Urteil des BGH vom 01.07.2010
BGH (wiedereinsetzung in den vorigen stand, zpo, beschwerde, annahme, zahlungsfähigkeit, kausalität, pfändung, zeitpunkt, erfüllung, brandenburg)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZR 10/07
vom
1. Juli 2010
in dem Rechtsstreit
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Dr. Pape und Grupp
am 1. Juli 2010
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem
Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesge-
richts vom 10. Januar 2007 wird auf Kosten der Klägerin zurück-
gewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf
28.879,77 € festgesetzt.
Gründe:
Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht.
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1. Das Landgericht hat mit seiner Annahme zur Postlaufzeit eines
pflichtgemäß am 1. März 2000 abgesandten Antrags auf Erlass eines Pfän-
dungs- und Überweisungsbeschlusses durch den Beklagten eine tatrichterliche
Feststellung gemäß § 287 ZPO getroffen. Die Beschwerde legt nicht dar, dass
die Berufung eine Verfahrensrüge gegen diese Feststellung erhoben hat. Das
Berufungsgericht hatte deshalb das erstinstanzliche Urteil hierauf gemäß § 529
Abs. 2 ZPO nicht nachzuprüfen.
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Eine Abweichung des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei untypisch
langer Postlaufzeit (vgl. BGH, Beschl. v. 15. April 1999 - IX ZB 57/98, NJW
1999, 2118; v. 13. Mai 2004 - V ZB 62/03, NJW-RR 2004, 1217, 1218 unter
III. 2. c), wie von der Beschwerde gerügt, kommt schon deshalb nicht in Be-
tracht. Im Übrigen sind die rechtlichen Wertungen innerhalb von § 287 ZPO ei-
nerseits, § 233 ZPO andererseits nicht ohne weiteres zu vereinheitlichen.
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2. Die von der Klägerin als Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügte
Ausübung des tatrichterlichen Aufklärungsermessens ist verfassungsrechtlich
nicht zu beanstanden.
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a) Soweit die Klägerin zuvor schriftsätzlich den Vortrag des Beklagten
zur Zahlungsunfähigkeit der Vollstreckungs- und späteren Insolvenzschuldnerin
am 19. März 2000 teilweise mit Nichtwissen bestritten hat, reichte dieses Ver-
handeln spätestens im landgerichtlichen Schlusstermin nicht mehr aus. In die-
sem Termin waren die - auch auf Antrag der Klägerin - beigezogenen Insol-
venzakten Gegenstand der mündlichen Verhandlung, welche die Annahme be-
reits damaliger Zahlungsunfähigkeit der späteren Insolvenzschuldnerin stützten.
Dem ist die Klägerin nicht gezielt entgegengetreten. Die Klägerin hat aber vor
allem die Zahlungsfähigkeit der Vollstreckungsschuldnerin im Zeitpunkt einer
pflichtgemäß bewirkten Pfändung (§ 829 Abs. 3 ZPO) zur Ausräumung eines
Anfechtungstatbestandes gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht ausreichend
behauptet und unter Beweis gestellt, wie es zur Darlegung der haftungsausfül-
lenden Kausalität ihr oblegen hätte. Ihr unter Beweis gestellter Vortrag Seite 10
der Berufungsbegründung, auf den die Beschwerdebegründung verweist, lässt
nicht auf die damalige Zahlungsfähigkeit der Vollstreckungsschuldnerin schlie-
ßen (vgl. BGHZ 163, 134, 145). Die behauptete Liquidität der Vollstreckungs-
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schuldnerin und die Erfüllung verschiedener Verbindlichkeiten zeigt nicht, dass
keine Liquiditätslücke bestand, dass sie innerhalb von drei Wochen zu beseiti-
gen war oder dass sie 10 v.H. der Schuldenmasse unterschritt.
b) Der Vortrag der Klägerin zum Zustellungszeitpunkt eines am 14. März
2000 an die Gerichtsvollzieherstelle des Vollstreckungsgerichts übergebenen
Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (bis längstens zum 17. März 2000)
betraf keine für die Streitentscheidung zentrale Frage im Sinne der Rechtspre-
chung des Bundesgerichtshofs. Sie war mit den angebotenen Beweismitteln,
weil sie die Schnelligkeit hypothetischer Verläufe im Geschäftsgang betraf,
auch kaum verlässlich aufzuklären. Das Berufungsgericht hat deshalb die ver-
fassungsrechtlichen Grenzen seines nach § 287 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO be-
stehenden Aufklärungsermessens nicht überschritten (vgl. zur Abgrenzung
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BGH, Urt. v. 6. Oktober 2005 - I ZR 266/02, NJW 2006, 615, 616 f Rn. 28;
Beschl. v. 17. Dezember 2006 - IX ZR 173/03, WM 2007, 569 f Rn. 10).
Ganter Raebel Kayser
Pape Grupp
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 23.03.2006 - 12 O 694/02 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 10.01.2007 - 7 U 77/06 -