Urteil des BGH vom 07.05.2002
BGH (unerlaubte handlung, schuldner, vorsätzlich, vollstreckungsverfahren, zpo, nachweis, antrag, feststellungsklage, pfändung, begehren)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 208/02
vom
26. September 2002
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Kreft und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Kayser und Dr. Bergmann
am 26. September 2002
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 4. Zivilkammer
des Landgerichts Bonn vom 7. Mai 2002 wird auf Kosten der
Gläubigerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 704,62
Gründe:
I.
Die Gläubigerin betreibt eine Autovermietung. Der Schuldner mietete bei
ihr im August 1991 einen Pkw, ohne die Mietwagenkosten vollständig zu be-
gleichen. Im Juli 1992 erwirkte die Gläubigerin gegen den Schuldner einen
Vollstreckungsbescheid, in welchem die Hauptforderung von 1.430 DM als
"Miete für Kraftfahrzeug gem. Rechnung - 326240 vom 19.09.91" bezeichnet
wird. Vollstreckungsversuche blieben ohne Erfolg. Ein auf Anzeige der Gläubi-
gerin eingeleitetes Ermittlungsverfahren gegen den Schuldner stellte die
Staatsanwaltschaft im Oktober 1997 gemäß § 154 Abs. 1 StPO ein.
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Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen hatten ergeben, daß im Jahre
1991 eine Reihe von fruchtlosen Pfändungsversuchen bei dem Schuldner un-
ternommen worden waren. Im Blick hierauf hat die Gläubigerin beantragt, die
erweiterte Pfändung gemäß § 850 f Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Zwangs-
vollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen uner-
laubten Handlung betrieben werde. Der Antrag blieb in den Vorinstanzen ohne
Erfolg. Mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihr
Begehren weiter.
II.
Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im
übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet, weil die Entscheidung
des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 576
Abs. 1, 3 i.V.m. § 546 ZPO).
1. Das Beschwerdegericht meint, die Prüfungskompetenz des Vollstrek-
kungsgerichts erstrecke sich nicht auf die Frage, ob der Anspruch auf einer
vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhe. Denn der Titel selbst
enthalte keinerlei Hinweise auf eine unerlaubte Handlung. Es liege deshalb die
Gefahr nahe, den Titel inhaltlich zu ändern oder gar durch einen anderen zu
ersetzen, wenn der erstmals im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens unter-
breitete Vortrag berücksichtigt werde, der Schuldner habe bei Abschluß des
Automietvertrages einen Eingehungsbetrug begangen. Im übrigen erscheine
das Vollstreckungsverfahren für die Durchführung von Beweisaufnahmen zur
Klärung materiell-rechtlicher Fragen weniger geeignet als das kontradiktorisch
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ausgestaltete Erkenntnisverfahren. Der Gläubiger sei mit seinem Begehren
deshalb auf den Weg der Feststellungsklage zu verweisen.
Demgegenüber rügt die Rechtsbeschwerde, dem Gläubiger müsse der
Nachweis einer Haftung des Schuldners aus vorsätzlich begangener uner-
laubter Handlung jedenfalls dann im Vollstreckungsverfahren offenstehen,
wenn er den Nachweis durch eine strafgerichtliche Verurteilung, der eine Ein-
stellung nach § 154 Abs. 1 Nr. 1 StPO gleichzustellen sei, führen könne.
2. Mit diesen Angriffen kann die Rechtsbeschwerde nicht durchdringen.
Ist in dem zu vollstreckenden Titel - wie im Streitfall - nur eine vertragli-
che Anspruchsgrundlage genannt, kann der Gläubiger im Vollstreckungsver-
fahren nicht durch Vorlage eines rechtskräftigen Strafurteils, eines Strafbefehls
oder einer Einstellungsverfügung nachweisen, daß der titulierte Anspruch auch
auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht (vgl. BGH,
Beschl. v. 26. September 2002 - IX ZB 180/02, zur Veröffentlichung bestimmt).
Falls der Gläubiger erst aufgrund von Erkenntnissen, die ihm nach Erwirken
des Titels zuwachsen, zur erfolgreichen Geltendmachung eines Anspruchs aus
unerlaubter Handlung in der Lage ist, kann das Vollstreckungsgericht dem An-
trag auf eine privilegierte Pfändung nur stattgeben, wenn der Schuldner zu-
stimmt. Ohne diese Zustimmung, an der es im Streitfall fehlt, darf der Gläubiger
nicht damit rechnen, daß die neuen Erkenntnisse noch im Vollstreckungsver-
fahren berücksichtigt werden. Es ist ihm zuzumuten, Feststellungsklage zu er-
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heben, um dem Schuldner, der bisher keinen Anlaß hatte, sich gegen den Vor-
wurf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung zu wehren, eine sachgerechte
Verteidigung vor dem Prozeßgericht zu ermöglichen (BGH aaO).
Kreft
Ganter
Raebel
Kayser
Bergmann