Urteil des BGH vom 17.02.2009

BGH (beginn der frist, beitritt, versteigerung, zpo, grund, zwangsversteigerung, zuschlag, forderung, aufhebung, termin)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 44/09
vom
17. September 2009
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. September 2009 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und
Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss
der 23. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 17. Februar
2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung an das Beschwerdege-
richt zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
185.500 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht ordnete mit Beschluss vom 27. April 2007 auf Antrag
der Beteiligten zu 3 die Zwangsversteigerung des eingangs bezeichneten
Grundstücks auf Grund der dieser zustehenden vollstreckbaren Grundschuld an
Rangstelle III/19 an und ließ im weiteren Verlauf des Verfahrens die Beitritte
mehrerer weiterer Gläubiger zu. Mit Beschluss vom 31. März 2008 bestimmte
es Termin zur Versteigerung auf Montag, den 16. Juni 2008. Mit ihrem am Frei-
tag, dem 13. Juni 2008, per Fax eingegangenen und am Versteigerungstag,
dem folgenden Montag, im Original vorgelegten Antrag beantragte die Beteiligte
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zu 1 den Beitritt zu dem Verfahren. In dem Versteigerungstermin blieben die
Beteiligten zu 4 und 5 mit einem Gebot von 185.500 € Meistbietende.
Mit am 3. Juli 2008 verkündetem Beschluss hat das Amtsgericht den Be-
teiligten zu 4 und 5 den Zuschlag erteilt, ohne über den Beitritt der Rechtsbe-
schwerdeführerin zu entscheiden. Die Zuschlagsbeschwerde der Beteiligten
zu 1 hat das Landgericht durch Beschluss der Einzelrichterin zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich die von dem Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde,
deren Zurückweisung die Beteiligten zu 4 und 5 beantragen.
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II.
Das Beschwerdegericht hält die Zuschlagsbeschwerde der Beteiligten
zu 1 für unbegründet. Der Zuschlag sei nicht zu versagen gewesen. Der Ver-
steigerungstermin sei ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Der Beitritt
der Beteiligten zu 1 zu dem Verfahren sei zwar möglich gewesen und habe
auch beschieden werden müssen. Dass dies nicht geschehen sei, führe aber
nicht zur Aufhebung des Zuschlags nach § 83 Nr. 6 ZVG. Nach der Rechtspre-
chung des Bundesgerichtshofs führe ein Verfahrensfehler nicht zur Aufhebung
des Zuschlags, wenn sich die Beeinträchtigung der Verfahrensrechte der Betei-
ligten genau übersehen lasse und ausgeschlossen werden könne, dass durch
den Verfahrensfehler Rechte des Schuldners verkürzt worden seien. So liege
es hier. Eine Zulassung des Beitritts der Beteiligten zu 1 im Versteigerungster-
min habe dessen Verlauf und Ergebnis nicht ändern können. Im Hinblick auf
§ 44 Abs. 2 ZVG habe die Beteiligte zu 1 nicht als betreibende Gläubigerin be-
rücksichtigt werden können.
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III.
Ob diese Erwägungen zutreffen, kann im vorliegenden Rechtsbeschwer-
deverfahren nicht geprüft werden. Auf die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
ZPO statthafte und auch im Übrigen (§ 575 ZPO) zulässige Rechtsbeschwerde
ist die Entscheidung unabhängig hiervon aufzuheben und an das Beschwerde-
gericht zurückzuverweisen, weil die angefochtene Entscheidung unter Verstoß
gegen den Verfassungsgrundsatz des gesetzlichen Richters ergangen ist.
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1. Die Einzelrichterin durfte nicht selber entscheiden, sondern hätte das
Verfahren wegen der von ihr im Rahmen der Zulassung der Rechtsbeschwerde
angenommenen Bedeutung der Sache gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO der mit
drei Richtern besetzten Kammer übertragen müssen. Dem steht nicht entge-
gen, dass die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, also zur
Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung,
zugelassen worden ist. Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung in § 568
Satz 2 Nr. 2 ZPO ist im weitesten Sinne zu verstehen; der Kollegialspruchkör-
per ist auch dann zur Entscheidung berufen, wenn die Fortbildung des Rechts
oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (BGH, Beschl. v. 11. September 2003,
XII ZB 188/02, NJW 2003, 3712; BGH, Beschl. v. 3. November 2003, II ZB
35/02, FamRZ 2004, 363; Beschl. v. 10. November 2003, II ZB 14/02, NJW
2004, 448, 449; Senat, Beschl. v. 16. Juli 2009, V ZB 45/09, juris).
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2. Der von Amts wegen zu beachtende Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1
Satz 2 GG führt, wie der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden hat, zur
Aufhebung der Entscheidung des Einzelrichters und zur Zurückverweisung der
Sache an das Beschwerdegericht (BGHZ 154, 200, 202; BGH, Beschl. v.
10. April 2003, VII ZB 17/02, Rpfleger 2003, 448; Beschl. v. 27. Oktober 2005,
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III ZB 66/05, NJW-RR 2006, 286, 287; Senat, Beschl. v. 9. März 2006, V ZB
178/05, FamRZ 2006, 697). Das gilt unabhängig davon, ob ein Grund, die
Rechtsbeschwerde zuzulassen, tatsächlich gegeben war (vgl. BGH, Beschluss
v. 13. Juli 2004, VI ZB 63/03, NJW-RR 2004, 1717).
IV.
Für die neue Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
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1. Mit der in dem angefochtenen Beschluss zitierten Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs lässt sich die Zurückweisung der Zuschlagsbeschwerde der
Beteiligten zu 1 nicht begründen. Danach können nach § 83 Nr. 6 ZVG relevan-
te Verfahrensfehler zwar geheilt werden, wenn Rechte von Beteiligten nicht be-
einträchtigt werden (BGH, Beschl. v. 30. Januar 2004, IXa ZB 285/03, NJW-RR
2004, 1366, 1367 = MDR 2004, 774; Beschl. v. 5. November 2004, IXa ZB
76/04, FamRZ 2005, 200, 201; Senat, Beschl. v. 10. April 2008, V ZB 114/07,
NJW-RR 2008, 1018, 1019 f.). Hier geht es aber nicht um einen Verfahrensfeh-
ler nach § 83 Nr. 6 ZVG. Zudem ist über den Beitritt der Beteiligten zu 1 bislang
nicht entschieden worden.
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2. Das war rechtsfehlerhaft. Der Beitrittsantrag war statthaft. Er konnte im
Versteigerungstermin, jedenfalls aber vor der Verkündung des Zuschlagsbe-
schlusses beschieden werden. Ein Grund, davon abzusehen, ist nicht ersicht-
lich. Die Bescheidung des Beitrittsantrags ist auch jetzt noch möglich. Ein Gläu-
biger kann einem Zwangsversteigerungsverfahren nämlich beitreten, solange
noch nicht rechtskräftig über den Zuschlag entschieden worden ist (OLG Stutt-
gart Rpfleger 1970, 102; Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/
Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 27 Rdn. 6; Steiner/Teufel, ZVG, 9. Aufl.,
§ 27 Rdn. 16; Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 27 Rdn. 2.5). Diese Entscheidung wird
deshalb jetzt zunächst herbeizuführen sein.
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3. Der Verfahrensfehler des Amtsgerichts führt aber nicht zur Aufhebung
des Zuschlags, weil er sich nicht ausgewirkt hat. Die Zuschlagsbeschwerde
kann nach § 100 Abs. 1 ZVG nur auf eine Verletzung der Vorschriften der
§§ 81, 83 bis 85 ZVG oder darauf gestützt werden, dass der Zuschlag unter
anderen als den der Versteigerung zugrunde gelegten Bedingungen erteilt wor-
den ist. Ein solcher Fehler liegt in dem Versäumnis des Amtsgerichts nicht.
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a) Der Beitritt eines Gläubigers führt entgegen der Ansicht der Rechtsbe-
schwerde nicht ohne weiteres dazu, dass ein anberaumter Versteigerungster-
min aufzuheben wäre. Das kommt vielmehr nur in Betracht, wenn der beitreten-
de Gläubiger dem Gläubiger, dessen Forderung die Festlegung des geringsten
Gebots und damit die Versteigerungsbedingungen bestimmt, im Rang vorgeht.
So ist es hier nicht. Das geringste Gebot und damit die Versteigerungsbedin-
gungen werden von der Forderung der Beteiligten zu 3 bestimmt. Diese Forde-
rung ist durch eine Grundschuld an der Rangstelle 19 im Grundbuch des ver-
steigerten Grundstücks gesichert und geht damit der Forderung der Beteiligten
zu 1, die mit einer Zwangssicherungshypothek an der Rangstelle 30 gesichert
ist, vor. Angesichts dieses Rangverhältnisses konnte der Beitritt der Beteiligten
zu 1 auf die Festlegung des geringsten Gebots und die Versteigerungsbedin-
gungen keinen Einfluss haben. Die Versteigerung hätte deshalb zu den glei-
chen Bedingungen erfolgen müssen, wenn das Amtsgericht den Beitritt der Be-
teiligten zu 1 noch vor der Versteigerung zugelassen hätte.
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b) Daran ändert entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch § 43
Abs. 2 ZVG nichts.
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aa) Danach ist der Termin zur Versteigerung aufzuheben, wenn nicht vier
Wochen vor dem Termin dem Schuldner ein Beschluss, auf Grund dessen die
Versteigerung erfolgen kann, zugestellt ist, es sei denn, dass dieser das Verfah-
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ren genehmigt. Das bedeutet aber nicht, wie die Rechtsbeschwerde meint, dass
dem Schuldner in dieser Frist sämtliche Beschlüsse zugestellt werden müssten,
auf Grund derer die Versteigerung erfolgen könnte. Der erstbetreibende und die
später beigetretenen Gläubiger haben nach § 27 Abs. 2 ZVG dieselben Rechte.
Das bedeutet, dass jeder Gläubiger für sich das Zwangsversteigerungsverfah-
ren weiterbetreiben und die Durchführung der Zwangsversteigerung erreichen
kann, wenn bei ihm die gesetzlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind (Se-
nat, Beschl. v. 16. Oktober 2008, V ZB 48/08, NJW 2009, 81, 82; RGZ 125, 24,
30). Deshalb kommt es nach § 43 Abs. 2 ZVG darauf an, ob dem Schuldner die
Anordnung der Zwangsversteigerung oder die Zulassung des Beitritts in dem
Einzelverfahren des im Termin bestrangig betreibenden Gläubigers und den bei
Erlass dieser Anordnung am Verfahren Beteiligten die Terminsnachricht recht-
zeitig vor dem Versteigerungstermin zugestellt worden ist (Stöber, ZVG,
19. Aufl., § 43 Rdn. 4 und 6.1).
bb) Das war hier der Fall. Die Zwangsversteigerung konnte auf Grund
der Beschlüsse des Amtsgerichts über die Anordnung der Zwangsversteigerung
vom 27. April 2007 sowie über die Beitritte dreier weiterer Gläubiger vom
27. Juni 2007, 28. August 2007 und 6. März 2008 erfolgen. Diese Beschlüsse
sind dem Schuldner am 24. September 2007, 23. März 2007, 29. August 2007
und am 13. März 2008 und damit deutlich vor Beginn der Frist des § 43 Abs. 2
ZVG zugestellt worden. Vor Beginn dieser Frist, nämlich in dem Zeitraum vom
1. bis 4. April 2008, ist in diesen Verfahren den schon bei Anberaumung des
Versteigerungstermins mit Beschluss vom 31. März 2008 bekannten Beteiligten
auch die Terminsnachricht zugestellt worden. Zu diesen Beteiligten gehörte die
Beteiligte zu 1 nicht, weil ihre Zwangssicherungshypothek erst am 14. April
2008 in das Grundbuch eingetragen und das Amtsgericht erst zu diesem Zeit-
punkt über die Eintragung unterrichtet wurde.
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4. Eine Kostenentscheidung wird im neuen Beschwerdeverfahren nicht
veranlasst sein, da sich die Beteiligten bei einer Zuschlagsbeschwerde in der
Regel nicht als Parteien im Sinne des §§ 91 ff. ZPO gegenüberstehen (Senat,
BGHZ 170, 378, 381 Rdn. 7).
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V.
Der Gegenstandswert ist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Wert
des Zuschlags zu bestimmen; er entspricht dem Meistgebot der Ersteher (§ 54
Abs. 2 Satz 1 GKG).
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Krüger
Lemke
Schmidt-Räntsch
Stresemann
Czub
Vorinstanzen:
AG Dieburg, Entscheidung vom 03.07.2008 - 30 K 48/07 -
LG Darmstadt, Entscheidung vom 17.02.2009 - 23 T 184/08 -