Urteil des BGH vom 29.10.2009
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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 368/09
vom
29. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts der schweren Brandstiftung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. Oktober
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil
des Landgerichts Dortmund vom 31. März 2009 mit den
Feststellungen aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der schweren Brand-
stiftung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und der versuchten
schweren Brandstiftung in zwei Fällen, einmal ebenfalls in Tateinheit mit gefähr-
licher Körperverletzung, freigesprochen. Eine dem Angeklagten ferner zur Last
gelegte Sachbeschädigung hat es nach § 154 Abs. 2 SPO eingestellt und
- wie das Urteil mitteilt - das Verfahren insofern abgetrennt. Gegen den Frei-
spruch richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwalt-
schaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
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I.
Die zugelassene Anklage legte - soweit das Verfahren nicht nach § 154
Abs. 2 StPO eingestellt wurde - dem Angeklagten zur Last, am 30. September
sowie am 5. und 7. Oktober 2008 jeweils im Keller des Mehrfamilienhauses, in
dem er wohnte, Feuer gelegt zu haben, wobei in zwei Fällen insgesamt drei
Mitbewohner durch Rauchgasvergiftungen verletzt wurden.
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Die Strafkammer hat den Angeklagten freigesprochen, weil sie sich nicht
von seiner Täterschaft überzeugen konnte. Zwar spreche für diese, dass der
Angeklagte zu sämtlichen Brandzeitpunkten in dem Haus anwesend gewesen
sei, er offenbar die Brände als erster bemerkt habe und er sodann als erster
unter einem falschen Namen die Notrufe betätigt oder dies veranlasst habe.
Auch hätten sich keine Anhaltspunkte für die Täterschaft eines Dritten ergeben.
Ferner sei es in dem Haus weder vor dem Einzug des Angeklagten am 12. Juni
2008 noch nach dessen Aufnahme in die Untersuchungshaft am 9. Oktober
2008 zu weiteren Bränden gekommen. In dem Anwesen, das der Angeklagte in
den Jahren 2005 und 2006 bewohnt habe, habe es in dieser Zeit ebenfalls
mehrfach gebrannt. Schließlich habe der Angeklagte eingeräumt, vor dem
Brand am 7. Oktober 2008 mit einem Taxi nach Hause gefahren zu sein und ein
als Zeuge vernommener Taxifahrer habe bekundet, in dieser Zeit einen Fahr-
gast zu der Straße gefahren zu haben, in der der Angeklagte wohnte; während
der Fahrt habe der Fahrgast plötzlich und ungefragt gesagt, dass sein Haus
brenne, „hier brennt’s immer, ich bin der Hausmeister“. Diese Indizien weisen
nach Ansicht der Strafkammer aber „nicht zwingend“ bzw. „notwendigerweise“
auf den - wenn auch mit widersprüchlichen und zumindest teilweise widerlegten
Angaben - die Tatbegehung in den polizeilichen Vernehmungen bestreitenden
Angeklagten als Brandleger hin. Denn es sei „denkbar“, dass der Angeklagte
sich bei den Notrufen nicht zu erkennen geben wollte, weil er wegen in der Ver-
gangenheit erfolgter Verurteilungen wegen Inbrandsetzungen befürchtet habe,
als Melder der Brände mit diesen direkt in Verbindung gebracht zu werden.
Hinzu komme, dass der Zugang zu den Kellerräumen, in denen die Brände ge-
legt wurden, nicht nur für die Hausbewohner, sondern auch für Außenstehende
ohne weiteres möglich gewesen sei.
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II.
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, da die Beweiswürdi-
gung auch angesichts ihrer nur eingeschränkten Überprüfbarkeit in der Revision
Rechtsfehler aufweist.
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Die Begründung des Freispruchs lässt besorgen, dass die Strafkammer
bei der für eine Verurteilung erforderlichen Überzeugung von der Täterschaft
des Angeklagten einen falschen rechtlichen Maßstab angelegt hat. Denn Vor-
aussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sach-
verhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil oder andere Möglichkeiten denk-
notwendig ausschließende - oder wie das Landgericht mehrfach formuliert
„zwingende“ - Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung aus-
reichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt
(st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 1. Juli 2008 - 1 StR 654/07; vom 30. Juli 2009 -
3 StR 273/09).
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Hinzu kommt, dass das Landgericht - obwohl es sich hierauf berufen
hat - nicht die gebotene Gesamtwürdigung vorgenommen hat. So hat es ledig-
lich im Rahmen der Prüfung, ob der Angeklagte bei den Brandmeldungen An-
lass hatte, einen falschen Namen anzugeben, seine Vorstrafen berücksichtigt,
aber in der die Tatvorwürfe selbst betreffenden Beweiswürdigung unerörtert
gelassen, dass der Angeklagte bereits in den Jahren 1997 und 2006 wegen
Brandlegungen verurteilt wurde (in einem Fall hatte er nach einem Einbruch in
einen Kindergarten Gegenstände in Brand gesetzt, im anderen Fall hatte er Pa-
pier in einem Papiercontainer angezündet). Solche weiteren Brandlegungen
können jedoch - etwa wenn sie auf ähnliche Weise begangen wurden wie die
hier verfahrensgegenständlichen - ein gewichtiges Indiz für die Täterschaft des
Angeklagten sein. Dies gilt ebenfalls für den dem Angeklagten ferner zur Last
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gelegten, in der Hauptverhandlung aber nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten
und nicht weiter aufgeklärten Vorwurf der Sachbeschädigung, die er am
18. Juni 2008 durch Anzünden von Papier in der vor dem von ihm bewohnten
Haus abgestellten Papiertonne begangen haben soll. Auch zu der Vorgehens-
weise bei den angeklagten Brandlegungen hat das Landgericht keine näheren
Feststellungen getroffen bzw. mitgeteilt und insbesondere unerörtert gelassen,
ob diese stets auf dieselbe Art und Weise erfolgten und ob der Angeklagte über
die Möglichkeiten und Mittel verfügte, solche Brände zu legen.
III.
Die Aufhebung des Urteils erfasst auch den Ausspruch über die dem An-
geklagten für die erlittene Untersuchungshaft zugesprochene Entschädigung.
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Tepperwien Maatz Solin-Stojanović
Franke Mutzbauer