Urteil des BGH vom 27.08.2013

BGH: widerruf, untersuchungshaft, vollstreckung, anklageschrift, aussetzung, rechtskraft, reststrafe, anhörung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 ARs 267/13
2 AR 206/13
vom
27. August 2013
in der Strafvollstreckungssache
gegen
wegen Diebstahls
Az.: 2132 Js 14858/09 Staatsanwaltschaft Hannover
Az.: 83/87/72 BRs 16/11 Landgericht Hannover
Az.: NZS 24 StVK 2225/13 Landgericht Oldenburg - Strafvollstreckungskammer
bei dem Amtsgericht Vechta -
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts am 27. August 2013 beschlossen:
Zuständig für die Entscheidung über den Widerruf der mit Beschluss
des Landgerichts Hannover vom 1. November 2011 bewilligten
Reststrafenaussetzung zur Bewährung ist die Strafvollstreckungs-
kammer des Landgerichts Hannover.
Gründe:
I.
Die Verurteilte befand sich zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem
Urteil des Landgerichts Hannover vom 23. Juni 2011 in der JVA Hannover. Mit
Beschluss vom 1. November 2011 setzte die Strafvollstreckungskammer des
Landgerichts Hannover die Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung aus.
Am 21. Januar 2013 teilte der Bewährungshelfer der Strafvollstre-
ckungskammer des Landgerichts Hannover mit, dass sich die Verurteilte seit
dem 17. Januar 2013 in der JVA Vechta Abteilung Hildesheim in Untersu-
chungshaft befand. Am 28. Januar 2013 übersandte die Staatsanwaltschaft der
Strafvollstreckungskammer die neue Anklageschrift, aufgrund derer die Verur-
teilte am 11. April 2013 vom Amtsgericht Hannover rechtskräftig zu einer Ge-
samtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt wurde; darauf-
hin beantragte die Staatsanwaltschaft Hannover den Widerruf der Strafausset-
zung zur Bewährung.
Die Strafvollstreckungskammern des Landgerichts Hannover und des
Landgerichts Oldenburg beim Amtsgericht Vechta halten sich jeweils für unzu-
ständig für die Entscheidung über den Widerrufsantrag.
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II.
Zuständig für die Entscheidung über den Widerrufsantrag ist die Straf-
vollstreckungskammer des Landgerichts Hannover.
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„Der Bundesgerichtshof ist als gemeinsames oberes Gericht nach § 14
StPO zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits der in verschiedenen
Oberlandesgerichtsbezirken liegenden Landgerichte berufen.
Die mit der Aufnahme der Angeklagten in die JVA Hannover zur Verbü-
ßung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Hannover vom
23. Juni 2011 gemäß § 462a Abs. 1 S. 1 StPO begründete örtliche Zu-
ständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hannover
blieb nach § 462a Abs. 1 S. 2 StPO nach der Aussetzung des Strafres-
tes zur Bewährung bestehen. Sie besteht für die Entscheidung über ei-
nen Widerruf der Strafrestaussetzung zur Bewährung auch fort und ist
insoweit nicht auf die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts
Oldenburg beim Amtsgericht Vechta übergegangen. Als die in der JVA
Vechta Abteilung Hildesheim (zur Zuständigkeit am Sitz der JVA auch
bei Vollstreckung in einer Außenstelle BGH Beschl. v. 8. September
1978 - 2 ARs 289/78 - BGHSt 28, 135; KK-StPO/Appl 6. Aufl. § 462a
Rn. 14) verbüßte Untersuchungshaft mit der Rechtskraft des Urteils des
Amtsgerichts Hannover am 19. April 2013 in Strafhaft überging, war die
Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Hannover nämlich be-
reits mit der Frage des Bewährungswiderrufs befasst. Mit einer Sache
befasst ist ein Gericht schon, sobald eine nachträgliche Entscheidung
von Amts wegen erforderlich sein kann, weil Tatsachen aktenkundig
sind, die einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung erfordern
können (BGH Beschl. v. 14. August 1981 - 2 ARs 174/81 - BGHSt 30,
189; BGH Beschl. v. 19. Juni 2013 - 2 ARs 227/13 m.w.N.; KK-
StPO/Appl § 462a Rn. 18). Solche Tatsachen wurden hier bereits vor
dem 19. April 2013 aktenkundig, also zu einem Zeitpunkt, als die Straf-
vollstreckungskammer des Landgerichts Hannover noch im Rahmen ih-
rer Fortwirkungszuständigkeit örtlich zuständig war, nämlich durch die
am 21. Januar 2013 eingegangene Mitteilung des Vollstreckungsblatts
durch den Bewährungshelfer, aus dem sich ergab, dass die Verurteilte
sich in Untersuchungshaft befand (vgl. BGH Beschl. v. 11. Juli 2012
- 2 ARs 164/12 - NStZ-RR 2012, 358; Beschl. v. 19. Juni 2013 - 2 ARs
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227/13 m.w.N.; KK-StPO/Appl § 462a Rn. 17), sowie durch die am
28. Januar 2013 durch die Staatsanwaltschaft Hannover mitgeteilte An-
klageschrift (vgl. BGH Beschl. v. 16. Dezember 2009 - 2 ARs 424/09 -
BGHSt 54, 272, 274; KK-StPO/Appl aaO.). Beide Mitteilungen gaben An-
lass, die Frage des Bewährungswiderrufs von Amts wegen zu prüfen.
Unerheblich ist, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststand, ob es
tatsächlich zu einer Verurteilung kommt. Denn befasst ist ein Gericht
auch dann, wenn es zunächst nichts veranlasst, sondern den Ausgang
des neuen Verfahrens abwartet, aus dem sich Widerrufsgründe ergeben
können (BGH aaO.; KK-
StPO/Appl aaO.).“
Dem schließt sich der Senat an.
Fischer
Appl
Krehl
Ott
Zeng
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