Urteil des BGH vom 06.12.2012

BGH: verkehrswert, herausgabe, räumung, leihe, ersatzvornahme, anfang, gebäude, glaubhaftmachung, grundeigentum, abweisung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZR 44/12
vom
6. Dezember 2012
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Dezember 2012 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Lemke,
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, Dr. Czub und Dr. Kazele
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem
Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom
1. Februar 2012 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig
verworfen.
Gründe:
I.
Die in einem Pflegeheim lebende, unter Betreuung stehende Klägerin
verlangt von dem Beklagten, ihrem Sohn, die Räumung und Herausgabe von
seit 30 Jahren unentgeltlich überlassenen privat und gewerblich genutzten
Räumlichkeiten in ihrem Haus sowie die Entfernung einer Containeranlage im
Garten. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage wegen wirksamer
Kündigung einer Leihe stattgegeben. Gegen die Nichtzulassung der Revision in
dem Berufungsurteil richtet sich die Beschwerde; der Beklagte will in dem an-
gestrebten Revisionsverfahren die Abweisung der Klage erreichen.
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II.
Das Rechtsmittel ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision gel-
tend zu machenden Beschwer 20.000
€ nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO).
1. Bei einer Klage auf Räumung und Herausgabe von Räumlichkeiten
nach der Kündigung einer Leihe bestimmt sich der Wert gemäß § 6 Satz 1 Alt. 1
ZPO; maßgeblich ist der nach § 3 ZPO zu schätzende Verkehrswert der Räu-
me. Für den Wert einer Beseitigungsklage ist das Interesse des Klägers an der
Beseitigung des beanstandeten Zustands maßgeblich; es ist ebenfalls nach § 3
ZPO zu schätzen. Beide Werte sind zusammenzurechnen. Für den Wert der
Beschwer im Rechtsmittelverfahren ist das Interesse des Rechtsmittelklägers
an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung maßgebend (Senat, Be-
schluss vom 29. Januar 2009 - V ZR 152/08, Grundeigentum 2009, 514, 515).
2. Nach diesen Grundsätzen bemisst sich die Beschwer des Beklagten,
welche er mit der Revision geltend machen kann, nach dem Verkehrswert der
Räumlichkeiten, zu deren Herausgabe er verurteilt worden ist. Hinzuzurechnen
ist der Wert seines Interesses, sich gegen die Kosten einer Ersatzvornahme für
die Beseitigung der Containeranlage zu wehren (vgl. Senat, Urteil vom
10. Dezember 1993 - V ZR 168/92, BGHZ 124, 313, 315 ff.).
3. Dass diese Werte zusammen 20.000
€ übersteigen, hat der Beklagte
nicht - wie geboten (siehe nur Senat, Beschluss vom 25. Juli 2002 - V ZR
118/02, NJW 2002, 3180) - glaubhaft gemacht.
a) Sein Hinweis auf die Grundstücksgröße von 2.008 qm und auf einen
- nicht glaubhaft gemachten - Verkehrswert von "sicher über 20
€" pro Quad-
ratmeter ist unerheblich, weil er nicht zur Räumung und Herausgabe des
Grundstücks verurteilt worden ist.
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b) Ebenfalls unerheblich ist der Hinweis auf den Vortrag in den Tatsa-
cheninstanzen, der Beklagte habe "im Laufe der Jahre" zur Instandhaltung und
Verbesserung des Gebäudes ca. 300.000
€ aufgewendet. Denn es ist nicht er-
kennbar, zu welchem heutigen Verkehrswert die behaupteten Investitionen - sie
sollen zum größten Teil Anfang der 1980er Jahre erbracht worden sein - geführt
haben. Insbesondere angesichts des von dem Beklagten hervorgehobenen
Vorbringens der Betreuerin der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor
dem Berufungsgericht, das Gebäude sei nichts wert, hätte der Beklagte den
Verkehrswert der herauszugebenden Räumlichkeiten nennen und glaubhaft
machen müssen.
c) Sein Hinweis auf den Vortrag, der Verkauf des Grundstücks unter Auf-
rechterhaltung der bestehenden Verhältnisse werde einen Erlös von über
150.000
€ erbringen, ist wiederum unerheblich. Der Vortrag besagt nichts zu
dem Verkehrswert der herauszugebenden Räumlichkeiten, der sich auch nicht
aus dem Verkehrswert des Grundstücks ableiten lässt; auch fehlt es an der
Glaubhaftmachung.
d) Schließlich fehlen Darlegungen zu dem Wert des Interesses des Be-
klagten an der Abwehr der Kosten einer Ersatzvornahme für die Beseitigung
der Containeranlage.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Den Gegen-
standswert setzt der Senat - mangels anderer Anhaltspunkte - in derselben Hö-
he wie das Berufungsgericht fest.
Stresemann
Lemke
Schmidt-Räntsch
Czub
Kazele
Vorinstanzen:
LG Ravensburg, Entscheidung vom 01.08.2011 - 6 O 171/11 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 01.02.2012 - 3 U 162/11 -
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