Urteil des BGH vom 25.04.2013

BGH: gefährdung, vermögensverfall, widerruf, rechtsanwaltschaft, anstellung, alter, meinung, verfahrensrecht, ausnahmefall

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (Brfg) 9/13
vom
25. April 2013
in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, den
Richter Seiters sowie die Rechtsanwälte Prof. Dr. Quaas und Dr. Braeuer
am 25. April 2013
beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das
am 28. November 2012 verkündete Urteil des II. Senats des An-
waltsgerichtshofs Berlin wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000
€ fest-
gesetzt.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Rechtsanwaltszulas-
sung wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der Anwaltsge-
richtshof hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag des Klä-
gers auf Zulassung der Berufung.
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II.
Der zulässige Antrag, mit dem der Kläger der Sache nach das Bestehen
ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend macht
(§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), hat keinen Erfolg.
1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwalt-
schaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist,
es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet
sind.
Hierbei ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmä-
ßigkeit eines Widerrufs nach dem ab 1. September 2009 geltenden Verfahrens-
recht der Abschluss des behördlichen Widerrufsverfahrens (ständige Senats-
rechtsprechung, vgl. nur Beschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10,
BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.; vom 24. Oktober 2012 - AnwZ (Brfg) 47/12, juris Rn. 6
und vom 4. Februar 2013 - AnwZ (Brfg) 31/12, juris Rn. 7). Zu diesem Zeitpunkt
- hier: Widerrufsbescheid der Beklagten vom 8. Februar 2012 - lagen die Vor-
aussetzungen für einen Widerruf vor; sie sind im Übrigen auch heute noch ge-
geben.
Der Kläger wendet sich insoweit nicht gegen die zutreffenden Ausfüh-
rungen des Anwaltsgerichtshofs, dass er sich in Vermögensverfall befindet. Er
ist nur der Meinung, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden
in seinem Falle nicht gegeben sei. Sein diesbezüglicher Vortrag ist jedoch un-
geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu be-
gründen. Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wer-
tung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts
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grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden.
Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen
ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem
Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der ge-
setzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen
Ausnahmefällen verneint werden (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. nur Be-
schlüsse vom 22. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 12/11, juris Rn. 3; vom 11. Juni 2012
- AnwZ (Brfg) 20/12, juris Rn. 4 und vom 21. Februar 2013 - AnwZ (Brfg) 68/12,
juris Rn. 10). Hierfür trägt der Rechtsanwalt die Feststellungslast (vgl. nur Se-
natsbeschlüsse vom 8. Februar 2010 - AnwZ (B) 67/08, BRAK-Mitt. 2010, 129
Rn. 11; vom 11. Juni 2012, aaO und vom 5. September 2012 - AnwZ (Brfg)
26/12, NJW-RR 2013, 175 Rn. 5). Die Annahme einer solchen Sondersituation
setzt jedoch zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine selbständige an-
waltliche Tätigkeit vollständig und nachhaltig aufgibt, diese nur noch für eine
Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnah-
men verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern
(vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW
2005, 511 f.; vom 22. Juni 2011, aaO und vom 24. Oktober 2012 - AnwZ (Brfg)
43/12, juris Rn. 9).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Der Kläger ist weiterhin
als Einzelanwalt tätig. Er verweist lediglich darauf, dass er seit längerem keine
Mandantengelder mehr vereinnahmt habe, dies allein schon deshalb nicht, weil
er kaum entsprechende Mandate erhalte. Wenn dies einmal der Fall sei, habe
er die Schuldner regelmäßig aufgefordert, entsprechende Beträge nicht auf sein
Konto, sondern direkt auf das Konto des Mandanten/Gläubigers zu zahlen.
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Dieser Vortrag genügt ersichtlich nicht den Anforderungen an einen Aus-
nahmefall, in dem trotz Vermögensverfalls eine Gefährdung der Interessen der
Rechtsuchenden ausgeschlossen ist. Etwaige auf das fortgeschrittene Alter des
Rechtsanwalts zurückzuführende Schwierigkeiten, noch eine Anstellung in einer
Anwaltssozietät zu finden, sind im Übrigen nicht geeignet, das Vorliegen der
tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO schlüssig in
Frage zu stellen (vgl. nur Senatsbeschluss vom 5. September 2012, aaO
Rn. 6).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m.
§ 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Kayser
Lohmann
Seiters
Quaas
Braeuer
Vorinstanz:
AGH Berlin, Entscheidung vom 28.11.2012 - II AGH 2/12 -
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