Urteil des BGH vom 01.10.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 172/06 Verkündet
am:
1.
Oktober
2008
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 623 Abs. 2 Satz 2 und 3, § 628 Satz 1 Nr. 4
Dem gemäß § 623 Abs. 2 Satz 2 ZPO gestellten Antrag eines Ehegatten auf
Abtrennung einer Sorgerechtsfolgesache ist grundsätzlich zu entsprechen. Bei
Unterhaltsfolgesachen (§ 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO) ist einem Abtrennungsantrag
dagegen nur dann stattzugeben, wenn ein sachlicher Zusammenhang zwi-
schen elterlicher Sorge und Kindesunterhalt bzw. Betreuungsunterhalt besteht,
der eine Vorabentscheidung über den Unterhalt erfordert. Ohne einen solchen
Zusammenhang ist der den Unterhalt betreffende Abtrennungsantrag von dem
Zweck des § 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht gedeckt und läuft dem Schutzzweck
des Scheidungsverbundes und § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO zuwider.
BGH, Urteil vom 1. Oktober 2008 - XII ZR 172/06 - OLG Hamm
AG
Bochum
- 2 -
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. Oktober 2008 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin
Weber-Monecke, den Richter Fuchs, die Richterin Dr.
Vézina und den
Richter Dose
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Antragsgegnerin wird das Urteil des
3. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom
10. August 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlan-
desgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind seit 1990 miteinander verheiratet. Aus ihrer Ehe ist der
am 21. September 1992 geborene Sohn D. hervorgegangen, der bei der Mutter
lebt. Seit Februar 2001 leben die Ehegatten getrennt. Der Scheidungsantrag
des Ehemannes (Antragsteller) ist der Ehefrau (Antragsgegnerin) am 30. Mai
2001 zugestellt worden.
1
Der Antragsteller lebt inzwischen in der Schweiz. Aus der Beziehung zu
seiner neuen Lebensgefährtin ist am 5. September 2003 eine Tochter hervor-
2
- 3 -
gegangen, für die er sich zu Unterhaltszahlungen verpflichtet hat. Außerdem
wurde er verurteilt, Trennungsunterhalt und Kindesunterhalt für das Kind D. zu
zahlen.
3
Im Rahmen des Scheidungsverfahrens hat die Antragsgegnerin Anträge
auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt und Zugewinnausgleich gestellt und
darüber hinaus beantragt, ihr die elterliche Sorge für D. allein zu übertragen.
Die den Zugewinnausgleich betreffende Folgesache ist von den Parteien in der
Hauptsache für erledigt erklärt worden. Die Folgesachen elterliche Sorge und
nachehelicher Unterhalt hat das Familiengericht auf Antrag des Antragstellers
- gegen den Widerspruch der Antragsgegnerin - nach § 623 Abs. 2 ZPO abge-
trennt. Sodann hat es die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungs-
ausgleich zugunsten der Ehefrau geregelt.
Mit der gegen das Verbundurteil gerichteten Berufung hat die Ehefrau
geltend gemacht, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Ehescheidung vor
der Entscheidung über die Folgesachen hätten nicht vorgelegen. Das Oberlan-
desgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelas-
sene Revision der Antragsgegnerin, mit der sie weiterhin begehrt, dass zu-
sammen mit der Scheidung über die Folgesachen entschieden wird.
4
Entscheidungsgründe:
I.
Die Revision ist zulässig, auch wenn sie sich allein gegen die erfolgte
Abtrennung der Scheidungsfolgesachen elterliche Sorge und nachehelicher
5
- 4 -
Unterhalt aus dem Verbund richtet. Wird dem Scheidungsantrag zu Unrecht vor
der Entscheidung über eine Folgesache stattgegeben, so schafft dies im Fall
einer Abtrennung nach § 628 ZPO nach der Rechtsprechung des Senats eine
selbständige Beschwer, die mit Rechtsmitteln gegen das Scheidungsurteil ge-
rügt werden kann (Senatsurteile vom 14. Dezember 1983 - IVb ZR 62/82 -
FamRZ 1984, 254, 255 und vom 27. März 1996 - XII ZR 83/95 - FamRZ 1996,
1070, 1071). Das gilt in gleicher Weise für die hier erfolgte Abtrennung nach
§ 623 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO (Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber Ehe-
recht 4. Aufl. § 623 Rdn. 14 d; Zöller/Philippi ZPO 26. Aufl. § 623 Rdn. 32 i;
Hk-ZPO/Kemper 2. Aufl. § 623 Rdn. 34; im Ergebnis ebenso OLG Düsseldorf
FamRZ 2000, 842; OLG Frankfurt FF 2001, 66 [LS; Volltext bei juris]; a.A.
Büttner FamRZ 1998, 585, 592 und NJW 1999, 2315, 2325 f.; Berger-
furth/Rogner Der Ehescheidungsprozess 15. Aufl. Teil 1 Rdn. 42). Auch inso-
fern ist dem eine umfassende Verbundentscheidung erstrebenden Ehegatten
die Möglichkeit eröffnet, dieses Ziel im Wege eines Rechtsmittels zu erreichen.
II.
Die Revision ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefoch-
tenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
6
1. Das Oberlandesgericht, das die Zulässigkeit der Berufung nach den
vorstehenden Ausführungen zu Recht bejaht hat, hat die Abtrennung der Fol-
gesachen elterliche Sorge und nachehelicher Unterhalt für rechtlich unbedenk-
lich gehalten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Eine teleolo-
gische Einschränkung des § 623 Abs. 2 ZPO sei mit der herrschenden Meinung
7
- 5 -
nur im Falle des Missbrauchs gerechtfertigt. Maßgebend sei zunächst der ein-
deutige Wortlaut der Vorschrift, der eine Abtrennung auf entsprechenden An-
trag ausdrücklich vorsehe. Eine über Missbrauchsfälle hinausgehende Ableh-
nung der Abtrennung lasse sich aus der Begründung des Gesetzesentwurfs
nicht herleiten. Nachdem nur noch auf Antrag eines Ehegatten über die elterli-
che Sorge zu entscheiden sei, werde mit der in der Begründung genannten
Möglichkeit, eine solche Entscheidung auch künftig für die Zeit vor der Schei-
dung zu erreichen, nur eine mögliche Anwendung des § 623 Abs. 2 ZPO dar-
gestellt, ohne dass es sich um den einzigen Anwendungsfall handele. Darüber
hinaus zeigten die Regelungen in § 623 Abs. 2 Satz 4 ZPO und § 628 Satz 1
Ziff. 3 ZPO, dass das Gesetz eine Fortdauer der Folgesache über den Zeitpunkt
der Scheidung hinaus in Kauf nehme. Im vorliegenden Fall sei die Abtrennung
danach zulässig gewesen, weil ein Missbrauch nicht festzustellen sei. Die An-
träge zur elterlichen Sorge und zum nachehelichen Unterhalt seien nämlich von
der Antragsgegnerin selbst gestellt, also nicht von der Gegenseite angebracht
worden, um eine Abtrennung der Folgesache nachehelichen Unterhalt zu er-
zwingen.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis nicht stand.
8
2. a) Nach der mit dem Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom
16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2942) zum 1. Juli 1998 in Kraft getretenen Neu-
fassung des § 623 Abs. 2 ZPO trennt das Gericht auf Antrag eines Ehegatten
u.a. eine Folgesache nach § 621 Abs. 1 Nr. 1 (elterliche Sorge) von der Schei-
dungssache ab (Satz 2). Ein Antrag auf Abtrennung der Folgesache elterliche
Sorge kann u.a. mit einem Antrag auf Abtrennung einer Folgesache nach § 621
Abs. 1 Nr. 5 ZPO (nachehelicher Unterhalt) verbunden werden (Satz 3). Die
Abtrennung steht nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung weder bei der
Sorgerechts- noch bei der Unterhaltsfolgesache im Ermessen des Gerichts,
9
- 6 -
vielmehr ist das Gericht auch gegen den Widerspruch des anderen Ehegatten
an den Abtrennungsantrag gebunden.
10
In Rechtsprechung und Schrifttum ist allerdings streitig, ob und ggf. unter
welchen Umständen eine Abtrennung gleichwohl abgelehnt werden darf. Nach
einer auf den Gesetzeswortlaut abstellenden Auffassung ist die Abtrennung
grundsätzlich zwingend (OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 840, 841; OLG Hamm
FamRZ 2000, 554 und 1229; OLG Stuttgart NJW-RR 2003, 795; MünchKomm-
ZPO/Finger 2.
Aufl. §
623 Rdn.
8; Hoppenz/Zimmermann Familiensachen
8. Aufl. § 623 Rdn. 22; Kogel FamRZ 2007, 847, 848; weitgehend ebenso OLG
Bremen OLGR 2005, 121; Musielak/Borth ZPO 6. Aufl. § 623 Rdn. 11; Zöller/
Philippi aaO § 623 Rdn. 32 f, 32 g). Die überwiegende Meinung geht indessen
dahin, dass auch für eine Abtrennung nach § 623 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO die
allgemeine Schranke des Rechtsmissbrauchs zu beachten ist und missbräuch-
lich gestellte Abtrennungsanträge zurückgewiesen werden dürfen (OLG Karls-
ruhe FamRZ 2005, 1495, 1496; OLG München FamRZ 2000, 1291 [LS] und
OLGR 2008, 478, 479; OLG Schleswig NJWE-FER 2000, 299; Büttner FamRZ
1998, 585, 592; Klinkhammer FamRZ 2003, 583 f.; Bergerfurth/Rogner aaO
Teil 1 Rdn. 43; Göppinger/Börger Vereinbarungen anlässlich der Scheidung
8. Aufl. Teil 1 Rdn. 115; FamRefK/Hoffmann § 623 Rdn. 21; Niepmann MDR
2000, 613, 619; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 29.
Aufl. §
623 Rdn.
20;
Hk-ZPO/Kemper aaO § 623 Rdn. 34; Luthin/Kamm Unterhaltsrecht 10. Aufl.
Rdn. 7115). Darüber hinausgehend wird schließlich angenommen, die Abtren-
nungsmöglichkeit nach § 623 Abs. 2 ZPO sei einschränkend dahin auszulegen,
dass damit lediglich - als Ersatz für § 1672 BGB a.F. - eine Entscheidung über
das Sorgerecht schon vor Rechtskraft der Scheidung ermöglicht werden solle,
nicht aber umgekehrt ein Scheidungsausspruch vor der Entscheidung über ein
im Verbund anhängiges Sorgerecht. Letzteres laufe der Warnfunktion des Ver-
bunds und der inhaltlich unverändert gebliebenen Regelung in § 628 Satz 1
- 7 -
Nr. 3 ZPO zuwider (OLG Köln FamRZ 2002, 1570, 1571; OLG Frankfurt FF
2001, 66 [LS; Volltext bei juris]; Bergerfurth/Rogner aaO Teil 1 Rdn. 41).
11
b) Der Senat folgt im Grundsatz der Auffassung, dass ein rechtsmiss-
bräuchlich gestellter Abtrennungsantrag zurückgewiesen werden darf (vgl. auch
Senatsbeschluss vom 1. Oktober 2008 - XII ZB 90/08 - zur Veröffentlichung
vorgesehen). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich die
Frage, ob ein Missbrauch vorliegt, allerdings nicht allein danach beantworten,
ob derjenige Ehegatte, der die Abtrennung beantragt hat, zugleich Antragsteller
der Folgesache ist. Vielmehr erfordert diese Beurteilung eine weitergehende
Würdigung, in die vor allem der Normzweck einzubeziehen ist (vgl. zur Zuläs-
sigkeit einer am Normzweck ausgerichteten restriktiven Auslegung etwa Bork
BGB Allgemeiner Teil Rdn. 135).
Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum Kindschaftsrechtsre-
formgesetz soll mit der Möglichkeit der Abtrennung der Sorgeverfahren von der
Scheidungssache auch künftig bereits für die Zeit der Trennung eine Entschei-
dung in der Hauptsache (d.h. über die elterliche Sorge) erreicht werden können.
Wegen des häufig bestehenden Zusammenhangs zwischen Übertragung der
Sorge und Unterhaltsansprüchen des Kindes sowie Betreuungsunterhalt eines
Ehegatten soll der Antrag auf Abtrennung der Folgesache elterliche Sorge mit
einem Abtrennungsantrag betreffend die unterhaltsrechtlichen Folgesachen
verbunden werden können (BT-Drucks. 13/4899 S. 122). Daraus kann indessen
nicht gefolgert werden, dass die Schutzfunktion des Scheidungsverbunds auf-
gegeben werden sollte. Vielmehr geht die Entwurfsbegründung ausdrücklich
davon aus, dass auch weiterhin die vom Scheidungsverbund erfassten Verfah-
ren gleichzeitig verhandelt und entschieden werden. Das Gesetz trägt jedoch
den Änderungen des materiellen Rechts, insbesondere im Bereich der elterli-
chen Sorge, Rechnung (BT-Drucks. 13/4899, S. 74). Sinn der neu geschaffe-
12
- 8 -
nen Abtrennungsmöglichkeit und Motiv des Gesetzgebers war es, vor dem Hin-
tergrund des Entfallens der Sorgerechtsentscheidung von Amts wegen eine
Vorabentscheidung über die elterliche Sorge schon für die Zeit der Trennung zu
ermöglichen.
13
Allerdings schließt das Gesetz nicht aus, dass dieses Ziel im Einzelfall
nicht erreicht werden kann. § 623 Abs. 2 Satz 4 ZPO, nach dem im Fall einer
Abtrennung die Folgesache als selbständige Familiensache fortgeführt wird,
spricht vielmehr dafür, dass das Gesetz eine Fortdauer der Folgesache über
den Zeitpunkt der Scheidung hinaus in Kauf nimmt (ebenso Büttner FamRZ
1998, 585, 592). Daraus kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
aber nur geschlossen werden, dass es für die Abtrennung der Folgesache elter-
liche Sorge nicht von Bedeutung ist, ob eine Entscheidung in jedem Fall vor der
Scheidung zu erwarten ist. Dagegen ist die Annahme nicht gerechtfertigt, die
Unterhaltsfolgesachen sollten auch dann abgetrennt werden dürfen, wenn sie in
keinem sachlichen Zusammenhang mit der Entscheidung über die elterliche
Sorge stehen und mit ihrer Abtrennung deshalb allein eine Beschleunigung des
Scheidungsverfahrens erreicht werden soll.
Die Möglichkeit, die gleichzeitige Abtrennung von elterlicher Sorge und
Unterhaltsfolgesachen nach § 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO zu erlangen, beruht - wie
bereits ausgeführt - nach den Vorstellungen der Entwurfsbegründung auf dem
häufig bestehenden Zusammenhang zwischen Sorgerechts- und Unterhaltsfol-
gesachen. In der Begründung ist zwar nicht angegeben, an welchen konkreten
Zusammenhang gedacht war und welcher Zweck mit der Abtrennung auch der
Unterhaltsfolgesachen verfolgt werden soll. Die Unterhaltssachen müssen sich,
um überhaupt im Scheidungsverbund geführt werden zu können, aber auf die
Zeit ab Rechtskraft der Scheidung beziehen; insoweit ist eine Vorabentschei-
dung anders als bei der Sorgerechtssache indessen nicht sinnvoll. Hierfür ste-
14
- 9 -
hen vielmehr die Ansprüche auf Kindesunterhalt (vor der Scheidung) und auf
Trennungsunterhalt zur Verfügung, die ohnedies außerhalb des Scheidungs-
verbunds geltend zu machen sind.
15
Aufgrund des Zusammenhangs zwischen Sorgerecht und Kindesunter-
halt bzw. Betreuungsunterhalt ist daher die Annahme nahe liegend, dass es
dem Gesetzgeber um das Kindeswohl und in diesem Zusammenhang um die
Sicherstellung des Kindesunterhalts und des Unterhalts des Elternteils ging, der
das Kind betreut (Schwab/Maurer/Borth Handbuch des Scheidungsrechts
5. Aufl. I Rdn. 369). Demgegenüber bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass
entgegen den Interessen des Kindes und des betreuenden Elternteils die be-
schleunigte Scheidung ermöglicht werden sollte, während die Unterhaltsfrage
ungeregelt bliebe. Dies würde auch zu einem deutlichen Wertungswiderspruch
zu anderen Fällen führen, in denen es nicht um derart elementare Interessen
wie den Kindesunterhalt und den Betreuungsunterhalt geht und die Abtrennung
von Folgesachen dennoch nur unter wesentlich engeren Voraussetzungen
möglich ist. So wäre etwa bei dem Scheidungsverfahren eines kinderlosen
Ehepaares die Abtrennung einer Folgesache Zugewinnausgleich nach § 628
Satz 1 Nr. 4 ZPO nur bei außergewöhnlicher Verzögerung des Verfahrens mög-
lich, während - zum Vergleich - die Abtrennung beim Kindesunterhalt oder
Betreuungsunterhalt auf Antrag des auf Unterhalt verklagten Ehegatten sogar
voraussetzungslos und zwingend anzuordnen wäre.
c) Daraus ist zu schließen, dass zwar eine Sorgerechtsfolgesache auf
Antrag grundsätzlich abzutrennen ist. Bei Unterhaltsfolgesachen ist einem Ab-
trennungsantrag dagegen nur dann zu entsprechen, wenn ein sachlicher Zu-
sammenhang zwischen elterlicher Sorge und Kindesunterhalt bzw. Betreu-
ungsunterhalt des Ehegatten besteht, der eine Vorabentscheidung über den
Unterhalt erfordert. Ohne einen solchen Zusammenhang ist ein die Unterhalts-
16
- 10 -
folgesachen betreffender Abtrennungsantrag von dem Zweck des § 623 Abs. 2
Satz 3 ZPO erkennbar nicht gedeckt und läuft dem Schutzzweck des Schei-
dungsverbunds und der seiner Wahrung dienenden Bestimmung des § 628
Satz 1 Nr. 4 ZPO zuwider (so auch OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 1495, 1496;
OLG Schleswig NJWE-FER 2000, 299; Büttner NJW 1999, 2315, 2325 f.; Klink-
hammer FamRZ 2003, 583, 584; Klein FuR 2004, 295, 296).
Diese Beurteilung stimmt im Übrigen mit den Vorstellungen des Gesetz-
gebers überein, wie sie inzwischen in dem Entwurf eines FGG-Reformgesetzes
(FGG-RG, BT-Drucks. 16/6308) zum Ausdruck kommen. Nach § 140 Abs. 2
Nr. 3 FamFG-E (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den An-
gelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit = Art. 1 FGG-RG-E) kann das
Gericht eine Kindschaftsfolgesache abtrennen, wenn es dies aus Gründen des
Kindeswohls für sachgerecht hält. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs
werden die Abtrennungsvoraussetzungen gegenüber dem bisherigen Rechts-
zustand insofern vollständig neu geregelt. Der Tatbestand soll die vorausset-
zungslose Abtrennung auf Antrag eines Ehegatten nach § 623 Abs. 2 Satz 2
ZPO ersetzen (BT-Drucks. 16/6308 S. 231). Daraus erhellt, dass auch der Ge-
setzgeber für das derzeit geltende Recht von einer nicht im Ermessen des Ge-
richts stehenden Abtrennungsentscheidung ausgeht und demgegenüber eine
Änderung vornimmt.
17
Anders verhält es sich dagegen hinsichtlich der Unterhaltsfolgesachen.
Der Gesetzgeber hat insoweit erkannt, dass die weite Fassung des § 623
Abs. 2 Satz 3 ZPO die Gefahr missbräuchlicher Abtrennungsanträge mit sich
bringt. Diesem Umstand soll deshalb entgegengewirkt werden. Nach § 140
Abs. 3 FamFG-E kann das Gericht auf Antrag eines Ehegatten eine Unterhalts-
folgesache (nur noch) abtrennen, "wenn dies wegen des Zusammenhangs mit
der Kindschaftsfolgesache geboten erscheint". Die Entwurfsbegründung
18
- 11 -
(BT-Drucks. 16/6308 S. 231) verweist hierfür darauf, dass Abtrennungen von
Unterhaltsfolgesachen, die vom Zweck der Vorschrift nicht gedeckt sind, ver-
mieden werden sollen. Die Begründung zeigt, dass der Zweck der Vorschrift
nach den Vorstellungen des Gesetzgebers unverändert bleiben soll, eine sach-
liche Änderung gegenüber den Vorstellungen des Kindschaftsrechtsreformge-
setzes damit also nicht verbunden ist. Das bestätigt, dass schon für das gelten-
de Recht eine einschränkende Auslegung des § 623 Abs. 2 Satz 3 ZPO gebo-
ten ist.
3. Danach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Zwar ist
die Abtrennung der Folgesache elterliche Sorge aus Rechtsgründen nicht zu
beanstanden. Hinsichtlich der Folgesache nachehelicher Unterhalt kann ein
rechtsmissbräuchlicher Abtrennungsantrag mit der gegebenen Begründung in-
dessen nicht verneint werden. Allein der Umstand, dass der Antragsteller, der
die Abtrennung beantragt hat, nicht der Antragsteller der Folgesache ist, recht-
fertigt diese Annahme nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob zwischen den Folge-
sachen elterliche Sorge und nachehelicher Unterhalt ein sachlicher Zusam-
menhang besteht. Dafür sind nach den getroffenen Feststellungen keine An-
haltspunkte ersichtlich, vielmehr spricht sogar einiges dafür, dass die Parteien
sich über den Aufenthalt des Kindes bei der Mutter einig waren. In diesem Fall
hätte dem Abtrennungsantrag aber nicht stattgegeben werden dürfen, sondern
über die Scheidung hätte im Verbund mit den Folgesachen nachehelicher Un-
terhalt und Versorgungsausgleich entschieden werden müssen.
19
4. Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu befin-
den, da die zur Beurteilung des Abtrennungsantrags (ggf. auch nach § 628
Satz 1 Nr. 4 ZPO) erforderlichen Feststellungen fehlen. Das angefochtene Urteil
ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuver-
weisen. Eine Zurückverweisung an das Familiengericht scheidet im vorliegen-
20
- 12 -
den Fall aus. Zwar kommt grundsätzlich eine Zurückverweisung an die erste
Instanz in Betracht, wenn diese ein unzulässiges Teilurteil erlassen hat. Hat
nämlich das Berufungsgericht eine wegen eines wesentlichen Verfahrensfeh-
lers an sich gemäß § 538 ZPO gebotene Zurückverweisung an die erste Instanz
unterlassen, so ist diese Entscheidung durch das Revisionsgericht nachzuholen
(Senatsurteil vom 12. Januar 1994 - XII ZR 167/92 - NJW-RR 1994, 379, 380 f.
m.w.N.). Durch eine entsprechende Verfahrensweise kann eine Verbundent-
scheidung hier indessen nicht mehr erreicht werden, da das Familiengericht
inzwischen über die Folgesachen elterliche Sorge und nachehelicher Unterhalt
entschieden hat und wegen des nachehelichen Unterhalts ein Berufungsverfah-
ren vor dem Oberlandesgericht anhängig ist. Eine Verbundentscheidung kann
deshalb nur durch das Berufungsgericht ergehen.
Hahne Weber-Monecke Fuchs
Vézina Dose
Vorinstanzen:
AG Bochum, Entscheidung vom 16.02.2006 - 57 F 170/01 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 10.08.2006 - 3 UF 72/06 -