Urteil des BGH vom 16.07.2004

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IXa ZB 44/04
vom
16. Juli 2004
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
SGB I § 55 Abs. 4; ZPO §§ 829, 835, 850 ff
Das Vollstreckungsgericht darf beim Erlaß eines Pfändungs- und Überwei-
sungsbeschlusses nicht anordnen, daß das Geldinstitut als Drittschuldner den
verlängerten Pfändungsschutz gemäß § 55 Abs. 4 SGB I ohne gesonderte ge-
richtliche Entscheidung zu beachten habe.
BGH, Beschluß vom 16. Juli 2004 - IXa ZB 44/04 - LG Stade
AG
Tostedt
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Der IXa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Kreft, die Richter Raebel, von Lienen und die Richterinnen Dr. Kessal-Wulf
und Roggenbuck
am 16. Juli 2004
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Drittschuldnerin wird der Beschluß
der 9. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 15. Januar 2004
teilweise geändert:
Auf die sofortige Beschwerde der Drittschuldnerin gegen den Be-
schluß des Amtsgerichts Tostedt vom 23. September 2003 wird
auch der erste Absatz des Anhangs zum Pfändungs- und Über-
weisungsbeschluß des Amtsgerichts Tostedt vom 21. August
2003 - 9 M 4066/03 - aufgehoben.
Die Schuldnerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Beschwerdewert: bis zu 300 €.
Gründe:
I.
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Auf Antrag der Gläubigerin hat das Amtsgericht einen Pfändungs- und
Überweisungsbeschluß erlassen, mit dem die Forderungen der Schuldnerin ge-
gen die Drittschuldnerin aus der bestehenden Geschäftsverbindung, insbeson-
dere aus einem Girokonto gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung
überwiesen wurden. Dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß hat das Ge-
richt folgende, aus drei Absätzen bestehende Anlage beigefügt, die durch ei-
nen Vermerk auf dem Beschluß dessen Bestandteil ist:
"Gehen auf dem gepfändeten Konto Sozialleistungen (z.B. Ar-
beitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Umschulungsgeld, Renten,
Krankengeld, Sozialhilfe, Wohngeld, Erziehungsgeld, Kindergeld
u.a.) ein, so sind diese Geldeingänge (Bestand und Neugutschrif-
ten) gemäß § 55 des Sozialgesetzbuches (SGB) innerhalb von
7 Tagen seit der Gutschrift unpfändbar. Der Schuldner kann somit
ohne Beschränkung über diese Gelder verfügen. Hat der Schuld-
ner die 7-Tage-Frist verstreichen lassen, so gilt zugunsten des
Schuldners der in § 55 IV SGB formulierte Pfändungsschutz. Für
den dort genannten Zeitraum ergibt sich der pfändbare Betrag
aus der Lohnpfändungstabelle zu § 850c ZPO (in der jeweils gül-
tigen Fassung) unter Berücksichtigung der Unterhaltsverpflich-
tungen des Schuldners. Pfandfrei sind die einzelnen Soziallei-
stungen stets, wenn sie nicht höher sind als monatlich 939,99 €
(bei 0 Unterhaltspflichten), 1.289,99 € (bei 1 Unterhaltspflicht),
1.479,99 €
(bei
2
Unterhaltspflichten),
1.679,99 €
(bei
3 Unterhaltspflichten). § 55 IV SGB macht die Verfügbarkeit der
durch die Gutschrift von Sozialleistungen entstandenen Guthaben
un-
abhängig
matisch und ist von dem Geldinstitut (Drittschuldner) von Geset-
ohne
ten. Denn anders als in § 850k ZPO hat der Gesetzgeber die Auf-
hebung der Pfändung nicht von einem Antrag des Schuldners so-
wie einer nachfolgenden Gerichtsentscheidung abhängig ge-
macht.
Werden noch nicht an der Quelle (Arbeitgeber) gepfändete wie-
derkehrende Einkünfte der in den §§ 850 bis 850b ZPO bezeich-
neten Art, insbesondere Arbeitseinkommen, Lohn oder Gehalt auf
das Konto des Schuldners bei einem Geldinstitut überwiesen,
auf Antrag
dungsschutz für Bankguthaben nach Maßgabe des §§ 850k, 766,
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765a, 732 II ZPO gewährt werden. Den Antrag sollte der Schuld-
ner tunlichst innerhalb der Frist des § 835 III 2 ZPO (= 2 Wochen
nach Zustellung des Pfüb‘s an den Drittschuldner) unter Vorlage
entsprechender Nachweise (Kontoauszüge und Lohn-/Gehaltsab-
rechnungen der letzen 3 Monate) stellen. Deshalb wird der Dritt-
schuldner ausdrücklich auf die Beachtung des § 835 III 2 ZPO
hingewiesen.
Soweit der Schuldner gegenüber dem Geldinstitut durch Vorlage
entsprechender Belege (z.B. Pfändungsverfügungen, Pfändungs-
und Überweisungsbeschluß, Bezüge-, Gehalts- oder Lohnab-
rechnung) nachweisen kann, daß lediglich der pfandfreie Teil des
Arbeitseinkommens auf seinem Konto eingeht oder wenn mit die-
sem Beschluß Arbeitseinkommen und Kontokorrentguthaben par-
allel gepfändet werden, erfaßt die Kontopfändung nicht das durch
die Gutschrift des pfandfreien Teils des Arbeitseinkommen ent-
standene Kontoguthaben.
Diese Anlage stellt nach Auffassung des Vollstreckungsgericht
keine Einschränkung des Gläubigerantrags dar."
Die von der Drittschuldnerin gegen die Hinweise im ersten und dritten
Absatz der Anlage zum Pfändungs- und Überweisungsbeschluß eingelegte
Erinnerung hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Ihre sofortige Beschwerde
blieb hinsichtlich des ersten Absatzes ohne Erfolg. Dagegen wendet sich die
Drittschuldnerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im
übrigen zulässige Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 577 Abs. 5
ZPO zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
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1. Das Beschwerdegericht, das sich auf eine Mindermeinung (vgl. Land-
mann, Rpfleger 2000, 440, 446) stützen kann, hat ausgeführt: Der erste Absatz
der Anlage zum Pfändungs- und Überweisungsbeschluß entspreche der
Rechtslage des § 55 Abs. 4 SGB I. Das Geldinstitut müsse bei laufenden
Sozialleistungen nach Ablauf der absoluten Pfändungsschutzfrist von sieben
Tagen (§ 55 Abs. 1 SGB I) die Pfändungsfreigrenze des § 850c ZPO ohne eine
gerichtliche Entscheidung berücksichtigen. Dies folge aus der Intention des
Gesetzgebers, wie sie den Gesetzesmaterialien zu § 55 SGB I und § 850k ZPO
entnommen werden könne. Der Gesetzgeber habe die Aufhebung der Pfän-
dung nicht von einem Antrag des Schuldners sowie einer nachfolgenden Ge-
richtsentscheidung abhängig gemacht, weil das Sozialgesetzbuch I keine dem
§ 850k ZPO (Pfändungsschutz für Kontoguthaben aus Arbeitsaufkommen) ent-
sprechende Regelung enthalte. Dem Geldinstitut sei - ebenso wie einem Sozi-
alversicherungsträger oder einem Arbeitgeber - zumutbar, die Anzahl der Per-
sonen zu ermitteln, denen der Schuldner unterhaltsverpflichtet sei, und die
Pfändungsfreigrenze zu errechnen. Bei Unklarheiten könne es das Vollstrek-
kungsgericht anrufen.
Nach Auffassung der Rechtsbeschwerde, die sich auf die herrschende
Meinung in Rechtsprechung und Literatur beruft (vgl. OLG Hamm JurBüro
1990, 1058; LG Marburg Rpfleger 2002, 470; LG Göttingen JurBüro 2001, 492;
LG Koblenz JurBüro 1998, 47; LG Braunschweig NdsRpfl 1998, 150; Schusch-
ke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz 3. Aufl. § 850k Rn. 19;
Zöller/Stöber, ZPO 24. Aufl. § 850i Rn. 51; Stöber, Forderungspfändung
13. Aufl. Rn. 1439i; Kasseler Kommentar/Seewald, SGB I § 55 Rn. 17), könne
das Geldinstitut nicht verpflichtet werden, für die auf dem Konto eingegange-
nen laufenden Sozialleistungen die Pfändungsfreigrenze unabhängig von einer
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gerichtlichen Entscheidung zu beachten. Vielmehr sei es Sache des Schuld-
ners, im Wege der Vollstreckungserinnerung eine Abänderung des
Pfändungsbeschlusses dahin zu erwirken, daß ihm der in § 55 Abs. 4 SGB I
bezeichnete Betrag pfandfrei belassen werde. Das dem Gläubiger und dem
Schuldner neutral gegenüber stehende Geldinstitut verfüge - im Gegensatz zu
einem Träger der Sozialversicherung oder einem Arbeitgeber - regelmäßig
nicht über ausreichende Informationen, um die Pfändungsfreigrenze sicher
bestimmen zu können. Eine Ermittlungspflicht des Geldinstituts wäre mit einem
unzumutbaren personellen und sachlichen Aufwand verbunden. Der Gläubiger
und der Schuldner könnten als die vom Pfändungsvorgang unmittelbar
Betroffenen ihren Interessengegensatz in einem im Gesetz vorgesehenen
Verfahren klären.
2. Der Standpunkt der Rechtsbeschwerde ist richtig.
a) Wird eine Sozialleistung auf das Konto des Berechtigten bei einem
Geldinstitut überwiesen, ist gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB I die durch die Gut-
schrift entstehende Forderung für die Dauer von sieben Tagen seit der Gut-
schrift der Überweisung unpfändbar. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt die
Pfändung des Guthabens nur als mit der Maßgabe ausgesprochen, daß sie
das Guthaben in Höhe der in Satz 1 bezeichneten Forderung während der sie-
ben Tage nicht erfaßt. Diese Regelung gilt unmittelbar kraft Gesetzes, ohne
daß es eines Pfändungsschutzantrages des Schuldners bedarf. Eine zuvor
durchgeführte Pfändung der Forderung wird erst nach Ablauf der Frist wirksam
(vgl. Zöller/ Stöber, aaO § 850i Rn. 49).
Hat der Schuldner das Geld nicht innerhalb der Schonfrist des § 55 Abs. 1
SGB I von seinem Konto abgehoben, ist gemäß § 55 Abs. 4 SGB I das aus der
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Überweisung einer wiederkehrenden Sozialleistung resultierende Guthaben
der Pfändung insoweit nicht unterworfen, als der Betrag dem unpfändbaren Teil
der Leistung für die Zeit von der Pfändung bis zum nächsten Zahlungstermin
entspricht. Der auf dem Konto noch vorhandene Gutschriftbetrag wird nur noch
zeitanteilig in dem Umfang geschützt, in dem er bei Pfändung des Anspruchs
gegen den Träger der Sozialleistung unpfändbar gewesen wäre. Es gelten die
Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff ZPO, weil sich gemäß § 54 Abs. 4
SGB I die Pfändung von laufenden Sozialgeldleistungen nach den für die
Pfändung von Arbeitseinkommen geltenden Normen richtet.
Grundsätzlich ist zur Bestimmung der Reichweite des verlängerten Pfän-
dungsschutzes nach § 55 Abs. 4 SGB I zunächst festzustellen, welcher Betrag
dem Schuldner bei einer Pfändung des Anspruchs gegen den Leistungsträger
für die gesamte Bezugsperiode pfandfrei hätte belassen werden müssen. Da-
bei ist zwischen nicht privilegierten Gläubigern und Unterhaltsgläubigern zu
unterscheiden und entweder die Lohnpfändungstabelle zu § 850c ZPO
zugrunde zu legen oder von § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO (bzw. von § 850f Abs. 2
ZPO) auszugehen. Von dem danach für die gesamte Bezugsperiode als un-
pfändbar ermittelten Betrag ist dem Schuldner der Teil als pfandfrei zu belas-
sen, der dem in Zeiteinheiten ausgedrückten Verhältnis der Zeitspanne zwi-
schen Pfändung und dem nächsten Zahlungstermin zur gesamten Zahlungspe-
riode entspricht (vgl. Zöller/Stöber, aaO § 850i Rn. 50).
b) Das Vollstreckungsgericht durfte bei Erlaß des Pfändungs- und Über-
weisungsbeschlusses nicht anordnen, daß die Drittschuldnerin (das Geldinsti-
tut) den verlängerten Pfändungsschutz des § 55 Abs. 4 SGB I - unabhängig
von einer Entscheidung des Vollstreckungsgerichts - von sich aus beachten
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muß. Denn die Freigabe des nach dieser Vorschrift pfandfreien Betrages aus
der Vollstreckung obliegt allein dem Vollstreckungsgericht (vgl. Stein/Jonas/
Brehm, ZPO 21. Aufl. § 850i Rn. 124; Zöller/Stöber, aaO § 850i Rn. 51).
Für den verlängerten Pfändungsschutz des § 55 Abs. 4 SGB I ist die
Reichweite des Pfändungsbeschlusses - anders als während der ersten sieben
Tage seit der Gutschrift der Überweisung (§ 55 Abs. 1 Satz 2 SGB I) - nicht
mehr eingeschränkt. Dieser erfaßt somit nach Ablauf der siebentägigen Schon-
frist das Kontoguthaben des Schuldners in vollem Umfang. Daher ist es dem
Geldinstitut gemäß § 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO ab diesem Zeitpunkt verboten, an
den Schuldner zu leisten (vgl. Schuschke/Walker, aaO § 850k Rn. 19; Zöller/
Stöber,aaO § 850i Rn. 51; Stöber, Forderungspfändung aaO Rn. 1439i). Der
Schuldner muß deshalb nach Ende der Schonfrist beim Vollstreckungsgericht
im Wege der Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 ZPO eine Abänderung
des Pfändungsbeschlusses dahingehend erwirken, daß ihm der in § 55 Abs. 4
SGB I genannte Betrag bis zum nächsten Zahlungstermin pfandfrei belassen
wird (vgl. LG Marburg Rpfleger 2002, 470 f; LG Göttingen JurBüro 2001, 492;
LG Koblenz JurBüro 1998, 47; Zöller/Stöber, aaO § 850i Rn. 51; Stöber, Forde-
rungspfändung aaO Rn. 1439i).
c) Dieses Ergebnis wird durch weitere Überlegungen bestätigt.
§ 55 Abs. 4 SGB I stellt das aus der Überweisung einer wiederkehren-
den Sozialleistung entstandene Guthaben dem Bargeld gleich. Wie bei dessen
Pfändung durch den Gerichtsvollzieher (vgl. § 811 Nr. 8 ZPO) hat daher die
Feststellung, daß von der Pfändung des Kontoguthabens der nach § 55 Abs. 4
SGB I unpfändbare Betrag ganz oder teilweise nicht erfaßt wird, durch eine
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gerichtliche Entscheidung und nicht durch das als Drittschuldner beteiligte
Geldinstitut zu erfolgen, zumal das Vollstreckungsgericht die Unpfändbarkeit
bei Erlaß des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in der Regel noch
nicht berücksichtigen konnte (vgl. Stöber, Forderungspfändung aaO
Rn. 1439i).
Dem Geldinstitut ist nicht wie einem Träger der Sozialversicherung oder
einem Arbeitgeber aufgegeben, zu Gunsten des Schuldners bestehende Pfän-
dungsschutzvorschriften (§§ 850 ff ZPO) unabhängig von einer gerichtlichen
Entscheidung zu beachten und den nach § 55 Abs. 4 SGB I pfandfreien Betrag
selbst festzustellen. Es ist ihm nicht zumutbar und häufig - jedenfalls ohne frei-
willige Mitwirkung des Schuldners - auch nicht möglich, die erforderliche Be-
wertung der persönlichen Verhältnisse des Schuldners als Grundlage für des-
sen Bemessung mit einem vertretbaren personellen und sachlichen Aufwand
sicher vorzunehmen (vgl. LG Marburg Rpfleger 2002, 476 f; LG Koblenz JurBü-
ro 1998, 47). Die Richtigkeit der vom Schuldner gemachten Angaben kann es
kaum überprüfen. Nur wegen der Kontoverbindung hat es keine Fürsorge- und
Aufklärungspflichten, die denen eines Leistungsträgers der Sozialversicherung
auf Grund des sozialversicherungsrechtlichen oder eines Arbeitgebers auf
Grund des arbeitsrechtlichen Rechtsverhältnisses vergleichbar sind. Die Be-
stimmung des bei der Unterhaltsvollstreckung nach § 850d ZPO unpfändbaren
Teils einer laufenden Sozialleistung steht ihm ohnehin nicht zu (vgl. Stöber,
Forderungspfändung aaO Rn. 1439i).
Vor allem spricht auch die Interessenlage der an der Kontenpfändung
Beteiligten gegen eine Verpflichtung des Geldinstituts, den verlängerten Pfän-
dungsschutz gemäß § 55 Abs. 4 SGB I ohne eine gerichtliche Entscheidung zu
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beachten. Gläubiger und Schuldner als die unmittelbar Betroffenen haben die
ihnen vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit, dessen Reichweite im Rahmen der
Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 ZPO vom Gericht klären zu lassen. Der
dem Empfänger von Sozialleistungen zustehende Pfändungsschutz wird da-
durch nicht unzumutbar erschwert (vgl. LG Marburg Rpfleger 2002, 470, 471).
Wenn das Geldinstitut den pfandfreien Betrag selbst festzustellen hätte, müß-
ten Meinungsverschiedenheiten über den Umfang des Pfändungsschutzes in
einem Verfahren gegen das gleichzeitig vom Gläubiger und vom Schuldner
bedrohte Geldinstitut ausgetragen werden (vgl. LG Marburg Rpfleger 2002,
470, 471), obwohl dieses nur als Drittschuldner betroffen ist und dem Gläubiger
sowie dem Schuldner neutral gegenüber steht.
d) Dem Beschwerdegericht ist einzuräumen, daß die - allerdings nicht
ganz eindeutigen - Gesetzesmaterialien zu § 55 SGB I (vgl. BT-Drucks. 7/868,
S. 42, 44, 46) und zu § 850k ZPO (vgl. BT-Drucks. 8/693, S. 49, 50) eher für
die Intention des Gesetzgebers sprechen, das Geldinstitut solle den nach § 55
Abs. 4 SGB I pfandfreien Betrages ohne eine gerichtliche Entscheidung freige-
ben. Angesichts der dargestellten, gegen eine solche Lösung sprechenden
Gründe kommt diesem Auslegungskriterium indes keine entscheidende Bedeu-
tung zu (zur begrenzten Bedeutung der sog. historischen Auslegung vgl.
BVerfGE 1, 299, 312; 8, 274, 307; 10, 234, 244; 11, 126, 129 f).
Kreft
Raebel
v. Lienen
Kessal-Wulf
Roggenbuck