Urteil des BGH vom 15.06.2009

BGH (antragsteller, rechtsanwaltschaft, zulassung, antrag, bewerber, beurteilung, verhalten, verurteilung, interesse, beschwerde)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (B) 59/08
vom
15. Juni 2009
in dem Verfahren
wegen Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten
des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf, den Richter Dr. Frellesen, die Rich-
terinnen Roggenbuck und Lohmann, die Rechtsanwälte Dr. Wüllrich und
Dr. Frey sowie die Rechtsanwältin Dr. Hauger
nach mündlicher Verhandlung am 15. Juni 2009
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss
des 2. Senats des Saarländischen Anwaltsgerichtshofs vom
14. Mai 2008 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und
der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstande-
nen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Verfahren wird auf 50.000 € festge-
setzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller war zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Seine Zulas-
sung wurde im Jahr 1999 gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO wegen fehlender Be-
rufshaftpflichtversicherung widerrufen. Der Widerruf wurde bestandskräftig.
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Durch Urteil des Landgerichts S. vom 5. Juli 1999 wurde der
Antragsteller wegen mehrerer Vergehen - u.a. falscher uneidlicher Aussage,
versuchtem (Prozess-)Betrug, falscher Verdächtigung, Vortäuschen einer Straf-
tat und Verleumdung - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt,
deren Vollstreckung auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde; dem An-
tragsteller wurde für die Dauer von drei Jahren ein Berufsverbot als Rechtsan-
walt erteilt. Das Urteil, das auf dem Geständnis des Antragstellers und seines
Mitangeklagten beruhte, wurde nach Rechtsmittelverzicht des Antragstellers am
Tag der Verkündung rechtskräftig. Der Antragsteller widerrief den Rechtsmittel-
verzicht ein halbes Jahr später und legte Revision ein. Das Rechtsmittel wurde
mit Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17. Oktober 2000 - 4 StR 360/00 -
als unzulässig verworfen.
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Mit Antrag vom 3. Juni 2002 begehrte der Antragsteller erstmals seine
Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft. Der Antrag hatte wegen der strafge-
richtlichen Verurteilung des Antragstellers keinen Erfolg (Senatsbeschluss vom
12. Januar 2004 - AnwZ (B) 16/03, www.bundesgerichtshof.de). Am 27. Juni
2007 beantragte der Antragsteller erneut die Wiederzulassung zur Rechtsan-
waltschaft. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag mit Bescheid vom 30. Juli
2007 wiederum ab.
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Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu-
rückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Be-
schwerde.
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II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO), hat in der
Sache aber keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin hat den erneuten Antrag auf
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Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft unter Berufung auf den Versagungs-
grund des § 7 Nr. 5 BRAO mit Recht zurückgewiesen.
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1. Nach § 7 Nr. 5 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu
versagen, wenn der Bewerber sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das
ihn unwürdig erscheinen lässt, den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben. Der
Bewerber erscheint dann unwürdig im Sinne des § 7 Nr. 5 BRAO, wenn er ein
Verhalten gezeigt hat, das ihn bei Abwägung dieses Verhaltens und aller erheb-
lichen Umstände - wie Zeitablauf und zwischenzeitlicher Führung - nach seiner
Gesamtpersönlichkeit für den Anwaltsberuf nicht tragbar erscheinen lässt; dabei
sind das berechtigte Interesse des Bewerbers nach beruflicher und sozialer
Eingliederung und das durch das Berufsrecht geschützte Interesse der Öffent-
lichkeit, insbesondere der Rechtsuchenden, an der Integrität des Anwaltsstan-
des einzelfallbezogen gegeneinander abzuwägen. Auch ein schwerwiegendes
berufsunwürdiges Verhalten kann nach einer mehr oder minder langen Zeit
durch Wohlverhalten oder andere Umstände soviel an Bedeutung verlieren,
dass es die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht mehr hindert. Die Frage,
wie viele Jahre zwischen einem die Unwürdigkeit begründenden Verhalten und
dem Zeitpunkt liegen müssen, in dem eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
möglich ist, lässt sich nicht durch eine schematische Festlegung auf bestimmte
Fristen beantworten, sondern verlangt eine einzelfallbezogene Gewichtung aller
für und gegen den Bewerber sprechenden Umstände (st. Rspr., zuletzt Senats-
beschluss vom 3. November 2008 - AnwZ (B) 1/08, juris, Tz. 4 m.w.N.)
2. Von diesen Grundsätzen sind die Antragsgegnerin und der Anwaltsge-
richtshof ausgegangen. Sie haben mit Recht angenommen, dass die erhebli-
chen Straftaten des Antragstellers dessen Wiederzulassung zur Rechtsanwalt-
schaft weiterhin entgegenstehen. Das Beschwerdevorbringen des Antragstel-
lers rechtfertigt keine andere Beurteilung.
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a) Der Senat hat bereits in seinem den ersten Wiederzulassungsantrag
betreffenden Beschluss vom 12. Januar 2004 (AnwZ (B) 16/03, aaO) ausge-
führt, dass sich der Antragsteller eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das
ihn unwürdig erscheinen lässt, den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben. An
dieser Beurteilung, auf die Bezug genommen wird, hält der Senat fest. Vergeb-
lich bestreitet der Antragsteller weiterhin - wie bereits in dem ersten Wiederzu-
lassungsverfahren - die ihm in dem rechtskräftigen Strafurteil des Landgerichts
S. zur Last gelegten Straftaten. Er macht geltend, er habe insoweit
kein Geständnis abgelegt, sondern lediglich auf Anraten seines Verteidigers
eine von diesem verlesene "geständnisgleiche Erklärung" unterzeichnet; seine
Verurteilung sei nicht aufgrund der angeklagten Gründe, sondern "aus Gründen
der Staatsraison" erfolgt. Dieses Vorbringen vermag Zweifel an der Rechtmä-
ßigkeit der Verurteilung des Antragstellers nicht zu erwecken. Bereits im ersten
Wiederzulassungsverfahren ist der Senat aufgrund der ihm obliegenden Prü-
fung des rechtskräftigen Strafurteils unter Berücksichtigung der Prozessge-
schichte und der Aktenlage des Strafverfahrens zu der Überzeugung gelangt,
dass der Antragsteller aufgrund zutreffender Tatsachenfeststellungen verurteilt
worden ist (Senatsbeschluss vom 12. Januar 2004, aaO, unter 2). Daran hat
sich seitdem nichts geändert. Es bestehen weiterhin keine objektiv greifbaren
Anhaltspunkte dafür, dass sich der Antragsteller der Wahrheit zuwider gewichti-
ger Straftaten - und damit zugleich schwerwiegender Berufsrechtsverstöße -
bezichtigt hätte. Der Senat hat bei der gegebenen Sachlage auch im vorliegen-
den Wiederzulassungsverfahren keinen Anlass, die vom Antragsteller angebo-
tenen Zeugen zu vernehmen.
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b) Die vom Antragsteller begangenen Straftaten stehen der Wiederzulas-
sung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft weiterhin entgegen.
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Der Senat hat bei gravierenden Straftaten, wie sie auch hier vorliegen,
einen zeitlichen Abstand zwischen der die Unwürdigkeit begründenden Straftat
des Bewerbers und dessen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft von in der Regel
15 bis 20 Jahren für erforderlich gehalten (vgl. etwa Senatsbeschluss vom
14. Februar 2000 - AnwZ (B) 8/99, BRAK-Mitt. 2000, 145, unter II 1 m.w.N.).
Dieser Zeitraum kann aber unterschritten werden, wenn das Interesse des Be-
werbers an seiner beruflichen und sozialen Eingliederung bei einer Gesamt-
würdigung der Umstände unter Berücksichtigung des Grundrechts aus Art. 12
GG dies geboten erscheinen lässt; das ist der Fall, wenn der Bewerber die Ge-
währ dafür bietet, dass er sein Leben wieder geordnet hat, und deshalb nicht
mehr festgestellt werden kann, er sei für den Anwaltsberuf noch untragbar (vgl.
Senatsbeschluss vom 3. November 2008, aaO, Tz. 6 m.w.N.). Ein solcher Aus-
nahmefall liegt hier nicht vor.
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Auch wenn der Antragsteller seit den in den Jahren 1996 und 1997 be-
gangenen Straftaten nicht wieder straffällig wurde, ist die Prognose, dass die
Belange der Rechtspflege und die Interessen der Rechtsuchenden durch die
Wiederzulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft nicht mehr gefähr-
det werden, derzeit nicht gerechtfertigt. Dies hat der Anwaltsgerichtshof unter
sorgfältiger und umfassender Würdigung und Abwägung aller für und gegen
den Antragsteller sprechenden Umstände zutreffend beurteilt. Darauf nimmt der
Senat Bezug. Das Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren gibt
auch insoweit keinen Anlass für eine davon abweichende Beurteilung. Die Be-
schwerdebegründung beschränkt sich im Wesentlichen darauf, dass der An-
tragsteller seine früheren Straftaten weiterhin leugnet. Die darin zum Ausdruck
kommende Uneinsichtigkeit des Antragstellers steht einer günstigen Prognose
über das zukünftige Verhalten des Antragstellers entgegen. Der Senat teilt des-
halb - auch unter Berücksichtigung des weiteren Zeitablaufs seit der angefoch-
tenen Entscheidung - die Auffassung des Anwaltsgerichtshofs, dass der An-
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tragsteller noch nicht hinreichende Gewähr dafür bietet, dass er sich in Zukunft
als wieder zugelassener Rechtsanwalt an Recht und Gesetz halten würde. Das
Vorbringen des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers in der mündli-
chen Verhandlung vor dem Senat rechtfertigt angesichts der Gesamtumstände
keine andere Beurteilung.
Tolksdorf
Frellesen
Roggenbuck
Lohmann
Wüllrich
Frey
Hauger
Vorinstanz:
AGH Saarbrücken, Entscheidung vom 14.05.2008 - AGH 3/07 -