Urteil des BGH vom 06.12.2012

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 307/11
Verkündet am:
6. Dezember 2012
B o t t
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 675
a) Es wird daran festgehalten, dass ein selbständiges Unternehmen der
"Finanzgruppe" einer Sparkasse, das als 100%ige Tochtergesellschaft
(GmbH) der Sparkasse hauptsächlich auf dem Gebiet der Anlageberatung
tätig ist, hinsichtlich der Verpflichtung, seine Kunden ungefragt über die von
ihm bei der empfohlenen Anlage erwarteten Provisionen aufzuklären, wie
ein freier Anlageberater zu behandeln ist (Bestätigung des Senatsurteils
vom 19. Juli 2012 - III ZR 308/11, NJW 2012, 2952).
b) Zur Pflicht eines Anlageberaters, einen Anleger über den Inhalt der mit der
Fonds- oder Vertriebsgesellschaft getroffene Vertriebsvereinbarung aufzu-
klären.
BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 - III ZR 307/11 - OLG Hamm
LG Dortmund
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Dezember 2012 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Hucke und Seiters
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 34. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Hamm vom 13. Oktober 2011 aufgeho-
ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen fehlerhafter Anlageberatung im
Zusammenhang mit einer Beteiligung an dem F.
GmbH & Co. KG in Anspruch.
Die Beklagte ist eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Sparkasse D.
. Sie wirbt mit einer sogenannten Imagebroschüre unter Verwendung des
Firmenlogos der Sparkasse für ihre als "Private Banking" bezeichnete Tätigkeit.
Die Beklagte war Vertriebspartner für die Eigenkapitalvermittlung des in Rede
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stehenden Medienfonds. Nach der Vertriebsvereinbarung durfte die Beklagte
bei der Vertriebswerbung und -beratung nur Daten und Fakten verwenden, die
ihr von der Kapitalsuchenden oder der V. AG zur Verfügung gestellt worden
waren. Sie sollte nicht berechtigt sein, - insbesondere von den Aussagen des
Beteiligungsangebots - abweichende oder darüber hinausgehende Angaben zu
machen.
Der Kläger ist seit 1999 Kunde der Beklagten. Er tätigte in der Vergan-
genheit verschiedene Kapitalanlagen. Nachdem der Kundenberater den Kläger
zunächst telefonisch kontaktiert und ihm den streitgegenständlichen Medien-
fonds als Kapitalanlage empfohlen hatte, kam es am 7. Dezember 2004 zu ei-
ner Besprechung im Hause des Klägers. Im Rahmen dieses Gesprächs, des-
sen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist, wurde dem Kläger der Fonds vor-
gestellt und das Emissionsprospekt übergeben. Die Zeichnungsscheine hatte
der Kundenberater bereits vorher ausgefüllt. Gegenstand der Besprechung war
auch, dass die Beklagte für die Vermittlung der Fondsanteile eine Vergütung
von der Fondsgesellschaft erhalten sollte. Der Kläger ging davon aus, dass die
Provisionszahlung an die Beklagte aus dem Agio in Höhe von 5 % der Zeich-
nungssumme gezahlt würde, das er erbringen musste. Dazu war er nicht bereit.
Er einigte sich mit dem Kundenberater darauf, dass die Hälfte des von ihm zu-
nächst in voller Höhe an die Fondsgesellschaft zu entrichtenden Agios, mithin
ein Betrag in Höhe von 2.500
€, wieder zurückfließen und an seine Tochter ge-
zahlt werden sollte. Am Ende des Gesprächs zeichnete der Kläger durch An-
teilsübernahmeerklärung vom 7. Dezember 2004 eine Beteiligung mit einem
ausgewiesenen Wert von 100.000
€ zuzüglich Agio. Der Kläger zahlte im Wei-
teren 59.500
€ selbst und finanzierte den Restbetrag über ein Darlehen bei der
B. bank. Die Beklagte erhielt für die Vermittlung
der streitgegenständlichen Beteiligung eine Provision in Höhe von zumindest
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7,085 % des vermittelten Nominalkapitals. Die Fondsbeteiligung erbrachte in
der Folgezeit nicht den erhofften wirtschaftlichen Erfolg. Insbesondere erkann-
ten die Finanzämter die zunächst von ihnen akzeptierten steuerlichen Verlust-
zuweisungen der Fondsgesellschaft letztlich nicht an.
Das Landgericht hat die Beklagte im Wesentlichen nach Klageantrag
verurteilt. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das
Oberlandesgericht hat unter Zurückweisung der wechselseitigen Rechtsmittel
im Übrigen die Beklagte verurteilt, an den Kläger 57.000
€ nebst Zinsen zu zah-
len und ihn von den Verbindlichkeiten aus den aufgenommenen Darlehen frei-
zustellen. Es hat des Weiteren festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,
dem Kläger alle steuerlichen Nachteile zu ersetzen, die er dadurch erleidet,
dass er von den Finanzbehörden nicht sogleich unter Berücksichtigung seiner
Beteiligung an dem hier maßgeblichen Fonds einkommensteuerrechtlich veran-
lagt wurde und alle weiteren wirtschaftlichen Nachteile, soweit sie auf der Betei-
ligung beruhen. Die Verurteilung erfolgte Zug um Zug gegen Übertragung der
Rechte und Pflichten des Klägers aus dem Treuhandvertrag mit der M.
GmbH betreffend die mittelbare
Stellung eines Kommanditisten des streitgegenständlichen Fonds. Des Weite-
ren hat das Berufungsgericht festgestellt, dass sich die Beklagte mit der An-
nahme des Angebots auf Übertragung der Rechte und Pflichten des Klägers
aus dem Treuhandvertrag in Verzug befinde.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren
Klageabweisungsantrag weiter.
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Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat die Klage für begründet erachtet, weil die Be-
klagte als Anlageberaterin in zweifacher Hinsicht ihre Beratungspflichten ver-
letzt habe. Zum einen habe die Beklagte nicht über die von ihr erhaltene Provi-
sion vollständig aufgeklärt. Dies wäre aber erforderlich gewesen, da es sich bei
der Beklagten nicht um einen bankunabhängigen Anlageberater handele. Mit
der Auslagerung der Anlageberatung aus dem Geschäftsbereich der Sparkasse
D. auf die Beklagte möge zwar eine gesellschaftsrechtliche Ausgliede-
rung vollzogen worden sein. Dies mache die Beratungsgesellschaft jedoch nicht
automatisch zu einem freien Anlageberater. Vielmehr komme es darauf an, ob
die Beratungsgesellschaft sich aus der Sicht des Kunden nach außen als von
der Bank nicht nur gesellschaftsrechtlich, sondern auch im Übrigen als von die-
ser im Unternehmensverbund unabhängige Beraterin darstelle. Dies treffe auf
die Beklagte nicht zu. Vielmehr nutze die Beklagte den Umstand, dass die
Sparkasse ihre Alleingesellschafterin sei, dafür, um ihr besonderes Nähever-
hältnis zu dieser zu demonstrieren, und zwar nicht zuletzt durch den Gebrauch
des unverkennbaren Firmenlogos der Sparkasse. Sie übernehme damit auch
durch die von ihr selbst vorgelegte sogenannte "Image-Broschüre" das soge-
nannte Corporate-Identity-Konzept der Sparkasse. Indem sie mit deren Erfah-
rungen und deren Referenzen werbe, mache sie sich bewusst deren Vertrau-
ensvorsprung zunutze, und zwar vor allem gegenüber langjährigen Kunden wie
dem Kläger. Die vermeintlich klare Grenze zwischen der Sparkasse einerseits
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und der Beklagten andererseits verschwimme für den Kunden, wenn sich die
Beklagte zur technischen Abwicklung der Sparkasse bediene und dort die Kun-
denkonten gegen Zahlung eines Entgelts unterhalte. Bei den an die Beklagte
geflossenen Zahlungen der Kapitalsuchenden handele es sich auch um aufklä-
rungspflichtige Rückvergütungen, über die der Kläger nicht aufgeklärt worden
sei.
Darüber hinaus falle der Beklagten eine weitere zum Schadensersatz
führende Pflichtverletzung zur Last. Diese sei darin begründet, dass der Kläger
nicht darüber aufgeklärt worden sei, dass die Beklagte sich zuvor im Rahmen
der Vertriebs- und Vergütungsvereinbarung sich dazu verpflichtet habe, bei der
Vertriebsberatung nur Daten und Fakten zu verwenden, die ihr von der V. AG
oder der Fondsgesellschaft zur Verfügung gestellt worden seien, und keine
hiervon - insbesondere von den Aussagen des Beteiligungsangebots - abwei-
chenden oder darüber hinausgehenden Angaben zu machen. Auch dies habe
die Beklagte dem Kunden mitteilen müssen. Die übernommene Verpflichtung
begründe für die Beklagte von vornherein die konkrete Möglichkeit eines Inte-
ressenkonflikts im Rahmen künftiger Beratungsgespräche mit den Anlegern
über die in Rede stehende Beteiligungsform. Eine dem bestmöglichen Interesse
des Anlegers entsprechende eigenständige Anlageberatung sei der Beklagten
damit nämlich nicht mehr selbstverständlich möglich gewesen. Eine solche Be-
ratung müsse nicht nur anleger-, sondern auch anlagegerecht sein. Diese dürfe
sich nicht von vornherein auf den Emissionsprospekt und sonstige Vertriebsun-
terlagen der Fondsgesellschaft oder der von dieser beauftragten Vertriebsge-
sellschaft beschränken. Vielmehr sei ein Berater, der solche Beteiligungen an-
biete, verpflichtet, den Kunden sämtliche für die Anlageentscheidung relevanten
Daten des Anlageobjekts mitzuteilen. Soweit die Beklagte sich einerseits im
Hinblick auf die in Rede stehende Vertriebs- und Vergütungsvereinbarung un-
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eingeschränkt vertragskonform habe verhalten wollen, habe sie sich anderer-
seits gegenüber den Kunden nicht bedenkenlos zu einer anlagegerechten Bera-
tung im vorgenannten Sinne verpflichten können. Vielmehr sei sie prinzipiell
Gefahr gelaufen, dem Anleger Risiken des Anlageobjekts nicht von sich aus
offenbaren zu können, sofern sich die entsprechenden Daten nicht aus den ihr
zur Verfügung gestellten Vertriebsunterlagen ergeben hätten. Wenn die Beklag-
te sich zum Abschluss einer derartigen Vertriebsvereinbarung trotz der damit
verbundenen konkreten Möglichkeit eines solchermaßen schwerwiegenden, da
ihre grundlegenden Beratungspflichten betreffenden, Interessenkonflikts ent-
schieden habe, sei sie zumindest verpflichtet gewesen, ihre Kunden hierüber
von vornherein unmissverständlich zu informieren.
II.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprü-
fung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts lassen sich Scha-
densersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagte nicht begründen.
1.
Ohne Erfolg bleibt jedoch die Rüge der Beklagten, es habe kein Anlage-
beratungs- sondern nur ein Vermittlungsvertrag zwischen den Parteien bestan-
den. Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts ist im Gegensatz zur
Auffassung der Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Im Vordergrund einer Anlageberatung steht in Abgrenzung zur Anla-
gevermittlung das Angebot einer unabhängigen individuellen Beratung (Senats-
urteil vom 27. Oktober 2005 - III ZR 71/05, NJW-RR 2006, 109 Rn. 14). Ein Be-
ratungsvertrag kommt regelmäßig konkludent zustande, wenn im Zusammen-
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hang mit der Anlage eines Geldbetrags tatsächlich eine Beratung stattfindet.
Das Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages kann auch stillschwei-
gend durch die Empfehlung einer Anlage geschehen (BGH, Urteil vom 25. Sep-
tember 2007 - XI ZR 320/06, BGHR BGB § 676 Beratungsvertrag 9). Häufig
wird die Beurteilung und Beratung aufgrund der persönlichen Umstände des
Anlegers im Vordergrund stehen (Senatsurteil vom 18. Januar 2007 - III ZR
44/06, NJW-RR 2007, 621 Rn. 10).
b) Ausgehend vom objektiven Empfängerhorizont konnte der Kläger an-
gesichts der bestehenden langjährigen Geschäftsbeziehung und der genauen
Kenntnis der Beklagten über seine persönlichen Verhältnisse die Empfehlung
zum Erwerb der hier streitgegenständlichen Anlage nur so verstehen, dass die
Beklagte unter Zugrundelegung dieser Kenntnisse eine auf seine Person pas-
sende Anlagemöglichkeit vorschlug und einen Beratungsvertrag über eine
Geldanlage anbot. Die Verabredung zum Gespräch konnte die Beklagte daher
nur dahingehend auffassen, dass der Kläger eine zu seinen persönlichen Ver-
hältnissen passende Anlageempfehlung und eine Beratung über die Chancen
und Risiken einer Anlage in diesem Gespräch erwartete und mit diesem Inhalt
ein Beratungsvertrag zustande kam. Die Beklagte hat sich in ihrem Sachvortrag
auch im Übrigen darauf berufen, dass sie den Kläger umfassend beraten habe.
2.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger kein
Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten wegen einer unterbliebenen
Aufklärung über eine Provision oder Rückvergütung wegen des gezeichneten
Fonds zu. Eine solche Pflicht bestand für die Beklagte nicht.
a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist ein freier nicht
bankmäßig gebundener Anlageberater nicht verpflichtet, den Anleger ungefragt
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über den Umstand und die Höhe einer Provision aufzuklären. Für den Anleger
liegt es bei einer Beratung durch einen freien Anlageberater auf der Hand, dass
dieser von der kapitalsuchenden Anlagegesellschaft Vertriebsprovisionen er-
hält, die jedenfalls wirtschaftlich betrachtet dem vom Anleger an die Anlagege-
sellschaft gezahlten Betrag entnommen werden. Da der Anlageberater mit der
Beratung als solcher sein Geld verdienen muss, kann berechtigterweise nicht
angenommen werden, dass er diese Leistung insgesamt kostenlos erbringt.
Sind ein Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen, so
liegt für den Anleger klar erkennbar zutage, dass aus diesen Mitteln auch Ver-
triebsprovisionen bezahlt werden, an denen sein Anlageberater partizipiert. Un-
ter diesen Umständen besteht regelmäßig kein schützenswertes Vertrauen des
Anlegers darauf, dass der Anlageberater keine Leistungen des Kapitalsuchen-
den erhält; vielmehr sind dem Anleger sowohl die Provisionsvergütung des Be-
raters durch den Kapitalsuchenden als auch der damit (möglicherweise) ver-
bundene Interessenkonflikt bewusst. Soweit es um die genaue Höhe der dem
Anlageberater zukommenden Provision geht, ist es bei gebotener Abwägung
der gegenüberstehenden Interessen der Vertragsparteien Sache des Anlegers
- dem generell das Provisionsinteresse des Beraters bekannt ist -, dieserhalb
bei den Anlageberatern nachzufragen (vgl. nur Senatsurteil vom 19. Juli 2012
- III ZR 308/11, NJW 2012, 2952 Rn. 12 mwN).
b) Ein selbständiges Unternehmen der "Finanzgruppe" einer Sparkasse,
das als 100 %ige Tochtergesellschaft (GmbH) der Sparkasse hauptsächlich auf
dem Gebiet der Anlageberatung tätig ist, ist hinsichtlich der Verpflichtung, seine
Kunden ungefragt über die von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Pro-
vision aufzuklären, wie ein freier Anlageberater zu behandeln (vgl. Senatsurteil
vom 19. Juli 2012 aaO Rn. 14). Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungs-
weise kann ein Anleger, der sich durch einen solchen Anlageberater über Anla-
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gemöglichkeiten beraten lässt, nicht berechtigterweise annehmen, der Anlage-
berater würde diese Leistung kostenlos erbringen. Dabei ist in den Vordergrund
zu stellen, dass es sich in diesen Fällen bei den Beratern um selbständige juris-
tische Personen handelt, die selbst kein Kreditinstitut sind und keine "klassi-
schen" Bankgeschäfte betreiben. Sie sind, ungeachtet des Umstands, dass sie
zur "Finanzgruppe der Sparkasse" gehören - was durch die Verwendung des
Firmenlogos betont wird - und ihre Kunden im Wesentlichen aus dem Kunden-
stamm der Sparkasse gewinnen, ein eigenständiges Unternehmen, zu dessen
Haupttätigkeit - nicht anders als bei sogenannten "freien" Anlageberatern - die
Beratung bei der Geldanlage gehört. Bei gebotener typisierender Betrach-
tungsweise ist einem Anleger auch bei einer solchen Anlageberatung bewusst,
dass der Berater Provision seitens der Kapitalsuchenden erhält, zumal er keine
Vergütung für die Anlageberatung selbst, die Verwaltung von Konten oder sons-
tige Dienstleistungen seitens des Anlegers erhält. Ein Anleger hat damit auch
bei der Beratung durch eine "Sparkassentochter" kein schutzwürdiges Vertrau-
en darauf, dass diese kein Geld seitens des Kapitalsuchenden für die Vermitt-
lung des jeweiligen Anlageprodukts erhält (Senatsurteil aaO).
c) Die Umstände im vorliegenden Fall geben keinen Anlass zu einer ab-
weichenden Beurteilung. Auch hier ist ein Agio offen ausgewiesen worden, über
dessen hälftige Rückerstattung an die Tochter des Klägers eine Vereinbarung
getroffen wurde. Ihm war auch bekannt, dass die Beklagte eine selbständige
juristische Person ist, die jedenfalls von ihm keine Zahlung für die Anlagebera-
tung erhalten hat. Die Beklagte ist deshalb als "freier" Anlageberater anzuse-
hen, der über die von ihm erhaltenen Rückvergütungen und Provisionszahlun-
gen nicht aufzuklären brauchte. Insofern kann sich aus einer unterbliebenen
Aufklärung deshalb kein Schadensersatzanspruch für den Kläger ergeben.
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d) Soweit der Kläger erstmals in der Revisionsinstanz geltend macht, die
Beklagte habe ihn "aktiv" über die Gesamthöhe der ihr zufließenden Provision
getäuscht, ist ihm nicht zu folgen. Allein aus dem Umstand, dass sich die Par-
teien über den Rückfluss des hälftigen Agio-Betrags geeinigt haben, ergab sich
kein hinreichender Anhalt für die Annahme, der Beklagten komme im Erfolgsfal-
le allenfalls eine Provision in dieser Höhe zu. Die Revisionserwiderung zeigt im
Übrigen auch keinen Sachvortrag des Klägers auf, wonach er selbst aus dem
Verhalten der Beklagten einen solchen Schluss gezogen habe.
3.
Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagten falle durch die
mangelnde Aufklärung über den Inhalt der geschlossenen Vertriebsvereinba-
rung im Hinblick auf die Verwendung von Informationen ein weiterer Beratungs-
fehler zur Last, hält den Angriffen der Revision ebenfalls nicht stand. Das Beru-
fungsgericht nimmt an, die übernommene Verpflichtung begründe für die Be-
klagte von vornherein die konkrete Möglichkeit eines Interessenkonflikts im
Rahmen zukünftiger Beratungsgespräche mit Anlegern über die in Rede ste-
hende Beteiligungsform. Eine dem bestmöglichen Interesse des Anlegers ent-
sprechende eigenständige Anlageberatung sei nicht mehr möglich gewesen.
Der Anlageberatungskunde hat einen Anspruch auf eine vollständige und
richtige Beratung. Diese darf, wovon das Berufungsgericht zutreffend ausge-
gangen ist, sich nicht nur auf die Unterlagen beschränken, die von der Fonds-
gesellschaft oder der Vertriebsgesellschaft zur Verfügung gestellt werden. In
Bezug auf das Anlageobjekt hat sich seine Beratung auf diejenigen Eigenschaf-
ten und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Entscheidung wesentliche
Bedeutung haben oder haben können. Er muss deshalb eine Anlage, die er
empfehlen will, mit üblichem kritischem Sachverstand prüfen oder den Anla-
geinteressenten auf ein diesbezügliches Unterlassen hinweisen. Ein Berater,
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der sich in Bezug auf eine bestimmte Anlageentscheidung als kompetent ge-
riert, hat sich dabei aktuelle Informationen über das Objekt, das er empfehlen
will, zu verschaffen. Dazu gehört unter anderem die Auswertung vorhandener
Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse (vgl. Senatsurteil vom 1. Dezember
2011 - III ZR 56/11, NJW 2012, 380 Rn. 10 mwN). Wenn sich nach dieser Prü-
fung ergibt, dass das Anlageprodukt nicht für den Kunden geeignet ist, darf die-
se Anlage nicht empfohlen werden. Geschieht dies gleichwohl, haftet der Anla-
geberater für den daraus entstandenen Schaden. Damit ist dem Kundeninte-
resse Rechnung getragen. Wenn sich der Anlageberater gegenüber der Ver-
triebsgesellschaft verpflichtet, bei der Anlageberatung nur deren Angaben und
Prospekte zu benutzen, bedingt dies nicht eine geringere Pflichtenstellung hin-
sichtlich der Beratung des Kunden. Wenn es hier zu einer Pflichtenkollision
kommt und sich der Anlageberater deswegen außerstande sieht, das Informa-
tionsinteresse des Kunden pflichtgemäß zu erfüllen, so ist er gegebenenfalls
verpflichtet, den Vertrieb der Anlage einzustellen oder den Kunden darauf hin-
zuweisen, dass er weitere Informationen nicht erteilen darf. Wenn sich jedoch
die Anlage als für den Kunden richtig darstellt und die Chancen und Risiken der
Anlage in den zur Verfügung gestellten Unterlagen zutreffend wiedergegeben
werden - und auch sonst keine aufklärungsbedürftigen Umstände bekannt wer-
den -, ergibt sich aus der internen Verpflichtung des Anlageberaters aus der
Vertriebsvereinbarung kein informationsbedürftiger Interessenkonflikt, der für
sich genommen eine Fehlerhaftigkeit der Anlageberatung begründen könnte.
Es ergibt sich deshalb das Gesamtbild, dass im Falle einer unrichtigen Anlage-
beratung der Anlageberater unabhängig davon haftet, ob er sich intern ver-
pflichtet hatte, nur die Informationsmaterialien der Fondsgesellschaft oder der
Vertriebsgesellschaft zu benutzen, da dies sein Verschulden nicht ausschließen
kann, oder aber die Anlageberatung ist im Kundeninteresse korrekt erfolgt. Da-
raus wird deutlich, dass der internen Vereinbarung mit der Vertriebsgesellschaft
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für sich genommen keine so große Bedeutung zukommt, dass allein wegen des
Unterbleibens eines Hinweises auf diese Vereinbarung ein Anleger dazu be-
rechtigt sein könnte, Schadensersatz zu verlangen.
4.
Das Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da die Sache
noch nicht zur Entscheidung reif ist (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO). Das Be-
rufungsgericht wird sich mit den weiterhin geltend gemachten Aufklärungs-
pflichtverletzungen und den Einwendungen der Beklagten auseinanderzusetzen
haben, wozu Stellung zu nehmen der Senat im derzeitigen Verfahrensstadium
keinen Anlass hat.
Schlick
Herrmann
Wöstmann
Hucke
Seiters
Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 07.01.2010 - 12 O 191/09 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 13.10.2011 - I-34 U 53/10 -
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