Urteil des BGH vom 06.04.2000
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 2/98
Verkündet am:
6. April 2000
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
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BGB §§ 767, 776; AGBG § 9 Cg
a) Ist eine weite Zweckerklärung unwirksam, kann die Bürgschaft aufgrund einer
ergänzenden Vertragsauslegung Zinsänderungen umfassen, die dazu dienen,
den Zinssatz der Hauptschuld den wechselnden Refinanzierungsmöglichkei-
ten nach oben oder unten in marktkonformer Weise anzupassen.
b) In der Vereinbarung zwischen Gläubiger und Hauptschuldner, ein Darlehen
nicht mehr in monatlichen Raten, sondern am Ende der Darlehenslaufzeit in
einer Summe zu tilgen, kann eine unwirksame Erweiterung der Verpflichtung
des Bürgen im Sinn von § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB liegen.
Die klauselmäßige Ermächtigung des Gläubigers durch den Bürgen zum Ab-
schluß derartiger Vereinbarungen verstößt gegen § 9 AGBG.
c)
Zu den Folgen der Unwirksamkeit eines klauselmäßigen Verzichts des Bür-
gen auf die Rechte aus § 776 BGB (im Anschluß an BGH, Urt. v. 2. März
2000 - IX ZR 328/98, z.V.b. in BGHZ).
BGH, Urteil vom 6. April 2000 - IX ZR 2/98 - OLG Hamm
LG Dortmund
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. April 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die Richter
Dr. Kreft, Stodolkowitz, Dr. Zugehör und Dr. Ganter
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 31. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Hamm vom 3. November 1997 aufgeho-
ben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung
- auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Beru-
fungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus Bürgschaft in Anspruch. Der Be-
klagte und der Hauptschuldner sind Zahnärzte. Sie gründeten im Jahre 1984
eine Gemeinschaftspraxis. Der Hauptschuldner trat in die Einzelpraxis des Be-
klagten ein und hatte dafür an diesen 625.000 DM zu zahlen. Die klagende
Bank gewährte dem Hauptschuldner auf dessen Antrag vom 16. September
1984 ein Darlehen von 725.000 DM mit einer Laufzeit von zwölf Jahren. Der für
ein Jahr ab Darlehenszusage festgeschriebene Zinssatz betrug 8 3/8 % pro
Jahr. Die Tilgung sollte in vierteljährlichen Raten von 24.250 DM oder in mo-
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natlichen Raten von 8.084 DM [GA 44, 28] erfolgen, beginnend mit dem
25. März 1985. Zusätzlich zu anderen Sicherheiten (insbesondere Abtretung
von Ansprüchen des Hauptschuldners gegen die Kassenzahnärztliche Vereini-
gung und aus Lebensversicherungen sowie Sicherungsübereignung der Praxi-
seinrichtung [GA 44, 43]) verlangte die Klägerin eine Bürgschaft des Beklagten
in Höhe des Darlehensbetrages. Ebenfalls am 16. September 1984 übernahm
der Beklagte gegenüber der Klägerin eine im Kopf des Bürgschaftsformulars
als "Höchstbetragsbürgschaft" bezeichnete selbstschuldnerische Bürgschaft
bis zum Betrag von 725.000 DM für alle der Klägerin gegen den Hauptschuld-
ner "jetzt oder zukünftig zustehenden - auch befristeten oder bedingten - An-
sprüche aus der Geschäftsverbindung mit dem Hauptschuldner". In dem For-
mular ist darüber hinaus unter anderem bestimmt:
"Der Betrag der von mir/uns übernommenen Bürgschaft erhöht sich um
die Beträge, die als Zinsen, Provisionen, Spesen und Kosten jeder Art
auf den verbürgten Höchstbetrag anfallen oder durch deren Geltendma-
chung entstehen; dies gilt auch dann, wenn die Beträge durch Saldo-
feststellung im Kontokorrent jeweils Kapitalschuld geworden sind und
dadurch der verbürgte Höchstbetrag überschritten wird.
...
Wenn Ihre Ansprüche den von mir/uns verbürgten Betrag übersteigen,
so dürfen Sie den Erlös aus Ihnen anderweitig bestellten Sicherheiten,
ferner alle Ihnen von dem Hauptschuldner oder für dessen Rechnung
geleisteten Zahlungen sowie dessen etwaige Gegenforderungen zu-
nächst auf den durch meine/unsere Bürgschaft nicht gedeckten Teil Ihrer
Ansprüche anrechnen.
Alle Maßnahmen und Vereinbarungen, welche Sie hinsichtlich Ihrer An-
sprüche oder bei der Verwertung anderweitiger Sicherheiten für zweck-
mäßig erachten, berühren den Umfang der Bürgschaftsverpflichtung
nicht. Insbesondere bleibt meine/unsere Bürgschaft bis zu Ihrer vollen
Befriedigung auch dann unverändert bestehen, wenn Sie dem Haupt-
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schuldner Stundung gewähren oder Sicherheiten und Vorzugsrechte,
welche Ihnen für die von mir/uns verbürgten Ansprüche anderweitig be-
stellt sind oder künftig bestellt werden, freigeben, namentlich andere
Bürgen aus der Haftung entlassen. ..."
Das Darlehen wurde zunächst auf einem Konto bei der Filiale D. der
Klägerin geführt [GA 44, 42, 62]. Bis einschließlich Februar 1986 wurden vom
Hauptschuldner monatliche Raten von 8.084 DM gezahlt [GA 62]. Im März
1986 wurde das Darlehen auf Wunsch des Hauptschuldners geteilt und auf
zwei Konten weitergeführt, 350.000 DM [ersichtlich abzüglich erbrachter Til-
gungsleistungen, vgl. GA 7] wie bisher auf dem Konto ... 01 - die monatlichen
Raten betrugen 3.500 DM [GA 44, RB 2] -, 375.000 DM auf dem Konto ... 03
[GA 39, 42]. Es wurde vereinbart, daß auf diesen Teil des Darlehens nur noch
Zinsen, aber keine Tilgungsleistungen (mehr) zu erbringen seien und er mit
Hilfe einer Kapitallebensversicherung am 31. Dezember 1998 [RB 2] getilgt
werden solle [vgl. GA 8]. Am 15. August 1991 wurde das Engagement an die
Zweigstelle A. der Filiale D. gegeben [GA 43, 7, 8] und dort auf den Konten
... 02 (die ursprünglichen 350.000 DM [GA 7, 45] hatten sich auf
187.914,38 DM verringert [GA 62]; auf das neue Konto wurde im Einvernehmen
mit dem Hauptschuldner [GA 46] ein Betrag von 188.000 DM übertragen [GA 7,
45, 46]) und ... 04 (375.000 DM [GA 8, 47]) geführt. Der Kreditbetrag von
188.000 DM war für vier Jahre mit 9,85 % pro Jahr zu verzinsen und ein-
schließlich Tilgung ab 25. August 1991 mit monatlich 2.105 DM zu bedienen
[GA 7, 45, 46]. Auf die Darlehenssumme von 375.000 DM waren für zwei Jahre
jährliche Zinsen von 9,95 % zu erbringen [GA 8, 47, 48]. Mit Wirkung vom
1. September 1993 wurde dieser Kreditteil in Höhe von 372.000 DM auf dem
Konto ... 05 weitergeführt und war für 5,7 Jahre mit 7,95 % pro Jahr zu verzin-
sen [GA 9, 49].
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Weil eine andere Bank Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den
Hauptschuldner eingeleitet und er der Klägerin erbetene Informationen über
sein Vermögen und seine Verbindlichkeiten nicht erteilt hatte, kündigte die Klä-
gerin mit Schreiben vom 22. August 1994 gemäß Nr. 19 Abs. 3 ihrer Allgemei-
nen Geschäftsbedingungen aus wichtigem Grund die dem Hauptschuldner ge-
währten Kredite fristlos. Nach Berechnung der Klägerin beliefen sich die Ver-
bindlichkeiten des Beklagten insgesamt auf 710.133,22 DM. Davon entfielen
auf das Konto ... 02 ein Betrag von 144.556,22 DM und auf das Konto ... 05 ein
Betrag von 391.180,62 DM, zusammen 535.736,84 DM. Diese Summe nebst
Zinsen hat die Klägerin eingeklagt. Das Landgericht hat den Beklagten in der
Hauptsache antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung
bis auf einen Teil des Zinsanspruchs zurückgewiesen. Mit seiner Revision
verfolgt der Beklagte den Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe eine wirksame
selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen. Er habe nicht dargelegt und
bewiesen, daß der Hauptschuldner das Darlehen in größerem Umfang zurück-
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geführt habe, als von der Klägerin vorgetragen werde. Diese sei nicht ver-
pflichtet gewesen, die Erlöse aus anderen Sicherheiten vorrangig auf den vom
Beklagten verbürgten Teil des Kredits zu verrechnen. Die Hauptschuld, die den
Anlaß für die Verbürgung gebildet habe, sei nicht durch Novation erloschen.
Zwischen der Klägerin und dem Hauptschuldner seien lediglich neue Zins- und
Tilgungsvereinbarungen getroffen worden. Diese ließen den Bestand der
Hauptforderung ebenso unberührt wie deren auf banktechnischen Gründen
beruhende Weiterführung unter anderen Kontonummern. Die Bürgschaftsan-
sprüche seien wegen der Zins- und Tilgungsvereinbarungen auch nicht ver-
wirkt. Wenn sich dadurch die endgültige Tilgung des Kredits verzögert haben
sollte, sei die Verpflichtung des Bürgen dennoch nicht unzulässig erweitert
worden; die Hauptschuld sei unverändert geblieben.
II.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Überprüfung in wesentlichen
Punkten nicht stand.
1. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht die Gültigkeit des
Bürgschaftsvertrages bejaht.
Die Unwirksamkeit der globalen Sicherungsklausel (ständige Senats-
rechtsprechung, vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 30. September 1999 - IX ZR 287/98,
NJW 1999, 3708, 3709) auch bei Höchstbetragsbürgschaften (BGH, Urt. v.
28. Oktober 1999 - IX ZR 364/97, WM 2000, 64, 65 f, z.V.b. in BGHZ) führt zu
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einer Begrenzung der Haftung des Bürgen auf diejenige Hauptschuld, die An-
laß für die Bürgschaft war. Das war hier die Verbindlichkeit aus dem am Tage
der Bürgschaftsübernahme des Beklagten beantragten Darlehen über
725.000 DM.
2. Der Beklagte ist entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht
nicht infolge Erlöschens der Hauptforderung von der Bürgenverpflichtung frei-
geworden. Bei den wiederholten Änderungen des Darlehensvertrages handelte
es sich nicht um Schuldumschaffungen. Wegen der mit diesen verbundenen
einschneidenden Folgen ist im Zweifel davon auszugehen, daß nur eine Ver-
tragsänderung gewollt ist und nicht ein neues Schuldverhältnis begründet wer-
den soll (vgl. BGH, Urt. v. 30. September 1999 aaO m.w.N.). Daß die Änderun-
gen der Zinshöhe nach Ablauf der Festschreibungsfristen den Bestand des
Schuldverhältnisses unberührt ließen, unterliegt von vornherein keinem Zwei-
fel. Aber auch in der für einen Betrag von 375.000 DM vereinbarten Ausset-
zung der Tilgung bis Ende 1998 sowie in der damit verbundenen Weiterfüh-
rung des Kredits auf zwei Konten und in den späteren Umbuchungen auf neue
Konten lagen lediglich Änderungen von Vertragsmodalitäten, die das ursprüng-
liche Kreditverhältnis als solches bestehen ließen (vgl. BGH, Urt. v. 30. Sep-
tember 1999 aaO). Die auf Rückzahlung des Darlehenskapitals gerichtete For-
derung der Klägerin, für die sich der Beklagte verbürgt hatte, wurde infolge der
Veränderung der Tilgungsbedingungen nicht durch eine andere ersetzt (vgl.
BGH, Urt. v. 21. Mai 1980 - VIII ZR 201/79, WM 1980, 773, 775). Soweit die
Änderung der Rückzahlungsweise eine Verschlechterung der Rechtsstellung
des Beklagten als Bürgen zur Folge hat, wird dieser durch § 767 Abs. 1 Satz 3
BGB geschützt.
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3. Für die nach Abschluß des Bürgschaftsvertrages zwischen der Kläge-
rin und dem Hauptschuldner vereinbarten Zinserhöhungen hat der Beklagte
grundsätzlich einzustehen.
a) Zwar enthält das Bürgschaftsformular keine besondere Zinsände-
rungsklausel. Dies beruht ersichtlich darauf, daß Änderungen der Darlehens-
zinsen unter die globale Sicherungsklausel fielen, die bei Abschluß des Bürg-
schaftsvertrages (frühestens am 16. September 1984, spätestens wohl im
Frühjahr 1985) von der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich für
wirksam gehalten wurde (vgl. BGH, Urt. v. 27. Juni 1979 - VIII ZR 233/78, WM
1979, 884, 885 m.w.N.; v. 21. Mai 1980 - VIII ZR 107/97, WM 1980, 770, inso-
weit in BGHZ 77, 167, 169 n. abgedr.; v. 6. Dezember 1984 - IX ZR 115/83,
WM 1985, 155, 157). Nach der neuen Rechtsprechung ist die weite Siche-
rungsklausel in Verträgen mit einem Bürgen, der keinen Einfluß darauf nehmen
kann, welche Verbindlichkeiten der Hauptschuldner eingeht, nach § 9 AGBG
unwirksam. Deshalb ist zu prüfen, welche Regelung die Parteien bei sachge-
rechter Abwägung der beiderseitigen Interessen in bezug auf Zinsänderungen,
insbesondere Zinserhöhungen, getroffen hätten, wenn sie die Unwirksamkeit
der Klausel bedacht hätten (vgl. BGHZ 137, 153, 156 ff; BGH, Urt. v. 28. Okto-
ber 1999 aaO).
b) Im Streitfall sicherte die Bürgschaft ungeachtet der Unwirksamkeit der
globalen Sicherungsklausel auch die für das Darlehen vereinbarten Zinsen.
Dies ergibt sich bereits aus dem aufgrund des Angebots vom 16. September
1984 zustande gekommenen Darlehensvertrag, der den Anlaß für die Bürg-
schaftsübernahme bildete und dessen Bedingungen mit Einschluß der verein-
barten Zinshöhe und ihrer zeitlichen Festschreibung dem Beklagten bekannt
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waren. Es folgt ferner aus der Klausel des Bürgschaftsvertrages, wonach sich
der verbürgte Höchstbetrag unter anderem um die Beträge erhöht, die als Zin-
sen auf ihn entfallen.
In dem Darlehensvertrag war der vereinbarte Jahreszinssatz von
8 3/8 % für ein Jahr ab Darlehenszusage festgeschrieben. Hieraus war zu ent-
nehmen, daß nach Ablauf der Frist ein anderer Zinssatz vereinbart werden
konnte. Der Beklagte mußte, wie jeder andere Bürge an seiner Stelle, mit einer
Abänderung der Zinshöhe rechnen, sobald die ursprüngliche Bindung entfallen
war. Die sachgerechte Abwägung der Interessen der typischerweise an Ge-
schäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise hat nach einem generalisieren-
den und typisierenden Maßstab zu erfolgen (vgl. BGHZ 110, 241, 244; 119,
305, 325; BGH, Urt. v. 28. Oktober 1999 aaO). Danach wäre eine Klausel nicht
zu beanstanden gewesen, nach der die Bürgschaft solche Zinsänderungen
umfaßt, die dazu dienen, den Zinssatz den wechselnden und bei Vertrags-
schluß meist nicht überschaubaren künftigen Refinanzierungsmöglichkeiten,
die maßgeblich durch den von der Zentralbank festgesetzten, schwankenden
Diskontsatz beeinflußt werden, nach oben oder unten in marktkonformer Weise
anzupassen.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung hält die Zinsklausel eines
Darlehensvertrages, die der darlehensgebenden Bank unter den genannten
Voraussetzungen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB
einräumt, einer Prüfung nach § 9 AGBG stand (vgl. BGHZ 97, 212, 216 ff; auch
118, 126, 131; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 8. Aufl. Anh. §§ 9 - 11
Rdn. 282). Dann wird auch ein Bürge durch eine solche Zinsanpassungsklau-
sel, soweit sie seine Haftung für Erhöhungen von Darlehenszinsen begründet,
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die von Gläubiger und Schuldner zur Anpassung an geänderte Refinanzie-
rungsmöglichkeiten in sachgerechter Weise vereinbart werden, nicht entgegen
den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Eine solche
Klausel entspricht vielmehr den typischen Interessen des Gläubigers und be-
einträchtigt die Interessen des Bürgen nicht in unangemessener Weise, so daß
der Vertrag im Wege der Auslegung entsprechend zu ergänzen ist.
4. Nicht zu folgen ist dem Berufungsgericht, soweit es der Änderung der
Tilgungsvereinbarung in bezug auf einen Teilbetrag von 375.000 DM im Jahre
1986 unter dem Gesichtspunkt des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB keine Bedeutung
beigemessen hat. Nach dieser Norm erstreckt sich die Bürgenhaftung nicht auf
rechtsgeschäftliche Veränderungen der Hauptschuld, die die Verpflichtung des
Bürgen erweitern, d.h. seine Rechtsstellung verschlechtern.
a) Ohne die Änderung der Tilgungsbestimmung hätte sich bei Einhal-
tung der vereinbarten Tilgungsleistungen mit der Verminderung des Darle-
henskapitals auch das Risiko des Beklagten als Bürgen laufend verringert.
Durch die Änderung wurde das Bürgenrisiko erheblich vergrößert; es entsprach
während der Laufzeit des (Teil-)Darlehens ständig der Gesamthöhe dieses
Kredits. Eine Verminderung des Risikos durch die Lebensversicherung, mit der
diesem Darlehensteil getilgt werden sollte, war nicht gegeben, wenn diese Le-
bensversicherung nach den Darlehensbedingungen ohnehin als Sicherheit für
das Gesamtdarlehen (möglicherweise auch zugleich für andere Ansprüche der
Klägerin) dienen sollte. Dies ist in der Revisionsinstanz mangels anderweitiger
Feststellungen zu unterstellen. Demzufolge braucht der Beklagte die durch die
Änderung der Tilgungsbestimmung geschaffene neue Rechtslage nicht gegen
sich gelten zu lassen, vielmehr bleibt die Haftung des Beklagten in dem ur-
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sprünglichen Umfang bestehen (vgl. BGH, Urt. v. 21. Mai 1980 aaO S. 774;
Staudinger/
Horn, BGB 13. Bearb. § 767 Rdn. 36, 37, 40).
b) An dieser Rechtslage vermögen die Allgemeinen Geschäftsbedingun-
gen des Bürgschaftsvertrages nichts zu ändern. Dies gilt insbesondere für die
Klausel, wonach alle von der Klägerin für zweckmäßig erachteten Maßnahmen
und Vereinbarungen hinsichtlich ihrer Ansprüche den Umfang der Bürgschafts-
verpflichtung nicht berühren und die Bürgschaft bis zur vollen Befriedigung der
Klägerin auch dann unverändert bestehenbleibt, wenn diese dem Haupt-
schuldner Stundung gewährt.
Der erste Teil dieser Klausel ("berühren den Umfang der Bürgschafts-
verpflichtung nicht") kann auch in dem Sinn verstanden werden, daß der Haf-
tungsumfang des Bürgen sich in Fällen einer anderweitigen Vereinbarung zwi-
schen Klägerin und Hauptschuldner nicht erweitert (§ 5 AGBG).
Bei einem anderen Verständnis verstößt der erste Teil der Klausel
ebenso wie die weite Sicherungszweckerklärung gegen § 9 AGBG, soweit er
die Klägerin dazu ermächtigt, die Verpflichtungen des Bürgen ohne seine Zu-
stimmung durch Vereinbarungen mit dem Hauptschuldner zu erweitern. Mit der
formularmäßigen Ausdehnung der Bürgenhaftung auch auf solche Rechtsfol-
gen von Vereinbarungen zwischen Klägerin und Hauptschuldner, welche die
Rechtsstellung des Beklagten verschlechtern, wird diesem die Übernahme ei-
nes unkalkulierbaren Risikos zugemutet. Dies ist mit dem Grundgedanken der
gesetzlichen Leitentscheidung des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht vereinbar.
Zugleich werden durch die Klausel wesentliche Rechte des Bürgen in einer den
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Vertragszweck gefährdenden Weise eingeschränkt. Sie macht es möglich, den
Beklagten mit einem Risiko zu belasten, dessen Umfang allein von dem Han-
deln Dritter bestimmt wird, und widerspricht deshalb der im Vertragsrecht gel-
tenden Privatautonomie (vgl. BGHZ 130, 19, 32 f; 137, 153, 156).
Soweit die Klausel die Klägerin zu Stundungen der Hauptforderung, d.h.
zum Hinausschieben ihrer Fälligkeit bei Bestehenbleiben der Erfüllbarkeit
(BGH, Beschl. v. 25. März 1998 - VIII ZR 298/97, NJW 1998, 2060, 2061; Pa-
landt/Heinrichs, BGB 59. Aufl. § 271 Rdn. 12), ermächtigt, greift sie im Streitfall
nach der Unklarheitenregel des § 5 AGBG nicht ein. Zwar mag die Änderung
der Tilgungsbestimmung im Ergebnis einer Stundung nahekommen, weil die
Tilgungsraten nicht zu den vorgesehenen Fälligkeitszeitpunkten, sondern erst
am Ende der Laufzeit des Kredits zu zahlen waren. Gleichwohl bleibt es bei
einer objektiven Auslegung der Klausel anhand ihres Wortlauts und Rege-
lungszusammenhangs am Maßstab der Verständnismöglichkeiten der typi-
scherweise von der Klausel angesprochenen Durchschnittskunden (vgl. BGH,
Urt. v. 13. Mai 1998 - VIII ZR 292/97, WM 1998, 1590) unklar, ob eine solche
Vereinbarung unter den Begriff der Stundung fällt. Diese Auslegung obliegt
dem Revisionsgericht, weil es sich bei der Klägerin um eine deutsche Groß-
bank handelt und nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, daß sie
das Bürgschaftsformular bundesweit, jedenfalls nicht nur im Bezirk des Beru-
fungsgerichts, verwendet hat. Der Durchschnittskunde wird bei einem Darlehen
mit monatlicher Tilgung unter Stundung in erster Linie ein kurzfristiges Hinaus-
schieben der Fälligkeit einer oder mehrerer Raten bei grundsätzlicher Beibe-
haltung der monatlichen Tilgungsverpflichtung verstehen. Ob unter den in der
Klausel verwendeten Begriff der Stundung auch die Vereinbarung einer gänzli-
chen Aufhebung der monatlichen Tilgungsverpflichtung zugunsten einer ein-
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maligen Tilgung bei Ablauf der Darlehensfrist fällt, wird für den Durchschnitts-
kunden nicht hinreichend deutlich. Deshalb ist in der Änderung der Tilgungs-
bestimmung keine Stundung im Sinne der Klausel zu sehen.
c) Blieb der Haftungsumfang des Beklagten von der Änderung der Til-
gungsvereinbarung unberührt, ist zu prüfen, wie sich die Hauptschuld ohne die
Änderung tatsächlich entwickelt hätte. Diese Sachlage ist mit dem wirklich ein-
getretenen Sachstand zu vergleichen (vgl. RGZ 59, 223, 229). Dazu fehlt es
nicht nur an Feststellungen, sondern auch an Vortrag der Klägerin. Von Be-
deutung könnte insoweit sein, ob der Hauptschuldner in der Lage gewesen wä-
re, die in dem ursprünglichen Darlehensvertrag vorgesehenen Tilgungsleistun-
gen auch auf die Summe von 375.000 DM weiter ganz oder teilweise zu erbrin-
gen. Träfe dies nicht zu, wäre eine durch die Änderung der Tilgungsvereinba-
rung herbeigeführte Verschlechterung der Rechtslage des Beklagten jedenfalls
insoweit zu verneinen, als er bei einer Inanspruchnahme zum jeweiligen Fällig-
keitszeitpunkt in der Lage gewesen wäre, die Klägerin zu befriedigen, nicht
aber, seine Rückgriffsansprüche gegen den Hauptschuldner durchzusetzen
(vgl. RGZ 59, 223, 231; Reimer JW 1926, 1946; Enneccerus/Lehmann, Schuld-
recht 15. Aufl. § 192 II 4 = S. 792; Staudinger/Horn, aaO § 767 Rdn. 47; auch
BGHZ 72, 198, 205; MünchKomm-BGB/Habersack, 3. Aufl. § 767 Rdn. 12 zur
einseitigen Stundung der Hauptschuld durch den Gläubiger).
5. Das Berufungsgericht hat gemeint, die Klägerin sei nicht gehalten,
verwertete Sicherheiten auf den verbürgten Teil der Hauptforderung zu ver-
rechnen. Vielmehr sei sie mangels einer anderweitigen Absprache grundsätz-
lich berechtigt, Sicherheitenerlöse so zu verrechnen, wie es für sie am günstig-
sten sei. Dem ist in dieser Allgemeinheit nicht beizupflichten.
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a) Soweit sich das Berufungsgericht für seine Auffassung auf das Urteil
des Bundesgerichtshofs vom 29. April 1997 - XI ZR 176/96, WM 1997, 1247,
1249, beruft, berücksichtigt es nicht, daß es sich bei der Kreditsicherheit im
Streitfall um eine Bürgschaft und nicht - wie in dem erwähnten Urteil - um eine
Grundschuld handelt. Für die Bürgschaft gilt § 776 BGB. Danach wird der Bür-
ge, wenn der Gläubiger ein mit der Forderung verbundenes Vorzugsrecht, eine
für sie bestehende Hypothek oder Schiffshypothek, ein für sie bestehendes
Pfandrecht oder das Recht gegen einen Mitbürgen aufgibt - auch wenn das
aufgegebene Recht erst nach Übernahme der Bürgschaft entstanden ist -, in-
soweit frei, als er aus dem aufgegebenen Recht nach § 774 BGB hätte Ersatz
erlangen können. Zu den Rechten im Sinne von § 776 BGB sind über die in
seinem Text erwähnten akzessorischen Rechte hinaus auch selbständige Si-
cherungsrechte wie Sicherungsgrundschulden, Sicherungseigentum, Eigen-
tumsvorbehalte oder Sicherungsabtretungen zu zählen, zu deren Übertragung
auf den zahlenden Bürgen der Gläubiger in analoger Anwendung der §§ 774,
412, 401 BGB schuldrechtlich verpflichtet ist (vgl. BGHZ 78, 137, 143; 110, 41,
43; BGH, Urt. v. 28. April 1994 - IX ZR 248/93, WM 1994, 1161, 1163;
MünchKomm-BGB/Habersack aaO § 776 Rdn. 6).
Zwar ist § 776 BGB grundsätzlich abdingbar (vgl. BGH, Urt. v. 24. Sep-
tember 1980 - VIII ZR 291/79, WM 1980, 1255, 1256; Staudinger/Horn aaO
§ 776 Rdn. 20). Im Streitfall hat sich der Beklagte in dem Bürgschaftsformular
damit einverstanden erklärt, daß die Klägerin bei Vertragsschluß bestehende
oder künftige Sicherheiten oder Vorzugsrechte für die verbürgten Ansprüche
freigab und daß alle Maßnahmen und Vereinbarungen, welche die Klägerin bei
der Verwertung anderweitiger Sicherheiten für zweckmäßig erachtet, den Um-
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fang der Bürgschaftsverpflichtung nicht berühren. Eine solche Formularklausel,
in welcher der Bürge ohne gewichtige Gründe und ein überwiegendes Interes-
se des Gläubigers uneingeschränkt auf die Rechtsfolgen des § 776 BGB ver-
zichtet, ist jedoch nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam (BGH, Urt. v. 2. März 2000 - IX ZR
328/98, Umdruck S. 14 ff, z.V.b. in BGHZ).
b) Die Unwirksamkeit des klauselmäßigen Verzichts des Beklagten auf
die Rechte aus § 776 BGB hat zur Folge, daß die Klägerin sich auch nicht dar-
auf berufen darf, ihr sei durch die Bürgschaftsklauseln gestattet, den Erlös aus
ihr anderweitig bestellten Sicherheiten zunächst auf den durch die Bürgschaft
nicht gedeckten Teil ihrer Ansprüche anzurechnen. Auch in einer solchen Ver-
rechnung kann ein Aufgeben von Rechten im Sinne von § 776 BGB liegen (vgl.
BGH, Urt. v. 17. Dezember 1959 - VII ZR 194/58, WM 1960, 371, 372; v.
2. März 2000 aaO).
Der Beklagte ist demzufolge so zu stellen, wie er stünde, wenn die Klä-
gerin die vom Hauptschuldner für die Hauptforderung zusätzlich zu der Bürg-
schaft des Beklagten gestellten Sicherungsrechte nicht aufgegeben hätte. Von
dritter Seite gewährte Sicherheiten stehen im Streitfall nicht in Rede (vgl. inso-
weit zuletzt BGH, Urt. v. 13. Januar 2000 - IX ZR 11/99, WM 2000, 408).
Dabei ist zu unterscheiden zwischen solchen zusätzlichen Sicherungs-
rechten, die bei Bürgschaftsübernahme oder zu einem späteren Zeitpunkt aus-
schließlich die Hauptschuld absicherten, und solchen, die von vornherein auch
der Sicherung anderer Ansprüche der Klägerin dienten. Nur im ersten Fall
hätte der Beklagte bei einer Befriedigung der Klägerin die zusätzlichen Sicher-
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heiten in vollem Umfang für sich verwerten dürfen. Sollte der Sicherungszweck
derjenigen Rechte, die - neben der Bürgschaft - zunächst allein die Hauptforde-
rung absicherten, später durch Vereinbarung zwischen Klägerin und Haupt-
schuldner ohne wirksame Zustimmung des Beklagten auf andere Ansprüche
der Klägerin ausgedehnt und der Verwertungserlös für diese nicht von der
Bürgschaft abgedeckten Ansprüche verwendet worden sein, läge darin eine
Aufgabe dieser Rechte im Sinne von § 776 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 17. Dezem-
ber 1959 aaO). Dann wäre der Beklagte insoweit von seiner Bürgenverpflich-
tung frei geworden, als er aus dem jeweiligen Recht hätte Ersatz erlangen kön-
nen, d.h. in Höhe des Verwertungserlöses.
Dienten die zusätzlichen Sicherungsrechte hingegen bereits bei Bürg-
schaftsübernahme oder - im Falle einer nachträglichen Begründung der Siche-
rungsrechte - zu diesem späteren Zeitpunkt zugleich der Absicherung anderer
Ansprüche, mußte der Beklagte beim Fehlen besonderer Absprachen stets
damit rechnen, daß der Erlös aus der Verwertung dieser Rechte zur Erfüllung
der anderen Ansprüche verwendet würde. In einer solchen Verwendung ist
mithin eine "Aufgabe" derartiger von Anfang an mehrfach sichernder Rechte
nicht zu sehen. Vielmehr ist es der Entscheidung der Klägerin als Gläubigerin
überlassen, auf welche Forderungen sie die Erlöse aus der Verwertung solcher
Sicherheiten verrechnen will. Insoweit gelten die Erwägungen des Urteils des
Bundesgerichtshofs vom 29. April 1997 aaO (vgl. auch BGH, Urt. v.
4. November 1997 - XI ZR 181/96, WM 1997, 2396, 2397).
Ob die Klägerin mit dem Hauptschuldner eine auch für den Beklagten
maßgebliche (vgl. BGH, Urt. v. 27. April 1993 - XI ZR 120/92, WM 1993, 1078,
1079 f) Tilgungsreihenfolge vereinbart oder ob der Schuldner eine einseitige
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Tilgungsbestimmung gemäß § 366 Abs. 1 BGB getroffen hat, ist nicht festge-
stellt oder vorgetragen. Fehlt es an beidem, gilt § 366 Abs. 2 BGB (vgl. BGH,
Urt. v. 2. März 2000 aaO).
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben.
Die Zurückverweisung gibt den Parteien Gelegenheit, zu den klärungs-
bedürftigen Punkten weiter vorzutragen. Das Berufungsgericht wird zunächst
nach Maßgabe der im Vorstehenden dargelegten Gründe festzustellen haben,
wie sich der Kredit entwickelt hätte, wenn es bei der ursprünglichen Tilgungs-
regelung des Darlehensvertrages geblieben wäre. Ferner wird zu prüfen sein,
ob und ggf. welche Sicherungsrechte der Klägerin vom Hauptschuldner zusätz-
lich zu der Bürgschaft des Beklagten zur Absicherung der Hauptforderung ge-
währt wurden und ob diese zusätzlichen Sicherungsrechte zu irgendeinem
Zeitpunkt ausschließlich die Hauptforderung, also nicht stets zugleich auch
andere Ansprüche der Klägerin absicherten. Je nach dem Ergebnis dieser
Prüfung wird sich das Berufungsgericht auch mit den weiteren Angriffen der
Revision gegen die Höhe der Klageforderung auseinanderzusetzen haben (vgl.
insoweit BGH, Urt. v. 7. Dezember 1995 - IX ZR 110/95, ZIP 1996, 222 f;
WM 1997 Sonderbeil. Nr. 5 S. 49 f).
Paulusch
Kreft
Stodolkowitz
Zugehör
Ganter