Urteil des BGH vom 27.11.2000

BGH (verbot der diskriminierung, richtlinie, altersgrenze, notar, eugh, egv, diskriminierung, gerichtshof, rechtspflege, freiwillige versteigerung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
NotZ 16/09
Verkündet
am:
22.
März
2010
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Verfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BNotO §§ 47, 48a
a) Die Regelung in §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO, wonach das Amt des Notars mit
Erreichen der Altersgrenze von 70 Jahren erlischt, ist mit dem Grundgesetz
vereinbar.
b) Sie verstößt auch nicht gegen das aus der Richtlinie 2000/78/EG des Rates
vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die
Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf folgende
Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters.
BGH, Beschluss vom 22. März 2010 - NotZ 16/09 - OLG Köln
wegen Erlöschen des Notaramtes
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Notarsachen, hat durch den Vorsitzen-
den Richter Galke, die Richterin Dr. Kessal-Wulf, den Richter Dr. Appl
sowie den Notar Justizrat Dr.
Bauer und die Notarin
Dr. Brose-Preuß auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2010
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Be-
schluss des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts
Köln vom 3. August 2009 - 2 X (Not) 8/09 - wird zurückge-
wiesen.
Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerde-
verfahrens zu tragen und dem Antragsgegner die in diesem
Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstat-
ten.
Der Geschäftswert beträgt 50.000 €.
Gründe:
I.
Der Antragsteller wurde mit Urkunde vom 10. September 1979 für
die Dauer seiner Zulassung als Rechtsanwalt zum Notar mit Amtssitz in
D. bestellt. Mit dem Ablauf des 31. März 2009 vollendete er das
70. Lebensjahr.
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Er begehrt die Feststellung, dass sein Amt nicht gemäß §§ 47
Nr. 1, 48a der Bundesnotarordnung (BNotO) mit Ende dieses Monats
durch Erreichen der Altersgrenze erloschen ist. Er vertritt die Auffas-
sung, die in § 48a BNotO festgelegte Altersgrenze verstoße gegen seine
verfassungsmäßigen Rechte und sei mit dem der Richtlinie 2000/78/EG
des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen
Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung
und Beruf (ABl. EG L 303/16 - nachfolgend: Richtlinie) zu entnehmenden
Verbot der Diskriminierung aufgrund Alters nicht zu vereinbaren.
Seinen darauf gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat
das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der An-
tragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.
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II.
Das Rechtsmittel ist gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V. mit § 42
Abs. 4 BRAO zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
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Der Antrag ist unbegründet, weil in der durch das Gesetz zur Än-
derung des Berufsrechts der Notare und der Rechtsanwälte vom 29. Ja-
nuar 1991 (BGBl. I 150) eingeführten Bestimmung des § 48a BNotO die
Altersgrenze für die Ausübung des Notarberufs auf das Ende des Mo-
nats, in dem der Notar das 70. Lebensjahr vollendet, festgelegt ist. Mit
Erreichen dieses Höchstalters scheidet der Notar kraft Gesetzes (§ 47
Nr. 1 BNotO) aus seinem Amt, ohne dass es dazu eines gesonderten
Vollzugsaktes bedarf.
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1. Diese Regelung, durch die der Notar seine ihm nach der Bun-
desnotarordnung bis dahin zugewiesene Stellung als Träger eines öffent-
lichen Amtes verliert, ist verfassungsrechtlich unbedenklich, wie das
Bundesverfassungsgericht wiederholt entschieden hat (BVerfG DNotZ
1993, 260 ff.; bestätigend NJW 2008, 1212 Tz. 15; zu der in § 6 Abs. 1
Satz 2 BNotO bestimmten Altersgrenze für die erstmalige Bestellung zum
Notar vgl. Senat in BGHZ 174, 273 Tz. 16 ff.; Beschluss vom 14. Dezem-
ber 1992 - NotZ 53/92 - BGHR BNotO [n.F.] § 6 Abs. 1 Satz 2 - Alters-
grenze 1).
a) Die gesetzliche Altersgrenze von 70 Jahren für die Ausübung
des Notarberufs beschränkt die Berufswahlfreiheit, denn über einen
Verbleib im Amt und damit eine Fortsetzung seiner Tätigkeit kann der
Notar nicht frei entscheiden. Die Vorschriften der §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO
kommen daher einer subjektiven Zulassungsbeschränkung gleich
(
274 f.; 9, 338, 344 ff.; 64, 72, 82).
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b) Diese wird indes den strengen verfassungsmäßigen Anforde-
rungen gerecht, wie sie sich aus
der Berufswahlfreiheit ergeben. Das Regelungsziel der §§ 47 Nr. 1, 48a
BNotO besteht vorrangig darin, im Interesse einer funktionstüchtigen
Rechtspflege eine geordnete Altersstruktur (vgl. § 4 Satz 2 BNotO) in-
nerhalb des Notarberufs zu erreichen. Rechtsuchenden, die auf dem Ge-
biet der vorsorgenden Rechtspflege auf die Inanspruchnahme notarieller
Leistungen () angewiesen sind, sollen Notare unterschiedli-
chen Lebensalters zur Verfügung stehen, die aufgrund der Anzahl und
Art ihrer Amtsgeschäfte auf allen Gebieten des Notariats über ein Min-
destmaß an Berufserfahrung verfügen. Das ist nur gewährleistet, wenn
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hinreichend Stellen für alle Altersgruppen vorhanden sind. Die Zulas-
sungspraxis muss somit Bedürfnisgesichtspunkten Rechnung tragen (vgl.
rmehrung von Notarstellen
steht dabei entgegen, dass immer nur so viele Stellen geschaffen wer-
den dürfen, wie sie dem jeweiligen Amtsinhaber ein solches Maß an fi-
nanzieller Unabhängigkeit gewährleisten, dass er sich nötigenfalls wirt-
schaftlichem Druck widersetzen kann (BGHZ 67, 348, 351; 73, 54, 57;
Senatsbeschlüsse vom 20. November 2006 - NotZ 23/06 - juris Tz. 12;
vom 11. Juli 2005 - NotZ 1/05 - DNotZ 2005, 947, 949).
c) Daher ist es zwingend geboten, dass lebensältere Notare die
von ihnen eingenommenen Stellen mit Erreichen der Höchstaltersgrenze
für lebensjüngere Amtsinhaber freimachen. Denn jüngere Berufsbewer-
ber können nur auf diesem Wege bei der Besetzung von Notarstellen Be-
rücksichtigung finden. Will der Gesetzgeber erreichen, dass die Alters-
struktur harmonisiert und auch durch jüngere Notare mitgeprägt wird,
muss er Vorkehrungen treffen, damit diese in altersbedingt frei werdende
Notarstellen nachrücken können. Anderenfalls bestünde die Gefahr einer
Überalterung der Amtsinhaber, der allein durch eine feste Altersgrenze
verlässlich vorgebeugt werden kann. Denn Rechtsuchende könnten sich
sonst in zunehmendem Maße nur noch an lebensältere Notare wenden,
deren Berufserfahrung zudem geringer sein könnte, weil sie durch das
fehlende altersbedingte Ausscheiden der bereits amtierenden Notare ih-
rerseits entsprechend später zum Notar bestellt worden sind. Das würde
die Funktionsfähigkeit der vorsorgenden Rechtspflege und die in § 4
BNotO gegenüber der Allgemeinheit statuierte Pflicht gefährden, Notare
nach den Bedürfnissen einer geordneten Rechtspflege zu bestellen. Die
Regelung in den §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO dient damit einem Gemein-
schaftsgut von besonderem Gewicht, das Einschränkungen auch in der
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Freiheit der Berufswahl rechtfertigt. Dem Gesetzgeber ist in Umsetzung
dieses legitimen Gemeinwohlgrundes ein weiter Gestaltungsspielraum
eröffnet, der durch die Festlegung von Altersgrenzen nicht überschritten
wird (vgl. BVerfGE 103, 172, 185 = NJW 2001, 1779 juris Tz. 41, 43,
64 ff. zur Altersgrenze bei der Zulassung vertragsärztlicher Versorgung).
d) Die Einführung eines Höchstalters für amtierende Notare von
70 Jahren, das deutlich über der allgemeinen (Renten-)Altersgrenze von
derzeit 65 bzw. 67 Jahren liegt, erweist sich zudem als verhältnismäßig.
Der Gesetzgeber hat für die bei Inkrafttreten des Gesetzes vom 29. Ja-
nuar 1991 amtierenden Anwaltsnotare - so auch für den Antragsteller - in
Artikel 3 eine Übergangsregelung geschaffen. Diese ermöglichte es je-
dem damals bestellten Notar, der das 58. Lebensjahr bereits vollendet
hatte, für weitere 12 Jahre im Amt zu bleiben. Der Gesetzgeber durfte
davon ausgehen, dass eine Amtstätigkeit von nochmals 12 Jahren ge-
nügte, um die im Hinblick auf die Amtsübernahme getätigten Investitio-
nen zu erwirtschaften und eine Umstellung der für das Alter in Aussicht
genommenen Vorsorge vorzunehmen.
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e) Auch sonstige Grundrechtsverletzungen sind nicht ersichtlich.
Insbesondere gestattet estsetzung von Alters-
grenzen für die Ausübung eines öffentlichen Amtes (vgl.
Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 1 GG geregelte
verfassungsrechtliche Gleichheitsprinzip ist ebenfalls nicht verletzt. Aus
den bereits angeführten Gründen wird die Benachteiligung von Notaren
aufgrund ihres Alters gegenüber anderen Angehörigen ihrer Berufsgrup-
pe durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Indem der Gesetzgeber die
Vollendung des 70. Lebensjahres als (absolute) Grenze gewählt hat, hat
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er zudem von seiner Befugnis zur Typisierung in zulässiger Weise
Gebrauch gemacht (vgl. BVerfGE 27, 142, 150; 103, 172, 194).
f) Schließlich hindert das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
(§§ 1, 24 AGG) die Anwendung der §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO nicht. Als
einfaches Bundesgesetz steht es mit der Bundesnotarordnung in der
Normenhierarchie auf derselben Stufe. Dabei erweisen sich die Vor-
schriften der Bundesnotarordnung über das Erlöschen des Notaramtes
als spezieller und sind damit gegenüber den §§ 1, 24 AGG vorrangig
(vgl. BGHZ 174 aaO Tz. 15 zu den Voraussetzungen für die Bestellung
zum Notar gemäß §§ 5 ff. BNotO).
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2. Die Regelung in §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO ist überdies nicht we-
gen Verstoßes gegen das aus der Richtlinie folgende Verbot der Diskri-
minierung aufgrund des Alters unwirksam.
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a) Diese Richtlinie ist auf den Zugang zum selbständigen Notariat
nicht anwendbar (vgl. bereits Senat in BGHZ 174 aaO Tz. 25 ff.), weil die
Zuständigkeit für das Berufsrecht der Notare nicht auf die Gemeinschaft
übertragen ist.
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(1) Zwar bestimmt Art. 3 Abs. 1 lit. a der Richtlinie, dass sie "für
alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öf-
fentlicher Stellen … in Bezug auf die Bedingungen - einschließlich Aus-
wahlkriterien und Einstellungsbedingungen - für den Zugang zu unselb-
ständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit" gilt. Dies legt jedoch nur
auf erste Sicht ihre Anwendbarkeit auch für den Zugang zum selbständi-
gen Notariat nahe. Denn die Richtlinie beansprucht nach der einleiten-
den Formulierung ihres Art. 3 Abs. 1 nur "im Rahmen der auf die Ge-
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meinschaft übertragenen Zuständigkeiten" Geltung (EuGH, Urteile vom
5. März 2009 - C-388/09 - Age Concern England Rn. 24 und vom
12. Januar 2010 - C-341/08 - Domnica Petersen - NJW 2010, 587, 588
Rn. 32). Dies greift die in Art. 13 Abs. 1 EGV enthaltene Beschränkung
der Zuständigkeit des Rates für Vorkehrungen gegen Diskriminierungen
auf. Diese Einschränkung bedeutet, dass keine umfassende Zuständig-
keit des Rates zum Vorgehen gegen Diskriminierung besteht, er vielmehr
nur im Rahmen der nach dem Prinzip der Einzelermächtigung (Art. 5
EGV) bereits auf die Gemeinschaft übertragenen Rechtsetzungskompe-
tenzen handeln darf (BGHZ 174 aaO).
(2) Als Kompetenznorm für die hier in Rede stehende Richtlinie
kommt allein Art. 137 EGV in Betracht, der indes ausschließlich Rege-
lungen über arbeitsrechtliche Verhältnisse betrifft. Auch soweit in
Art. 137 EGV einzelne weiter gefasste Tatbestände enthalten sind
- insbesondere in Abs. 1 lit. b für die Arbeitsbedingungen, zu denen
grundsätzlich auch der Schutz vor Diskriminierung zählt -, lässt sich
hieraus eine Zuständigkeit der Gemeinschaft zur Regelung des Zugangs
zu selbständigen Tätigkeiten, insbesondere zum "freien" Notariat, nicht
herleiten.
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aa) Der Notar ist unabhängiger und unparteiischer Betreuer der
Beteiligten (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO). Seine Hauptaufgabe besteht in
der Beurkundung von Rechtsvorgängen (o in der Aus-
übung freiwilliger Gerichtsbarkeit. Daneben ist ihm eine Anzahl anderer
Aufgaben auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege übertragen.
Dazu gehören beispielsweise die Aufnahme eidesstattlicher Versiche-
rungen (§ 22 Abs. 2 BNotO), die freiwillige Versteigerung insbesondere
von Grundstücken (§ 20 Abs. 3 BNotO) und gemäß landesrechtlicher Zu-
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ständigkeitsregelung Aufgaben auf dem Gebiete des Nachlasswesens
(vgl. § 20 Abs. 4 BNotO). Es bedarf keiner näheren Begründung, dass
"Rechtspflege" und "freiwillige Gerichtsbarkeit" originäre Staatsaufgaben
sind. Der Notar nimmt, soweit er diese Tätigkeiten ausführt, daher staat-
liche Funktionen wahr (vgl. BVerfGE 17, 371, 377 f.); die Vorschrift des
eichnet ihn mit Recht als "Träger eines öffentlichen Am-
tes".
bb) Dem entspricht die rechtliche Ausgestaltung seines Amtsver-
hältnisses. Ihm sind ein Amtsbezirk () und ein Amtssitz (§ 10
BNotO) zugewiesen. Er führt ein Amtssiegel (§ 2 BNotO), leistet einen
Amtseid (§ 13 BNotO) und darf grundsätzlich nicht zugleich Inhaber ei-
nes besoldeten Amtes sein (§ 8 Abs. 1 Satz 1 BNotO). Seine Amtsgewalt
gewährt ihm das Recht, ohne Zwischenschaltung anderer staatlicher
Stellen seine Kostenrechnungen selbst für vollstreckbar zu erklären und
beitreiben zu lassen (). Seine besondere Stellung zeigt sich
auch in der Haftung für Pflichtverletzungen. Er haftet nicht aus Vertrag
wie der Rechtsanwalt, sondern entsprechend mts-
pflichtverletzung, wenn auch die Staatshaftung - anders als beim Beam-
ten - für ihn nicht eintritt (§ 19 BNotO).
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cc) Der Notar fällt somit ersichtlich nicht unter den Arbeitnehmer-
begriff, wie ihn Art. 137 EGV zugrunde legt. Zwar wird dieser von den
verschiedenen Normen des europäischen Primär- und Sekundärrechts
nicht ausdrücklich definiert und ist überdies autonom zu bestimmen, so
dass er nicht notwendig mit dem Arbeitnehmerbegriff des nationalen
Rechts übereinstimmen muss. Dennoch ist zentrales, auch für Art. 137
EGV maßgebliches (organisatorisches) Kriterium, dass der Arbeitnehmer
eine fremdbestimmte Arbeitsleistung erbringt, er mithin während einer
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festgelegten Arbeitszeit den Weisungen eines anderen - seines Arbeit-
gebers - unterliegt (Schwarze/Rebhahn/Reiner, EU-Kommentar 2. Aufl.
Art. 137 EGV Rn. 4 ff., 14).
Daran fehlt es für das Berufsrecht der Notare, auch wenn öffent-
lich-rechtliche Dienstverhältnisse von Art. 137 EGV nicht grundsätzlich
ausgenommen sind (Schwarze/Rebhahn/Reiner aaO Rn. 11) und der Be-
ruf des Notars sowohl nach der Eigenart der ihm übertragenen Aufgaben
wie nach der positiven Ausgestaltung seines Berufsrechts dem öffentli-
chen Dienst sehr nahe gerückt ist (BVerfGE aaO 379). Der Notar unter-
steht zwar der Dienstaufsicht der Landesjustizverwaltung (§ 92 BNotO).
Diese umfasst indes nur turnusmäßige Geschäftsprüfungen oder diesen
vergleichbare Maßnahmen (§ 93 Abs. 1 BNotO), die die allgemeine
Amtsausübung und ihre Vereinbarkeit mit den gesetzlichen Vorschriften
zum Gegenstand haben, mit denen aber kein Einfluss auf konkrete
Amtsgeschäfte genommen werden kann. Dadurch wäre die Unabhängig-
keit und Unparteilichkeit des Notars gefährdet, die das Gesetz für seine
Amtsführung ausdrücklich vorsieht (§§ 14 Abs. 2, 28 BNotO).
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dd) Angesichts dieser besonderen, einem öffentlich-rechtlichen
Dienstverhältnis ähnlichen Stellung des Notars kommt es entgegen der
Auffassung des Antragstellers auch nicht darauf an, dass Art. 44 Abs. 1
und 2 EGV den Rat ermächtigen, Maßnahmen zur Durchsetzung der
Niederlassungsfreiheit zu treffen. Daraus folgt für das Berufsrecht der
Notare ebenfalls keine "auf die Gemeinschaft übertragene Zuständigkeit"
i.S. des Art. 13 Abs. 1 EGV.
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b) Aber selbst bei unterstellter Anwendbarkeit der Richtlinie liegt
ein Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters
(Art. 1 i.V. mit Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 lit. a der Richtlinie) nicht vor.
(1) Nach ihrem 14. Erwägungsgrund berührt die Richtlinie nicht die
einzelstaatlichen Regelungen über die Festsetzung der Altersgrenzen für
den Eintritt in den Ruhestand, denen die gesetzgeberische Festlegung
einer Höchstgrenze für das altersbedingte Erlöschen des Notaramtes
gleichzusetzen ist. Damit ist klargestellt, dass die Richtlinie die Mitglied-
staaten nicht hindert, das jeweilige Alter - hier die Vollendung des
70. Lebensjahres - zu bestimmen, das für den Eintritt in den Ruhestand
maßgeblich sein soll. Hingegen hat die Richtlinie Geltung für die nationa-
len Maßnahmen, mit denen die Bedingungen geregelt werden, unter de-
nen ein Arbeitsvertrag endet, wenn das auf diese Weise festgesetzte
Ruhestandsalter erreicht wird (EuGH, Urteil vom 5.
März 2009
- C-388/09 Age Concern England - Rn. 25; Urteil vom 16. Oktober 2007
- C-411/05 Palacios de la Villa - NJW 2007, 3339, 3341 Rn. 44).
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(2) Die Regelungen der §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO sehen mit Errei-
chen der Altersgrenze das Ausscheiden des Notars aus seinem Amt kraft
Gesetzes vor. Sie wirken sich auf die Ausübung seiner beruflichen Tätig-
keit aus, weil sie seinen Verbleib im Amt hindern und damit seine weitere
Teilnahme am aktiven Berufsleben beschränken. Eine solche nationale
Bestimmung enthält somit Vorschriften über die "Beschäftigungs- und
Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen" i.S.
von Art. 3 Abs. 1 lit. c der Richtlinie (EuGH, Urteil vom 5. März 2009
- C-388/09 Age Concern England - Rn. 27 f.).
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(3) Nach dem 25. Erwägungsgrund der Richtlinie stellt das Verbot
der Diskriminierung wegen des Alters ein wesentliches Element zur Er-
reichung der Ziele der beschäftigungspolitischen Leitlinien und zur För-
derung der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung dar. Ungleichbehand-
lungen wegen des Alters können unter bestimmten Umständen jedoch
gerechtfertigt sein und erfordern daher besondere Bestimmungen, die je
nach Situation der Mitgliedstaaten unterschiedlich sein können. Es ist in
diesem Zusammenhang zu unterscheiden zwischen einer Ungleichbe-
handlung, die insbesondere durch rechtmäßige Ziele im Bereich der Be-
schäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung ge-
rechtfertigt ist, und einer Diskriminierung, die zu verbieten ist.
Daran knüpft Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie an. Rechtliche Re-
gelungen der Mitgliedstaaten, die Ungleichbehandlungen wegen des Al-
ters vorsehen, stellen danach keine unzulässige Diskriminierung dar, so-
fern sie objektiv und angemessen sind, im Rahmen des nationalen
Rechts durch ein legitimes Ziel, insbesondere aus den Bereichen Be-
schäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und beruflicher Bildung, gerechtfertigt
sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels ihrerseits angemessen
und erforderlich sind.
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(4) Bei der Wahl ihrer Mittel verfügen die Mitgliedstaaten über ei-
nen weiten Wertungsspielraum. Seine Ausschöpfung darf lediglich nicht
dazu führen, dass der Grundsatz des Verbots einer Diskriminierung we-
gen des Alters ausgehöhlt wird. Dies hat der Gerichtshof der Europäi-
schen Gemeinschaften für den Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik
ausdrücklich ausgesprochen (Urteil vom 22. November 2005 - C-144/04
"Mangold" - Slg. 2005 I-9981, 10037 Rn. 63; Urteil vom 16. Oktober 2007
- C-411/05 Palacios de la Villa - NJW 2007, 3339, 3341 Rn. 68; Urteil
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vom 5. März 2009 - C-388/09 Age Concern England - Rn. 45; Schlussan-
trag des Generalanwalts Ján Mazák vom 15. Februar 2007 in der Sache
C-411/ - Rn. 73 f.). Gleiches hat aber auch für
sonstige Regelungsbereiche zu gelten. Die für die Anerkennung des wei-
ten Ermessensspielraums der Mitgliedstaaten in der Arbeits- und Sozial-
politik maßgebende Erwägung, dass es in derart komplexen Fragestel-
lungen nicht Sache des Gerichtshofs sein kann, die Beurteilung des nati-
onalen Gesetzgebers zu ersetzen (vgl. BGHZ 174 aaO Tz. 29), gilt für
andere Bereiche, wie hier die vorsorgende Rechtspflege, gleichermaßen.
(5) Hieran gemessen genügen die §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO den An-
forderungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie. Sie verfolgen zum
einen das legitime Ziel der Sicherung einer funktionstüchtigen vorsor-
genden Rechtspflege durch Wahrung einer geordneten Altersstruktur und
verwirklichen - unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Amtes
des Notars - zum anderen ein rechtmäßiges Ziel im Bereich des Arbeits-
marktes und der Beschäftigungspolitik entsprechend dem 25. Erwä-
gungsgrund der Richtlinie. Ein solches Ziel bestimmt sich in erster Linie
danach, dass es - wie hier - im Allgemeininteresse steht und nicht von
rein individuellen Beweggründen des Arbeitgebers getragen ist (EuGH,
Urteil vom 5. März 2009 - C-388/09 Age Concern England - Rn. 46). Da-
her kommt es im gegebenen Fall nicht darauf an, ob Art. 6 Abs. 1 der
Richtlinie eine Ungleichbehandlung aus anderen als sozialpolitischen
Zielen, insbesondere aus den Bereichen der Beschäftigungspolitik, des
Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung, überhaupt legitimieren kann
(vgl. dazu den Vorlagebeschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Juni
2009 - 7 AZR 112/08 - (A) Rn. 58 vollständig wiedergegeben bei juris).
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(6) Die Regelung der §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO dient ferner einem
legitimen Ziel i.S. des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie, weil sie darauf gerich-
tet ist, hinsichtlich der Berufsgruppe der Notare die Berufschancen zwi-
schen den Generationen zu verteilen (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Januar
2010 - C-341/08 - Domnica Petersen Rn. 65 ff.) Die unterschiedliche Be-
handlung von Notaren, die ein bestimmtes Lebensalter bereits erreicht
haben, und lebensjüngeren Notaren ist dadurch gerechtfertigt, dass an-
derenfalls für die Besetzung der nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung
stehenden Stellen (§ 4 Satz 1 BNotO) nicht, jedenfalls nicht mit der er-
forderlichen Vorhersehbarkeit und Planbarkeit gewährleistet wäre, dass
lebensältere Notare die ihnen zugewiesenen Stellen für lebensjüngere
Bewerber freimachen. Die Nachteile, die die mit Vollendung des
70. Lebensjahres vom Erlöschen ihres Amtes betroffenen Notare durch
die Altersgrenze erfahren, sind gegenüber der dadurch bewirkten Wah-
rung der Belange einer vorsorgenden Rechtspflege, insbesondere der
Sicherung einer geordneten Altersstruktur, angemessen und erforderlich
i.S. des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie. Zugleich wird den Interessen
der lebensjüngeren Anwärter auf das Notaramt - beschäftigungspoli-
tisch - dadurch Rechnung getragen, dass ihnen mit der gleichen Plan-
barkeit und Vorhersehbarkeit die berufliche Perspektive eröffnet ist, den
von ihnen angestrebten Beruf des Notars, der in seiner Vorbereitung ei-
nen hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand erfordert, binnen ange-
messener Zeit ausüben zu können.
(7) Die Regelung betrifft schließlich nicht, was der Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften in dem "Mangold-Urteil" (aaO Rn. 65) in
Bezug auf § 14 Abs. 3 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete
Arbeitsverträge und zur Änderung und Aufhebung arbeitsrechtlicher Be-
stimmungen vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1966) beanstandet hat,
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- 15 -
einen allein durch sein Lebensalter abgegrenzten Personenkreis, dem
ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Arbeitsmarkts
Benachteiligungen auferlegt werden. Vielmehr regeln die Bestimmungen
den Zugang zu einem einzigen Beruf, der zudem besondere fachliche
Qualifikationen voraussetzt (vgl. insbesondere § 5, § 6 Abs. 2 und § 7
BNotO), so dass nur ein kleiner, auch durch inhaltliche Kriterien abge-
grenzter Personenkreis von der Regelung betroffen ist. Zudem trägt die-
se gerade den spezifischen Anforderungen des Berufs Rechnung. Damit
erfüllen die §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO - ebenso wie § 6 Abs. 1 Satz 2 BNo-
tO (BGHZ 174 aaO Tz. 30) - die in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie ge-
forderten Voraussetzungen der Verfolgung eines legitimen Ziels, der ob-
jektiven Veranlassung sowie der Angemessenheit und der Erforderlich-
keit der mitgliedstaatlichen Regelung.
c) Ein Verstoß der §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO gegen das allgemeine
gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot, das der Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften als allgemeinen Grundsatz des Gemein-
schaftsrechts (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2005 aaO S. I-10040
Rn. 75) zum ungeschriebenen Primärrecht zählt, scheidet gleichfalls aus.
Ist nämlich, wie hier, eine ungleiche Behandlung nach den Kriterien des
Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie durch sachliche Erwägungen legitimiert und
verhältnismäßig, kann sie auch nicht gegen das allgemeine Diskriminie-
rungsverbot verstoßen (vgl. für die Parallelität der Maßstäbe EuGH, Ur-
teil vom 22. November 2005 aaO S. I-10040 Rn. 75 f.; BGHZ 174 aaO
Tz. 32).
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d) Zur Klärung der Fragen, ob die Richtlinie die Regelungen des
Berufsrechts für Notare erfasst bzw. die §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO eine
nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie zulässige Ungleichbehandlung wegen
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des Lebensalters beinhalten oder gegen das allgemeine gemeinschafts-
rechtliche Diskriminierungsverbot verstoßen, ist entgegen der Auffas-
sung des Antragstellers eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäi-
schen Gemeinschaften nicht erforderlich.
(1) Zwar ist der Senat gemäß Art. 234 Abs. 3 i.V. mit Abs. 1 lit. b
EGV als innerstaatlich letztinstanzlich entscheidendes Gericht grund-
sätzlich verpflichtet, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs einzuho-
len, wenn Gemeinschaftsrecht auszulegen ist. Die Vorlagepflicht letztin-
stanzlicher Gerichte der Mitgliedstaaten entfällt jedoch dann, wenn die
betreffende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand
einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder wenn die richtige An-
wendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen
vernünftigen Zweifel kein Raum mehr bleibt (EuGH, Urteile vom 6. Okto-
ber 1982 - 283/81 "CILFIT" - Slg. 1982, 3415, 3429 f., Rn. 14 ff. und vom
15. September 2005 - C-495/03 "Intermodal Transports" - Slg. 2005,
I-8191, 8206 Rn. 33 und ständig). Das innerstaatliche Gericht darf davon
ausgehen, dass ein solcher Fall vorliegt, wenn es davon überzeugt ist,
dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Ge-
richtshof die gleiche Gewissheit bestünde (EuGH, Urteil vom 6. Oktober
1982 aaO S. 3430 Rn. 16).
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(2) Bei der Beurteilung, ob diese Voraussetzungen gegeben sind,
haben die Eigenheiten des Gemeinschaftsrechts, die besonderen
Schwierigkeiten seiner Auslegung und die Gefahr abweichender Ge-
richtsentscheidungen innerhalb der Gemeinschaft Berücksichtigung zu
finden (EuGH, Urteil vom 15. September 2005 aaO). Weiterhin ist die
gemeinschaftsrechtliche Vorschrift in ihrem Zusammenhang zu sehen
und im Lichte des gesamten Gemeinschaftsrechts, seiner Ziele und sei-
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nes Entwicklungstandes zur Zeit der Anwendung auszulegen (z.B.:
Schlussanträge der Generalanwältin Christine Stix-Hackl in der Rechts-
sache C-495/03 Slg. 2005 I-8151, 8174 Rn. 82). Ob nach Maßgabe die-
ser Kriterien die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart of-
fenkundig ist und keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, so dass eine
Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften verzicht-
bar ist, bleibt allerdings allein der Beurteilung des nationalen Gerichts
überlassen (EuGH, Urteil vom 15. September 2005 aaO S. I-8207 f.
Rn. 37; Urteil vom 5. März 2009 - C-388/09 Age Concern England -
Rn. 50).
(3) Unter Beachtung dieser hohen Hürden ist es zur Überzeugung
des Senats offenkundig und unterliegt keinem vernünftigen Zweifel, dass
die in §§ 47 Nr. 1, 48a BNotO bestimmte Altersgrenze nicht dem Anwen-
dungsbereich der Richtlinie unterfällt, jedenfalls aber eine gemäß Art. 6
Abs. 1 der Richtlinie zulässige Ungleichbehandlung darstellt. Die für die-
se Beurteilung maßgeblichen Kriterien sind teilweise bereits durch den
Gerichtshof geklärt und liegen im Übrigen auf der Hand.
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aa) Für die Frage, ob die Richtlinie für das Berufsrecht der Notare
Geltung hat, verweist der Senat auf seine obigen Ausführungen.
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bb) Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie enthält unbestimmte Rechtsbegriffe
("legitimes Ziel" und "angemessen"), die dem nationalen Gericht einen
Beurteilungsspielraum eröffnen (BGHZ 174 aaO Rn. 36). Dies hat der
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in der "Mangold-Entschei-
dung" (aaO S. I-10037 Rn. 63) bezogen auf die Arbeits- und Sozialpolitik
bestätigt (so auch Urteil vom 16. Oktober 2007 aaO). Zugleich steht auf-
grund dieser Entscheidung fest, dass der mit Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der
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Richtlinie eröffnete Beurteilungsspielraum dem einzelnen Mitgliedstaat
zusteht (aaO), wie auch die Bezugnahme auf den "Rahmen des nationa-
len Rechts" in der Vorschrift und das Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 2
EGV) nahe legen. Dass dieser Bewertungsspielraum auch für andere
Bereiche gelten muss, jedenfalls für solche, hinsichtlich derer - wie beim
Zugang zum Notariat - keine sonstigen gemeinschaftsrechtlichen Rege-
lungen bestehen, kann keinem vernünftigen Zweifel unterliegen (vgl.
EuGH, Urteil vom 12. Januar 2010 - C-341/08 - Domnica Petersen
Rn. 73).
cc) Hieraus folgt weiter, dass bei der Prüfung der Vereinbarkeit
einer nationalen Regelung mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie nicht eine
"punktgenaue" Auslegung derselben notwendig ist, bei der es in der Re-
gel schwierig sein wird, zu einem völlig eindeutigen Resultat zu gelan-
gen. Vielmehr ist lediglich zu prüfen, ob der mitgliedstaatliche Gesetzge-
ber den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten hat. Der
dafür anzulegende Maßstab (vgl. Vorlagebeschluss des BAG vom 17. Ju-
ni 2009 aaO Rn. 64) kann hier offen bleiben. Die vom Antragsteller be-
anstandete Altersgrenze ist keine offensichtlich unverhältnismäßige nati-
onale Maßnahme (vgl. BGHZ 174 aaO Rn. 37). Sie hielte aber auch ei-
ner strengeren Verhältnismäßigkeitsprüfung stand (dazu BAG aaO;
EuGH, Urteil vom 22. November 2005 - C-144/04 "Mangold" - Slg. 2005
I-9981, 10037 Rn. 65). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist selbst
unter der Voraussetzung gewahrt, dass bei Ausnahmen von einem Indi-
vidualrecht die Erfordernisse des Diskriminierungsverbotes soweit wie
möglich mit denen des angestrebten Ziels in Einklang gebracht werden
müssen; das ist bei einer Altersgrenze von (erst) 70 Jahren wiederum
ersichtlich der Fall.
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dd) Ebenso ist offenkundig, dass das allgemeine gemeinschafts-
rechtliche Diskriminierungsverbot nicht verletzt ist, wenn eine Ungleich-
behandlung nach den Kriterien des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie zulässig
ist.
Galke Kessal-Wulf Appl
Bauer Brose-Preuß
Vorinstanz:
OLG Köln, Entscheidung vom 03.08.2009 - 2 X (Not) 8/09 -