Urteil des BGH vom 13.08.2014

BGH: alkohol, unterbringung, erpressung, alter, konsum, kokain, gewissheit, taxifahrer, marihuana, disposition

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 S t R 2 4 1 / 1 4
vom
13. August 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 13. August 2014 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Konstanz vom 1. April 2014 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über
die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsan-
stalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück-
verwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Er-
pressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstra-
fe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die allgemein auf die Verletzung
materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Be-
schlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbe-
gründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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I.
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat hinsichtlich des Schuld-
spruchs einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben. Dass
das Landgericht eine Verurteilung wegen besonders schweren Raubes nicht in
Betracht gezogen hat, obwohl der Angeklagte dem Geschädigten mit einer ent-
weder echten, aber ungeladenen Schusswaffe oder einer dieser täuschend
ähnlichen Scheinwaffe mehrfach gegen dessen linke Wange und Schläfe
schlug, um seiner Forderung nach Herausgabe weiterer Geldbeträge Nach-
druck zu verleihen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 1998
– 2 StR 167/98,
BGHSt 44, 103, 105), beschwert ihn nicht.
II.
1. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
2. Im Hinblick auf die Nichtanordnung der Unterbringung nach § 64 StGB
führt das Rechtsmittel jedoch zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückver-
weisung an das Landgericht. Die Strafkammer hätte erörtern müssen, ob der
Angeklagte gemäß § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt unterzubringen war,
da die getroffenen Feststellungen den für eine Unterbringung erforderlichen
Hang, also eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit
oder zumindest eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende und
durch Übung erworbene intensive Neigung nahe legen, immer wieder (vorwie-
gend) Alkohol im Übermaß zu sich zu nehmen (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbe-
schluss vom 2. März 2004
– 4 StR 518/03, NStZ 2004, 681; SSW-StGB/Kaspar,
2. Aufl., § 64 Rn. 8 mwN).
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a) Nach den Feststellungen kam der Angeklagte schon im Alter von zwölf
Jahren erstmals mit Alkohol und Drogen in Kontakt. Vor allem der Alkohol-
konsum steigerte sich ab dem dreizehnten Lebensjahr kontinuierlich. Ab dem
sechzehnten Lebensjahr war auch der tägliche Konsum von Marihuana für den
Angeklagten normal. Zwar konnte er trotz des damit einhergehenden Abfalls
seiner schulischen Leistungen noch eine Lehre abschließen, es kam aber zu
häufigen Fehlzeiten auf Grund massiven Alkoholkonsums und letztlich zum Ver-
lust des Arbeitsplatzes. Bis zu seiner Selbsteinweisung in eine Therapieeinrich-
tung im Juni 2012 trank der Angeklagte täglich bis zu 1,5 Liter hochprozentigen
Alkohol. Auch am Nachmittag vor der Tat trank der Angeklagte bei einem
Freund mehrere Gläser Wodka und dann in einer Bar weitere vier Gläser
Whisky-Cola mit jeweils etwa 8 cl Whisky. Dazu konsumierte er Kokain und
eine Tablette Benzodiazepin, woraufhin er beschloss, einen bewaffneten Über-
fall auf einen Taxifahrer zu verüben.
b) Da auch das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 64 StGB
nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausgeschlossen und den Urteilsgründen
insbesondere nicht entnommen werden kann, dass bei dem therapiebereiten
Angeklagten die hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges
nicht besteht, erweist sich der Erörterungsmangel als durchgreifend rechtsfeh-
lerhaft. Einer etwaigen Unterbringungsanordnung steht auch nicht entgegen,
dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO;
BGH, Urteil vom 10. April 1990
– 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5), zumal er die Nicht-
anwendung des § 64 StGB durch die Strafkammer nicht von seinem Rechts-
mittelangriff ausgenommen hat (vgl. dazu BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992
– 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362).
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Die Sache bedarf daher insoweit unter Hinzuziehung eines Sachverstän-
digen (§ 246a StPO) neuer Verhandlung und Entscheidung.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke
Mutzbauer
Quentin
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