Urteil des BGH vom 10.05.2000

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 149/98
Verkündet am:
10. Mai 2000
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGB § 558
Zur Frage der Anwendbarkeit des § 558 BGB bei fortbestehendem Mietverhältnis in
einem Fall, in dem kontaminiertes Material, das auf dem Mietgrundstück gelagert
war, auf behördliche Anordnung beseitigt werden mußte.
BGH, Urteil vom 10. Mai 2000 - XII ZR 149/98 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die
Richter Dr. Krohn, Dr. Hahne, Gerber und Prof. Dr. Wagenitz
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. April 1998 aufgeho-
ben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Beru-
fungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist - als Rechtsnachfolgerin der Stadt D. - Eigentü-
merin von Grundstücken auf dem Gelände der Werft R. im Bereich des
D. er (R. er) Hafens. Durch Vertrag vom 14./18. Juli 1975 ver-
mietete die Stadt D. Teilflächen des Geländes an die Beklagte zu 1,
deren persönlich haftende Gesellschafterin die Beklagte zu 2 ist, für den Um-
schlag und die Zwischenlagerung von Speditionsgütern. Im Rahmen dieses
Vertragsverhältnisses nutzt die Beklagte zu 1 inzwischen 5270 qm befestigte
und 5490 qm unbefestigte Grundstücksflächen auf dem Werftgelände als Mie-
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terin der Klägerin. Nach Nr. 13.1 der bei dem Vertragsschluß (Nr. 6.1) in Bezug
genommenen Allgemeinen Bedingungen für die Vermietung von Grundstücken
und Gebäuden in der Fassung vom 1. Januar 1973 haftet die Mieterin
für alle durch die Lagerung von Sachen (Gütern, gasförmigen,
flüssigen und festen Brennstoffen usw.) verursachten Sach- und
Personenschäden sowie für Gewässerschäden und Vermögens-
schäden. Soweit die Mieterin haftet, verpflichtet sie sich, die Ver-
mieterin von Ansprüchen Dritter freizustellen.
Im Jahre 1990 gestattete die Beklagte zu 1 aufgrund einer Besprechung
vom 6. Juni 1990 - im Einvernehmen mit dem staatlichen Gewerbeaufsichtsamt
D. , dem staatlichen Amt für Wasser- und Abfallwirtschaft und der unte-
ren Wasserbehörde - einer Firma H. , Haldenverwertungs GmbH mit Sitz in
B. , die Lagerung und den Umschlag von Aschen und
Gipsen auf der Mietfläche, nachdem durch entsprechende Analysen festgestellt
worden war, daß die Materialien "keine kritischen Mengen kritischer Produkte"
enthielten.
Ende 1992/Anfang 1993 kam der Verdacht auf, daß die Firma H. auf
dem Mietgrundstück kontaminiertes Material lagerte. Messungen und Gutach-
ten führten zu dem Ergebnis, daß zwei von der Firma H. aufgebrachte Hal-
den aus Flug- und Bettasche mit Schwermetallen durchsetzt waren, sowie daß
eine dritte, aus REA-Gipsen bestehende Halde mit Fremdstoffen vermischt war
und überdies überhöhte ph- und Sulfatwerte aufwies. Von allen drei Halden
ging - nach einem von dem Umweltamt der Stadt D. in Auftrag gegebe-
nen, am 17. Januar 1994 erstatteten Gutachten - die Gefahr einer nachhaltigen
und nachteiligen Veränderung der physikalischen und biologischen Beschaf-
fenheit des Wassers aus.
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Bereits im Juli 1993 kündigte das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt der
Firma H. den Erlaß einer Entsorgungsanordnung wegen illegaler Abfallage-
rung an und setzte die Klägerin hiervon in Kenntnis, die ihrerseits die Beklagte
zu 1 von dem Vorgang unterrichtete. Am 29. Oktober 1993 und - nach Wider-
spruch der Klägerin erneut - am 3. Februar 1994 erließ die Stadt D. ,
Umweltamt, Untere Wasser- und Abfallwirtschaftsbehörde, eine Ordnungsver-
fügung mit Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung der Ersatz-
vornahme gegen die Klägerin als Grundstückseigentümerin und Zustandsstöre-
rin (nach § 18 OBG NW), mit der dieser aufgegeben wurde, die auf den drei
Halden lagernden Stoffe abzudecken bzw. zu überdachen; eine Inanspruch-
nahme der Firma H. als Störerin kam nach der Ordnungsverfügung nicht in
Betracht, da die Firma - offenbar eine bloße "Briefkastenfirma" - auf die Ord-
nungsverfügung des Gewerbeaufsichtsamts in keiner Weise reagiert habe (im
Juni 1994 wurde die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der
Firma H. mangels Masse abgelehnt).
Mit Schreiben vom 28. März 1994 unterrichtete die Beklagte zu 1 die
Firma H. von dem Inhalt der gegen die Klägerin erlassenen Ordnungsverfü-
gung und teilte dabei mit, daß die Klägerin beabsichtige, die Kosten der gege-
benenfalls erforderlichen Ersatzvornahme bei ihr, der Beklagten zu 1, geltend
zu machen; sie gebe deshalb vorsorglich den Anspruch an die Firma H.
weiter und empfehle "dringend, die gelagerte Ware umgehend einer mit den
Behörden abgestimmten Verwendung zuzuführen".
Nach weiteren Verhandlungen mit den zuständigen Behörden beauf-
tragte die Klägerin Ende 1994 und Anfang 1995 die Firma I. -Entsorgungs-
gesellschaft mbH D. mit der Entsorgung der Halden. Zu diesem Zweck
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händigte die Beklagte zu 1 der I. Ende November 1994 die Schlüssel zum
Haupttor des zwischenzeitlich eingezäunten Geländes aus.
Im Rahmen der zwischen den Parteien geführten Korrespondenz kün-
digte die Klägerin den Bevollmächtigten der Beklagten mit Schreiben vom
24. November 1994 an, sie werde den Beklagten die Kosten der bevorstehen-
den Entsorgung nach der Feststellung aufgeben. Die Bevollmächtigten der Be-
klagten wiesen mit Schreiben vom 30. November 1994, wie schon zuvor, jede
Verantwortlichkeit der Beklagten für den Zustand der Halden zurück.
Die Firma I. stellte der Klägerin für die Entsorgung einen Betrag von
insgesamt 2.215.795,03 DM in Rechnung. Die Klägerin selbst zahlte für Ent-
sorgungsnachweise Gebühren von 5.550 DM und wandte für Probeentnahmen,
Eignungsprüfungen u.a. 45.882,30 DM auf. Nachdem sie der Beklagten zu 1
eine erste Teilrechnung übermittelt hatte, lehnte diese mit Schreiben ihrer Pro-
zeßbevollmächtigten vom 28. August 1995 jegliche Zahlung ab.
Die Klägerin nimmt die Beklagten mit der im Februar 1996 eingereichten
Klage auf Erstattung der von ihr verauslagten Beträge in Höhe von
2.267.227,33 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 30. August 1995 in Anspruch. Die
Beklagten verneinen ihre Haftung. Sie haben mit Nichtwissen bestritten, daß
die Firma H. andere als die in der Besprechung vom 6. Juni 1990 festgeleg-
ten unbedenklichen Stoffe auf das gemietete Gelände verbracht und dort um-
geschlagen habe; jedenfalls habe keine unmittelbare Gewässergefährdung
bestanden. Im übrigen haben die Beklagten die Einrede der Verjährung gemäß
§ 558 BGB erhoben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da ein etwaiger Aufwen-
dungsersatzanspruch der Klägerin verjährt sei. Die Berufung der Klägerin ge-
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gen das Urteil hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt sie ihr Klagebegeh-
ren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zu-
rückverweisung an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat den Klageanspruch ohne nähere Prüfung
der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage - aus Vertrag, Eigentum, Auf-
trag, Geschäftsführung ohne Auftrag, unerlaubter Handlung - gemäß § 558
Abs. 1 BGB für verjährt gehalten und dazu im wesentlichen ausgeführt:
a) Gegenstand des Rechtsstreits seien Ersatzansprüche der Klägerin
wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der vermieteten Sache im
Sinne von § 558 Abs. 1 BGB. Hierfür sei nicht erforderlich, daß das Mietobjekt
unmittelbar im Sinne einer Substanzbeeinträchtigung betroffen sei, so daß es
nicht der Erhebung der von den Beklagten mit dem Ziel einer entsprechenden
Feststellung angebotenen Beweise bedürfe. Die weite Auslegung des § 558
Abs. 1 BGB unter Einschluß der hier verfolgten Ansprüche entspreche dem mit
der gesetzlichen Regelung verfolgten Ziel, eine möglichst rasche Abwicklung
von Nebenansprüchen aus dem Mietverhältnis zu ermöglichen, soweit diese
vom Zustand der Mietsache im Zeitpunkt ihrer Rückgabe abhingen. In diesem
Sinn habe der Bundesgerichtshof die sechsmonatige Verjährungsfrist des
§ 558 BGB beispielsweise in einem Fall eingreifen lassen, in dem infolge der
Verletzung der dem Mieter obliegenden vertraglichen Obhutspflichten neben
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vermieteten auch nicht vermietete Teile des Grundstücks geschädigt worden
seien (BGHZ 61, 227 ff.). Ferner habe er es für die Anwendbarkeit des § 558
BGB genügen lassen, daß der Schaden als solcher einen hinreichenden Bezug
zum Mietobjekt habe (NJW 1994, 251 ff. = BGHZ 124, 186 ff.). Ein derartiger
hinreichender Bezug zu dem vermieteten Grundstück sei im vorliegenden Fall
deshalb gegeben, weil große Mengen kontaminierten Materials auf dem Ge-
lände gelagert worden seien, die nur mit erheblichem Kostenaufwand hätten
beseitigt werden können. Der Feststellung, daß diese Lagerung nachhaltige
Auswirkungen auf den Boden oder das Grundwasser gehabt habe, bedürfe es
hierbei nicht. Vielmehr müsse bereits die mit einer solchen Lagerung verbun-
dene Gefahr aus den gleichen Gründen die Voraussetzung einer Veränderung
oder Verschlechterung der Mietsache erfüllen, aus denen ein Mangel des
Mietobjekts im Sinne von § 537 BGB schon dann zu bejahen sei, wenn etwa
über den Fortbestand einer behördlichen Genehmigung lediglich Unsicherheit
bestehe, ohne daß diese bereits zurückgenommen worden sei. Ebenso wie im
Fall der schlechten Vermietbarkeit eines Hausgrundstücks infolge eines dort
unerlaubt unterhaltenen Bordellbetriebs sei es für die Annahme einer Verände-
rung oder Verschlechterung der Mietsache im Sinne von § 558 BGB - wie hier -
als ausreichend anzusehen, daß die Nutzung des Mietgrundstücks Anlaß zu
einem ordnungsbehördlichen Einschreiten biete. Auf Substanzbeeinträchtigun-
gen der Mietsache sei der Anwendungsbereich des § 558 BGB demgemäß
nicht zu beschränken.
b) Der Lauf der somit maßgeblichen sechsmonatigen Verjährungsfrist
des § 558 Abs. 1 BGB sei dadurch in Gang gesetzt worden, daß die Beklagte
zu 1 der I. Entsorgungsgesellschaft mbH Ende November 1994 die Schlüs-
sel zum Mietgelände ausgehändigt habe. Insoweit sei eine analoge Anwen-
dung des § 558 Abs. 2 BGB geboten, auch wenn die bloße Gestattung des Zu-
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tritts in der Regel nicht als Zurückerhalten der Mietsache im Sinne dieser Vor-
schrift angesehen werden könne. Nachdem die Klägerin jedoch Art und Um-
fang der Beeinträchtigung des Mietobjekts festgestellt und dessen Wiederver-
wendbarkeit zum ordnungsgemäßen Gebrauch veranlaßt habe, bestehe kein
Grund, das möglicherweise noch langfristig fortbestehende Mietverhältnis mit
Schadensersatzansprüchen des Vermieters zu belasten (vgl. BGHZ 98, 59,
63). Da die Klage erst im Februar 1996 erhoben worden sei, habe sie nicht
- rechtzeitig - zur Unterbrechung der Verjährung führen können.
c) Der Lauf der sechsmonatigen Verjährungsfrist sei auch nicht in ent-
sprechender Anwendung des § 852 Abs. 2 BGB mit der Folge zeitweise ge-
hemmt gewesen, daß sie durch die Klageerhebung rechtzeitig unterbrochen
worden sei. Etwaige Verhandlungen zwischen den Parteien seien jedenfalls
dadurch beendet worden, daß die Beklagte zu 1 mit Schreiben vom
30. November 1994 ihre Verantwortlichkeit für den bestehenden Zustand
ernsthaft in Abrede gestellt habe.
2. Diese Ausführungen halten, wie die Revision zutreffend geltend
macht, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die Klageforderung ist nicht verjährt.
a) Das Berufungsgericht geht davon aus, Gegenstand des vorliegenden
Rechtsstreits seien Ersatzansprüche der Klägerin wegen Veränderungen oder
Verschlechterungen der vermieteten Sache im Sinne von § 558 Abs. 1 BGB,
während die Klägerin dies ausdrücklich in Abrede gestellt und betont hat, ihrem
Klagebegehren liege keine Veränderung oder Verschlechterung des Miet-
grundstücks zugrunde; die vermieteten Flächen selbst seien nicht kontaminiert
und auch sonst nicht verändert gewesen. Das Oberlandesgericht ist dieser
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Frage nicht nachgegangen, weil es die Auffassung vertreten hat, eine Verände-
rung oder Verschlechterung der vermieteten Sache im Sinne von § 558 Abs. 1
BGB sei auch dann anzunehmen, wenn das Mietobjekt "nicht unmittelbar im
Sinne einer Substanzbeeinträchtigung betroffen" sei. Insoweit will das Gericht
genügen lassen, daß der eingetretene Schaden "als solcher einen hinreichen-
den Bezug zu dem Mietobjekt" habe, wie es hier der Fall gewesen sei.
Diese Auffassung geht erkennbar auf ein Mißverständnis des Senatsur-
teils BGHZ 124, 186, 191 (vom 24. November 1993 = XII ZR 79/92; vgl. auch
Gramlich in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. Aufl.
VI Rdn. 12 und 16) zurück.
b) § 558 BGB enthält keine allgemeine Regelung der Verjährung für
sämtliche Ansprüche aus dem Mietverhältnis oder im Zusammenhang mit die-
sem, sondern beschränkt die kurze Verjährungsfrist - auf seiten des Vermie-
ters - ausdrücklich auf Ersatzansprüche wegen Veränderungen oder Ver-
schlechterungen der vermieteten Sache. (Nur) in diesem Sinn hat der Senat in
dem genannten Urteil (BGHZ aaO S. 191) ausgeführt, nach der Fassung des
Gesetzes genüge es nicht, daß der Schaden auf eine Verletzung mietvertragli-
cher Obhutspflichten zurückzuführen sei; vielmehr müsse er als solcher einen
hinreichenden Bezug zum Mietobjekt haben. Diese Äußerung bezog sich auf
die besonderen Umstände des der damaligen Entscheidung zugrundeliegen-
den Falles, in dem der zu beseitigende Schaden nach offenbar unbemerkt ge-
bliebener Beeinträchtigung des Mietobjekts in einer räumlich von diesem weit
entfernten Fischzuchtanlage eines Dritten eingetreten war mit der Folge, daß
es an dem "hinreichenden Bezug" zum Mietobjekt fehlte. Im übrigen hat der
Senat in der genannten Entscheidung ausdrücklich zwischen der Schädigung
der Mietsache (deren Beseitigung nicht Gegenstand des damaligen Rechts-
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streits war) und dem seinerzeit geltend gemachten Folgeschaden, der am Ei-
gentum eines Dritten entstanden war, unterschieden mit dem Ergebnis, daß
eine kurze Verjährung des erhobenen Anspruchs nach § 558 Abs. 1 BGB
"schon nach der Art des geltend gemachten Schadens" ausscheide (BGHZ
aaO S. 191, 192).
c) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (und schon des
Reichsgerichts) ist zwar, worauf das Berufungsgericht zu Recht hinweist, der
Anwendungsbereich des § 558 BGB dahin ausgedehnt worden, daß auch Er-
satzansprüche des Vermieters von der kurzen Verjährungsfrist erfaßt wurden,
denen - aufgrund eines einheitlichen Schadensereignisses - eine Beschädi-
gung nicht nur des Mietobjekts selbst, sondern zugleich auch ein Schaden an
nicht vermieteten Gegenständen zugrunde lag (BGHZ 124 aaO S. 189, 190
m.w.N.; 61, 227 ff.; 86, 71 ff.; vgl. dazu auch BGB-RGRK/Gelhaar 12. Aufl.
§ 558 Rdn. 3; Emmerich/Sonnenschein Miete, 7. Aufl., § 558 Rdn. 6; Er-
man/Jendrek BGB 9. Aufl. § 558 Rdn. 5; Staudinger/Emmerich BGB Be-
arb. 1995 § 558 Rdn. 18, 19). Dies ist insbesondere gerechtfertigt worden mit
dem Zweck des § 558 BGB, eine rasche und abschließende Abwicklung der
Ersatzansprüche des Vermieters zu gewährleisten, wobei dieser nur unvoll-
kommen erreicht werden würde, wenn in den Fällen, in denen der Mieter einen
einheitlichen Schaden an vermieteten und nicht vermieteten Sachen verursa-
che, die Verjährung einerseits in sechs Monaten und andererseits erst in drei-
ßig Jahren einträte (BGHZ 61 aaO S. 230). Offengelassen wurde dabei die
Frage, ob § 558 Abs. 1 BGB auch zur Anwendung kommen könne, wenn aus-
schließlich Schäden an nicht vermieteten Gegenständen entstanden seien
(BGHZ 61 aaO S. 231). In der Entscheidung BGHZ 86, 71 ff. hat der Bundes-
gerichtshof die Anwendbarkeit des § 558 Abs. 1 BGB als zweifelhaft bezeich-
net, wenn es nur um Beschädigungen von Sachen gehe, die sich auf einem
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ebenfalls dem Vermieter gehörenden Nachbargrundstück befänden, auch wenn
der Schaden auf den Gebrauch der Mietsache zurückzuführen sei (aaO S. 81).
Hierzu ist in dem Urteil ausgeführt worden, es spreche manches dafür, eine so
weitgehende Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Vorschrift nicht zuzu-
lassen. In dem Urteil BGHZ 124, 186 ff. schließlich hat es der erkennende Se-
nat abgelehnt, § 558 Abs. 1 BGB über die bisherige Rechtsprechung hinaus so
weit auszudehnen, daß auch der damals zu entscheidende Fall (siehe oben)
von dem Anwendungsbereich der kurzen Verjährungsregelung erfaßt würde.
d) In dem hier zu beurteilenden Fall ist es ebenfalls zweifelhaft, ob eine
Veränderung oder Verschlechterung des vermieteten Grundstücks im Sinne
von § 558 Abs. 1 BGB anzunehmen ist.
Mit der Überlegung des Berufungsgerichts, daß dieses Merkmal schon
deshalb erfüllt sei, weil die Nutzung des Mietgrundstücks Anlaß zu einem ord-
nungsbehördlichen Einschreiten geboten habe, läßt sich diese Annahme nicht
rechtfertigen. Denn die Behörden sind nicht wegen des Zustandes der Mietsa-
che, sondern wegen des - gefährlichen - Zustandes der auf dem Mietgrund-
stück aufgebrachten Halden eingeschritten. Über die Frage einer Veränderung
oder Verschlechterung des Mietgrundstücks selbst sagt das behördliche Ein-
schreiten nichts aus.
Ebensowenig rechtfertigt der von dem Berufungsgericht gezogene Ver-
gleich mit der Unsicherheit über den Fortbestand einer behördlichen Ge-
brauchsgenehmigung, die sich als Mangel i.S. von § 537 BGB darstellen kön-
ne, den daraus gezogenen Schluß, daß wegen der Gefahr, die mit der Lage-
rung des kontaminierten Materials auf dem Mietgelände verbunden gewesen
sei, die Verjährungsregelung des § 558 Abs. 1 BGB zur Anwendung kommen
müsse. Die Mängelhaftung nach §§ 537 ff. BGB stellt auf die Eignung zum ver-
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traglich vereinbarten Gebrauch ab, während die Verjährungsregelung in § 558
Abs. 1 BGB an Veränderungen oder Verschlechterungen des Mietobjekts an-
knüpft. Diese unterschiedliche Zielsetzung der gesetzlichen Regelungen
schließt Rückschlüsse in der vom Berufungsgericht vorgenommenen Art aus.
e) Den bisher (oben unter b) und c)) behandelten Fällen lagen jeweils
tatsächliche Beschädigungen des Mietobjekts i.S. von Substanzbeeinträchti-
gungen zugrunde, und zwar bis hin zu dem in dem Urteil vom 18. Dezember
1963 (VIII ZR 193/62 = NJW 1964, 545) entschiedenen Fall, in dem ein Er-
satzanspruch wegen vertragswidriger Unterlassung des Abschlusses einer
Feuerversicherung der kurzen Verjährung nach § 558 BGB unterworfen wurde,
weil die Klägerin mit ihrem Begehren "in Wahrheit ... weiter nichts als Ersatz
des Brandschadens" am Mietobjekt verlangt habe.
Andererseits hat der Landwirtschaftssenat des Bundesgerichtshofs in
neuerer Zeit (Urteil vom 25. April 1997 = BGHZ 135, 284 ff.) eine Verschlechte-
rung der Pachtsache im Sinne der - mit § 558 BGB inhaltsgleichen - Vorschrift
des § 591 b BGB darin gesehen, daß der Pächter die für den Hof zugeteilte
Milchreferenzmenge (durch Antrag auf Zahlung einer Milchaufgabevergütung)
teilweise aufgegeben hatte mit der Folge, daß bei Pachtrückgabe ein Refe-
renzmengenübergang auf den Verpächter nicht mehr stattfinden konnte. Hierin
hat der Bundesgerichtshof "einen klassischen Fall der Verschlechterung der
Pachtsache" in Form der unerlaubten Nutzungsänderung nach § 590 Abs. 2
BGB gesehen und dazu ausgeführt: Die Aufgabe der Milchreferenzmenge be-
treffe zwar nicht den physikalischen Zustand der Pachtsache, sei aber un-
trennbar mit der zugrundeliegenden Nutzungsänderung (Beendigung der
Milchproduktion) verbunden; insoweit gehe es um die Einschränkung der Nutz-
barkeit der Pachtsache in tatsächlicher Hinsicht als Grünland über das Ende
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der Pachtzeit hinaus. Mit dieser Gestaltung ist der hier zu entscheidende Fall
schon deshalb nicht vergleichbar, weil die auf dem Mietgrundstück aufge-
brachten kontaminierten Halden (abgesehen von der ohnehin pachttypischen
Regelung des § 590 Abs. 2 Satz 1 BGB) dort nicht auf Dauer lagerten, sondern
jederzeit entfernt werden konnten, wodurch sich der ursprüngliche Zustand der
Mietsache wiederherstellen ließ. Tatsächlich sind die Halden vor der Beendi-
gung des Mietverhältnisses beseitigt worden. Es bedarf daher keiner Entschei-
dung, inwieweit eine Veränderung oder Verschlechterung des Mietobjekts dann
anzunehmen wäre, wenn nach Beendigung des Mietverhältnisses das Grund-
stück nicht, wie geschuldet, als Freifläche, sondern mit den aufgebrachten Hal-
den und damit nicht in ordnungsgemäßem Zustand zurückgegeben worden
wäre (vgl. Palandt/Putzo BGB 59. Aufl. § 556 Rdn. 3; auch: Erman/Jendrek
BGB 9. Aufl. § 558 Rdn. 5, 6; Soergel/Heintzmann BGB 12. Aufl. § 558 Rdn. 6,
7; Staudinger/Emmerich BGB Bearb. 1995 § 558 Rdn. 13). In dem hier zu be-
urteilenden Fall stellt sich vielmehr die Frage, ob eine Veränderung oder Ver-
schlechterung des Mietobjekts im Sinne von § 558 BGB - unter den aufgezeig-
ten Gesichtspunkten - darin zu sehen wäre, daß in dem Zeitraum zwischen der
Aufbringung der Halden und ihrer Beseitigung eine Gefahr von dem Halden-
material für das Mietgrundstück sowie das Grund- und/oder das Rheinwasser
ausgehen konnte, womit unter Umständen während dieses Zeitraums, jedoch
vor Beendigung des Mietverhältnisses, eine wirtschaftliche Wertminderung des
Mietgrundstücks einherging. Dies erscheint auf dem Boden der dargestellten
Rechtsprechung, die erkennbar dahin tendiert, die Anwendbarkeit des § 558
BGB - selbst bei tatsächlicher Substanzbeeinträchtigung oder Substanzbeein-
flussung - nicht noch mehr auszuweiten (vgl. Gerber/Eckert, Gewerbliches
Miet- und Pachtrecht, 3. Aufl. Rdn. 231, 232) als durchaus zweifelhaft.
Die Frage braucht jedoch letztlich nicht entschieden zu werden.
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f) Die Klägerin hat das Mietobjekt nämlich entgegen der Auffassung des
Oberlandesgerichts im Jahre 1994/1995 nicht "zurückerhalten" im Sinne von
§ 558 Abs. 2 BGB, so daß eine Verjährung ihrer Ersatzansprüche in dieser Zeit
nicht begonnen hat.
Wie der erkennende Senat in den Urteilen vom 10. Juli 1991 (XII ZR
105/90 = NJW 1991, 2416) und vom 6. November 1991 (XII ZR 216/90 = NJW
1992, 687) entschieden hat, erfordert die "Rückgabe" der Mietsache, an die
§ 558 Abs. 2 BGB den Beginn der kurzen Verjährungsfrist knüpft, nach dem
Sinn und Zweck der Regelung grundsätzlich eine Veränderung der Besitzver-
hältnisse zugunsten des Vermieters. Dieser soll durch Ausübung der unmittel-
baren Sachherrschaft in die Lage versetzt werden, sich ungestört ein umfas-
sendes Bild von den Mängeln, Veränderungen und Verschlechterungen der
Mietsache zu machen. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn der Vermie-
ter nicht die Möglichkeit hat, das Mietobjekt seinerseits in Besitz zu nehmen,
sondern nur während des Besitzes des Mieters einen von diesem gestatteten
- damit aber gerade nicht freien - Zutritt erhält, um sich in den Mieträumen um-
zusehen (vgl. Senatsurteil vom 10. Juli 1991 aaO). Eine solche Veränderung
der Besitzverhältnisse an dem Mietgrundstück zugunsten der Klägerin ist ent-
gegen der Auffassung des Berufungsgerichts in der Zeit nach November 1994
und während der Dauer der Entsorgungsmaßnahmen nicht eingetreten. Mit der
Übergabe des Schlüssels zum Haupttor des Mietgeländes an die Firma I. hat
die Beklagte zu 1 lediglich dem von der Klägerin beauftragten Entsorgungsun-
ternehmen den Zugang zu dem Mietgrundstück gestattet. Eine Besitzverände-
rung zugunsten der Klägerin war damit aber nicht verbunden, zumal nach Be-
endigung der Entsorgung die uneingeschränkte Sachherrschaft über das Miet-
gelände nahtlos an die Beklagte zu 1 zurückgelangt ist, die ohnehin während
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der Dauer der Entsorgungsvorgänge zumindest mittelbare Besitzerin geblieben
war.
Die Billigkeitsüberlegungen des Berufungsgerichts zur Vermeidung der
Belastung eines fortbestehenden Mietverhältnisses mit Schadensersatzan-
sprüchen des Vermieters rechtfertigen es nicht, bei der hier gegebenen Sach-
lage eine Rückgabe des Mietobjekts an die Klägerin im Sinne von § 558 Abs. 2
BGB zu bejahen.
Da das Berufungsgericht hiernach zu Unrecht eine Verjährung der gel-
tend gemachten Ansprüche angenommen hat, kann das angefochtene Urteil
nicht bestehenbleiben. Der Rechtsstreit ist vielmehr zur weiteren Prüfung und
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
3. Dieses wird sich im Laufe des weiteren Verfahrens mit der Rechts-
grundlage der erhobenen Ersatzansprüche auseinanderzusetzen haben. Dabei
dürfte von einem vertragswidrigen Gebrauch des Mietgrundstücks im Sinne von
§ 550 BGB auszugehen sein, für den die Beklagte gegebenenfalls gemäß
§ 549 Abs. 3 BGB einzustehen hat. Nach Nr. 13.1 der in Bezug genommenen
Allgemeinen Bedingungen für die Vermietung von Grundstücken und Gebäu-
den durften nämlich auf den gemieteten Flächen keine "gefährlichen" Stoffe
der dort genannten Art aufgebracht werden. Diese Einschränkung mußte die
Beklagte als Mieterin auch der Firma H. als ihrer Untermieterin auferlegen;
denn der Mieter hat grundsätzlich dafür einzustehen, daß der Dritte, dem er
den Gebrauch des Mietobjekts überläßt, dieses nur in den durch den Haupt-
mietvertrag gezogenen Grenzen nutzt (vgl. Kraemer in Bub/Treier aaO III A
Rdn. 1029). Welche Rechte sich im einzelnen aus dem vertragswidrigen Ge-
brauch der Mietsache für die Klägerin gegenüber den Beklagten (nicht gegen-
über der Firma H. , vgl. Kraemer aaO Rdn. 1029, 1030; BGB-RGKG Gelhaar
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aaO § 550 Rdn. 7 a.E.; Staudinger/Emmerich aaO § 550 Rdn. 10, 20) ergeben
- etwa auf Aufwendungsersatz gemäß § 683 BGB nach vergeblicher Aufforde-
rung zur Beseitigung des vertragswidrigen Zustandes (vgl. hierzu BGH Urteile
vom 26. Juni 1974 - VIII ZR 43/73 = NJW 1974, 1463, 1464 und BGHZ 110,
313, 315 ff; Emmerich/Sonnenschein aaO § 550 Rdn. 9; Staudinger/Emmerich
aaO § 550 Rdn. 20) oder auf Schadensersatz aus positiver Vertragsverlet-
zung - wird das Berufungsgericht unter Einbeziehung des geführten Schrift-
wechsels zu entscheiden haben.
Blumenröhr Krohn Hahne
Gerber Wagenitz