Urteil des BGH vom 18.07.2013

BGH: rechtliches gehör, einbau, haus, vergleich, gas, anhörung, beweisantrag, prozessrecht, abnahme, heizung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZR 231/11
vom
18. Juli 2013
in dem Rechtsstreit
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Juli 2013 durch den Vor-
sitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, die Richterin Safari Chabestari und die
Richter Halfmeier, Kosziol und Prof. Dr. Jurgeleit
beschlossen:
Der Beschwerde der Beklagten wird teilweise stattgegeben.
Das Urteil des 7. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in
Jena vom 2. November 2011 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO im
Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Klage wegen der
Kosten für den nachträglichen Einbau von Brennwertheizgeräten
im Umfang von 22.000 € stattgegeben worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens
der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurück-
verwiesen.
Im Übrigen wird die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzu-
lassung der Revision zurückgewiesen.
Gegenstandswert der Nichtzulassungsbeschwerde: 25.408
€; des
stattgebenden Teils: 22.000
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Gründe:
I.
Die Beklagte, eine Bauträger- und Projektentwicklungsgesellschaft, er-
richtete unter der Bezeichnung A. 9 und A. 10 zwei Häuser mit jeweils sechs
Wohnungseigentumseinheiten. In der Baubeschreibung für jedes der Häuser
heißt es unter 4.7 zur Überschrift Heizung/Warmwasser:
"Die Beheizung der Räume erfolgt über eine zentrale Heizstelle im
Keller, welche mittels eines Gasheizkellers betrieben wird. Dazu
wird gemäß Zeichnung im Heizraum ein Gas-Brennwertheizgerät
für Raumbeheizung und Trinkwassererwärmung mit separatem
Speicherwasserwärmer installiert.
Jede Wohnung erhält eine eigene Heizkreisführung. Die Ver-
brauchsmessung erfolgt über elektronische Heizkostenverteiler.
Die Heizkörper werden als Flachheizkörper mit Thermostatventilen
zur Raumtemperatursteuerung eingebaut."
Statt des in der Baubeschreibung vorgesehenen Brennwertheizgerätes
baute die Beklagte einen Niedrigtemperatur-Kessel in jedes der Häuser ein. Die
Abnahme des Gemeinschaftseigentums erfolgte unter dem 7. Juni 2006.
In 2008 bemerkten die Wohnungseigentümer den von der Baubeschrei-
bung abweichenden Einbau eines Niedrigtemperatur-Kessels. Die Klägerinnen
forderten die Beklagte zur Mängelbeseitigung auf, die diese mit Schreiben vom
2. März 2009 verweigerte. Für den Austausch der Heizkesselanlage ermittelten
die Klägerinnen daraufhin Bruttokosten für jedes Haus von 11.492,07
€. Zusätz-
lich ließen sie errechnen, dass bei Einbau einer Gas-Brennwertanlage für jedes
Haus Kosten in Höhe von 711
€/Jahr erspart worden wären.
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Mit der beim Landgericht eingereichten Klage haben die Klägerinnen be-
antragt, die Beklagte zu verurteilen, an jede von ihnen 13.625,07
€ nebst Zin-
sen und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten zu zahlen. Der
Zahlbetrag hat sich zusammengesetzt aus den Bruttokosten für die Umrüstung
des Kessels (11.492,07
€) zuzüglich der Kosten für höheren Energieverbrauch
in einem Dreijahreszeitraum im Umfang von 2.133
€.
Nach Einholung eines Gutachtens zu den Fragen, ob Niedrigtemperatur-
heizkessel zusätzliche Heizkosten verursachen und in welcher Höhe Kosten für
den nachträglichen Einbau eines Brennwertheizgerätes anfallen, hat das Land-
gericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerinnen jeweils 12.704
€ nebst Zinsen
und vorgerichtlicher Kosten zu zahlen. Der jeweilige Zahlbetrag setzt sich zu-
sammen aus den festgestellten Kosten für den Einbau eines Brennwertheizge-
rätes (11.000
€ brutto) und den Energiemehrverbrauchsaufwendungen für drei
Jahre.
Die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg.
Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Mit der Nichtzulas-
sungsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag fort.
II.
Das Berufungsurteil ist teilweise aufzuheben, weil es auf einer Verlet-
zung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör beruht.
1. Das Berufungsgericht bejaht einen Anspruch der Klägerinnen aus
§ 634 Nr. 2, § 637 BGB. Diesem Anspruch stehe nicht der Einwand eines un-
verhältnismäßigen Aufwands im Sinne von § 635 Abs. 3 BGB entgegen. Die
Heizkostenersparnis eines Brennwertheizgerätes im Verhältnis zu einem Nied-
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rigtemperatur-Kessel liege bei etwa 16 % im Jahr. Soweit der Sachverständige
ausgeführt habe, eine Brennwertheizanlage mit einer idealen Vorlauftemperatur
von 40 Grad sei nicht realisierbar, weil die Heizkörper dann zu groß sein wür-
den, sei dies unerheblich. Denn möglich sei ein Betrieb mit einer Vorlauftempe-
ratur von 55 Grad. Hierbei sei die Einsparung nur um 1,5 % ungünstiger als bei
Betrieb der Brennwertheizanlage mit 40 Grad Vorlauftemperatur. Soweit die
Beklagte diesen 1,5-Prozentsatzunterschied auf einen Niedrigtemperatur-
Kessel beziehe, entspreche das nicht den Feststellungen des Sachverständi-
gen.
2. Das Berufungsgericht hat gegen den Anspruch der Beklagten auf Ge-
währung rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG, verstoßen. Die Übergehung
des Beweisangebots der Beklagten auf ergänzende Vernehmung des Sachver-
ständigen zu der Frage, worauf sich der 1,5-Prozentsatzunterschied bezieht,
findet im Prozessrecht keine Stütze (vgl. BVerfG, NJW 2005, 1487; BGH, Be-
schluss vom 15. Februar 2011 - VI ZR 190/10, VersR 2011, 817).
a) Da das Landgericht keine Feststellungen dazu getroffen hatte, worauf
sich die 1,5-Prozentdifferenz bezieht, musste das Berufungsgericht eigene
Feststellungen treffen (vgl. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Dafür konnte es grundsätz-
lich auf die vom Landgericht protokollierten Ausführungen des Sachverständi-
gen zurückgreifen. Die Beklagte hatte aber bereits vor dem Landgericht ausge-
führt, dass sich die vom Sachverständigen festgestellte Energieersparnis im
Falle einer Vorlauftemperatur von 55 Grad nicht auf den Vergleich einer Brenn-
wertheizanlage mit 40 Grad Vorlauftemperatur zu einer Brennwertheizanlage
mit 55 Grad Vorlauftemperatur beziehe, sondern auf den Vergleich von einer
Brennwertheizanlage mit 55 Grad Vorlauftemperatur und einem Niedrigtempe-
ratur-Kessel. Diesen Vortrag hat die Beklagte in der Berufungsbegründung wie-
derholt, ohne dass dem die Klägerinnen entgegengetreten wären. Da das Beru-
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fungsgericht diese Frage nicht klären konnte, ohne den Sachverständigen er-
gänzend zu befragen, war dem Beweisantrag der Beklagten nachzugehen.
b) Der Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausge-
schlossen werden, dass das Berufungsgericht nach Anhörung des Sachver-
ständigen zu einer anderen Beurteilung gelangt, welchen Nutzen ein Niedrig-
temperatur-Kessel im Verhältnis zu einer Brennwertheizanlage mit einer Vor-
lauftemperatur von 55 Grad hat. Sollte sich der Vortrag der Beklagten, von dem
revisionsrechtlich als richtig auszugehen ist, bestätigen, liegen die Vorausset-
zungen des § 635 Abs. 3 BGB vor. Danach sind die Kosten für die Beseitigung
eines Werkmangels unverhältnismäßig, wenn der damit zur Beseitigung des
Mangels erzielte Erfolg bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in keinem
vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür gemachten Geldaufwandes steht.
3. Das Berufungsurteil war daher gemäß § 544 Abs. 7 ZPO insoweit auf-
zuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler den Einwand der Beklagten
nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, es sei ein Abzug Neu für Alt vorzu-
nehmen. Entgegen der Darstellung der Beschwerde ist in der ersten Instanz ein
Abzug Neu für Alt nicht geltend gemacht worden. In dieser Instanz ist lediglich
gebeten worden, die Gebrauchsvorteile zu berücksichtigen. Dass diese zu Un-
recht nicht berücksichtigt worden seien, wird mit der Beschwerde nicht geltend
gemacht.
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III.
Im Übrigen wird von einer Begründung der Entscheidung über die Zu-
rückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde abgesehen, weil sie nicht geeig-
net wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Re-
vision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO).
Kniffka
Safari Chabestari
Halfmeier
Kosziol
Jurgeleit
Vorinstanzen:
LG Gera, Entscheidung vom 13.05.2011 - 3 O 614/09 -
OLG Jena, Entscheidung vom 02.11.2011 - 7 U 363/11 -
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