Urteil des BGH vom 13.12.2006
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 120/05
Verkündet
am:
13.
Dezember
2006
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als
Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: nein
AHaftpflichtVB BBR Privat Nr. III.1
Der Ausschluss einer Deckung von Haftpflichtansprüchen in der Privathaftpflicht-
versicherung wegen Schäden, die durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs ver-
ursacht sind (sog. Benzinklausel), setzt voraus, dass sich eine Gefahr verwirklicht
hat, die gerade dem Fahrzeuggebrauch eigen, diesem selbst und unmittelbar zu-
zurechnen ist. Für die Auslegung der Ausschlussklausel kommt es nicht auf § 10
AKB an.
BGH, Urteil vom 13. Dezember 2006 - IV ZR 120/05 - OLG Karlsruhe
LG Konstanz
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsit-
zenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke auf die mündliche Verhand-
lung vom 13. Dezember 2006
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 19. Zivilsenats in Frei-
burg des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28. April 2005
wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von der Beklagten, bei der er privathaftpflicht-
versichert ist, Freistellung von einem Schaden, den er verursacht hat.
Dem Versicherungsvertrag liegen u.a. Allgemeine Versicherungsbedin-
gungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) sowie Besondere Bedin-
gungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung priva-
ter Risiken (BBR Privat) zugrunde. In Letzteren ist unter III. 1 bestimmt:
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"Nicht versichert ist die Haftpflicht des Eigentümers, Besit-
zers, Halters oder Führers eines Kraft-, Luft- oder Wasser-
fahrzeuges wegen Schäden, die durch den Gebrauch des
Fahrzeugs verursacht werden."
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Der Kläger ist Maurermeister. Sein Arbeitgeber hatte ihm einen
Mercedes Transporter 4,5 t zur Verfügung gestellt für den Weg von und
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zur Arbeitsstelle, wobei der Kläger Arbeitskollegen abzuholen oder mit-
zunehmen hatte. Der Kläger nutzte das Fahrzeug nicht privat; dessen
Kosten trug allein der Arbeitgeber. Am 19. Januar 2004 stellte der Kläger
gegen 6.10 Uhr einen Heizlüfter in das Fahrzeug, um die vereisten Front-
und Seitenscheiben aufzutauen. Danach wollte er sich auf den Weg zur
Arbeit machen. In dieser Weise hatte der Kläger schon öfter die Schei-
ben vom Frost befreit. An diesem Tag kehrte der Kläger, während der
Heizlüfter lief, in seine Wohnung zurück. Als er gegen 6.20 Uhr wieder
nach dem Fahrzeug sah, stellte er fest, dass sich der Heizlüfter ausge-
schaltet hatte und Brandschäden im Fahrzeug entstanden waren. Der
Arbeitgeber stellte ihm deshalb den Betrag von 6.704,04 € in Rechnung.
Die vom Kläger zur Regulierung aufgeforderte Beklagte beruft sich
auf verschiedene Haftungsausschlüsse, u.a. auf Nr. III. 1 BBR Privat.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht
hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wieder-
herstellung des landgerichtlichen Urteils.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
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I. Das Berufungsgericht meint, die Klausel Nr. III. 1 BBR Privat
schließe von der Deckung durch die Beklagte als Privathaftpflichtversi-
cherer nur solche Fälle aus, bei denen sich das spezifische Risiko des
Kraftfahrzeuggebrauchs verwirkliche oder die Gefahr vom Fahrzeug
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selbst ausgehe. Hier habe der Kläger zwar durch das Enteisen der
Scheiben seinen Fahrtantritt vorbereitet. An diese Verrichtung habe sich
der Fahrtantritt aber nicht unmittelbar angeschlossen. Vielmehr sei der
Kläger für 10 Minuten in seine Wohnung zurückgekehrt. Außerdem habe
sich mit dem Schaden ein Risiko realisiert, das dem Gebrauch des Heiz-
lüfters und nicht des Fahrzeugs anhafte. Da ein Haftungsausschluss
auch aus anderen Gesichtspunkten hier nicht in Betracht komme, müsse
die Beklagte für den Schaden einstehen.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
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1. a) Die so genannte Benzinklausel in Nr. III. 1 BBR Privat ist
nicht anders auszulegen als Versicherungsbedingungen im Allgemeinen,
nämlich so, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer diese Be-
stimmung bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und un-
ter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen
muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versiche-
rungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und da-
mit - auch - auf seine Interessen an (st. Rspr., vgl. BGHZ 123, 83, 85).
Als Ausschlussklausel ist Nr. III. 1 BBR Privat grundsätzlich eng und
nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaft-
lichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der
durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen,
dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass ihm diese hinrei-
chend verdeutlicht werden (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 17. Septem-
ber 2003 - IV ZR 19/03 - VersR 2003, 1389 unter 2 b m.w.N.).
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b) Die Klausel in Nr. III. 1 BBR Privat nimmt vom Versicherungs-
schutz die Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers
eines Kraftfahrzeugs wegen Schäden aus, "die durch den Gebrauch des
Fahrzeugs verursacht werden". Es muss sich also eine Gefahr verwirk-
licht haben, die gerade dem Fahrzeuggebrauch eigen, diesem selbst und
unmittelbar zuzurechnen ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 1993 - IV
ZR 243/92 - VersR 1994, 83 unter 3 a). Dabei kommt es nicht darauf an,
ob die Gefahr von der Art des Fahrzeuggebrauchs oder aber beim
Gebrauch vom Fahrzeug selbst ausgeht. Entscheidend ist aus der Sicht
des verständigen Versicherungsnehmers vielmehr, dass der Anwen-
dungsbereich der Klausel dann und nur dann eröffnet sein soll, wenn sie
ein Gebrauchsrisiko gerade des Kraftfahrzeugs verwirklicht und zu einem
Schaden geführt hat.
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c) Dabei ist nicht zu übersehen, dass mit Nr. III. 1 BBR Privat ein
Risiko aus dem Bereich der Privathaftpflichtversicherung ausgenommen
wird, das typischerweise dem Risikobereich der Kraftfahrzeug-Haft-
pflichtversicherung zuzuordnen ist. Das wird auch der verständige Versi-
cherungsnehmer bedenken; er wird Versicherungsschutz für das mit dem
Gebrauch eines Kraftfahrzeugs verbundene Risiko in der Kraftfahrzeug-
Haftpflichtversicherung erwarten. Insoweit erkennt der Versicherungs-
nehmer, wie der Senat bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. etwa
Senatsurteile vom 14. Dezember 1988 - IVa ZR 161/87 - VersR 1989,
243 unter 3a; vom 16. Oktober 1991 - IV ZR 257/90 - VersR 1992, 47 un-
ter 1), dass mit der hier in Rede stehenden Klausel grundsätzlich vom
Versicherungsschutz in der Privathaftpflichtversicherung ausgenommen
werden soll, was als typisches Kraftfahrzeuggebrauchsrisiko in der Kraft-
fahrzeug-Haftpflichtversicherung versicherbar ist. Damit sollen einerseits
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Doppelversicherungen, andererseits aber auch Deckungslücken vermie-
den werden. Darin erschöpft sich indessen die Bedeutung dieser Erwä-
gung.
Sie bedeutet dagegen nicht - und nur insoweit hält der Senat an
seiner bisherigen Rechtsprechung nicht fest -, dass der Versicherungs-
nehmer wegen dieses auch ihm erkennbaren Zusammenhangs zur Aus-
legung des in Nr. III. 1 BBR Privat formulierten Merkmals "Schäden, die
durch den Gebrauch des Kraftfahrzeugs verursacht werden", auf Bedin-
gungswerke zurückgreifen müsste, die in der Kraftfahrzeug-Haftpflicht-
versicherung Verwendung finden. Denn diese Bedingungswerke muss
der Versicherungsnehmer nicht kennen. Nr. III. 1 BBR Privat verweist
weder auf Klauseln in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung noch
wird dem Versicherungsnehmer sonst deren Inhalt zur Kenntnis ge-
bracht. Die Klausel in Nr. III. 1 BBR Privat ist demgemäß aus sich heraus
nach ihrem dem Versicherungsnehmer erkennbaren Sinn und Zweck
auszulegen, wie dies oben näher dargelegt worden ist. Das gilt selbst
dann, wenn der Begriff des Fahrzeuggebrauchs in den Bedingungen der
Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung wegen des dort zu beachtenden
Zusammenhangs weiter auszulegen sein sollte als in Nr. III. 1 BBR Pri-
vat.
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d) Legt man diese Auslegung der Nr. III. 1 BBR Privat zugrunde,
erweist sich die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis als zu-
treffend. Zwar diente die Schaden stiftende Verrichtung der Vorbereitung
des Einsatzes des Fahrzeugs zu seinem typischen Verwendungszweck
und damit dessen Gebrauch durch den Kläger als Fahrzeugführer. Der
Kläger hat aber nicht das Fahrzeug gebraucht, sondern lediglich einen
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nicht zum Fahrzeug gehörenden Heizlüfter in das Fahrzeug gestellt. Es
hat sich also nicht das Gebrauchsrisiko des Fahrzeugs, sondern ein Ri-
siko des Heizlüfters realisiert. Deshalb greift der Deckungsausschluss
der Nr. III. 1 BBR Privat hier nicht ein.
2. Das Berufungsgericht hat auch im Übrigen das Eingreifen von
Risikoausschlüssen zutreffend verneint.
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a) Nach § 4 I Nr. 6 Abs. 1 Buchst. a AHB sind Haftpflichtansprüche
wegen Schäden an fremden Sachen, die der Versicherungsnehmer ge-
mietet, gepachtet, geliehen oder durch verbotene Eigenmacht erlangt hat
oder die Gegenstand eines besonderen Verwahrungsvertrages sind,
nicht gedeckt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war der
Kläger hier aber weisungsabhängiger Besitzdiener. Er fällt daher nicht
unter § 4 I Nr. 6 Abs. 1 Buchst. a AHB. Dagegen wendet die Revision
ein, der Kläger habe das Fahrzeug zumindest nachts für seinen Arbeit-
geber zu verwahren gehabt. Eine derartige Nebenpflicht aus dem Ar-
beitsverhältnis würde jedoch für die Anwendung von § 4 I Nr. 6 Abs. 1
Buchst. a AHB nicht ausreichen (vgl. Senatsurteil vom 7. Oktober 1987
- IVa ZR 140/86 - VersR 1987, 1181, 1182).
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b) Gemäß § 4 I Nr. 6 Abs. 1 Buchst. b AHB sind ausgeschlossen
Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die an fremden Sachen durch eine
gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder
mit diesen Sachen entstanden sind. In dieser Hinsicht hält die Revision
für erheblich, dass der Kläger die Scheibe enteist habe, um zur Arbeit
und zum Abholen der Kollegen zu fahren. Die zitierte Ausschlussklausel
nimmt indessen solche Schäden nicht vom Versicherungsschutz aus, die
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der Versicherungsnehmer an fremden Sachen dadurch verursacht, dass
er diese benutzt, um sich selbst oder sein Material oder Werkzeug an
den Arbeitsplatz zu schaffen (Senatsurteil vom 27. November 1969 - IV
ZR 637/68 - VersR 1970, 145 f.). In jener Entscheidung ging es um die
Beschädigung eines Paternosters, der als Beförderungsmittel auf dem
Weg von einer Arbeitsstelle zur anderen benutzt worden war. Der Kläger
hat auch im vorliegenden Fall seine berufliche Tätigkeit als Maurermeis-
ter nicht an oder mit dem Fahrzeug verwirklicht.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Konstanz, Entscheidung vom 25.01.2005 - 4 O 364/04 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 28.04.2005 - 19 U 33/05 -