasserbeseitigung für Leipzig-Land. Nach § 3 Abs. 3 der
im Jahr 2007 gültigen Abwassersatzung vom 23. November 2006 (SächsABl.
AAz. 2007, S. A 130) (im Folgenden: Satzung oder AbwS) bestimmen sich der
Anschluss an das öffentliche Abwassernetz und die Entsorgung des Abwassers
nach den Allgemeinen Entsorgungsbedingungen für Abwasser (AEB-A).
§ 2 Abs. 1 AEB-A (2005) lautet:
"Der Anschlussnehmer hat bei Anschluss an die öffentlichen Ent-
wässerungsanlagen oder bei einer wesentlichen Erhöhung seiner
Leistungsanforderungen einen Zuschuss zu den Kosten der öf-
fentlichen Entwässerungsanlagen (Baukostenzuschuss) an die
Gesellschaft zu zahlen."
§ 3 AEB-A (2005) lautet:
"§ 3 Grundstücksanschlüsse (Anschlusskanal), Anschlusskanal-
kosten
(1) Grundstücksanschlüsse (Anschlusskanäle) nach § 2 Abs. 6
der Abwasserentsorgungssatzung gehören zu den Betriebs-
anlagen der Gesellschaft.
(2) Die Herstellung des Grundstücksanschlusses (Anschlusska-
nal) erfolgt durch die Gesellschaft. Die Gesellschaft kann
sich eines Dritten bedienen.
(3) Der Grundstücksanschluss (Anschlusskanal) beginnt am öf-
fentlichen Kanal oder Schacht und endet am Übergabe-
schacht auf dem Grundstück. Ist kein Übergabeschacht vor-
handen, endet der Anschlusskanal an der Grundstücksgren-
ze.
…
(5) Der Anschlussnehmer zahlt der Gesellschaft die Kosten
nach der jeweils zum Zeitpunkt der Leistungserbringung gül-
tigen 'Regelung der Kostenerstattung durch Anschlussneh-
mer für Abwasser' für die Herstellung, Veränderung oder Be-
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seitigung des Grundstücksanschlusses (Anschlusskanal), die
durch eine Änderung oder Erweiterung seiner Anlage erfor-
derlich sind oder aus anderen Gründen von ihm veranlasst
werden. …"
Der Beklagte ist Eigentümer zweier jeweils mit einem Wohnhaus bebau-
ten Grundstücke in S., und zwar in der P.-Straße und in der L.-Straße. Bis zur
Durchführung der streitgegenständlichen Baumaßnahmen wurde das dort anfal-
lende häusliche Schmutzwasser einer auf den jeweiligen Grundstücken befind-
lichen Kleinkläranlage zugeführt. Deren Überlauf war an einen öffentlichen Ab-
wasserkanal angeschlossen.
Im Zuge eines größeren Erschließungsvorhabens errichtete die Klägerin
eine neue öffentliche Schmutzwasserleitung und - soweit erforderlich - öffentli-
che Anschlusskanäle. Die Anlage wurde insgesamt an ein zentrales Klärwerk
angeschlossen.
Das auf dem Grundstück in der P.-Straße anfallende Schmutzwasser
wird nunmehr über einen neu hergestellten öffentlichen Anschlusskanal (Haus-
anschluss) vollständig in den ebenfalls neu hergestellten öffentlichen Abwas-
serkanal geleitet und von dort zu einer zentralen Kläranlage geführt. Das anfal-
lende Niederschlagswasser wird über den alten vorhandenen öffentlichen An-
schlusskanal abgeführt.
In der L.-Straße wird das anfallende Schmutz- und Niederschlagswasser
über den weiterhin vorhandenen bisherigen öffentlichen Anschlusskanal (Haus-
anschluss) nunmehr vollständig in den öffentlichen Abwasserkanal mit integrier-
tem Abschlagsbauwerk geleitet, dort getrennt und sodann einerseits zur zentra-
len Kläranlage und andererseits in ein Gewässer geleitet.
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Hinsichtlich des Grundstücks in der L.-Straße informierte die Klägerin
den Beklagten mit Schreiben vom 24. November 2005 über die Durchführung
der Maßnahmen; zuvor hatte sie unter dem 13. Oktober 2005 bereits den Ab-
schluss eines Nutzungsvertrags unter Übersendung der AEB-A (2005), eines
Preisblattes und einer Kostenberechnung angeboten. Am 29. August 2008 er-
folgte auf diesem Grundstück die Endreinigung und Stilllegung der Kleinkläran-
lage. Auch hinsichtlich des Grundstücks P.-Straße hatte die Klägerin dem Be-
klagten den Abschluss eines Nutzungsvertrags angeboten. Mit Schreiben vom
30. Januar 2006 informierte die Klägerin den Beklagten über die durchgeführte
Maßnahme. Am 12. August 2008 erfolgte auf diesem Grundstück die Endreini-
gung und Stilllegung der Kleinkläranlage.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von
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€ nebst Zinsen und vorgerichtliche Kosten verurteilt. Seine Berufung
ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
möchte der Beklagte die Klageabweisung erreichen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht geht davon aus, dass zwischen den Parteien mit
Beginn der Abwassereinleitung durch den Beklagten - sei es nach seinem Vor-
trag im Jahre 2007, sei es nach dem Vortrag der Klägerin im Jahre 2008 - je-
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weils ein wirksamer Abwasser-Entsorgungsvertrag mit gleichzeitiger Übernah-
me der Verpflichtung zur Baukostenzuschusszahlung unter Geltung der AEB-A
(2005) zustande gekommen sei.
Bei den Baumaßnahmen der Klägerin handele es sich um einen An-
schluss der Grundstücke des Beklagten an die öffentliche Entwässerungsanla-
ge der Klägerin im Sinne des § 2 Abs. 1 AEB-A (2005). Der Begriff "Entwässe-
rungsanlage" sei ebenso zu verstehen wie derjenige der öffentlichen "Abwas-
seranlage" in § 2 Nr. 2 AbwS. Hiernach seien als öffentliche Abwasseranlage
definiert das öffentliche Abwassernetz und die öffentlichen Abwasserbehand-
lungsanlagen.
Die Verpflichtung zur Zahlung eines Baukostenzuschusses gemäß § 2
AEB-A (2005) beziehe sich nicht nur auf einen erstmaligen Anschluss an das
öffentliche Abwassernetz, sondern auch auf den erstmaligen Anschluss an die
öffentliche Abwasserbehandlungsanlage. Hierunter sei gemäß § 2 Nr. 4 AbwS
die Anlage zur Behandlung des gesammelten Abwassers bzw. Abwasser-
schlamms einschließlich der Ableitung zum Gewässer zu verstehen. An diese
öffentliche zentrale Abwasserbehandlungsanlage seien die Grundstücke des
Beklagten durch die Errichtung des Trennsystems erstmals angeschlossen
worden.
Die Höhe der separat geltend gemachten Forderungen sei jeweils
schlüssig dargelegt und hinsichtlich ihrer Berechnungsparameter den Rechts-
grundlagen in nachvollziehbarer Weise entnommen. Die Baukostenzuschüsse
betrügen hiernach jeweils die geforderten 3.160,29
€ und der Erstattungsan-
spruch für die Herstellung des neuen grundstücksbezogenen öffentlichen An-
schlusskanals in der P.-Straße 1.015,58
€.
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Weitere von dem Beklagten erhobene Einwendungen seien von dem
- wirksamen - Einwendungsausschluss des § 15 AEB-A (2005) erfasst, der da-
zu führe, dass sie in einem Rückforderungsprozess geltend gemacht werden
müssten.
Die Forderungen der Klägerin seien auch nicht verjährt. Für die Fälligkeit
der Forderungen sei nach § 271 BGB i.V.m. der Anlage 6 Abs. 7 AEB-A (2005)
auf den Zeitpunkt der "Herstellung der Entwässerungsanlage" abzustellen. Die-
se läge jedoch nicht in dem bereits einige Jahre zurückliegenden Abschluss der
Arbeiten an der Entwässerungsanlage der Klägerin. Vielmehr sei auf die tat-
sächliche Anbindung der Abwasserleitung des Beklagten an die neu geschaffe-
nen Zuleitungen zum Abwassersystem der Klägerin abzustellen, weil erst zu
diesem Zeitpunkt die neue Entwässerungsanlage im Verhältnis der Parteien
zueinander hergestellt gewesen sei. Es könne zugunsten des Beklagten unter-
stellt werden, dass diese Arbeiten zur Umbindung des Hausanschlusses an
beiden Grundstücken bereits im Jahre 2007 stattgefunden haben und gleichzei-
tig mit der Abwassereinleitung in die Anlagen der Klägerin begonnen worden
sei. Nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB habe die Verjährung der streitgegenständli-
chen Ansprüche erst beginnen können, nachdem die Klägerin von der Annah-
me ihrer Realofferte durch den Beklagten als Folge der Einleitung des Abwas-
sers von den streitgegenständlichen Grundstücken in ihre Abwasseranlage er-
fahren habe bzw. hätte erfahren müssen. Da der Beklagte dies zu keiner Zeit
mitgeteilt habe, sei für die Klägerin die Aufnahme der Abwassereinleitung frü-
hestens im Zusammenhang mit der Entleerung und Endreinigung der Kläranla-
gen auf den Grundstücken des Beklagten im Jahre 2008 erkennbar gewesen.
Damit sei durch die Klageerhebung am 17. Juni 2011 der Eintritt der Verjährung
rechtzeitig gehemmt worden.
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II.
Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Rechtsfehlerfrei und von der Revision auch nicht angegriffen geht das
Berufungsgericht davon aus, dass zwischen den Parteien ein Abwasserentsor-
gungsvertrag unter Einbeziehung der Allgemeinen Entsorgungsbedingungen für
Abwasser in der Fassung 2005 zustande gekommen ist.
2. Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus dem Vertrag einen An-
spruch auf Zahlung je eines Baukostenzuschusses für jedes Grundstück in der
geltend gemachten Höhe gemäß § 2 Abs. 1 AEB-A (2005).
a) Die Auslegung dieser Vertragsklausel ist vom Revisionsgericht nach
§ 545 Abs. 1 ZPO uneingeschränkt vorzunehmen. Denn Allgemeine Geschäfts-
bedingungen sind wie revisible Rechtsnormen zu behandeln, da bei ihnen un-
geachtet der Frage, ob sie über den räumlichen Bezirk eines Berufungsgerichts
hinaus Verwendung finden, ein Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung be-
steht (BGH, Urteile vom 13. November 2012 - XI ZR 500/11, BGHZ 195, 298
Rn. 15; vom 20. Juni 2013 - VII ZR 82/12, BauR 2013, 1673 Rn. 12 = NZBau
2013, 567, jeweils m.w.N.). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind
- ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebilde-
ten durchschnittlichen Vertragspartners - einheitlich so auszulegen, wie sie von
verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen
der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (BGH, Urteil vom
20. Juni 2013 - VII ZR 82/12, aaO Rn. 12 m.w.N.; st. Rspr.).
b) Nach diesen Maßstäben fällt unter die öffentlichen Entwässerungsan-
lagen im Sinne von § 2 Abs. 1 AEB-A jedenfalls das öffentliche Abwassernetz.
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Mangels einer näheren Definition in den Allgemeinen Entsorgungsbedin-
gungen Abwasser hat das Berufungsgericht zu Recht zur Auslegung des Be-
griffs der öffentlichen Entwässerungsanlagen auf die zur Zeit des Vertragsab-
schlusses gültige Satzung des Zweckverbandes zurückgegriffen. Hiernach um-
fasst eine öffentliche Abwasseranlage das öffentliche Abwassernetz und die
öffentlichen Abwasserbehandlungsanlagen (§ 2 Nr. 2 AbwS). Das öffentliche
Abwassernetz (Kanalnetz) ist die leitungsgebundene Anlage zur Aufnahme und
zum Transport von Abwasser ab Grundstücksgrenze bzw. ab Übergabeschacht
auf dem Grundstück bis zu einer öffentlichen Abwasserbehandlungsanlage o-
der einem Vorfluter (Gewässer). Es umfasst die Abwasserkanäle und An-
schlusskanäle (§ 2 Nr. 3 AbwS).
Es muss nicht entschieden werden, ob die Auffassung des Berufungsge-
richts zutrifft, ein Anschluss an die öffentlichen Entwässerungsanlagen liege
auch bei einem erstmaligen Anschluss an eine öffentliche (zentrale) Abwasser-
behandlungsanlage vor, selbst wenn zuvor bereits ein Anschluss an das öffent-
liche Abwassernetz bestand. Denn die Grundstücke des Beklagten sind durch
die in Rede stehenden Baumaßnahmen hinsichtlich der Schmutzwasserentsor-
gung erstmalig an das öffentliche Abwassernetz angeschlossen worden. Das
reicht aus, um die Pflicht zur Zahlung eines Baukostenzuschusses auszulösen.
aa) Im Ansatz zutreffend geht die Revision zwar davon aus, dass von ei-
nem Anschluss an die öffentlichen Entwässerungsanlagen im Sinne von § 2
Abs. 1 AEB-A (2005) nur auszugehen ist, wenn das Grundstück nicht bereits
zuvor an eine öffentliche Entwässerungsanlage angeschlossen war und der
(neu hergestellte) Anschluss an eine öffentliche Entwässerungsanlage den be-
reits vorhandenen Anschluss nicht lediglich ersetzte. Denn der Anschlussneh-
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mer geht bei verständiger Würdigung des Wortlautes und Sinnes von § 2 Abs. 1
AEB-A (2005) davon aus, dass er einen Baukostenzuschuss grundsätzlich nur
einmal, nämlich dann zu leisten hat, wenn er erstmalig an die öffentlichen Ent-
wässerungsanlagen angeschlossen wird. Insoweit gilt Vergleichbares wie zur
Regelung des § 9 AVBWasserV. Hiernach kann ein Trinkwasserversorger ledig-
lich bei einem Neuanschluss eines Objektes an die Trinkwasserverteilungsan-
lagen einen Baukostenzuschuss erheben. Dagegen hat er die Kosten für die
Unterhaltung und etwaige spätere Erneuerung der Verteilungsanlagen über die
Preise abzudecken (BGH, Urteil vom 23. November 2011 - VIII ZR 23/11,
NJW-RR 2012, 351 Rn. 21 m.w.N.).
bb) Indes handelt es sich hier nicht um die bloße Erneuerung der Ent-
wässerungsanlagen. Die Grundstücke des Beklagten waren vor den Baumaß-
nahmen noch nicht (voll) an das öffentliche Abwassernetz angeschlossen. An-
ders als bei der Trinkwasserversorgung, wo es lediglich um die Frage gehen
kann, ob ein Objekt bereits an die einheitlichen Trinkwasserverteilungsanlagen
angeschlossen ist, ist bei der Abwasserentsorgung zu differenzieren. Denn im
Gegensatz zur Trinkwasserversorgung kommen hier mehrere verschiedene
Leistungen der Abwasserentsorgung in Betracht. Es gibt unterschiedliche Arten
von Abwasser. In § 2 Nr. 1 AbwS (2005) wird unterschieden zwischen
Schmutzwasser, Niederschlagswasser und sonstigem in Abwasseranlagen mit
Schmutzwasser oder Niederschlagswasser fließenden Wasser. Es ist deshalb
möglich, nur hinsichtlich der Beseitigung bestimmter Abwässer an die öffentli-
chen Entwässerungsanlagen angeschlossen zu sein, hinsichtlich anderer je-
doch (noch) nicht. So liegt der Fall hier.
Die neu errichtete Abwasserleitung in der P.-Straße ist zur Aufnahme
von Schmutzwasser bestimmt. In der L.-Straße dient der bisherige Anschluss
nunmehr erstmals der Aufnahme von Schmutzwasser und nicht nur wie bisher
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von vorgeklärtem Überlaufwasser aus der Kleinkläranlage und von Nieder-
schlagswasser. Das Schmutzwasser des Beklagten war bis dahin auf beiden
Grundstücken nicht über das öffentliche Abwassernetz entsorgt worden. Viel-
mehr war es den Kleinkläranlagen zugeführt und dort behandelt worden. § 2
Nr. 13 AbwS definiert solche Kleinkläranlagen (Grundstückskläranlagen) aus-
drücklich als Abwasserbehandlungsanlage, die auf einem Grundstück betrieben
wird. Der dort anfallende Abwasserschlamm, den die Klägerin regelmäßig ab-
holte, wird als Entsorgungsgut bezeichnet (§ 2 Nr. 8 AbwS).
Auch aus § 5 Abs. 4 AbwS ergibt sich die Unterscheidung zwischen einer
solchen Entsorgung über eine Kleinkläranlage und dem Anschluss an öffentli-
che Abwasseranlagen. Dort wird einerseits angeordnet, dass von Grundstü-
cken, "die an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossen sind", alles Ab-
wasser dort einzuleiten ist. Demgegenüber ist auf Grundstücken mit Kleinklär-
anlagen das gesamte häusliche Schmutzwasser in diese einzuleiten. Hiernach
stellt die Zuführung und Behandlung von Schmutzwasser in einer Kleinkläranla-
ge gerade keinen Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage hinsichtlich des
anfallenden Schmutzwassers dar. Zugleich ist danach auch ein Verständnis
dahin ausgeschlossen, dass bereits die Abfuhr der in der Kleinkläranlage aufge-
fangenen Feststoffe durch die Klägerin und die Weiterbehandlung in einer Ab-
fallanlage der Klägerin einen Anschluss auch hinsichtlich dieser zu entsorgen-
den Stoffe (als Teil des Schmutzwassers) an die öffentlichen Abwasseranlagen
und damit die öffentlichen Entwässerungsanlagen im Sinne der Allgemeinen
Entsorgungsbedingungen begründet. Vielmehr bedarf es hierfür einer gegen-
ständlichen, baulichen Verbindung des Grundstücks mit den Entwässerungsan-
lagen.
Eine solche lag hinsichtlich des Schmutzwassers nicht vor. Sie wird auch
nicht dadurch begründet, dass der Überlauf der Kleinkläranlage an die öffentli-
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chen Entwässerungsanlagen in Form eines öffentlichen Abwasserkanals ange-
schlossen war. Denn diese Leitung war nicht zur Aufnahme von Schmutzwas-
ser, sondern - neben der Aufnahme von hier nicht interessierendem Nieder-
schlagswasser - nur zur Aufnahme des überlaufenden Wassers aus der Klein-
kläranlage bestimmt. Damit handelt es sich um sonstiges in Abwasseranlagen
fließendes Wasser im Sinne von § 2 Nr. 1 AbwS. Das Schmutzwasser selbst
dagegen war in der Kleinkläranlage zu entsorgen. Dieser Differenzierung folgt
auch § 10 Abs. 1 AbwS, wonach der Errichtung einer Kleinkläranlage dann zu-
gestimmt wird, wenn das häusliche Schmutzwasser keiner öffentlichen Abwas-
seranlage zugeführt werden kann.
Unerheblich ist, in welchem Grad das Schmutzwasser durch die Klein-
kläranlage tatsächlich gereinigt wurde und ob das überlaufende Wasser den
Anforderungen entsprach, wie sie jedenfalls heute nach der Anlage 7 zu den
AEB-A (2013) erforderlich sind. Denn unabhängig von einer etwaigen Verpflich-
tung, bestimmte Qualitätsmerkmale einzuhalten, ergibt sich aus der Erlaubnis,
Überlaufwasser aus einer Kleinkläranlage einzuleiten, erkennbar nicht die Er-
laubnis, ungereinigtes Schmutzwasser einzuleiten. Der Betrieb einer auf dem
Grundstück befindlichen Kleinkläranlage dient gerade dazu, dies zu vermeiden.
cc) Eine ebensolche differenzierte Betrachtungsweise mit der Unter-
scheidung verschiedenartiger Anschlüsse liegt auch der Beurteilung der öffent-
lich-rechtlichen Verpflichtung zum Anschluss an Abwasseranlagen zu Grunde,
was das dargestellte Verständnis ebenfalls bestätigt. In Fällen wie den vorlie-
genden ist auch ein Anschluss- und Benutzungszwang an die neu geschaffene
öffentliche Abwasseranlage in Form einer Schmutzwasserkanalisation zulässig.
Ein solcher so genannter Vollanschluss kann für Grundstücke verlangt werden,
die über eine Kleinkläranlage verfügen. Das Eigentumsrecht eines Grund-
stückseigentümers, der auf seinem Grundstück eine private Kleinkläranlage
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betreibt, ist von vornherein dahin eingeschränkt, dass er seine Anlage nur so-
lange benutzen darf, bis im öffentlichen Interesse ein Anschluss- und Benut-
zungszwang angeordnet wird. Zu dessen Durchsetzung ist auch die Bestim-
mung zulässig, eine vorhandene Kleinkläranlage außer Betrieb zu nehmen.
Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass das Grundstück vollständig an die
öffentliche Abwasseranlage anzuschließen ist (vgl. SächsOVG, DVBl. 2013,
867 Rn. 27 m.w.N.). Unschädlich ist auch hierfür, dass das auf dem Grundstück
anfallende Abwasser in der Kleinkläranlage nur vorgeklärt und sodann in einen
Vorfluter eingeleitet wird (vgl. SächsOVG, aaO Rn. 2). Das Verlangen eines so
genannten Vollanschlusses auch für solche Grundstücke, die über eine Kläran-
lage verfügen, dient neben dem Gewässerschutz im Übrigen auch einer
gleichmäßigen Verteilung der entstehenden Kosten auf möglichst alle Grund-
stücke (SächsOVG, Urteil vom 16. Oktober 2007 - 4 B 507/05, juris Rn. 27; vgl.
auch BVerwG, NVwZ 1998, 1080, 1081).
3. Die Klägerin kann darüber hinaus Erstattung der Kosten für die Her-
stellung des Grundstücksanschlusses in der P.-Straße nach § 3 Abs. 5 AEB-A
(2005) verlangen. Aus denselben Erwägungen handelt es sich auch bei der
Herstellung des Grundstücksanschlusses für das Schmutzwasser nicht lediglich
um die Erneuerung oder den Ersatz eines bereits vorhandenen Grundstücksan-
schlusses.
4. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass die
Forderungen der Klägerin auf Zahlung von Baukostenzuschüssen nicht verjährt
sind.
Mit Recht ist es davon ausgegangen, dass die regelmäßige Verjährungs-
frist gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres begonnen hat, in
dem die Ansprüche entstanden sind und die Klägerin von den den Anspruch
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begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat
oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Dies war Ende 2008.
Ein Anspruch ist im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden, so-
bald er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann, wofür grundsätzlich
auch Fälligkeit des Anspruchs nach § 271 Abs. 1 BGB notwendig ist (BGH,
Urteil
vom
18. Juni 2009
- VII ZR 167/08,
BGHZ 181,
310
Rn. 19;
Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 199 Rn. 3 m.w.N.). Die Voraussetzun-
gen, unter denen die Ansprüche der Klägerin auf Zahlung eines Baukostenzu-
schusses entstehen, richten sich wie dargestellt (vgl. oben unter 2.b)) nach § 2
Abs. 1 AEB-A (2005). Sie setzen also den Anschluss an die öffentlichen Ent-
wässerungsanlagen voraus. Die in § 2 Abs. 2 AEB-A (2005) in Bezug genom-
mene Anlage 6, die nach ihrer Überschrift die Berechnung des Baukostenzu-
schusses regelt, ändert hieran nichts. Soweit sie in Abs. 7 Satz 1 regelt, dass
der Baukostenzuschuss spätestens mit der Herstellung der Entwässerungsan-
lage zur Zahlung fällig wird, berührt dies schon nach ihrem Wortlaut nicht die
Voraussetzungen des Anspruchs, sondern nur dessen Fälligkeit, § 271 Abs. 1
BGB. Solange die Voraussetzungen zur Entstehung eines Anspruchs nicht vor-
liegen, kann dieser auch nicht fällig werden. Deshalb können die Regelungen in
Anlage 6 zur AEB-A (2005) nur so verstanden werden, dass sie das Bestehen
eines Anspruchs voraussetzen. Die hierfür notwendigen Voraussetzungen la-
gen nach dem Vortrag des Beklagten im Jahr 2007 vor. Es muss daher nicht
entschieden werden, was genau unter der Herstellung der Entwässerungsanla-
ge in der Anlage 6 Abs. 7 zur AEB-A (2005) zu verstehen ist.
Von der Revision unangegriffen ist die weitere Feststellung des Beru-
fungsgerichts, dass die Klägerin frühestens im Jahr 2008 von dem Vorliegen
der Anspruchsvoraussetzungen Kenntnis erlangen konnte. Damit hat die Kla-
geerhebung im Juni 2011 zur Hemmung der Verjährung geführt.
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5. Soweit sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts
wendet, die weiteren Einwendungen des Beklagten gegen Grund und Höhe des
Baukostenzuschusses seien von dem Einwendungsausschluss des § 15 AEB-A
erfasst, hat dies ebenfalls keinen Erfolg. Die Revision ist insoweit unzulässig,
weil das Berufungsgericht sie nicht zugelassen hat.
Zwar hat das Berufungsgericht im Tenor die Revisionszulassung nicht
eingeschränkt. Es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs, dass sich auch bei uneingeschränkter Zulassung des Rechtsmittels
im Tenor eine wirksame Beschränkung aus den Entscheidungsgründen erge-
ben kann (BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2011 - VII ZR 71/10, NJW 2011,
1228 Rn. 10 ff.; vom 10. September 2009 - VII ZR 153/08, NJW-RR 2010, 572
Rn. 4 f.; vom 14. Mai 2008 - XII ZB 78/07, NJW 2008, 2351 Rn. 15 ff., jeweils
m.w.N.). Das bedeutet allerdings nicht, dass stets allein aus der Begründung
der Rechtsmittelzulassung eine Beschränkung auf den Bereich der mitgeteilten
Gründe entnommen werden kann. Eine Zulassungsbeschränkung kann viel-
mehr nur angenommen werden, wenn aus den Gründen hinreichend klar her-
vorgeht, dass das Berufungsgericht die Möglichkeit einer Nachprüfung im Revi-
sionsverfahren nur wegen eines abtrennbaren Teils seiner Entscheidung eröff-
nen wollte (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 78/07, NJW 2008, 2351
Rn. 16).
Dies ist hier der Fall. Das Berufungsgericht hat eine grundsätzliche Be-
deutung der Rechtssache angenommen, weil die Klägerin aufgrund ihrer um-
fangreichen Erschließungstätigkeit in einer Vielzahl von Fällen Baukostenzu-
schüsse verlange, die sie bei durchschnittlich 20 % der Fälle gerichtlich geltend
machen müsse. Dabei werde regelmäßig der Einwand erhoben, Baukostenzu-
schüsse könnten nicht erhoben werden, weil eine vorhandene Kleinkläranlage
bereits einen Überlauf mit dem öffentlichen Abwassernetz gehabt habe und
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damit kein Neuanschluss vorliege. Außerdem diene die Zulassung auch der
Fortbildung des Rechts zu der vom Bundesgerichtshof bereits in seinem Urteil
vom 23. November 2011 (VIII ZR 23/11, NJW-RR 2012, 351) behandelten Fra-
ge, wann von einer erstmaligen Herstellung eines Anschlusses an ein Ver- bzw.
Entsorgungsnetz auszugehen sei. Beide Zulassungsgründe betreffen aus-
schließlich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AEB-A (2005)
bzw. § 3 Abs. 5 AEB-A (2005).
Eine Beschränkung mit diesem Inhalt ist zulässig. Zwar ist eine Revisi-
onszulassung hinsichtlich einer bestimmten Rechtsfrage unzulässig. Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Re-
vision jedoch auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Ge-
samtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig anfecht-
baren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger
selbst seine Revision beschränken könnte (BGH, Beschlüsse vom 10. Februar
2011 - VII ZR 71/10, NJW 2011, 1228 Rn. 11; vom 22. Juni 2010 - VIII ZR
192/09, WuM 2010, 565 Rn. 1 f.; vom 10. September 2009 - VII ZR 153/08,
NJW-RR 2010, 572 Rn. 5; vom 14. Mai 2008 - XII ZB 78/07, NJW 2008, 2351
Rn. 21 ff., jeweils m.w.N.). Das ist hier der Fall. Weitere Einwendungen zur
grundsätzlichen Berechtigung zur Erhebung eines Baukostenzuschusses macht
der Beklagte nicht geltend. Er greift nur die Höhe in mehrfacher Hinsicht an und
bestreitet die Zulässigkeit der konkret durchgeführten Baumaßnahmen, vor al-
lem deren Erforderlichkeit. Dies sind abgrenzbare Teile des Streitgegenstan-
des, die sowohl rechtlich als auch tatsächlich selbständig sind.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Eick
Safari Chabestari
Halfmeier
Jurgeleit
Graßnack
Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 11.01.2013 - 3 O 1657/11 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 16.07.2013 - 9 U 188/13 -
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