Urteil des BGH vom 01.07.2009
BGH (zwangsvollstreckung, zpo, antrag, sicherheitsleistung, überwiegendes interesse, vorläufig, berlin, vollstreckung, einstellung, höhe)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZR 50/09
vom
1. Juli 2009
in dem Rechtsstreit
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Juli 2009 durch die Richter
Dose, Prof. Dr. Wagenitz und Fuchs, die Richterin Dr. Vézina und den Richter
Dr. Klinkhammer
beschlossen:
Der Antrag des Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Ur-
teil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 12. Fe-
bruar 2009 ohne Sicherheitsleistung, hilfsweise gegen Sicherheits-
leistung durch Bankbürgschaft gemäß § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO,
einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der Beklagte ist durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Juni 2008
zur Räumung und Herausgabe u.a. der gewerblich gemieteten Räume nebst
Garten mit einer Fläche von insgesamt ca. 1.036 m² in B. verurteilt worden. Das
Landgericht hat sein Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt und dem Beklagten
eingeräumt, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 €
abzuwenden, wenn nicht das klagende Land vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet. Während des Berufungsverfahrens hat das Kammerge-
richt den Antrag des Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des
Landgerichts vorläufig, hilfsweise gegen Sicherheitsleistung, einzustellen, zu-
rückgewiesen.
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Mit vorläufig vollstreckbarem Versäumnisurteil vom 20. November 2008
hat das Kammergericht die gegen den Räumungs- und Herausgabeanspruch
gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Auf den Einspruch des
Beklagten hat es das Versäumnisurteil mit Urteil vom 12. Februar 2009 insoweit
aufrechterhalten. Die Bewilligung einer Räumungsfrist hat es im Hinblick auf ein
vorliegendes Gewerberaummietverhältnis abgelehnt. Einen erneuten Antrag
des Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts vor-
läufig, hilfsweise gegen Sicherheitsleistung, einzustellen, hat es als durch die
Entscheidung zur Hauptsache überholt behandelt. Das Kammergericht hat sein
Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt und dem Beklagen nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von
14.000 € abzuwenden, wenn nicht das klagende Land vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht
zugelassen.
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Nach Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bean-
tragt die Beklagte, die Zwangsvollstreckung aus den Urteilen des Landgerichts
Berlin und des Kammergerichts bis zur Entscheidung über die Nichtzulassungs-
beschwerde des Beklagten und die sich daran ggf. anschließende Revision oh-
ne Sicherheitsleistung, hilfsweise gegen Sicherheitsleistung durch Bankbürg-
schaft gemäß § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO, einstweilen einzustellen. Zur Begrün-
dung trägt er vor, eine Zwangsvollstreckung aus den noch nicht rechtskräftigen
Entscheidungen führe für ihn zu einem nicht zu ersetzenden Nachteil, zumal sie
dann ihre Tätigkeit einstellen müsse. Eine Anmietung von Ersatzräumen sei
bislang nicht gelungen und komme wirtschaftlich auch nicht in Betracht.
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II.
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Der Einstellungsantrag der Beklagten ist nicht begründet.
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Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil einge-
legt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstre-
ckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen
nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und wenn nicht ein überwiegendes
Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 719 Abs. 2 ZPO). Im Verfahren über
die Nichtzulassungsbeschwerde gilt dies entsprechend (§ 544 Abs. 5 Satz 2
ZPO). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt eine
solche Einstellung nicht in Betracht, wenn der Schuldner es versäumt hat, im
Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 712 ZPO zu
stellen, obwohl ihm ein solcher Antrag möglich und zumutbar gewesen wäre
(vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. Juni 2006 - XII ZR 80/06 - NJW-RR 2006, 1088
und vom 2. Oktober 2002 - XII ZR 173/02 - FamRZ 2003, 598).
An diesen Voraussetzungen für die Einstellung der Zwangsvollstreckung
fehlt es hier. Der Beklagte hat im Berufungsrechtszug lediglich beantragt, den
Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Urteil des Landgerichts dahin
abzuändern, dass die Zwangsvollstreckung hinsichtlich des Räumungs- und
Herausgabeanspruchs ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt wird.
Diesen Antrag nach den §§ 719, 707 ZPO hatte das Berufungsgericht zunächst
zurückgewiesen. Nach der abschließenden Entscheidung über die Berufung hat
es den weiteren Antrag zu Recht als überholt angesehen. Die Anträge nach den
§§ 719, 707 ZPO, die nur den Vollstreckungsschutz für die Dauer des Beru-
fungsverfahrens betreffen und nicht über den Erlass des Berufungsurteils hin-
aus wirken, ersetzen jedoch nicht den erforderlichen Antrag nach §§ 712, 714
ZPO dahin, dass das Berufungsgericht dem Beklagten auch bei seiner Ent-
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scheidung Vollstreckungsschutz gewähren sollte (Senatsbeschlüsse vom
6. Juni 2006 - XII ZR 80/06 - NJW-RR 2006, 1088, vom 21. September 2005
- XII ZR 126/05 - Grundeigentum 2005, 1347, vom 22. April 2004 - XII ZR
16/04 - GuT 2004, 129 f. und vom 2. Oktober 2002 - XII ZR 173/02 - FamRZ
2003, 598).
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Den Anträgen des Beklagten auf Einstellung der Zwangsvollstreckung
aus dem landgerichtlichen Urteil ist nicht zugleich ein Antrag nach §§ 712, 714
ZPO zu entnehmen. Das folgt schon aus dem Wortlaut und der Begründung der
Einstellungsanträge vom 26. August 2008 und vom 3. Februar 2009. Denn da-
nach begehrte der Beklagte lediglich die Einstellung der Zwangsvollstreckung
während des Berufungsverfahrens. Bei dem Schutzantrag nach § 712 ZPO
handelt es sich um einen Sachantrag, der in der mündlichen Verhandlung ge-
stellt werden muss (Senatsbeschluss vom 2. Oktober 2002 - XII ZR 173/02 -
FamRZ 2003, 598). Der Beklagte hat einen solchen Antrag auch in der mündli-
chen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht gestellt.
Der Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass es ihm im Berufungs-
rechtszug aus besonderen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar gewe-
sen sei, einen entsprechenden Schutzantrag bis zum Schluss der mündlichen
Verhandlung, auf die das Urteil ergangen ist (§ 714 Abs. 1 ZPO), zu stellen (vgl.
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Senatsbeschlüsse vom 6. Juni 2006 - XII ZR 80/06 - NJW-RR 2006, 1088 und
vom 3. Juli 1991 - XII ZR 262/90 - FamRZ 1991, 1176, 1177).
Dose Wagenitz Fuchs
Vézina
Klinkhammer
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 30.06.2008 - 12 O 692/07 -
KG Berlin, Entscheidung vom 12.02.2009 - 8 U 131/08 -