Urteil des BGH vom 04.06.2009
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 2/09
vom
4. Juni 2009
in dem Zwangsverwaltungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZwVwV §§ 18, 19
Bei der Zwangsverwaltung von vermieteten Grundstücken steht dem Zwangsverwal-
ter für denselben Abrechnungszeitraum entweder die Regelvergütung nach § 18
ZwVwV oder die Zeitaufwandvergütung nach § 19 ZwVwV zu; die Festsetzung so-
wohl der einen als auch der anderen Vergütung ist ausgeschlossen.
BGH, Beschluss vom 4. Juni 2009 - V ZB 2/09 - LG Leipzig
AG
Leipzig
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Juni 2009 durch den Vorsit-
zenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-
Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Roth
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer
des Landgerichts Leipzig vom 5. Januar 2009 wird zurückgewie-
sen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
4.000 €.
Gründe:
I.
Mit Beschluss vom 17. September 2004 ordnete das Amtsgericht auf An-
trag der Beteiligten zu 2 die Zwangsverwaltung des im Eingang dieses Be-
schlusses bezeichneten Grundbesitzes der Beteiligten zu 1 an und bestellte
den Beteiligten zu 3 zum Zwangsverwalter. Bei dem der Zwangsverwaltung un-
terliegenden Objekt handelt es sich um ein vermietetes Mehrfamilienhaus; Miet-
einnahmen erzielte der Beteiligte zu 3 erst seit dem 1. Oktober 2005. Das Ver-
fahren wurde mit Beschluss vom 3. Dezember 2007 aufgehoben.
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Für die Abrechnungszeiträume vom 17. September 2004 bis zum
30. September 2005 und vom 1. Oktober 2005 bis zum 30. September 2006 hat
der Beteiligte zu 3 die Festsetzung von Verwaltervergütungen beantragt, deren
Höhe er nach der für die Verwaltung erforderlichen Zeit berechnet hat (§ 19
ZwVwV). Das Amtsgericht hat den Anträgen stattgegeben. Für den Zeitraum
vom 1. Oktober 2006 bis zur Aufhebung des Verfahrens hat der Verwalter die
Festsetzung einer nach den eingegangenen Mieten berechneten Vergütung
(§ 18 ZwVwV) und zugleich beantragt, für die gesamte Dauer des Verfahrens
einen Beitreibungszuschlag für vertraglich geschuldete, jedoch nicht eingezo-
gene Mieten (§ 18 Abs. 1 Satz 2 ZwVwV) festzusetzen. Letzterem ist das Amts-
gericht nur für die Zeit vom 1. Oktober 2006 bis zum 3. Dezember 2007 nach-
gekommen; die Festsetzung eines Beitreibungszuschlags für die Abrechnungs-
zeiträume vom 17. September 2004 bis zum 30. September 2005 und vom
1. Oktober 2005 bis zum 30. September 2006 hat es abgelehnt. Die dagegen
gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben.
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Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte zu 3 sein Ziel, die Fest-
setzung des Beitreibungszuschlags für seine Tätigkeit in der Zeit vom
17. September 2004 bis zum 30. September 2006, weiter.
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II.
Das Beschwerdegericht meint, der Beteiligte zu 3 könne für die Zeit vom
Beginn des Verfahrens bis zum 30. September 2006 keinen Beitreibungszu-
schlag verlangen, weil er zuvor seine Vergütung für diesen Zeitraum nach Zeit-
aufwand berechnet und habe festsetzen lassen. Damit sei eine Bindungswir-
kung eingetreten, die es dem Verwalter verwehre, später von der früher gewähl-
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ten Berechnungsart abzuweichen und neben der festgesetzten Zeitaufwand-
vergütung einen Beitreibungszuschlag für vertraglich geschuldete, nicht einge-
zogene Mieten zu verlangen.
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Das hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.
III.
Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im
Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Dem Betei-
ligten zu 3 steht die beantragte zusätzliche Vergütung für die Zeit vom
17. September 2004 bis zum 30. September 2006 nicht zu.
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1. Nach § 17 Abs. 1 ZwVwV hat der Zwangsverwalter Anspruch auf eine
angemessene Vergütung für seine Geschäftsführung, deren Höhe an seiner
Leistung sowie an der Art und dem Umfang der Aufgabe auszurichten ist. Die
Berechnung der Vergütungshöhe kann auf verschiedene Weise erfolgen. Be-
trifft die Zwangsverwaltung - wie hier - Grundstücke, die durch Vermietung ge-
nutzt werden, erhält der Verwalter als Vergütung zwischen 5 % und 15 % des
für den Zeitraum der Verwaltung an Mieten eingezogenen Bruttobetrags (§ 18
Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZwVwV) bzw. für vertraglich geschuldete, nicht eingezo-
gene Mieten 20 % der Vergütung, die er erhalten hätte, wenn diese Mieten ein-
gezogen worden wären (§ 18 Abs. 1 Satz 2 ZwVwV). Eine Vergütung nach Zeit-
aufwand sieht die Zwangsverwalterverordnung bei solchen Objekten nur für den
Ausnahmefall vor, dass die Regelvergütung nach § 18 ZwVwV offensichtlich
unangemessen ist (§ 19 Abs. 2 ZwVwV).
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2. Der Vergütungsanspruch des Verwalters entsteht mit der Erbringung
der von ihm geforderten Arbeitsleistung und wird fortlaufend mit Ablauf des Zeit-
raums fällig, in welchem der Verwalter nach § 154 Satz 2 ZVG zur Rechnungs-
legung verpflichtet ist (Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung,
4. Aufl., § 22 ZwVwV Rdn. 2). Demgemäß wird die Vergütung im Anschluss an
die jährliche Rechnungslegung (§ 14 Abs. 2 ZwVwV) oder die Schlussrechnung
(§ 14 Abs. 3 ZwVwV) auf Antrag des Verwalters von dem Gericht festgesetzt
(§ 22 Satz 1 ZwVwV).
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3. Somit steht dem Verwalter eines vermieteten Objekts grundsätzlich für
die gesamte Dauer des Verfahrens die Regelvergütung (§ 18 ZwVwV) zu, de-
ren - anteilige - Festsetzung er nach jedem Abrechnungszeitraum verlangen
kann. Beansprucht er jedoch die Vergütung nach Zeitaufwand (§ 19 Abs. 2
ZwVwV), ist diese - ebenfalls nach jedem Abrechnungszeitraum - nur dann
festzusetzen, wenn die Regelvergütung trotz Ausschöpfung des Höchstrah-
mens (§ 18 Abs. 2 ZwVwV) um mehr als 25 % hinter der Zeitaufwandvergütung
zurückbleibt (Senat, Beschluss vom 11. Oktober 2007, V ZB 1/07, NJW-RR
2008, 99).
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4. Möglich ist auch, dass - wie hier - auf Antrag des Verwalters für einen
Abrechnungszeitraum die Regelvergütung und für einen anderen Abrechnungs-
zeitraum die Zeitaufwandvergütung festgesetzt wird. Dagegen ist es ausge-
schlossen, für denselben Zeitraum sowohl die Regel- als auch die Zeitaufwand-
vergütung festzusetzen. Denn beide Vergütungsarten stehen in einem Re-
gel-Ausnahme-Verhältnis, welches ein gleichzeitiges Nebeneinander aus-
schließt. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Regelung in § 19 Abs. 2
ZwVwV; danach kann der Verwalter für den Abrechnungszeitraum nur einheit-
lich nach dem Zeitaufwand abrechnen, wenn die Regelvergütung offensichtlich
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unangemessen ist. Dem entspricht auch der Wille des Verordnungsgebers,
dem Zwangsverwalter in denjenigen Ausnahmefällen, in denen über § 18
ZwVwV eine angemessene Vergütung nicht erreicht werden kann, die Möglich-
keit zu eröffnen, die Vergütung insgesamt nicht in Prozenten der geschuldeten
Mieteinnahmen, sondern einheitlich nach dem für die Verwaltung erforderlichen
Zeitaufwand abzurechnen (BR-Drucks. 842/03 S. 17). Der Verwalter muss sich
somit alternativ für eine der beiden Berechnungsarten entscheiden (Hint-
zen/Alff, Rpfleger 2004, 129, 137 f.); eine kumulative Abrechnung ist ausge-
schlossen.
5. Auch der Beteiligte zu 3 beurteilt die Rechtslage im Grundsatz nicht
anders. Er hält jedoch hier die Festsetzung einer beitrags- und einer zeitbezo-
genen Vergütung für denselben Zeitraum für geboten, weil sich erst am Ende
des Verfahrens herausgestellt habe, dass trotz seiner intensiven Einzugsbemü-
hungen, die vorwiegend im letzten Abrechnungszeitraum stattgefunden und
auch die bereits in früheren Zeiträumen geschuldeten Mieten betroffen hätten,
keine Mieten eingegangen seien und es deshalb nicht möglich sei, die Vergü-
tung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 ZwVwV zu berechnen.
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Diese Ansicht trifft nicht zu. Sie findet auch keine Stütze in der von dem
Beteiligten zu 3 zitierten Verordnungsbegründung und Literatur.
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a) Der Verordnungsgeber wollte besonders aufwendige, jedoch erfolglo-
se Bemühungen des Verwalters um den Mieteinzug durch die zusätzliche Ver-
gütung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 ZwVwV und darüber hinaus durch die Anhe-
bung der Vergütung nach § 18 Abs. 2 ZwVwV honorieren (BR-Drucks. 842/03
S. 16). Wenn danach ausnahmsweise eine angemessene Vergütung nicht er-
reicht wird, wie in den Fällen, in denen unter erheblichem Verwaltungsaufwand
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nur ein ganz geringer Teil der Mieten eingezogen werden kann, wollte der Ver-
ordnungsgeber dem Verwalter mit der Regelung in § 19 Abs. 2 ZwVwV die
Möglichkeit einräumen, die Vergütung insgesamt für die einzelnen Abrech-
nungszeiträume nach dem Zeitaufwand zu berechnen (BR-Drucks. 842/03
S. 17). Den Ansatz sowohl der Regelvergütung als auch der Zeitaufwandvergü-
tung für denselben Abrechnungszeitraum hat der Verordnungsgeber nicht vor-
gesehen. Er wäre auch systemfremd, weil die Zeitaufwandvergütung den Mehr-
aufwand für die Beitreibung der geschuldeten Mieten mit abgilt.
b) In der Literatur (Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwal-
tung, 4. Aufl., § 18 Rdn. 36; Hintzen/Alff, Rpfleger 2004, 129, 136) wird zwar
darauf hingewiesen, dass es für den Verwalter empfehlenswert sei, die Vergü-
tung für Mietrückstände erst mit der Schlussrechnung zu beantragen, weil erst
dann feststehe, dass mit einem Ausgleich nicht mehr zu rechnen sei. Aber die-
se Empfehlung soll allein die Anrechnungspflicht nach § 18 Abs. 1 Satz 3
ZwVwV ausschließen, die dann eintritt, wenn Mietrückstände eingezogen wer-
den, für die der Verwalter bereits eine Vergütung nach § 18 Abs. 1 Satz 2
ZwVwV erhalten hat; sie besagt nicht, dass die Vergütung für Mietrückstände
neben der Zeitaufwandvergütung geltend gemacht werden kann.
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6. Allenfalls wäre es - worauf das Amtsgericht den Beteiligten zu 3 zu
Recht hingewiesen hat - möglich gewesen, dass der Beteiligte zu 3 anstelle
seiner früheren Berechnung der Vergütung nach Zeitaufwand nunmehr auch für
die früheren Abrechnungszeiträume die Festsetzung einer Vergütung nach den
geschuldeten Mieten beantragt hätte. Dies hat er jedoch nicht getan.
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IV.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Auseinandersetzung
über die Höhe der Zwangsverwaltervergütung ist nicht kontradiktorisch ausge-
staltet. Das steht einer Anwendung von § 97 Abs. 1 ZPO entgegen (Senat, Be-
schluss vom 10. Januar 2008, V ZB 31/07, WM 2008, 1131, 1132 m.w.N.).
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann
Roth
Vorinstanzen:
AG Leipzig, Entscheidung vom 03.09.2008 - 464 L 681/04 -
LG Leipzig, Entscheidung vom 05.01.2009 - 3 T 913/08 -