Urteil des BGH vom 14.02.2008
BGH (morbus bechterew, operation, diabetes mellitus, aussichtslos, zustand, zoll, unfall, zpo, ehefrau, klinik)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VI ZR 47/08
vom
16. September 2008
in dem Rechtsstreit
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. September 2008 durch
die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll
beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Beiordnung eines Rechtsanwalts für
das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das
Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom
14. Februar 2008 wird zurückgewiesen, weil die beabsichtigte
Rechtsverfolgung aussichtslos erscheint.
Gründe:
1. Der Kläger, bei dem 1984 Morbus Bechterew diagnostiziert wurde, er-
hält seit 1986 zur Schmerzlinderung das Kortisonpräparat Prednisolon. Diese
Medikamentation hat bei ihm zu Diabetes Mellitus, einer Gastritis sowie einer
Infektion mit Helicobacter pylori geführt. Am 7. Juni 1998 wurde ein Mediainfarkt
festgestellt, der vermutlich durch Blutgerinnsel im Halswirbelbereich als Folge
des Morbus Bechterew ausgelöst worden war. Am 30. Juni 1998 wurde der Klä-
ger in der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der Beklagten zu 1
aufgenommen. Dort wurden eine ausgeprägte Wirbelsäulenkrümmung, eine
extreme Verschiebung des Kopfes sowie eine Hirnnervenlähmung festgestellt.
Am 6. August 1998 wurde bei ihm eine dorsale Spondylodese vorgenommen,
wobei zur Stabilisierung ein Knochenspan aus seinem Becken verwendet wur-
de. Die Operation führte der Beklagte zu 6 aus. Da sich eine Liquorfistel und
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eine Infektion einstellten, musste der implantierte Span in einer zweiten Opera-
tion, die der Beklagte zu 5 ausführte, wieder entfernt werden. Am 10. Septem-
ber 1998 wurde der Kläger entlassen. Sein Zustand hatte sich zunächst deutlich
gebessert, verschlechterte sich jedoch alsbald wieder. Am 27. April 1999 wurde
er stationär im Poliklinikum für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der Be-
klagten zu 1 aufgenommen und am 27. Mai 1999 in die Klinik für Neurologie der
Beklagten zu 1 verlegt, wo Morbus Parkinson ausgeschlossen wurde und von
dem Beklagten zu 7 eine zervikale Myelopathie diagnostiziert wurde. Am 3. Juni
1999 erfolgte die Rückverlegung in die chirurgische Abteilung, wo der Kläger
von den Beklagten zu 2, 3, 5 und 6 behandelt wurde. Am 16. Juni 1999 wurde
operativ eine Flexoren- und Adduktorentenotomie am linken und rechten Bein
durchgeführt, um die spastische Beugehaltung zu korrigieren und die Pflege
des Klägers zu erleichtern. Die Operation führte die Beklagte zu 4 durch.
Der Kläger, der gehunfähig ist und dessen Arme und Beine weitestge-
hend bewegungsunfähig sind, führt diesen Zustand auf Behandlungsfehler der
Beklagten zu 2 bis 7 zurück. Er macht geltend, die Operationen seien kontrain-
diziert gewesen; bezüglich der 1998 durchgeführten Eingriffe sei er nicht hinrei-
chend aufgeklärt worden. In der Zeit vom 27. April 1999 bis zur Operation am
16. Juni sei keine ausreichende medikamentöse bzw. physiotherapeutische
Behandlung erfolgt. Dadurch hätten sich Druckulcera gebildet. Die Operation
am 16. Juni 1999 sei gegen seinen Willen und den seiner Ehefrau (seiner
Betreuerin) erfolgt, kontraindiziert gewesen und fehlerhaft ausgeführt worden.
Durch heftiges Ziehen seien dabei Hüft- und Schultergelenk beschädigt und
Knochen gebrochen worden. Die Operation habe zu einer Tetraparese geführt.
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Der Kläger begehrt Ersatz materiellen und immateriellen Schadens. Das
Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Die Berufung
des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat die Revision gegen
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sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der in zuläs-
siger Weise eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde. Sein Prozessbevoll-
mächtigter hat das Mandat sodann niedergelegt. Die - notariell u.a. mit den
Rechtsangelegenheiten bevollmächtigte - Ehefrau des Klägers hat am 23. Juni
2008, dem letzten Tag der Begründungsfrist, einen Antrag auf Beiordnung
eines Notanwalts zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gestellt und
geltend gemacht, der Kläger habe sich um einen anderen beim Bundesge-
richtshof zugelassenen Rechtsanwalt bemüht, jedoch nur Absagen erhalten,
von denen sie z.T. Kopien eingereicht hat. Sie verweist hinsichtlich der Er-
folgsaussicht u.a. auf die Berufungsbegründung und ein an die Rechtsschutz-
versicherung gerichtetes Anwaltsschreiben.
II.
Die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 78 b ZPO ist abzulehnen,
wenn die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision aussichtslos ist,
weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben oder
nicht dargetan sind (Senatsbeschluss vom 25. März 2003 - VI ZR 355/02 -
VersR 2003, 1555). Dies ist hier der Fall.
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Die Rechtsverfolgung des Klägers erscheint aussichtslos. Die Sache hat
keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist
auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erforderlich. Der Kläger will mit der Nichtzulassungsbeschwer-
de, wie seine Bezugnahme auf die überreichte Berufungsbegründung erkennen
lässt, im Wesentlichen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts angreifen.
Damit kann er im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg ha-
ben. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass das Berufungsgericht Sach-
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vortrag des Klägers oder Beweisanträge übergangen oder die erhobenen Be-
weise fehlerhaft gewürdigt hat. Das angefochtene Urteil weicht auch nicht von
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder derjenigen der Oberlandes-
gerichte ab. Dem von dem Kläger zitierten Senatsurteil vom 26. Juni 1990 (VI
ZR 289/89 – VersR 1990, 1238) lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. In je-
nem Fall hatte die Patientin geltend gemacht, ihr sei von ärztlicher Seite dem
objektiven medizinischen Befund zuwider gesagt worden, es bestehe Lebens-
gefahr und die Operation sei besonders dringlich. Zutreffend aufgeklärt hätte sie
die Operation nicht alsbald und nicht mit der gewählten Methode vornehmen
lassen. Demgegenüber wendet der Kläger vorliegend ein, nicht auf die seiner-
zeit tatsächlich gegebene Dringlichkeit der Operation vom 6. August 1998 hin-
gewiesen worden zu sein. Er legt aber nicht dar, seine Einwilligung in den Ein-
griff aufgrund einer fehlerhaften Aufklärung erteilt zu haben.
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Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob der Kläger ausreichend dar-
getan hat, keinen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt zu finden.
Müller Wellner Pauge
Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Dresden, Entscheidung vom 21.06.2006 - 6 O 4606/02 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 14.02.2008 - 4 U 1376/06 -