Urteil des BGH vom 23.05.2003

BGH (anordnung, stpo, freiheitsstrafe, untersuchungshaft, erpressung, unterbringung, strafe, förderung, zweck, umfang)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 441/01
vom
23. Mai 2003
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 23. Mai 2003 gemäß §§ 349
Abs. 4, 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Marburg (Lahn) vom 7. August 2001 aufgehoben, soweit
der Vorwegvollzug eines Teils der Strafe angeordnet worden
ist.
2. Die Anordnung des Vollzugs der Strafe vor der Maßregel ent-
fällt.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen. Jedoch wird die Gebühr für das Rechtsmittelverfahren
um 1/10 ermäßigt. Die Staatskasse hat 1/10 der insoweit ent-
standenen Auslagen sowie der notwendigen Auslagen des An-
geklagten zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Er-
pressung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, die Unterbringung
des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und entschieden, daß
zwei Jahre der Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen seien. Der Ange-
klagte befand sich seit 15. November 2000 in einstweiliger Unterbringung, seit
28. November 2000 in Untersuchungshaft; in Unterbrechung der Untersu-
chungshaft sind nach Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung Strafreste
aus früheren Verurteilungen zumindest teilweise vollstreckt worden.
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Die zunächst unbeschränkt eingelegte Revision des Angeklagten ist im
Hinblick auf den auf Vorlage des Senats (Beschluß vom 15. Mai 2002 = NJW
2002, 2889) ergangenen Beschluß des Großen Senats für Strafsachen vom
4. Februar 2003 (GSSt 2/02) wirksam auf die Anordnung des Vorwegvollzugs
von zwei Jahren der Freiheitsstrafe beschränkt worden. Die Revision ist inso-
weit erfolgreich.
1. Die Begründung des Landgerichts für die Anordnung des Vorwegvoll-
zugs gemäß § 67 Abs. 2 StGB beschränkt sich im wesentlichen auf die Mittei-
lung, der hierzu gehörte Sachverständige habe dies als "sinnvoll" angesehen
(UA S. 9), sowie eine Aufzählung theoretisch möglicher Gründe für die Umkeh-
rung der Vollstreckungsreihenfolge (UA S. 13 f.). Der Hinweis auf eine in der
Vergangenheit nur "begrenzte Therapiebereitschaft" des Angeklagten und den
Zweck einer Förderung seiner Motivation rechtfertigt den Vorwegvollzug je-
denfalls in dem angeordneten Umfang nicht.
2. Aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Vollstreckungssituation
ist auszuschließen, daß ein neuer Tatrichter wiederum zur Anordnung des
Vorwegvollzugs gelangen würde. Die Anordnung war daher entsprechend
§ 354 Abs. 1 StPO in Wegfall zu bringen (vgl. BGH NJW 1983, 240; BGH StV
1985, 12; Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 354 Rdn. 32).
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3. Im Hinblick auf den insgesamt geringen Teilerfolg der Revision er-
schien es angemessen, gemäß § 473 Abs. 4 StPO die Gebühr um 1/10 zu er-
mäßigen und der Staatskasse 1/10 der entstandenen Auslagen sowie der not-
wendigen Auslagen des Angeklagten aufzuerlegen.
Rissing-van Saan Otten Rothfuß
Fischer Roggenbuck