Urteil des BGH vom 28.08.2007
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 212/07
vom
28. August 2007
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
___________________
StGB §§ 331, 333
Zur einschränkenden Auslegung der §§ 331, 333 StGB bei Einwerbung von Wahl-
kampfspenden durch einen Amtsträger, der sich um seine Wiederwahl bewirbt (im
Anschluss an BGHSt 49, 275).
BGH, Urt. vom 28. August 2007 - 3 StR 212/07 - LG Dortmund
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Vorteilsannahme
zu 2.: Vorteilsgewährung
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 9.
August 2007 in der Sitzung am 28. August 2007, an denen teilgenommen ha-
ben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Winkler,
Pfister,
Hubert
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten C. ,
Justizamtsinspektor in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
Landgerichts Dortmund vom 16. März 2006 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten da-
durch entstandenen notwendigen Auslagen werden der
Staatskasse auferlegt.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
1. Das Landgericht Wuppertal hatte den Angeklagten Dr. K.
vom Vorwurf der Vorteilsannahme freigesprochen und den Angeklagten C.
wegen Vorteilsgewährung und wegen Beihilfe zum Betrug verurteilt (NJW 2003,
1405). Nachdem der Senat dieses Urteil aufgehoben hatte (BGHSt 49, 275)
und das Verfahren gegen den Angeklagten C. teilweise abgetrennt worden
ist, hatte das zur Entscheidung berufene Landgericht Dortmund nur noch über
die Vorwürfe der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung zu entscheiden. Es
hat die beiden Angeklagten freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision
der Staatsanwaltschaft mit sachlichrechtlichen Beanstandungen. Das vom Ge-
neralbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1
2. Das Landgericht Dortmund hat aufgrund der erneuten Hauptverhand-
lung folgende Feststellungen getroffen:
2
- 4 -
Der Angeklagte Dr. K. war im Jahr 1996 zum hauptamtlichen
Oberbürgermeister der Stadt W. gewählt worden. Er stellte sich für die
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) bei der Kommunalwahl 1999,
bei der erstmals eine Direktwahl des Oberbürgermeisters anstand, zur Wieder-
wahl. Der Unterbezirk W. der SPD benötigte im Herbst 1998 für den
Wahlkampf erhebliche Geldmittel. Der Zeuge S. , der sowohl als Parteimit-
glied wie auch Angehöriger des Stadtrates erheblichen Einfluss hatte, ent-
schloss sich deshalb, den Angeklagten C. , einen Unternehmer im Bau- und
Industrieentwicklungsbereich, um Unterstützung zu bitten. Dieser zeigte sich
dazu bereit, obwohl er selbst Mitglied der Christlich Demokratischen Union
Deutschlands (CDU) war. Er wollte die Wiederwahl des Oberbürgermeisters
sicherstellen, weil er sich von diesem Planungssicherheit und eine Fortführung
der investorenfreundlichen Politik versprach. Dabei erwartete er auch, dass der
Angeklagte Dr. K. ihm im Gegenzug für die Wahlkampfunterstützung
bei der Verwirklichung eines von ihm seit kurzer Zeit verfolgten Projekts, der
Errichtung eines Factory Outlet Centers (FOC) in W. , durch Einfluss-
nahme auf den Rat der Stadt und die Verwaltung helfen werde.
3
Der Angeklagte C. lud für den 10. November 1998 zu einem Ge-
schäftsessen in sein Haus ein, an dem neben anderen auch der Angeklagte
Dr. K. teilnahm. In dessen Anwesenheit erklärte er, der Wahlkampf
müsse im "Bundesligaformat" geführt werden und er sei bereit, Mittel dafür zur
Verfügung zu stellen. Von Seiten der SPD wurde mitgeteilt, ein optimaler Wahl-
kampf werde ca. 1 Mio. DM kosten, was der Angeklagte C. für übertrieben
hielt. Er sagte aber seine Unterstützung in Höhe eines "namhaften sechsstelli-
gen DM-Betrages" zu und bot seinen Pressesprecher als Unterstützung für die
Wahlkampfkommission an. Der Angeklagte Dr. K. verwies darauf,
dass die Zahlungen für den Wahlkampf über die Partei abgewickelt werden soll-
4
- 5 -
ten. Als er nach ca. einer Stunde das Abendessen verließ, wusste er, dass der
Wahlkampf der SPD ohne die Leistungen des Unternehmers nicht wie geplant
würde durchgeführt werden können.
In der Folgezeitzeit zahlte der Angeklagte C. knapp 500.000 DM an
die W. SPD. Damit finanzierte er den kompletten Kommunalwahl-
kampf des SPD-Unterbezirks W. und des Angeklagten Dr. K. .
Dieser wurde Ende September 1999 als Oberbürgermeister der Stadt W.
wiedergewählt.
5
Während der Angeklagte C. mit seinen Zahlungen die konkrete Er-
wartung verband, der Angeklagte Dr. K. würde ihn später bei seinem
Vorhaben, in W. ein FOC zu errichten, unterstützen, hatte dieser bis zu
seiner Wiederwahl davon keine Kenntnis. Zwar war ihm seit Februar 1998 be-
kannt, dass ein ausländischer Investor in Zusammenarbeit mit dem Zeugen
S. ein FOC errichten wollte, von dem Engagement des Angeklagten C.
in dieser Sache wusste er indes nichts. Demzufolge war ihm auch nicht be-
kannt, dass sich der Angeklagte C. von seinen Zahlungen die Unterstützung
gerade dieses Vorhabens versprach. Die tatsächlichen Hintergründe der Zah-
lungen erkannte er spätestens im Mai 2000. Im September 2000 beschloss der
Rat der Stadt, ein ergebnisoffenes Prüfungsverfahren für ein FOC in W.
einzuleiten. Im Oktober 2000 zog der Angeklagte C. seinen Projektentwurf
zurück.
6
- 6 -
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.
7
1. Auf der Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen hat
sich der Angeklagte Dr. K. nicht wegen Vorteilsannahme strafbar ge-
macht.
8
a) Das gilt - was die Revision nicht in Zweifel zieht - zunächst für das
Verhalten dieses Angeklagten bis zum Mai 2000.
9
aa) Allerdings hat das Landgericht die rechtlichen Erwägungen, die der
Senat in seinem Urteil vom 28. November 2004 (BGHSt 49, 275, 291 ff.) zur
Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung des § 331 StGB in den Fällen
angestellt hat, in denen ein Amtsträger, der sich in einer Direktwahl um ein
Wahlamt bewirbt und Wahlkampfspenden annimmt, möglicherweise missver-
standen.
10
Dazu heißt es in jenem Urteil unter anderem: Der Amtsträger macht sich
nicht strafbar, "sofern diese Förderung allein dazu dienen soll, dass er nach er-
folgreicher Wahl das wiedererlangte Wahlamt in einer Weise ausübt, die den
allgemeinen wirtschaftlichen oder politischen Vorstellungen des Vorteilsgebers
entspricht: In diesem Fall ist wegen des vorrangigen Verfassungsprinzips der
Chancengleichheit bei der Wahl das erforderliche rechtswidrige Gegenseitig-
keitsverhältnis zwischen Vorteil und Dienstausübung, die Unrechtsvereinba-
rung, zu verneinen. Zeigt sich der Amtsträger dagegen bereit, als Gegenleis-
tung für die Wahlkampfförderung im Falle seiner Wahl eine konkrete, den Inte-
11
- 7 -
ressen des Vorteilsgebers förderliche Entscheidung zu dessen Gunsten zu tref-
fen oder zu beeinflussen, macht er sich der Vorteilsannahme schuldig."
Ersichtlich auf diese Formulierungen, insbesondere darauf, dass in ihnen
darauf abgestellt wird, ob als Gegenleistung für die Wahlkampfförderung "eine
konkrete Entscheidung" im Raum steht, hat das Landgericht seine rechtliche
Bewertung des festgestellten Geschehens maßgeblich gestützt: Die Strafkam-
mer habe - wie es in dem angefochtenen Urteil heißt - nicht feststellen können,
dass "der Angeklagte Dr. K. bis zur Kommunalwahl Kenntnis darüber
hatte, dass der Angeklagte C. ein FOC-Projekt in W. betrieb und
sich von seinen Zahlungen eine konkrete Gegenleistung in Form der Unterstüt-
zung durch den Angeklagten Dr. K. versprach". Mangels Vorteilsge-
währung für "eine konkrete Diensthandlung, die nicht in ihren Einzelheiten aber
doch dem Grundsatz nach erkennbar sein" müsse, habe er den Tatbestand der
Vorteilsannahme nicht erfüllt.
12
Mit diesen Erwägungen hat das Landgericht § 331 StGB restriktiver aus-
gelegt, als es nach Auffassung des Senats erforderlich ist. Hierzu das Folgen-
de:
13
Anliegen des Senats war es, den neuen Tatrichter nicht im Unklaren dar-
über zu lassen, dass eine Anwendung der Vorschrift auf Fälle der vorliegenden
Art je nach den Umständen an verfassungsrechtliche, sich aus dem Grundsatz
der Chancengleichheit bei der Wahl ergebende Grenzen stoßen kann und sie
einer einschränkenden Auslegung bedarf.
14
Von der Notwendigkeit einer derartigen einschränkenden Auslegung geht
der Senat - dessen Urteil im Schrifttum im Ergebnis durchweg auf Zustimmung
15
- 8 -
gestoßen ist (vgl. Dölling JR 2005, 519; Saliger/Sinner NJW 2005 1073, 1075 f.;
ferner auch - mehr oder weniger kritisch zum Begründungsweg - Korte NStZ
2005, 512, 513 und Kargl JZ 2005, 503, 512, gegen die Kritik Dölling aaO S.
520) - auch nach erneuter Prüfung aus. Dass sich ein Amtsträger, der sich um
seine Wiederwahl bewirbt, der Vorteilsannahme schuldig macht, wenn er im
Wahlkampf etwa eine 500-€-Spende einer Initiative annimmt, die sich wegen
seiner umwelt-, kindergarten- oder radfahrerfreundlichen Kommunalpolitik für
seine Wahl engagiert, kann nicht sein. Ob dieses Ergebnis rechtlich zutreffen-
der über eine restriktive Auslegung der Vorschrift mit Blick auf den Grundsatz
der Chancengleichheit bei der Wahl zu erreichen ist oder sich unmittelbar aus §
331 StGB ableiten lässt - durch die Betonung, dass in einem solchen Fall der
Vorteil nicht für die Dienstausübung gegeben und genommen wird, sondern
bloße Unterstützung für die angestrebte Wiedererlangung der Amtsstellung
darstellt -, ist eine Frage von zweitrangiger Bedeutung. Die im Einzelfall erfor-
derliche Abgrenzung zwischen erlaubter und unerlaubter Einwerbung von
Wahlkampfmitteln kann - wie der Senat schon in seinem ersten Revisionsurteil
in dieser Sache näher ausgeführt hat (BGHSt 49, 275, 295) - je nach den Um-
ständen schwierig sein. Diese Schwierigkeiten ergeben sich unabhängig von
dem rechtlichen Begründungsansatz; eindeutige Ergebnisse kann weder der
Ansatz des Senats noch der abweichende von Teilen des Schrifttums bieten.
Was die Kriterien anbelangt, nach denen zu entscheiden ist, ob die An-
nahme einer Wahlkampfspende im Einzelfall - ungeachtet der grundsätzlich
gebotenen restriktiven Auslegung des § 331 in Fällen dieser Art - tatbestands-
mäßig ist, hat der Senat in seinem Urteil notwendigerweise keine abschließen-
den Aussagen getroffen. Diese Entscheidung darf aber jedenfalls nicht - wie
vom Landgericht im angefochtenen Urteil - dahin verstanden werden, dass eine
tatbestandsmäßige Vorteilsannahme nur dann in Betracht kommt, wenn der
16
- 9 -
Amtsträger sich bereit zeigt, als Gegenleistung für die Wahlkampfförderung im
Falle seiner Wahl eine konkrete, den Interessen des Vorteilsgebers förderliche
Entscheidung zu dessen Gunsten zu treffen.
Die entsprechende Passage in den Gründen des früheren Senatsurteils
hat ihren Grund darin, dass nach den Feststellungen des ersten tatrichterlichen
Urteils der Angeklagte Dr. K. bei der Annahme der Wahlkampfspende
des Mitangeklagten C. von dessen FOC-Projekt wusste und die Annahme
eines Zusammenhangs zwischen diesem konkreten Projekt und in seiner Um-
setzung anfallenden Entscheidungen einerseits sowie der Wahlkampfspende
andererseits - zumal angesichts ihrer außergewöhnlichen Höhe - bei unvorein-
genommener Betrachtung ausgesprochen nahe lag. Indes hat der Senat nicht
zum Ausdruck bringen wollen, dass eine strafbare Vorteilsannahme in Fällen
der vorliegenden Art ausscheidet, wenn der Spender sich zu der Spende nicht
durch ein konkretes - in seinen Umrissen schon vorgezeichnetes - Objekt ver-
anlasst sieht. Das belegt schon sein Hinweis darauf, dass die Abgrenzung zwi-
schen erlaubter und unerlaubter Einwerbung von Wahlkampfmitteln im Einzelfall
erhebliche Probleme bereiten kann. Hätte er die Strafbarkeit auf Fälle einer
Wahlkampfspende für eine konkrete, in der kommenden Amtszeit anstehende
Entscheidung beschränken wollen, wären Abgrenzungsprobleme nicht zu be-
fürchten gewesen, denn für eine solche Fallkonstellation kann die Annahme
tatbestandsmäßigen Verhaltens nicht zweifelhaft sein.
17
Der Anschein der Käuflichkeit amtlicher Entscheidungen, dessen Ver-
meidung Schutzzweck des § 331 StGB auch mit Blick auf Fälle der vorliegen-
den Art ist (vgl. BGHSt 49, 275, 294), entsteht auch dann, wenn Spender und
Amtsträger davon ausgehen, dass dieser im Laufe der künftigen Amtszeit mit
Entscheidungen zu diesem oder jenem Vorhaben des Spenders - sei es schon
18
- 10 -
projektiert oder noch nicht - befasst sein wird und ein unbeteiligter Betrachter
den Eindruck gewinnt, dass jener mit der Spende Einfluss auf anfallende Ent-
scheidungen nehmen will. Insbesondere bei Spenden von außergewöhnlicher
Höhe wird es regelmäßig nahe liegen, dass der Spender nicht nur - straffrei -
die allgemeine Ausrichtung der Politik des Wahlbewerbers unterstützen will,
sondern sich - strafbar - dessen Gewogenheit auch im Blick auf eigene konkret
geplante oder zu erwartende Vorhaben sichern und seine Individualinteressen
fördern will.
bb) Ungeachtet des Missverständnisses, das beim Landgericht mögli-
cherweise auch aufgrund von Formulierungen in der Entscheidung des Senats
entstanden ist, weil diese mit Blick auf die Feststellungen des damals angefoch-
tenen Urteils gewählt worden sind, hat der Freispruch des Angeklagten
Dr. K. Bestand.
19
Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen, die das Landge-
richt seiner rechtlichen Bewertung zugrunde gelegt hat, wusste der Angeklagte
Dr. K. bei der Annahme der Spende und bis zu seiner Wiederwahl
nicht nur nichts von dem Engagement des Mitangeklagten C. für das ge-
plante FOC-Projekt. Vielmehr ging er davon aus, dass dieser mit seiner Spende
- ohne irgendein Interesse an etwaigen eigenen Vorhaben - im Interesse der
Stadt W. und der Wirtschaft ganz allgemein nur seine, Dr. K.
s, investorenfreundliche Politik fördern wollte. Da die Entgegennahme einer
solchen Spende aus den dargestellten Gründen aber aus dem Anwendungsbe-
reich des § 331 StGB herausfällt, hat sich der Angeklagte - mangels Vorsat-
zes - nicht nach dieser Vorschrift strafbar gemacht.
20
- 11 -
cc) Die Feststellungen des Landgerichts beruhen auf einer revisions-
rechtlich unangreifbaren Beweiswürdigung. Wenn der Tatrichter von bestimm-
ten, die Strafbarkeit begründenden Umständen nicht die erforderliche Überzeu-
gung gewinnen kann, ist das Revisionsgericht auf die Prüfung beschränkt, ob
die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil
sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesicher-
tem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der
Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen stellt. Sind derartige
Rechtsfehler nicht feststellbar, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche
Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine andere Würdigung
der Beweise möglich gewesen wäre (BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 14).
21
Dass der Angeklagte Dr. K. nach den nunmehr getroffenen
Feststellungen - abweichend von der Überzeugung, die das ursprünglich mit
der Sache befasste Landgericht Wuppertal gewonnen hatte - von den konkre-
ten wirtschaftlichen Absichten und Interessen des Angeklagten C. in Bezug
auf das FOC keine Kenntnis hatte und ausschließlich von einer uneigennützi-
gen Förderung der investorenfreundlichen Ausrichtung seiner Politik ausging,
mag zwar wenig plausibel erscheinen. Auch leuchtet nicht von vornherein ein,
dass der Angeklagte Dr. K. nicht nachfragte, warum der Mitange-
klagte C. - obwohl dieser Mitglied der im Wahlkampf konkurrierenden Partei
war - den außergewöhnlich aufwendigen Wahlkampf der W. SPD mit
einem sechsstelligen DM-Betrag finanzierte. Eine Beweiswürdigung, die aus der
Höhe der Spende auf ein erhebliches Eigeninteresse des Mitangeklagten C.
und eine entsprechende Vorstellung des Angeklagten Dr. K. ge-
schlossen hätte, wäre sicher ebenfalls nicht zu beanstanden gewesen. Das än-
dert aber nichts daran, dass die Beweiswürdigung des Landgerichts einen
22
- 12 -
Rechtsfehler in dem beschriebenen Sinne nicht erkennen lässt. Einen solchen
macht auch die Beschwerdeführerin nicht geltend.
b) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin hat der Angeklagte
Dr. K. auch in der Zeit nach Mai 2000 von dem Angeklagten C.
keinen Vorteil angenommen.
23
Zwar kann - worauf die Beschwerdeführerin im Ansatz zutreffend hin-
weist - ein Amtsträger einen Vorteil, den er zunächst gutgläubig erlangt hat,
auch noch nachträglich annehmen und damit tatbestandsmäßig handeln, wenn
er die auf den Abschluss einer Unrechtsvereinbarung gerichtete Absicht des
Gebers erst nach Erhalt des Vorteils erkennt, diesen aber gleichwohl behält und
dadurch zu erkennen gibt, dass er den Vorteil nunmehr für die Diensthandlung
behalten will, oder eine Übereinkunft hierüber mit dem Geber erzielt (vgl. für
einen Fall der Bestechlichkeit BGHSt 15, 88, 102 f.; zuvor schon OLG Köln
MDR 1960, 156; Jescheck in LK 11. Aufl. § 331 Rdn. 6; Heine in Schönke/
Schröder, StGB 27. Aufl. § 331 Rdn. 25; Rudolphi/Stein in SK-StGB § 331
Rdn. 26; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 331 Rdn. 20; Korte in MünchKomm-
StGB § 331 Rdn. 57).
24
Ein solchermaßen "verspätetes" Annehmen des Vorteils kommt jedoch
nur in Betracht, wenn der gewährte Vorteil in dem Zeitpunkt, zu dem der Amts-
träger die Hintergründe der Zuwendung erkannt hat, noch vorhanden ist, wobei
es ausreicht, wenn der Vorteil zwar nicht in der ursprünglichen, jedoch in einer
anderen Form zur Verfügung steht. Hat der Amtsträger hingegen den Vorteil
gutgläubig so verbraucht, dass kein gegenständlich greifbarer Ersatz mehr vor-
handen ist, bleibt für die Vorteilsannahme kein Raum mehr (vgl. OLG Köln MDR
25
- 13 -
1960, 156; ihm folgend die einheitliche Meinung in der Literatur). So liegt es
aber hier.
Der dem Angeklagten Dr. K. - und der W. SPD als
Drittem (vgl. BGHSt 49, 275, 282) - gewährte Vorteil bestand in den Zahlungen,
mit denen der Angeklagte C. den Kommunalwahlkampf unterstützte. Dieses
Geld ist insgesamt zweckgebunden vor der Wahl im September 1999 ausgege-
ben worden. Damit war der Vorteil verbraucht.
26
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, stellt das Amt
des Oberbürgermeisters kein Surrogat der Zahlungen dar. Diese haben zwar
der W. SPD einen sehr aufwendigen Kommunalwahlkampf ermöglicht
und damit die Chancen des Angeklagten Dr. K. auf eine Wiederwahl
- in einer im Einzelnen allerdings nicht näher feststellbaren Weise - erhöhen
können. Die Wahl selbst ist jedoch ein Akt der demokratischen Entscheidung,
die Grundlage für das erlangte Amt ist. Dieses kann deshalb nicht als fortbeste-
hender Vorteil im Sinne von § 331 StGB angesehen werden. Deswegen kommt
dem Verbleiben des Oberbürgermeisters in seinem Amt nicht die Bedeutung zu,
nachträglich einen Vorteil angenommen zu haben. Schon aus diesem Grunde
kann - abgesehen von der fehlenden tatsächlichen und rechtlichen Umsetzbar-
keit - der Beschwerdeführerin auch nicht gefolgt werden, wenn sie meint, der
Angeklagte hätte nach Erlangung der Kenntnis von den wahren Motiven des
Angeklagten C. sein Amt jedenfalls teilweise ruhen lassen müssen, und dar-
in, dass er es nicht getan hat, eine nachträgliche Vorteilsannahme sieht.
27
2. Der Angeklagte C. hat sich auf der Grundlage der Feststellungen
nicht wegen Vorteilsgewährung strafbar gemacht.
28
- 14 -
a) Dies gilt selbst für sein, dem Angeklagten Dr. K. gegenüber
abgegebenes Angebot, diesen im Wahlkampf mit erheblichen Geldmitteln zu
unterstützen. Zwar war dieses Angebot verbunden mit der Erwartung, später
einmal die Unterstützung des Oberbürgermeisters bei der Verwirklichung seines
FOC-Projektes zu erhalten; damit wäre auch nach der einschränkenden Ausle-
gung der §§ 331, 333 StGB in Fällen der vorliegenden Art die Grenze zur Straf-
barkeit unzweifelhaft überschritten. Zudem ist bei der Vorteilsgewährung in der
Variante des Anbietens eines Vorteils nicht erforderlich, dass zwischen dem
Amtsträger und dem Vorteilsgeber eine Unrechtsvereinbarung abgeschlossen
wird, so dass eine Strafbarkeit nicht schon wegen der Unkenntnis des Amtsträ-
gers von den Hintergründen des Angebotes ausscheiden würde. Indes fehlt es
an einer anderen Voraussetzung für die Strafbarkeit: Das Anbieten eines Vor-
teils ist das Angebot zum Abschluss einer Unrechtsvereinbarung. Der Anbie-
tende muss daher nicht nur wollen, dass der Amtsträger sein Angebot zur
Kenntnis nimmt; sein Vorsatz muss auch darauf gerichtet sein, dass der Amts-
träger versteht, dass der angebotene Vorteil für die Dienstausübung (wegen der
einschränkenden Auslegung im Fall der vorliegenden Art: für eine konkrete
Diensthandlung) gedacht ist, dieser also den Zusammenhang zwischen dem
Vorteil und der Diensthandlung erkennt (vgl. BGHSt 15, 88, 102).
29
Das angefochtene Urteil enthält dazu zwar keine ausdrücklichen Anga-
ben. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe folgt indes ohne weite-
res, dass der Angeklagte C. nicht die Absicht hatte, dem Angeklagten schon
bei dem Angebot der Wahlkampffinanzierung die damit verbundenen Hinterge-
danken zu offenbaren: Danach wollte er eine Erörterung des FOC-Projekts aus
dem Wahlkampf gerade heraushalten und unterrichtete den Angeklagten
Dr. K. deswegen nicht von seinen Plänen.
30
- 15 -
b) Eine Strafbarkeit des Angeklagten C. lässt sich aus den oben (II.
1. b) genannten Gründen auch nicht daraus herleiten, dass der Angeklagte
Dr. K. später Kenntnis von dessen Motiven erlangte.
31
Tolksdorf Miebach Winkler
Pfister Hubert