Urteil des BGH vom 29.11.2001

BGH (land baden, unterbrechung der verjährung, firma, schaden, grundbuchamt, land, württemberg, baden, vertrag, grundstück)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 278/00
Verkündet am:
29. November 2001
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGB §§ 675, 249 Bb
a) Hat der Rechtsanwalt eine zu einem bestimmten Zeitpunkt gebotene Maß-
nahme unterlassen und entsteht dem Mandanten daraus später ein Scha-
den, ist dieser dem Rechtsanwalt grundsätzlich selbst dann zuzurechnen,
wenn der Mandant das Auftragsverhältnis zu einem Zeitpunkt gekündigt hat,
als der Schaden noch vermieden werden konnte (Abgrenzung zu BGH NJW
1993, 2676).
b) Hat der Rechtsanwalt durch eine schuldhafte Vertragsverletzung verursacht,
daß Ansprüche des Mandanten verjährt sind, wird der Zurechnungszusam-
menhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nicht bereits dadurch
unterbrochen, daß der Mandant vor Ablauf der Verjährungsfrist einen ande-
ren Rechtsanwalt mit der Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen
den ersten Anwalt beauftragt.
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BGH, Urteil vom 29. November 2001 - IX ZR 278/00 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die
Richter Stodolkowitz, Kirchhof, Dr. Fischer und Raebel
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 28. März 2000 im Kosten-
punkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe eines
Schadensersatzanspruchs von 303.435,89 DM zuzüglich Zinsen
wegen Verjährenlassens der Amtshaftungsansprüche gegen das
Land Baden-Württemberg abgewiesen worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision und der
Anschlußrevision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger kaufte mit notariellem Vertrag vom 7. Juni 1993 ein in W.
gelegenes Grundstück von den Eheleuten Theodor und Karin M. zum Preise
von 300.000 DM. Die Verkäufer bewilligten die Eintragung einer Auflassungs-
vormerkung.
Theodor M. hatte zuvor in einem notariellen Vertrag vom 1. Oktober
1992 namens der Eheleute dieses Grundstück der W. G. GmbH & Co. KG
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(nachfolgend: Firma G.) übertragen. Hintergrund des Vertrages war die Tatsa-
che, daß Theodor M. als Buchhalter der Firma G. Unterschlagungen in Höhe
von mehr als 1 Mio. DM begangen hatte. M. erkannte in dem Vertrag den
Schadensersatzanspruch an und erklärte, das Grundstück solle in Anrechnung
auf diesen Anspruch an die Gläubigerin übergehen. Eine Auflassungsvormer-
kung wurde bewilligt. Frau M. bestätigte gegenüber dem Notar die Vollmacht.
Die Firma
G. stellte am 12. Oktober 1992 beim Grundbuchamt W. den Antrag auf Ein-
tragung der Auflassungsvormerkung. Das Grundbuchamt teilte ihr mit Schrei-
ben vom 28. Oktober 1992 mit, gegen die Eintragung der Auflassungsvormer-
kung bestünden insbesondere im Hinblick auf § 313 BGB Bedenken, weil die
Gegenleistung für das Grundstück in dem Vertrag nicht wirksam beurkundet
sei.
Später klagte die Firma G. gegen Theodor M. Schadensersatzansprüche
ein. Dieser wandte sich daraufhin an den beklagten Rechtsanwalt. Der Be-
klagte stellte sich gegenüber der Gläubigerin auf den Standpunkt, der notari-
elle Vertrag vom 1. Oktober 1992 sei nicht wirksam geworden, und focht mit
Schreiben vom 22. April 1993 die Erklärungen der Eheleute M. wegen Irrtums
und widerrechtlicher Drohung an. Diese verschwiegen den notariellen Vertrag
vom 1. Oktober 1992 bei Abschluß des Kaufvertrages mit dem Kläger und er-
klärten ihm gegenüber die Auflassung. § 11 Abs. 3 des notariellen Vertrages
vom 7. Juni 1993 lautet:
"Die Angaben zum Grundbuch beruhen auf Angaben der Betei-
ligten. Der Notar hat das Grundbuch nicht eingesehen. Die Be-
teiligten wünschen nach Hinweis auf die damit verbundenen
Gefahren und Risiken gleichwohl die sofortige Beurkundung."
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Der Kläger behauptet, der Notarvertreter habe vor der Beurkundung
beim Grundbuchamt W. angefragt, ob dort Umstände bekannt seien, die einer
Beurkundung des Kaufvertrages und einer darauf beruhenden Eintragung des
Erwerbers als Eigentümer ins Grundbuch entgegenständen. Dies sei trotz des
damals anhängigen Eintragungsantrags der Firma G. verneint worden.
Am 23. Juni 1993 erließ das Grundbuchamt W. eine Zwischenverfügung,
in der der Firma G. aufgegeben wurde, die in der Verfügung aufgeführten Hin-
dernisse für den Vollzug des Eintragungsantrags binnen acht Wochen zu be-
seitigen. Das Grundbuchamt vertrat insbesondere die Auffassung, im notariel-
len Vertrag vom 1. Oktober 1992 seien das Grundstück unzureichend be-
schrieben sowie der Rechtsgrund des Vertrages und die Gegenleistung unvoll-
ständig beurkundet worden. Am 29. Juli 1993 wurde ein Vertragsnachtrag her-
gestellt; dabei trat aufgrund der am 1. Oktober 1992 erteilten Vollmacht eine
Notariatsangestellte für die Eheleute M. auf. Am 4. August 1993 wurde darauf-
hin die Auflassungsvormerkung zugunsten der Firma G. sowie nachrangig
auch die Vormerkung zugunsten des Klägers im Grundbuch eingetragen. Der
Notar, der den Vertrag vom 7. Juni 1993 beurkundet hatte, teilte dem Kläger
am 11. August 1993 mit, die zu seinen Gunsten eingetragene Vormerkung sei
praktisch wertlos. Der Kläger wurde am 30. September 1993 als Eigentümer im
Grundbuch eingetragen.
Durch Anwaltsschreiben vom 2. Februar 1994 wurde der Kläger aufge-
fordert, seine Zustimmung zur Eintragung der Firma G. als Eigentümerin im
Grundbuch zu erteilen. Der Kläger beauftragte daraufhin den beklagten
Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Als dieser namens des
Klägers die Zustimmung verweigerte, erhob die Firma G. Klage. Durch Urteil
des Landgerichts Stuttgart vom 28. Oktober 1994 wurde der Kläger zur Ertei-
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lung der Zustimmung verurteilt. Seine Rechtsmittel hatten keinen Erfolg. Der
Bundesgerichtshof hat durch Beschluß vom 11. Juli 1996 (V ZR 278/95) die
Annahme der Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom
25. Juli 1995 abgelehnt.
Theodor M. hat den vom Kläger erhaltenen Erlös für das Grundstück
alsbald verspielt. Seither sind die Verkäufer einkommens- und vermögenslos.
Der Kläger, der behauptet, den Kaufpreis nicht vor dem Vertragsschluß,
sondern durch seinen Vater etwa eine Woche nach der Beurkundung an die
Eheleute M. geleistet zu haben, hat den Beklagten auf Ersatz des Kaufpreises,
der Vertragskosten von 3.435,89 DM sowie der Kosten des Rechtsstreits ge-
gen die Firma G. sowohl aus eigenem als auch aus abgetretenem Recht der
Eheleute M. in Höhe von insgesamt 354.244,74 DM in Anspruch genommen. Er
hat dem Beklagten vorgeworfen, die Eheleute M. unzutreffend beraten, die Er-
folgsaussichten des Prozesses gegen die Firma G. falsch eingeschätzt und es
versäumt zu haben, rechtzeitig die Verjährung eines Amtshaftungsanspruchs
gegen das Land Baden-Württemberg unterbrochen zu haben. Der Kläger hat
dazu vorgetragen, er habe den Beklagten über die vor Beurkundung des Ver-
trages erfolgte Anfrage des Notars beim Grundbuchamt informiert. Der Kläger
hat den Beklagten erstmals mit Anwaltsschreiben vom 13. Oktober 1997 zur
Leistung von Schadensersatz aufgefordert und am 31. Dezember 1997 einen
Prozeßkostenhilfeantrag eingereicht. Nach Gewährung von Prozeßkostenhilfe
durch Beschluß vom 15. März 1999 wurde dem Beklagten die Klage am 9. April
1999 zugestellt. Der Beklagte hat eine Verletzung seiner vertraglichen Pflichten
bestritten und die Verjährungseinrede erhoben.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 303.435,89 DM stattgege-
ben, weil der Beklagte es versäumt habe, den Kläger auf den Amtshaftungsan-
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spruch gegen das Land Baden-Württemberg hinzuweisen; im übrigen wurde
die Klage abgewiesen. Dagegen hat der Beklagte Berufung und der Kläger An-
schlußberufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat der Berufung des Be-
klagten entsprochen und auf die Anschlußberufung den Beklagten verurteilt,
dem Kläger die Kosten der Revision im Rechtsstreit gegen die Firma G. in Hö-
he von 14.084,50 DM zuzüglich Zinsen zu erstatten. Mit der Revision verfolgt
der Kläger den vom Landgericht zuerkannten Anspruch weiter. Die Anschluß-
revision des Beklagten hat der Senat nicht angenommen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils in dem angegrif-
fenen Umfang und zur Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat seiner rechtlichen Prüfung den Tatsachenvor-
trag des Klägers zugrunde gelegt. Von diesem ist daher auch in der Revision
auszugehen. Der Tatrichter ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, daß
dem Kläger, wenn seine Darstellung der Wahrheit entspricht, bei einem Verlust
des Rechtsstreits gegen die Firma G. ein Amtshaftungsanspruch gegen das
Land Baden-Württemberg aus Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB zugestanden hat.
1. Das Vorbringen des Klägers soll ersichtlich besagen, der Notar habe
beim Grundbuchamt unter Hinweis auf den bei ihm anhängigen Vorgang ange-
fragt, ob dort ein Hindernis bekannt sei, welches einem Vollzug des Vertrages
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mit den von den Parteien gewünschten Rechtsfolgen im Wege stehe. In diesem
Falle hätte das Grundbuchamt wegen des in § 17 GBO normierten Priori-
tätsprinzips bei seiner Auskunft auf den bei ihm seit Oktober 1992 anhängigen,
noch nicht erledigten Eintragungsantrag der Firma G. hinweisen müssen. Das
Unterlassen eines solchen Hinweises war, wie das Berufungsgericht zutreffend
begründet hat, unabhängig davon amtspflichtwidrig, ob eine Verpflichtung zur
Auskunft bestand; denn Auskünfte müssen in jedem Falle richtig, eindeutig und
vollständig erteilt werden (BGHZ 117, 83, 87 f.; BGH, Urteil vom 13. Juni 1991
- III ZR 76/90, NJW 1991, 3027). Der zuständige Beamte hat schuldhaft ge-
handelt, weil die Anfrage des Notars nach der Darstellung des Klägers sich
auch auf anhängige Eintragungsanträge Dritter bezog und der hier maßgebli-
che Vorgang bei sachgerechter Nachprüfung ohne weiteres in den Akten auf-
findbar gewesen wäre. Die beschriebene Auskunftspflicht besteht gegenüber
jedem Dritten, in dessen Interesse die Auskunft eingeholt wird (BGHZ 137, 11,
16). Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger als derjenige, der das betref-
fende Grundstück erwerben wollte.
2. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB) kam
nicht in Betracht, weil die Eheleute M. finanziell nicht mehr in der Lage waren,
den Kaufpreis zu erstatten.
II.
Der Beklagte hat den Kläger unstreitig nicht darauf hingewiesen, daß
ihm bei negativem Ausgang des Rechtsstreits mit der Firma G. eventuell ein
Amtshaftungsanspruch gegen das Land zustehe, und demzufolge auch keine
Maßnahmen zur Vermeidung des Eintritts der Verjährung veranlaßt.
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Das Berufungsgericht meint, der Beklagte habe gleichwohl dem Kläger
für den erlittenen Schaden nicht einzustehen, weil die Verjährung des Amts-
haftungsanspruchs nicht zu dem Zeitpunkt eingetreten sei, zu dem eine Beleh-
rung des Klägers in Betracht gekommen sei. Der Kläger habe die nötige
Kenntnis vom Schaden frühestens durch das dem Beklagten als seinem Pro-
zeßbevollmächtigten am 22. November 1994 zugestellte Urteil des Landge-
richts Stuttgart vom 28. Oktober 1994 erhalten. Die Verjährung der Amtshaf-
tungsansprüche sei daher erst Ende November 1997 eingetreten. Der Kläger
sei jedenfalls seit dem 13. Oktober 1997 anderweitig anwaltlich vertreten ge-
wesen. Dem Beklagten könne die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs
nicht angelastet werden, weil er zu dem Zeitpunkt der Beauftragung des neuen
Anwalts seine Pflichten noch nicht endgültig verletzt gehabt habe. Zumindest
liege ein dem Kläger zuzurechnendes Mitverschulden des zweiten Anwalts vor,
das bei einer Abwägung nach § 254 BGB eine Haftung des Beklagten aus-
schließe.
Diese Erwägungen sind rechtlich nicht haltbar. Auf der Grundlage des
Klägervortrags ist sowohl eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten als
auch die Zurechenbarkeit des entstandenen Schadens zu bejahen.
1. Der Auftrag, den der Kläger dem beklagten Rechtsanwalt damals er-
teilt hat, betraf (nur) die Abwehr der Ansprüche der Firma G. Trotzdem ist das
Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, der Beklagte sei verpflichtet
gewesen, den Kläger auf die Gefahr der Verjährung von Ansprüchen gegen
Dritte, die für den Anwalt ohne weiteres ersichtlich waren, hinzuweisen.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats braucht der Anwalt Vorgänge,
die ihm lediglich bei Gelegenheit des Mandats bekannt geworden sind, die je-
doch in keiner inneren Beziehung zu der ihm übertragenen Aufgabe stehen,
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nicht daraufhin zu untersuchen, ob sie Veranlassung zu einem Rat oder Hin-
weis geben (BGHZ 128, 358, 361; Senatsurteil vom 20. Juni 1996 - IX ZR
106/95, NJW 1996, 2929, 2931). Jedoch muß der Anwalt den Mandanten auch
innerhalb eines eingeschränkten Mandats vor Gefahren warnen, die sich bei
ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängen, wenn er Grund zu der Annahme
hat, daß sein Auftraggeber sich dieser Gefahr nicht bewußt ist. Eine solche
Verpflichtung kommt vor allem in Betracht, wenn Ansprüche gegen Dritte zu
verjähren drohen (Senatsurteil vom 29. April 1993 - IX ZR 101/92, NJW 1993,
2045; vom 9. Juli 1998 - IX ZR 324/97, WM 1998, 2246, 2247).
b) Für einen durchschnittlichen Anwalt lag es nach dem vom Kläger vor-
getragenen Sachverhalt auf der Hand, daß bei ungünstigem Ausgang des
Rechtsstreits gegen die Firma G. ein Amtshaftungsanspruch gegen das Land
Baden-Württemberg ernsthaft in Betracht kam. Der Beklagte hat in jenem
Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 16. Januar 1995 selbst ausgeführt, der Notar-
vertreter habe sich am 7. Juni 1993 bei Beurkundung des Kaufvertrages zwi-
schen dem Kläger und den Eheleuten M. telefonisch an das Grundbuchamt W.
gewandt und sich erkundigt, ob dort Voreintragungen vorlägen, was verneint
worden sei. Offenbar habe man beim Grundbuchamt dem Eintragungsantrag
der Firma G. vom 1. Oktober 1992 damals keine Bedeutung mehr beigemes-
sen. Im Hinblick auf diesen vom Beklagten selbst vorgetragenen Sachverhalt
hätte es sich ihm aufdrängen müssen, daß dem Grundbuchamt möglicherweise
ein haftungsbegründendes Versehen unterlaufen war. Grund zu der Annahme,
der Kläger kenne diese Ansprüche und bedürfe insoweit keiner Belehrung,
hatte der Beklagte nicht. Er hätte den Kläger daher während des Mandats über
die Möglichkeit eines Anspruchs gegen das Land Baden-Württemberg sowie
von Maßnahmen zur Unterbrechung der Verjährung solcher Ansprüche aufklä-
ren müssen.
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c) Die Verpflichtung des Rechtsanwalts, den Mandanten vor der Verjäh-
rung von ohne weiteres erkennbaren Ansprüchen gegen Dritte zu schützen,
setzt nicht erst kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist ein. Vielmehr sind Vorkeh-
rungen dagegen, daß es nicht zur Verjährung kommt, erforderlich, sobald infol-
ge des dem Anwalt erteilten Auftrags oder der von ihm gewählten Vorgehens-
weise die Gefahr besteht, daß der Anspruch gegen den Dritten aus dem Blick
gerät. Dieses Risiko muß ein sorgfältiger Rechtsanwalt besonders bei Ansprü-
chen beachten, die erst bei ungünstigem Ausgang der aktuell geführten rechtli-
chen Auseinandersetzung Bedeutung gewinnen. Dort ist regelmäßig nicht ab-
sehbar, zu welchem Zeitpunkt Ansprüche gegen den Dritten eventuell gericht-
lich geltend gemacht werden müssen (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 1993
- IX ZR 120/92, NJW 1993, 1779, 1780). In solchen Fällen gehört es grund-
sätzlich zu den Aufgaben des rechtlichen Beraters, dem Mandanten die Streit-
verkündung (§ 72 ZPO) oder eine andere verjährungsunterbrechende Maß-
nahme anzuraten, wenn die Verjährungsfrist des Anspruchs gegen den Dritten
möglicherweise bereits in Lauf gesetzt ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1993
- IX ZR 101/92, NJW 1993, 2045).
d) Im Streitfall hatte die Verjährungsfrist des Amtshaftungsanspruchs
lange vor Abschluß des Rechtsstreits gegen die Firma G. zu laufen begonnen.
aa) Das Berufungsgericht sieht den Kläger schon mit der Zahlung des
Kaufpreises im Juni 1993, spätestens aber mit Eintragung der vorrangigen
Auflassungsvormerkung der Firma G. am 4. August 1993, als geschädigt an.
Dagegen ist rechtlich nichts einzuwenden, obwohl der Kläger später als Ei-
gentümer eingetragen wurde, weil dessen Rechtsstellung ab Eintragung der
Vormerkung zugunsten der Firma G., die sich als berechtigt erwiesen hat, be-
einträchtigt war.
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bb) Das Berufungsgericht meint, der Kläger habe den Schaden und die
Person des Ersatzpflichtigen noch nicht mit dem Erhalt des Schreibens des
Notariats R. vom 11. August 1993 gekannt. Ob dem zuzustimmen ist, kann da-
hingestellt bleiben. Jedenfalls hatte er die erforderliche Kenntnis nach der am
23. November 1994 erfolgten Zustellung des Urteils des Landgerichts Stuttgart
vom 28. Oktober 1994.
Im Amtshaftungsrecht kommt es nach § 852 Abs. 1 BGB auf den Zeit-
punkt an, zu dem der Verletzte aufgrund der ihm bekannten Tatsachen in der
Lage ist, gegen den Ersatzpflichtigen mindestens eine Feststellungsklage zu
erheben, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussichten hat, daß sie
ihm zumutbar ist (BGHZ 122, 317, 325; Senatsurteil vom 25. Februar 1999
- IX ZR 30/98, NJW 1999, 2041, 2042; beide m.w.N.). Grundsätzlich beginnt
die Verjährung, sobald der Betroffene die tatsächlichen Umstände kennt, aus
denen sich der Schaden und die Person des Schädigers ergeben. Nicht vor-
ausgesetzt wird die zutreffende rechtliche Würdigung des bekannten Sachver-
halts. Rechtlich fehlerhafte Vorstellungen des Geschädigten beeinflussen den
Beginn der Verjährung nur, wenn die Rechtslage so verwickelt und unüber-
sichtlich ist, daß sie selbst ein rechtskundiger Dritter nicht einzuschätzen ver-
mag (Senatsurteil vom 25. Februar 1999, aaO).
Spätestens durch das erste Urteil im Vorprozeß waren die Tatsachen
hinreichend geklärt. Rechtlich ging es im wesentlichen darum, ob der notarielle
Vertrag der Eheleute M. mit der Firma G. in dem von § 313 BGB geforderten
Umfang beurkundet war, obwohl die Höhe des die Gegenleistung darstellenden
Anrechnungsbetrages auf die Schadensersatzforderung nicht genannt war.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es zulässig, die Bestim-
mung des Betrages dem Erwerber zu überlassen, sofern ein solcher Wille der
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Vertragspartner in der Urkunde zum Ausdruck kommt (BGH, Urteil vom 8. No-
vember 1985 - V ZR 113/84, NJW 1986, 845; vom 18. April 1986 - V ZR 32/85,
DNotZ 1987, 741, 744). Nach der vom Landgericht vertretenen Auffassung war
im Vertragstext hinreichend zum Ausdruck gebracht worden, daß die Erwerbe-
rin das Grundstück verwerten sollte und zugleich verpflichtet war, sich um ei-
nen möglichst günstigen Erlös zu bemühen. In diesem Sinne sei ihr die Be-
stimmung des Anrechnungsbetrages überlassen worden. Diese Beurteilung
beruhte auf einer Vertragsauslegung, die unter Berücksichtigung der Interes-
sen der Vertragspartner naheliegend war und insbesondere in tatsächlicher
Hinsicht keine wesentlichen Mängel erkennen ließ. Das hat das Berufungsge-
richt bei Prüfung des Anspruchs auf Erstattung von Prozeßkosten zu Recht
selbst so gesehen und es zutreffend als Vertragsverletzung des Beklagten ge-
wertet, daß er den Kläger nicht hinreichend über die ungünstigen Aussichten,
das erstinstanzliche Urteil mit Erfolg anzugreifen, belehrt hat. Da für die Zu-
mutbarkeit der Klage in erster Linie auf die Tatsachenkenntnis abzustellen ist
und Unsicherheit in der rechtlichen Beurteilung nur ausnahmsweise ein Hin-
ausschieben des Beginns der Verjährung rechtfertigt, hatte der Kläger auf-
grund des Urteils vom 28. Oktober 1994 Kenntnisse vom Schaden - und der
Person des Ersatzpflichtigen, weil er über die Fehlerhaftigkeit der Auskunft des
Grundbuchamts inzwischen informiert war -, die zumindest eine Feststellungs-
klage gegen das Land Baden-Württemberg zumutbar erscheinen ließen.
cc) Bei fahrlässigen Amtspflichtverletzungen muß sich die Kenntnis vom
Schaden auch auf das Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit erstrek-
ken (BGH, Urteil vom 25. Februar 1999, aaO). Das hat im Streitfall indessen
keine Auswirkung. Ansprüche gegen die Firma G. bestanden nicht. Ansprüche
gegen die Eheleute M. waren zu diesem Zeitpunkt, wie der Kläger wußte, nicht
mehr durchsetzbar, weil der Ehemann M. den Erlös für das Grundstück sofort
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verspielt hatte und die Verkäufer seitdem einkommens- und vermögenslos
sind.
Die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs begann folglich spätestens
mit Zustellung des Urteils des Landgerichts Stuttgart im Vorprozeß an den Be-
klagten am 22. November 1994. Der Geschädigte muß sich auch im Rahmen
des § 852 BGB das Wissen des von ihm eingeschalteten Rechtsanwalts zu-
rechnen lassen (BGH, Urteil vom 16. Mai 1989 - VI ZR 251/88, NJW 1989,
2323).
e) Demnach hätte der Beklagte den Kläger jedenfalls nach Abschluß der
ersten Instanz im Vorprozeß über den Amtshaftungsanspruch belehren und
ihm Maßnahmen zur Unterbrechung der Verjährung empfehlen müssen. Das
Versäumnis des Beklagten gereicht ihm zum Verschulden; denn für einen mit
verkehrsüblicher Sorgfalt arbeitenden Rechtsanwalt war die Notwendigkeit ei-
ner entsprechenden Belehrung ohne weiteres ersichtlich.
2. Der Schaden des Klägers besteht darin, daß er einen Amtshaftungs-
anspruch in Höhe von 303.435,89 DM nicht mehr durchsetzen kann.
Der Kläger hätte den Kaufvertrag mit den Eheleuten M. nicht beurkun-
den lassen, wenn er gewußt hätte, daß wegen des zeitlich vorgehenden Ei n-
tragungsantrags der Firma G. der Erwerb des Eigentums an dem Grundstück
nicht hinreichend gesichert war. Nach der Darstellung des Klägers ist der
Kaufpreis erst nach Beurkundung des notariellen Vertrages entrichtet worden,
so daß der Verlust dieser Summe ebenfalls als Schaden gegenüber dem Land
Baden-
Württemberg hätte geltend gemacht werden können. Der spätestens am
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23. November 1997 verjährte Amtshaftungsanspruch ist nicht mehr durchsetz-
bar.
3. Der Verlust des Regreßanspruchs gegen das Land Baden-Württem-
berg ist dem Beklagten haftungsrechtlich zuzuordnen.
a) Die Unterlassung der gebotenen Maßnahmen ist für den eingetrete-
nen Schaden ursächlich geworden. Der Beweis des ersten Anscheins spricht
dafür, daß der Kläger den Beklagten beauftragt hätte, für eine Unterbrechung
der Verjährung zu sorgen, wenn er über die Rechtslage ins Bild gesetzt worden
wäre; denn dies wäre die allein interessengerechte Entschließung gewesen
(vgl. BGHZ 123, 311; st.Rspr.).
b) Der Beklagte hat für den eingetretenen Schaden haftungsmäßig ein-
zustehen. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen begründen
keine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs zwischen der vom Be-
klagten zu vertretenden Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden.
aa) Entgegen der Meinung des Oberlandesgerichts ist es für die Haf-
tungsfrage nicht wesentlich, ob der dem Beklagten vom Kläger erteilte Auftrag
noch bestand, als die Verjährung eintrat. Die haftungsmäßige Verknüpfung
zwischen der anwaltlichen Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden
vollzieht sich dann, wenn der rechtliche Berater Ansprüche des Mandanten hat
verjähren lassen, in gleicher Weise wie bei anderen durch pflichtwidriges Han-
deln oder Unterlassen ausgelösten Nachteilen des Auftraggebers. War der An-
walt verpflichtet, den Kläger auf die Gefahren der Verjährung hinzuweisen, und
ist wegen des von ihm zu vertretenden Versäumnisses der Anspruch gegen
den Dritten nicht mehr durchsetzbar, so ist in der Regel der Zurechnungszu-
sammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden zu bejahen.
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bb) Der Zurechnungszusammenhang ist nicht dadurch unterbrochen
worden, daß der Kläger vor Ablauf der Verjährungsfrist einen anderen Anwalt
mit der Wahrung seiner Interessen, hier speziell der Prüfung von Schadenser-
satzansprüchen gegen den Beklagten, beauftragt hat.
(1) Ein eigener selbständiger Willensakt des Mandanten löst die Zu-
rechnung nur dann auf, wenn es sich dabei um ein nicht vertretbares, völlig
unsachgemäßes Verhalten handelt (BGH, Urteil vom 14. Juli 1994 - IX ZR
204/93, NJW 1994, 2822, 2823; vom 2. April 1998 - IX ZR 107/97, NJW 1998,
2048, 2050). Die Beauftragung eines anderen Anwalts, weil der Mandant
meint, Erstattungsansprüche gegen den ursprünglichen Berater zu haben,
kann in der Regel nicht als ungewöhnliche, völlig unangemessene Entschlie-
ßung gewertet werden. Besondere Umstände, die im Einzelfall zu einer ande-
ren Bewertung führen können, sind nicht dargetan.
(2) Das Berufungsgericht hat offenbar an die Rechtsprechung zur Se-
kundärverjährung gedacht, wonach die Pflicht des Anwalts, auf einen eventu-
ellen Ersatzanspruch gegen sich selbst und dessen Verjährung hinzuweisen,
entfällt, wenn der Mandant einen Anwalt mit der Prüfung von Regreßansprü-
chen beauftragt hat (Senatsurteile vom 9. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, WM
2000, 959, 961; v. 21. Juni 2001 - IX ZR 73/00, WM 2001, 1677, 1679). Diese
Rechtsprechung beruht jedoch auf der besonderen Rechtsnatur des Sekundär-
anspruchs, einer im Wege der Rechtsfortbildung von der höchstrichterlichen
Rechtsprechung geschaffenen Rechtsfigur zum Ausgleich unerträglicher, ver-
fassungsrechtlich bedenklicher Rechtsfolgen einer wortlautgetreuen Auslegung
der Verjährungsvorschrift des § 51 b BRAO (vgl. Zugehör, Anwaltshaftung
Rdn. 1261 ff.). Nur bei Verletzung der Pflicht, den Mandanten auf Regreßan-
sprüche gegen die eigene Person und deren Verjährung hinzuweisen - was
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keinen Schadensersatzanspruch im eigentlichen Sinne begründet, sondern nur
dazu führen kann, daß der Rechtsanwalt für eine gewisse Zeit mit der Verjäh-
rungseinrede ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 1995
- IX ZR 228/94, NJW 1996, 48, 51; vom 2. Juli 1996 - IX ZR 19/96, NJW 1996,
2797, 2798) -, wird die Zurechnung wegen der Subsidiarität des Sekundäran-
spruchs in der genannten Weise eingeschränkt. Diese Regel kann nicht allge-
mein auf Beratungsfehler übertragen werden, die darin bestehen, daß der An-
walt es pflichtwidrig unterlassen hat, den Mandanten über naheliegende An-
sprüche gegen Dritte zu belehren. Der Gedanke der Subsidiarität paßt hier
nicht. Für die Wirkungen eines solchen Versäumnisses gelten die üblichen von
der höchstrichterlichen Rechtsprechung herausgearbeiteten Zurechnungsre-
geln. Dies ist schon deshalb geboten, weil die Beauftragung eines neuen An-
walts nach der Lebenserfahrung keineswegs regelmäßig dazu führt, daß dieser
alsbald alle Punkte erkennen kann, in denen seinem Kollegen ein Beratungs-
fehler unterlaufen ist. Gerade in Fällen, denen ein umfangreicher, noch nicht in
allen Punkten aufgeklärter Sachverhalt zugrunde liegt, läßt sich die Sach- und
Rechtslage häufig erst nach einer beträchtlichen Einarbeitungszeit hinreichend
beurteilen.
(3) Selbst ein Fehler des neu zugezogenen Anwalts unterbricht den Zu-
rechnungszusammenhang grundsätzlich nicht. Etwas anderes gilt lediglich
dort, wo der zweite Anwalt eine Entschließung trifft, die schlechterdings unver-
ständlich, also gemessen an sachgerechter Berufsausübung sachfremd und
nicht nachvollziehbar erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 1990 - IX ZR
113/89, NJW 1990, 2882, 2884; vom 14. Juli 1994 aaO S. 2824) oder den Ge-
schehensablauf so verändert, daß der Schaden bei wertender Betrachtungs-
weise in keinem inneren Zusammenhang zu der vom beklagten Rechtsanwalt
zu vertretenden Vertragsverletzung steht (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober
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1996 - IX ZR 294/95, NJW 1997, 250, 253). Solche Umstände sind hier nicht
ersichtlich. Vielmehr deutet das Schreiben des neuen Anwalts vom 13. Oktober
1997 darauf hin, daß jener damals die Problematik der Amtshaftung noch nicht
erfaßt hatte, möglicherweise deshalb, weil er mit dem komplexen Sachverhalt
noch nicht hinreichend vertraut war.
cc) Das Berufungsgericht sieht eine Bestätigung der von ihm vertretenen
Auffassung in dem Senatsurteil vom 8. Juli 1993 (IX ZR 242/92, NJW 1993,
2676). In jener Sache ging es darum, daß der Anwalt versäumt hatte, Beweis
zu sichern, und der Mandant deshalb nicht in der Lage war, seinen Schaden zu
belegen. Im Schlußteil jener Entscheidung, bei den Hinweisen für den Tatrich-
ter, an den die Sache zurückzuverweisen war (aaO S. 2678 unter III.), hat der
Senat damals ausgeführt, die Verantwortlichkeit des beklagten Rechtsanwalts,
dessen Mandat Ende Juli 1988 gekündigt worden war, könne für den Teil des
Schadens, der die erst später, also ab August 1988, veräußerte Ware betreffe,
entfallen; denn in diesem Umfang habe der Beklagte seine Pflicht noch nicht
endgültig verletzt. Mit diesem Sachverhalt ist der vorliegende Fall schon des-
halb nicht vergleichbar, weil hier dem Beklagten nicht das Mandat vorzeitig ge-
kündigt wurde, sondern erst mit Rechtskraft der im Prozeß gegen die Firma G.
ergangenen Entscheidung der Auftrag beendet war. Der Beklagte ist daher
keinesfalls durch ein für ihn nicht absehbares Ereignis daran gehindert worden,
den Kläger in dem erforderlichen Umfang zu beraten.
Davon abgesehen geben die Ausführungen in jenem Urteil Veranlas-
sung, folgendes klarzustellen: Hat der Anwalt eine zu einem bestimmten Zeit-
punkt des Auftragsverhältnisses gebotene Maßnahme unterlassen, ist ihm die-
se Vertragsverletzung grundsätzlich auch dann zuzurechnen, wenn der Vertrag
endet, bevor der Schaden eintritt. Dies ist in der Regel schon deshalb ge-
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rechtfertigt, weil er trotzdem noch den bisher unterlassenen Hinweis erteilen
kann (zur nachvertraglichen Belehrungspflicht vgl. BGH, Urteil vom
28. November 1996 - IX ZR 39/96, WM 1997, 321, 322). Selbst wenn ihm in-
dessen mit Beendigung des Auftrags die Möglichkeit genommen wird, Ver-
säumtes nachzuholen, ändert das nichts an seiner einmal begründeten Ver-
antwortlichkeit. Hat der rechtliche Berater zurechenbar die Kausalkette in Gang
gesetzt, wird nicht schon dadurch, daß der Mandant einen anderen Berater
hinzuzieht, die Zurechnung unterbrochen. Selbst wenn diese Beauftragung
gerade zu dem Zweck geschieht, Fehler des ersten Anwalts zu beheben - und
sei es durch gegen ihn gerichtete Regreßansprüche -, begründen Vertrags-
verletzungen des zweiten Anwalts allenfalls den Einwand des Mitverschuldens.
Die den ersten Anwalt treffende Verantwortung bleibt in der Regel davon unbe-
rührt (vgl. Senatsurteile vom 20. Januar 1994 - IX ZR 46/93, NJW 1994, 1211,
1212; vom 14. Juli 1994, aaO S. 2824; vom 13. März 1997 - IX ZR 81/96,
NJW 1997, 2168, 2170). Gründe für eine von dieser Regel ausnahmsweise
abweichende Beurteilung sind im Streitfall nicht gegeben.
4. Die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede greift nicht durch.
Für die revisionsrechtliche Beurteilung ist davon auszugehen, daß das Man-
datsverhältnis bis zum rechtskräftigen Abschluß des gegen die Firma G. ge-
führten Rechtsstreits bestand, also nicht vor Zustellung des die Annahme der
Revision ablehnenden Beschlusses des Bundesgerichtshofs am 29. Juli 1996
endete. Die Verjährung wurde daher mit Zustellung der Klage am 9. April 1999
rechtzeitig unterbrochen; sie war zudem zuvor schon seit Anbringung des Pro-
zeßkostenhilfegesuchs gehemmt. Auch zwischen dem Eintritt der Verjährung
des Amtshaftungsanspruchs als dem für die Entstehung des Schadens maß-
geblichen Zeitpunkt und der Klageerhebung liegt ein Zeitraum von weniger als
drei Jahren. Schon die Primärverjährung ist daher nicht abgelaufen. Auf die
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ansonsten naheliegende Frage einer Sekundärverjährung braucht daher nicht
eingegangen zu werden.
5. Die Hilfserwägung des Berufungsgerichts, der Kläger habe bei einer
Abwägung nach § 254 BGB wegen des von seinem neuen Berater zu verant-
wortenden Beratungsfehlers den Schaden allein zu tragen, hält der rechtlichen
Nachprüfung ebenfalls nicht stand.
a) Das angefochtene Urteil enthält keine Feststellungen, die geeignet
sein könnten, ein vom Kläger gemäß § 254 Abs. 2, § 278 BGB zu vertretendes
Mitverschulden des Zweitanwalts zu begründen.
Begann die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs erst mit Kenntnis
des vom Landgericht gefällten Urteils im Vorprozeß, war sie allerdings noch
nicht abgelaufen, als der Kläger seinen neuen Anwalt - spätestens am
13. Oktober 1997 - beauftragte. Der Zweitanwalt hatte folglich objektiv noch die
Möglichkeit, die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs rechtzeitig zu unter-
brechen. Er war - was nach der Rechtsprechung des Senats erforderlich ist
(vgl. Senatsurt. v. 20. Januar 1994, aaO; v. 13. März 1997, aaO) - dazu beauf-
tragt, die Folgen der vom Beklagten begangenen Fehler zu beseitigen. Der
bisherige Prozeßvortrag läßt jedoch nicht erkennen, ob er die dazu notwendige
Kenntnis von dem behaupteten Telefonat des Notarvertreters anläßlich der
Beurkundung des Vertrages vom 7. Juni 1993 besaß. Das Anspruchsschreiben
vom 13. Oktober 1997 enthält keine Ausführungen, aus denen hervorgeht, daß
der neue Rechtsanwalt diesen Sachverhalt damals schon erfahren hatte. Ob
eine eventuelle Unkenntnis auf ungenügender Erforschung des Sachverhalts
beruht oder den Vorwurf rechtfertigt, der Kläger habe seine Informationspflicht
schuldhaft verletzt, läßt sich auf der Grundlage des angefochtenen Urteils nicht
abschließend beurteilen.
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b) Selbst wenn aus diesen Gründen ein Mitverschulden anzunehmen
sein sollte, könnte es keinesfalls dazu führen, daß der Kläger den Schaden
allein zu tragen hat. Der Beklagte hat den Kläger jahrelang betreut und bera-
ten. Wenn demgegenüber der neue Anwalt nur wenige Wochen zur Verfügung
hatte, um den komplexen Sachverhalt aufzuklären und die in Anbetracht des-
sen gebotenen rechtlichen Maßnahmen zu treffen, kommt eine Kürzung der
Haftungsquote wegen Mitverschuldens allenfalls in Höhe eines deutlich unter
50 % liegenden Anteils in Betracht.
III.
Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für
die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf folgendes hin:
1. Ein Amtshaftungsanspruch gegen das Land Baden-Württemberg
scheidet nicht allein dann aus, wenn es die vom Kläger behauptete telefoni-
sche Anfrage des Notars beim Grundbuchamt nicht gegeben hat. Je nach de-
ren Inhalt kann eine Amtspflichtverletzung auch zu verneinen sein.
a) § 11 Abs. 3 des Vertrages vom 7. Juni 1993 besagt, daß die Angaben
zum Grundbuchinhalt auf den Angaben der Beteiligten beruhen, der Notar das
Grundbuch nicht eingesehen und die Beteiligten auf die damit verbundenen
Risiken und Gefahren hingewiesen hat, diese jedoch gleichwohl die sofortige
Beurkundung wünschen. Die Vertragsparteien konnten den Notar wirksam von
den in § 21 BeurkG normierten Pflichten befreien (§ 21 Abs. 1 Satz 2 BeurkG).
b) Ohne eine solche Befreiung hat sich der Notar bei Geschäften, die im
Grundbuch einzutragende Rechte zum Gegenstand haben, über den Grund-
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buchinhalt zu unterrichten. Er hat in diesem Falle zu prüfen, ob das im Vertrag
bezeichnete Grundstück mit dem im Grundbuch eingetragenen identisch ist,
der Verfügende wirksam als Berechtigter eingetragen ist, ob Belastungen ein-
getragen sind und der Vollziehung nach dem Grundbuchinhalt rechtliche Hin-
dernisse entgegenstehen (Sandkühler, in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO
4. Aufl. § 14 Rdn. 108; vgl. auch BGHZ 131, 200, 207). Die Kenntnis, die sich
der Notar verschaffen muß, betrifft grundsätzlich nur den Inhalt des Grund-
buchs und dort das aktuelle Grundbuchblatt. Dagegen braucht er die Grun-
dakten nur dann einzusehen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen,
daß sich aus ihnen eine Gefährdung der rechtlich geschützten Interessen der
Beteiligten, insbesondere unerledigte Eintragungsanträge, ergeben (Sandküh-
ler, aaO § 14 Rdn. 114;
Keidel/Kuntze/Winkler, FGG 12. Aufl. § 21 BeurkG Rdn. 13 f.; Ganter
WM 2000, 641, 643).
c) Nimmt der Notar, der berechtigterweise davon abgesehen hat, das
Grundbuch einzusehen, eine telefonische Anfrage beim Grundbuchamt vor, so
handelt er in Anbetracht dessen grundsätzlich nicht pflichtwidrig, wenn er sie
auf den Grundbuchinhalt in dem beschriebenen Sinne beschränkt und nicht um
eine Überprüfung der Grundakten bittet. Dementsprechend darf das Grund-
buchamt in einem solchen Falle seine Antwort auf den Inhalt der Anfrage be-
schränken. Folglich kam ein Anspruch gegen das Land Baden-Württemberg
aus Art. 34 GG, § 839 BGB nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen
einer der nachstehend aufgeführten Alternativen erfüllt waren:
- die Anfrage des Notars erstreckte sich inhaltlich auf eventuell unerle-
digte Anträge;
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- die Anfrage betraf zwar nur den Grundbuchinhalt, das Grundbuchamt
hat jedoch im umfassenden, also eventuelle Anträge einschließenden
Sinne geantwortet oder den ihm bekannten Antrag bewußt verschwie-
gen;
- die Anfrage betraf nur den Grundbuchinhalt, obwohl der Notar konkre-
ten Anlaß hatte, sich auch nach eventuell unerledigten Anträgen zu er-
kundigen.
2. Sollte aufgrund der noch zu treffenden Feststellungen ein Amtshaf-
tungsanspruch zu bejahen sein, erstreckt er sich auf den Verlust des Kaufprei-
ses nur, wenn der Kläger beweist, daß die Eheleute M. die Zahlung nach der
Beurkundung des Vertrages erhalten haben.
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3. War der Amtshaftungsanspruch mindestens teilweise begründet, wird
das Berufungsgericht erneut prüfen müssen, ob den Kläger selbst oder dessen
neuen Anwalt ein Mitverschulden daran trifft, daß die Verjährung des An-
spruchs nicht rechtzeitig unterbrochen wurde.
Kreft Stodolkowitz Kirch-
hof
Fischer Raebel