Urteil des BGH vom 13.08.2014
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 5 7 3 / 1 3
vom
13. August 2014
Nachschlagewerk: ja
BGHSt:
ja
BGHR:
ja
Veröffentlichung:
ja
____________________
StPO §§ 345 Abs. 2, 390 Abs. 2, 397a Abs. 1
1. Ein vom Nebenkläger bevollmächtigter und danach beigeordneter Rechtsanwalt
kann für die bestimmenden Revisionsschriftsätze Untervollmacht erteilen.
2. Unterzeichnet ein unterbevollmächtigter Rechtsanwalt die von dem eigentlich
mandatierten Rechtsanwalt verfasste Revisionsbegründungsschrift mit dem Zu-
satz "für Rechtsanwalt …", so rechtfertigt allein dieser Umstand keinen Zweifel da-
ran, dass er sich den Inhalt der Schrift zu eigen gemacht und dafür auf Grund ei-
gener Prüfung die Verantwortung übernommen hat (§ 390 Abs. 2 StPO).
BGH, Urteil vom 13. August 2014 - 2 StR 573/13 - LG Aachen
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in der Strafsache
gegen
wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Sitzung vom 23. Juli
2014 in der Verhandlung am 13. August 2014, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger,
der Angeklagte E. in Person in der Verhandlung,
Rechtsanwältin in der Verhandlung
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizhauptsekretärin in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landge-
richts Aachen vom 20. Juni 2013 mit den Feststellungen aufgeho-
ben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im
Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung
in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung freigesprochen. Die Nebenklage
rügt mit ihrer hiergegen gerichteten und vom Generalbundesanwalt vertretenen
Revision die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
A.
Die Revision der Nebenklägerin ist zulässig; sie wurde insbesondere
form- und fristgerecht begründet.
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I.
Die Nebenklägerin hatte nach Erhebung der Anklage Rechtsanwältin
G. mit der Vertretung ihrer rechtlichen Interessen bevollmächtigt. Ausweis-
lich der Vollmachtsurkunde vom 14. Mai 2013 war die mandatierte Rechtsan-
wältin auch berechtigt, Untervollmacht zu erteilen. Auf Antrag der Nebenkläge-
rin hatte ihr das Landgericht mit Beschluss vom 27. Mai 2013 gemäß § 397a
Abs. 1 Nr. 1 StPO Rechtsanwältin G. auch als Beistand bestellt.
Gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 20. Juni 2013 hat die
Nebenklägerin durch Rechtsanwältin G. am 25. Juni 2013 Revision einge-
legt. Mit einem am 26. August 2013 beim Landgericht eingegangenen Schrei-
ben wurde die Revision auch begründet. Das Schreiben trägt den Briefkopf
"C. G. , Rechtsanwältin" in Bürogemeinschaft mit u.a. "D. Ge.
, Fachanwalt für Arbeitsrecht", es weist das Diktatzeichen "cg" auf und
wurde von Rechtsanwalt Ge. vor dem maschinenschriftlich angebrach-
ten Zusatz, "für Rechtsanwältin C. G. " unterzeichnet.
Auf Nachfrage im Rahmen der Revisionshauptverhandlung hat Rechts-
anwältin G. erklärt, sie selbst habe den Schriftsatz gefertigt. Es sei üblich,
dass sich alle in der Bürogemeinschaft verbundenen Rechtsanwälte gegensei-
tig vertreten.
II.
Die Revisionsbegründung wurde innerhalb der Monatsfrist des § 345
Abs. 1 StPO mittels einer von einem wirksam bevollmächtigten Rechtsanwalt
"unterzeichneten Schrift" (§ 390 Abs. 2 StPO analog) angebracht.
Die von der Nebenklägerin bevollmächtigte und ihr gemäß § 397a Abs. 1
StPO beigeordnete Rechtsanwältin G. hat zwar die Revisionsbegrün-
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dungsschrift nicht selbst unterzeichnet. Eine Begründungsschrift kann aber
auch von einem Rechtsanwalt, der - wie hier Rechtsanwalt Ge. - von der
Nebenklägerin weder persönlich bevollmächtigt noch ihr als Beistand bestellt
wurde, wirksam angebracht werden. Dies setzt voraus, dass er hierzu vor Ab-
lauf der genannten Monatsfrist bevollmächtigt worden ist (1.) und die Begrün-
dungsschrift unterzeichnet hat (2.). Beides ist hier der Fall.
1. Der unterzeichnende Rechtsanwalt Ge. war wirksam bevoll-
mächtigt, die Revisionsanträge und ihre Begründung anzubringen. Ihm war im
Rahmen der in der Bürogemeinschaft getroffenen Vertretungsregelung von
Rechtsanwältin G. Untervollmacht erteilt, wozu diese durch Vollmacht der
Nebenklägerin ermächtigt war.
aa) Zwar kann die Beistandsbestellung als solche nicht wirksam auf ei-
nen anderen Rechtsanwalt übertragen werden, denn ebenso wie die Beiord-
nung eines Pflichtverteidigers gemäß § 141 Abs. 1 StPO (vgl. insoweit BVerfG,
Kammerbeschluss vom 24. November 2000 - 2 BvR 813/99, NStZ 2001, 211;
BGH, Beschluss vom 13. April 2010 - 3 StR 24/10; Beschluss vom 7. Mai 2014
- 4 StR 109/14; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 57. Aufl., § 142 Rn. 15) ist die
Bestellung eines Beistands gemäß § 397a Abs. 1 StPO auf die jeweils bestellte
Person beschränkt; eine Übertragung im Wege der Erteilung einer Untervoll-
macht ist daher nicht wirksam möglich.
bb) Zulässig ist dagegen das Tätigwerden eines anderen Rechtsanwalts,
wenn dieser als allgemeiner Vertreter gemäß § 53 Abs. 2 BRAO bestellt wurde,
denn diese Bestellung erstreckt sich auch auf die Bestellung als Beistand
(BGH, Beschluss vom 6. September 2000 - 3 StR 349/00; vgl. für die Pflichtver-
teidigerbestellung: BGH, Urteil vom 2. September 1975 - 1 StR 380/75, NJW
1975, 2351; Beschluss vom 22. August 2001 - 1 StR 354/01, NStZ-RR 2002,
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12; vgl. auch Beschluss vom 13. April 2010 - 3 StR 24/10). Die Voraussetzun-
gen sind hier aber nicht erfüllt. Rechtsanwalt Ge. ist weder als von Amts
wegen bestellter allgemeiner Vertreter gemäß § 53 Abs. 2 Satz 3 BRAO tätig
geworden noch hat ihn Rechtsanwältin G. selbst gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1
oder 2 BRAO als ihren allgemeinen Vertreter bestellt. Die gegenseitige Vertre-
tung der in ihrer Bürogemeinschaft verbundenen Rechtsanwälte entsprach le-
diglich den dortigen Usancen.
cc) Rechtsanwältin G. war jedoch in Ausübung ihres Wahlmandats
berechtigt, Untervollmacht zu erteilen, denn die Nebenklägerin hatte sie bereits
am 14. Mai 2013 beauftragt, ihre Interessen zu vertreten, und im Rahmen des-
sen ermächtigt, die ihr erteilte Vollmacht ganz oder teilweise auf andere zu
übertragen. Dieses durch die Unterzeichnung der Vollmachtsurkunde begrün-
dete zivilrechtliche Vertragsverhältnis zwischen der Nebenklägerin und ihrer
Anwältin blieb von deren Bestellung als Beistand unberührt.
Insofern unterscheidet sich die Bestellung als Beistand gemäß § 397a
Abs. 1 StPO von der Beiordnung als Pflichtverteidiger gemäß § 141 StPO. Die
Bestellung eines Pflichtverteidigers setzt nach dem in §§ 141 Abs. 1, 143 StPO
enthaltenen Rechtsgedanken das Nichtbestehen eines Wahlmandates voraus.
Entsprechend enthält der Antrag des Wahlverteidigers, ihn zum Pflichtverteidi-
ger zu bestellen, die Erklärung, die Wahlverteidigung solle mit der Bestellung
enden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 142 Rn. 7 mwN). Wird dem
Antrag stattgegeben, endet das zivilrechtliche Auftrags- bzw. Geschäftsbesor-
gungsverhältnis (§§ 675 BGB) des Rechtsanwaltes, der in der Folge seine Tä-
tigkeit als Pflichtverteidiger allein auf der Grundlage der öffentlich-rechtlichen
Bestellung ausführt. Da mit dem Ende des Vertragsverhältnisses auch die er-
teilte Strafprozessvollmacht erlischt (Meyer-Goßner/Schmitt aaO), kann der
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Verteidiger eine Untervollmacht nicht mehr erteilen (vgl. BGH, Beschluss vom
15. Januar 2014 - 4 StR 346/13).
Eine solche oder vergleichbare Änderung des Rechtsgrundes der Tätig-
keit des Rechtsanwalts ist mit dessen Bestellung als Beistand eines Nebenklä-
gers gemäß § 397a Abs. 1 StPO nicht verbunden. Anders als bei der Pflichtver-
teidigung besteht der frühere Auftrag, den der Nebenkläger seinem Rechtsan-
walt erteilt hat, nach dessen Bestellung als Beistand fort (KG, NStZ-RR 2005,
327, 328; NStZ-RR 2006, 160; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. August
2005 - 1 Ws 208/05; a.A. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 21. Juli
2006 - 1 Ws 202/06), so dass er auch zur Erteilung einer Untervollmacht wei-
terhin berechtigt ist (KG, NStZ-RR 2005, 327). Die Bestellung zum Beistand
nach § 397a Abs. 1 StPO setzt zwar nicht voraus, dass zwischen dem Neben-
klageberechtigten oder Nebenkläger und dem Rechtsanwalt ein Mandatsver-
hältnis besteht. Liegt allerdings ein solches vor, wird es durch die Bestellung
zum Beistand nicht beendet. Denn abweichend von § 141 Abs. 1 StPO, der vo-
raussetzt, dass der Angeklagte "noch keinen Verteidiger hat", ist es für die Be-
stellungsentscheidung nach § 397a Abs. 1 StPO ohne Bedeutung, ob der An-
tragsteller bereits einen Rechtsanwalt mandatiert hat. Dementsprechend ist der
gerichtliche Bestellungsakt auch dann nicht (entsprechend § 143 StPO) zurück-
zunehmen, wenn sich der Nebenkläger selbst eines anderen oder weiteren Bei-
stands bedient. Angesichts dessen, dass § 397a Abs. 3 Satz 2 StPO ausdrück-
lich nur auf § 142 Abs. 1 StPO verweist, ist für eine ergänzende Anwendung
weiterer Vorschriften des Rechts der notwendigen Verteidigung kein Raum (vgl.
KG, StraFo 2008, 47, 48; Wenske in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., Nach-
trag, § 397a Rn. 17).
Dem entspricht auch der unterschiedliche Zweck der Bestellung von Bei-
stand und Verteidiger. Während die Beistandsbestellung überhaupt nur auf An-
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trag des Nebenklägers in Betracht kommt und sich in ihrer Wirkung darin er-
schöpft, dass dem Nebenkläger, der anwaltlichen Beistand hinzuzieht, im Zwei-
fel ein Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Staatskasse gebührt, besteht
der Zweck der Pflichtverteidigung ausschließlich darin, im öffentlichen Interesse
dafür zu sorgen, dass der Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen (§ 140
StPO) rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensab-
lauf gewährleistet wird (BVerfGE 68, 237, 254 mwN). Die Bestellung eines
Pflichtverteidigers ist daher in den in § 140 Abs. 1, Abs. 2 StPO bezeichneten
Fällen zwingend vorgeschrieben und erfolgt auch dann, wenn der Beschuldigte
eine Verteidigung überhaupt ablehnt. Dem entspricht, dass die Bestellung eines
Pflichtverteidigers gemäß § 141 Abs. 1 StPO grundsätzlich unterbleibt bzw. ei-
ne bereits erfolgte Bestellung gemäß § 143 StPO in der Regel zurückzunehmen
ist, wenn der Beschuldigte selbst einen Wahlverteidiger beauftragt hat. Wahl-
mandat und Pflichtverteidigerbestellung schließen sich daher schon vom Sinn
und Zweck der Pflichtverteidigung her aus und sind selbst nebeneinander nur
dann zulässig, wenn dafür ein unabweisbares Bedürfnis besteht.
2. Die Revisionsbegründung genügt auch den Anforderungen des § 390
Abs. 2 StPO. Sie ist von einem wirksam bevollmächtigten Rechtsanwalt unter-
schrieben, der trotz des der Unterzeichnung vorangestellten Zusatzes "für
Rechtsanwältin …" die volle Verantwortung für den Inhalt der Schrift übernom-
men hat.
a) Die Revisionsanträge des Nebenklägers und ihre Begründung können
nach der entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 390 Abs. 2 StPO (vgl.
insoweit BGH, Beschluss vom 14. Februar 1992 - 3 StR 433/91, NJW 1992,
1398; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 401 Rn. 2) nur mittels einer von
einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift angebracht werden. Zweck der
Regelung ist es, die Sachgerechtigkeit der Revisionsbegründungsschrift zu ge-
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währleisten und zwar im Interesse sowohl des Rechtsmittelführers, dessen
Rechtsmittel nicht schon von vornherein an Formfehlern oder sonstigen Män-
geln scheitern soll, wie auch der Rechtsmittelgerichte, die vor einer Überlastung
durch unsachgemäßes Vorbringen Rechtsunkundiger bewahrt werden sollen
(BGH, Urteil vom 22. Januar 1974 - 1 StR 586/73, BGHSt 25, 272, 273; BVerfG,
NJW 1996, 713). Die Mitwirkung des Rechtsanwalts darf sich deshalb nicht in
der bloßen Beurkundung erschöpfen. Er muss an der Revisionsbegründung
zumindest gestaltend mitwirken und die Verantwortung dafür übernehmen (zu
§ 345 Abs. 2 StPO: BGH, Urteil vom 22. Januar 1974 - 1 StR 586/73, BGHSt
25, 272, 274; Beschluss vom 2. November 2005 - 3 StR 371/05, NStZ-RR
2006, 84; Beschluss vom 2. Juli 2014 - 4 StR 215/14). Das Erfordernis, einen
Schriftsatz zu verantworten, ist jedoch nicht gleichbedeutend mit dem Erforder-
nis, den Schriftsatz selbst zu verfassen (BVerfG, NJW 1996, 713). Unabdingbar
ist nur, dass der unterzeichnende Rechtsanwalt in solchen Fällen das Entwor-
fene gründlich prüft, gegebenenfalls Änderungen vornimmt, insoweit also "ge-
staltend mitwirkt", und für das, was er dem Gericht vorlegt, die volle Verantwor-
tung übernimmt, sich also in diesem Sinne die vorgelegte Begründung zu eigen
macht (Frisch, SK-StPO, 4. Aufl., § 345 Rn. 29; vgl. auch Franke in
Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 345 Rn. 21, der eine "gestaltende Mitwir-
kung" oder jedenfalls die Verantwortungsübernahme fordert).
Vor diesem Hintergrund ist, wenn ein Rechtsanwalt als eigentlicher
Sachbearbeiter eine Rechtsmittelbegründungsschrift entwirft und dann ein an-
derer - bevollmächtigter - Rechtsanwalt diesen Schriftsatz unterschreibt, regel-
mäßig davon auszugehen, dass letzterer sich den Inhalt des Schreibens zu ei-
gen gemacht hat und dafür aufgrund eigener Prüfung die Verantwortung über-
nimmt (BVerfG, NJW 1996, 713; vgl. KK-Gericke, StPO, 7. Aufl., § 345 Rn. 15).
Dem Zweck des § 390 Abs. 2 StPO ist damit Genüge getan (zu § 345 Abs. 2
StPO: BVerfG, NJW 1996, 713). Anderes kann nur gelten, wenn der Unter-
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zeichner in dem Schriftsatz oder an anderer Stelle zum Ausdruck bringt, dass er
sich von dessen Inhalt distanziert oder sich sonst aus dem Inhalt der Schrift
ergibt, dass der Rechtsanwalt die Verantwortung nicht übernehmen kann oder
will. Letzteres ist regelmäßig dann der Fall, wenn ein Rechtsanwalt eine von
einem Rechtsunkundigen gefertigte und offensichtlich unsinnige oder grob lai-
enhafte Rechtsmittelbegründungsschrift unterzeichnet, ohne dabei gravierende
Mängel der Schrift zu korrigieren, so dass sich schon aus dem Inhalt der Be-
gründungsschrift selbst die Zweifel an der Mitgestaltung durch den Unterzeich-
ner ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2005 - 3 StR 371/05,
NStZ-RR 2006, 84, 85). Bleiben nicht zu überwindende Zweifel an der Verant-
wortungsübernahme des Unterzeichners, ist die Rechtsmittelbegründung form-
unwirksam und damit unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juli 2005
- 3 StR 36/05, NStZ-RR 2007, 132 f. [Becker]; Beschluss vom 13. Juni 2002
- 3 StR 151/02, NStZ-RR 2002, 309 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl.,
Rn. 16 mwN).
b) Gemessen daran, wurde die Revisionsbegründungsschrift den Anfor-
derungen des § 390 Abs. 2 StPO entsprechend unterzeichnet.
Der Inhalt der Revisionsbegründungsschrift selbst zeigt keinerlei Zweifel
an der Verantwortungsübernahme des unterzeichnenden Rechtsanwalts auf,
handelt es sich doch um eine sachgerechte und erkennbar von einem Rechts-
kundigen verfasste Schrift. Aber auch die Fassung der Revisionsbegründung,
insbesondere der im Schriftbild vor der handschriftlichen Unterzeichnung ange-
brachte Zusatz "für Rechtsanwältin …" rechtfertigt keinen solchen Zweifel (vgl.
Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 345 Rn. 16; KK-Gericke, StPO,
7. Aufl., § 345 Rn. 15). Ebenso wie der Rechtsanwalt, der den von einem ande-
ren Rechtsanwalt verfassten Schriftsatz im eigenen Namen unterschreibt, sich
den Inhalt des Schriftsatzes zu eigen macht und dafür aufgrund eigener Prü-
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fung die Verantwortung übernimmt (vgl. BVerfG, NJW 1996, 713), ist nicht da-
von auszugehen, dass der "für" einen anderen Rechtsanwalt Unterzeichnende
eine Revisionsbegründungsschrift ungeprüft unterschreibt. Der bloße Zusatz
"für" belegt weder, dass er sie nicht dennoch gelesen und ihren Inhalt gebilligt
hat (vgl. OLG Köln, NZV 2006, 321, 322) noch dass er sich vom Inhalt der
Schrift distanziert und dem Gericht gegenüber nur als Erklärungsbote auftreten
wollte, wie dies etwa eine Unterzeichnung "im Auftrag" (vgl. insoweit BGH, Be-
schluss vom 5. November 1987 - V ZR 139/87, NJW 1988, 210; Franke in
Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 345 Rn. 23) oder auch "für den nach Diktat
verreisten Rechtsanwalt
…" (vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2009, 381; Meyer-
Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 345 Rn. 16) nahelegt. Der hier verwendete
Zusatz kann vielmehr ohne Weiteres dahin verstanden werden, dass der Unter-
zeichnende lediglich zum Ausdruck bringen wollte, dass er in Untervollmacht
gehandelt hat, zumal der Unterbevollmächtigte gehalten ist, dieses Vertre-
tungsverhältnis kenntlich zu machen (vgl. Franke in Löwe/Rosenberg, StPO,
26. Aufl., § 345 Rn. 23).
Zweifel an der Verantwortungsübernahme, die sich allein aus der Ver-
wendung des Zusatzes "für Rechtsanwalt …" herleiten (vgl. OLG Frankfurt,
NStZ-RR 2013, 355; OLG Hamm, NStZ-RR 2009, 381; zur Unterzeichnung
"i.V.: OLG Hamm, StRR 2012, 227; KG, JR 1987, 217; BayOLG, NJW 1991,
2095) beruhen demgegenüber auf Anforderungen an die Erfüllung des gesetzli-
chen Formerfordernisses, die sich schon durch den Zweck des § 390 Abs. 2
StPO nicht mehr rechtfertigen lassen. Denn wurde die Revisionsbegründung
- wie hier - von einer Rechtsanwältin gefertigt, ist jedenfalls dem Zweck des
§ 390 Abs. 2 StPO ersichtlich Genüge getan, dass nämlich im Interesse des
Rechtsmittelführers und des Revisionsgerichts ein sachgerechter Vortrag er-
folgt. In diesem Sinne streitet auch der verfassungsrechtliche Anspruch des
Betroffenen auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG
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in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip), der es verbietet, den Parteien den
Zugang zu ihnen in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen in un-
zumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu er-
schweren (vgl. BVerfG, NJW 1996, 713; OLG Köln, NZV 2006, 321, 322).
B.
Die Revision ist auch begründet.
I.
1. Die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage hatte
dem Angeklagten zur Last gelegt, am 19. Dezember 2004 die Nebenklägerin
Am. vergewaltigt und körperlich misshandelt zu haben. Konkret wurde ihm
vorgeworfen, die Nebenklägerin in den frühen Morgenstunden des Tattags auf
ihrem Heimweg aus der Diskothek "T. " gepackt, an den Haaren zu
seinem Geschlechtsteil heruntergezogen und aufgefordert zu haben, den Oral-
verkehr an ihm durchzuführen. Da sich die Nebenklägerin heftig gewehrt und
ihm in den Penis gebissen habe, habe er sie mit dem Bauch auf einen Mauer-
vorsprung gedrückt, ihr Hose und Slip heruntergezogen und den Geschlechts-
verkehr bis zum Samenerguss durchgeführt.
2. Der Angeklagte hat den Tatvorwurf bestritten. Die Nebenklägerin sei
schon in der Diskothek an ihm körperlich interessiert gewesen, weshalb beide
auf seinen Vorschlag hin auf die Herrentoilette gegangen seien. Dort hätten sie
sich geküsst. Er habe die Nebenklägerin dann umgedreht und mit ihr einver-
ständlich von hinten den vaginalen Geschlechtsverkehr durchgeführt. Da er
Stammgast im T. gewesen sei und der Schwester der Nebenklägerin
zuvor seine Telefonnummer und seinen Spitznamen aufgeschrieben habe, wä-
re es auch ein Leichtes gewesen, ihn zu ermitteln.
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Das Landgericht hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freige-
sprochen.
Es hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte traf am Abend des 18. Dezember 2004 in der Diskothek
"T. " zunächst auf die Zeugin H. , die Schwester der Nebenkläge-
rin. Beide tanzten und unterhielten sich und die Zeugin H. erzählte, dass
sie mit ihrer Schwester, der Nebenklägerin Am. gekommen sei. Als die
Zeugin H. nach Hause wollte, tauschten Sie ihre Telefonnummern aus und
der Angeklagte schrieb der Zeugin seine Telefonnummer sowie seinen Spitz-
namen „A. “ auf einen Bierdeckel. Die Nebenklägerin blieb noch länger im
T. und im Verlauf der Nacht kam es zu einem vaginalen ungeschützten
Geschlechtsverkehr zwischen ihr und dem Angeklagten, wobei die genaueren
Umstände im Unklaren blieben.
Die Nebenklägerin erstattete am nächsten Tag zusammen mit ihrer
Schwester Anzeige bei der Polizei. Ihr wurde ein Abstrich entnommen und im
Rahmen einer ärztlichen Untersuchung wurden auf den Ellenbogenrückseiten
beidseits bläulich-rote Flecken, unter dem Schlüsselbein rechts eine 4 cm lange
Schramme/Kratzspur, im Bereich der linken Ellenbogenbeuge eine 5 cm lange
Schramme/Kratzspur und an der linken Oberschenkelvorderseite eine 8 cm
lange Schramme/Kratzspur festgestellt.
Einige Tage später rief der Angeklagte die Zeugin H. unter deren
Telefonnummer an. Die Zeugin teilte ihm mit, er solle nicht mehr anrufen und
legte auf. Die Nebenklägerin rief den Angeklagten unter der der Zeugin H.
mitgeteilten Telefonnummer an, sagte jedoch nichts, als dieser sich meldete,
und legte auf.
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- 15 -
Ein DNA-Abgleich der Spermaspur führte am 6. Januar 2012 zu einer
Treffermitteilung in Bezug auf den Angeklagten.
2. Zur Begründung des Freispruchs hat das Landgericht im Wesentlichen
ausgeführt:
Die Angaben der Nebenklägerin seien glaubhaft und sie selbst auch
glaubwürdig. Insbesondere die zahlreichen und bei mehreren Vernehmungen
konstant geschilderten Details sprächen für einen real erlebten Vorgang. Die
Strafkammer habe sich gleichwohl nicht davon überzeugen können, dass der
Angeklagte die ihm vorgeworfene Tat begangen hat, denn seine Einlassung sei
ebenso glaubhaft. Er habe das Geschehen aus seiner Sicht plausibel detail-
reich und widerspruchsfrei geschildert. Seine Angaben seien mit Blick auf eine
vorherige Einlassung über seinen Verteidiger ebenfalls konstant. Weder die
Einlassung des Angeklagten noch die Bekundungen der Nebenklägerin seien
von weiteren Beweismitteln widerlegt worden. Die bei der Nebenklägerin fest-
gestellten Verletzungen seien ebenso mit der Version des Angeklagten verein-
bar. Die Abschürfungen an den Ellenbogen könnten auch beim Abstützen in der
Herrentoilette entstanden sein. Demgegenüber könnten die Abschürfungen an
der Innenseite des Ellenbogens schwerlich bei dem von der Nebenklägerin ge-
schilderten Geschehen entstanden sein, weil sie außerhalb der Diskothek einen
Wintermantel trug. Im Übrigen sei es möglich, dass sich die Nebenklägerin die-
se wie andere Verletzungen im Gedränge der Diskothek zugezogen habe.
Der Umstand, dass der Angeklagte der Schwester der Nebenklägerin
seinen Spitznamen sowie seine Telefonnummer aufgeschrieben habe, spreche
für seine Version, denn hierdurch hätte er sich einem besonders hohen Entde-
ckungs- und Ergreifungsrisiko ausgesetzt. Auch hätte er als Stammgast der
Diskothek über seinen Spitznamen ohne Weiteres dort ausfindig gemacht wer-
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den können. Durch die nach der Tat erfolgte Kontaktaufnahme zur Zeugin H.
hätte er sich zudem einem besonders hohen Identifizierungs- und Ergrei-
fungsrisiko ausgesetzt.
II.
Der Freispruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner
Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht
in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrich-
ters (§ 261 StPO), dessen Schlussfolgerungen nicht zwingend, sondern nur
möglich sein müssen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 - 1 StR 305/66,
BGHSt 21, 149, 151; Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29,
18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem
Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht
der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist
oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Insbeson-
dere sind die Beweise auch erschöpfend zu würdigen. Das Urteil muss erken-
nen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Ent-
scheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen,
erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen
muss sich zudem ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur iso-
liert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wur-
den (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 10. August 2011 - 1 StR 114/11, NStZ
2012, 110 f.; vom 11. August 2011 - 4 StR 191/11; vom 26. April 2012 - 4 StR
599/11 und vom 8. August 2012 - 1 StR 88/12).
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2. Die Beweiswürdigung ist im Hinblick auf die Einlassung des Angeklag-
ten lückenhaft und lässt eine umfassende Gesamtwürdigung aller für und gegen
den Angeklagten sprechenden Umstände vermissen.
Das Tatgericht hat es bereits versäumt, die Einlassungen des Angeklag-
ten im Laufe des Ermittlungsverfahrens zu schildern, so dass das Revisionsge-
richt nicht nachprüfen kann, inwieweit die Angaben des Angeklagten tatsächlich
konstant und mit Blick auf ihren Zeitpunkt plausibel sind. Da nicht mitgeteilt
wird, ob - was nahe liegt - die Einlassung über seinen Verteidiger nach erfolgter
Akteneinsicht erfolgte, kann insbesondere nicht überprüft werden, ob das Land-
gericht auch bedenken musste, dass die Einlassungen des Angeklagten an den
Ermittlungsstand angepasst gewesen sein konnten.
Das Landgericht hat es zudem versäumt, sich damit auseinanderzuset-
zen, dass die Nebenklägerin nicht nur am Ellenbogen, sondern auch an der
Schulter und am Oberschenkel verletzt war. Dass die Verletzungen in ihrer
Summe bei dem vom Angeklagten in der Herrentoilette geschilderten einver-
nehmlichen Geschlechtsverkehr oder im Gedränge der Diskothek entstanden
sind, ist eher fernliegend.
Da der Angeklagte erst aufgrund des DNA-Treffers im Januar 2012 iden-
tifiziert werden konnte, hätte es schließlich der Darlegung bedurft, weshalb die
Ermittlungen nach der Anzeigeerstattung ohne Erfolg geblieben sind und ob
dem Angeklagten die Gründe dafür, warum er über seinen Spitznamen "A. ",
seine Telefonnummer und seine behauptete Rolle als bekannter Stammgast
der Diskothek nicht ermittelt werden konnte, bekannt waren. Der bloße Hinweis
der Strafkammer darauf, der Angeklagte hätte ohne Weiteres ausfindig ge-
macht und identifiziert werden können, steht im offenen Widerspruch dazu,
dass dies offenkundig nicht gelungen ist. Gründe hierfür hat das Landgericht
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nicht genannt. So könnte etwa der Angeklagte nicht als Inhaber des von ihm
angegebenen Telefonanschlusses gemeldet gewesen sein; er könnte auf poli-
zeiliche Anrufe nicht reagiert haben oder in der Diskothek - entgegen seinen
Angaben - gerade nicht als Stammgast bekannt gewesen sein. Dann aber hätte
zu Gunsten des Angeklagten nicht berücksichtigt werden dürfen, dass er mit
seiner Entdeckung und Ergreifung hätte rechnen müssen, zumal sich auch nicht
erschließt, weshalb sich der Angeklagte durch den nach der Tat erfolgten Anruf
bei der Schwester einem "besonders hohen" Entdeckungsrisiko ausgesetzt ha-
ben sollte. Das Landgericht hätte diese Lücke in den Urteilsdarlegungen schlie-
ßen müssen. Auch die Wertung des Umstands als entlastend, dass der Ange-
klagte der Schwester der Geschädigten seine (angebliche) Telefonnummer mit-
teilte, ist nicht rechtsfehlerfrei. Das Landgericht hat nicht erkennbar berücksich-
tigt, dass die ihm vorgeworfene Tat nach dem Gespräch mit der Schwester der
Geschädigten stattfand.
Diese Darlegungs- und Erörterungsmängel sind durchgreifend. Der Se-
nat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer umfassenden Ge-
samtschau der Einlassung des Angeklagten dieser ein geringeres Gewicht bei-
gemessen und sich im Ergebnis von der Richtigkeit der Angaben der Neben-
klägerin überzeugt hätte.
3. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das angefochtene Urteil
schon den gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu
stellenden Anforderungen nicht gerecht werden dürfte, denn vorliegend wären
Feststellungen zu Werdegang, strafrechtlichen Vorbelastungen und Persönlich-
keit des Angeklagten geboten gewesen, da diese für die Beurteilung des Tat-
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vorwurfs eine Rolle hätten spielen können und deshalb zur Überprüfung des
Freispruchs durch das Revisionsgericht auf Rechtsfehler hin notwendig sind
(vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2014 - 2 StR 70/14 mwN).
Fischer Appl Schmitt
Krehl Ott