Urteil des BGH vom 04.12.2002

BGH (stand der technik, bundesrepublik deutschland, patentanspruch, fachmann, halten, bundespatentgericht, eingriff, technik, form, stand)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 121/99
Verkündet am:
19. November 2002
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Berichtigt durch Beschluß
vom 4. Dezember 2002
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 19. November 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis
und die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und Asendorf
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin zu 1 wird das am 18. März 1999 ver-
kündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespa-
tentgerichts abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Das europäische Patent 0 217 664 wird mit Wirkung für die Bun-
desrepublik Deutschland im Umfang seines Patentanspruchs 12
sowie seiner Patentansprüche 13, 16 und 17, soweit diese unmit-
telbar auf Patentanspruch 12 rückbezogen sind, für nichtig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 1. Oktober 1992 unter
Inanspruchnahme der Priorität einer Patentanmeldung in den Vereinigten
Staaten von Amerika vom 1. Oktober 1985 angemeldeten, mit Wirkung für die
Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 217 664 (Streit-
patents), das u.a. Ankerwickelmaschinen betrifft. Das in der Verfahrenssprache
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Englisch veröffentlichte Streitpatent umfaßt 22 Patentansprüche, darunter den
nebengeordneten Patentanspruch 12 sowie die auch auf Patentanspruch 12
rückbezogenen Patentansprüche 13 und 16 und den auf Patentanspruch 16
rückbezogenen Patentanspruch 17, die allein angegriffen sind; diese Patentan-
sprüche lauten in der deutschen Übersetzung des Streitpatents unter Weglas-
sung der gesetzten Teile:
"12. Ankerwickelmaschine (10), die Einrichtungen (22, 23) zum
Wickeln von Drahtwindungen auf einen mit Nuten versehenen
Ankerkern (11) hat und welche aufweist: eine Kernhalteein-
richtung (19), welche den Ankerkern (11) in einer Position an-
ordnet, in der die Drahtwicklungen von der Wickeleinrichtung
(22, 23) aufgenommen werden, eine Umhüllungseinrichtung
(33, 34) zum Führen des Drahtes in die gewünschten Nuten in
dem Ankerkern (11), eine Trageinrichtung (27, 31) zum Halten
der Umhüllungseinrichtung (33, 34) in der Nähe des Anker-
kerns (11) und eine Einrichtung zum lösbaren Anbringen der
Umhüllungseinrichtung (33, 34) an der Trageinrichtung (27,
31), wodurch die Umhüllungseinrichtung (33, 34) als eine Ein-
heit von der Trageinrichtung (27, 31) abgenommen werden
kann.
13. Maschine nach Anspruch 11 oder 12, bei der die Einrichtung
zum lösbaren Anbringen der Umhüllungseinrichtung (33, 34)
an der Trageinrichtung (27, 31) einen Kopf (52) an der Trag-
einrichtung enthält, der Kopf (52) eine nach außen weisende
Flanscheinrichtung hat, die Umhüllungseinrichtung (33, 34) ei-
ne Ausnehmung (53) zur Aufnahme des Kopfs (52) und der
Flanscheinrichtung hat und eine lösbare Sperreinrichtung
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(59) an der Umhüllungseinrichtung (33, 34) enthält, die in Ein-
griff mit dem Kopf (52) zum Halten der Umhüllungseinrichtung
in dem zusammengebauten Zustand mit der Trageinrichtung
(27, 31) bringbar ist, wodurch die Umhüllungseinrichtung (33,
34) von dem Kopf (52) abgenommen werden kann.
16. Maschine nach Anspruch 11 oder 12, bei der folgendes vor-
gesehen ist: die Einrichtung zum lösbaren Anbringen der Um-
hüllungseinrichtung (33, 34) an der Trageinrichtung (27, 31),
eine zusammenarbeitende Einrichtung an der Umhüllungsein-
richtung (33, 34) und der Trageinrichtung umfaßt, die lösbare
Sperreinrichtung (59) die zusammenarbeitende Einrichtung in
einer Sperrstellung hält und die Sperreinrichtung (59) in eine
Lösestellung bewegbar ist, in der die Umhüllungseinrichtung
(33, 34) von der Trageinrichtung (27, 31) abgenommen wer-
den kann.
17. Maschine nach Anspruch 16, bei der die Zusammenarbei-
tungseinrichtung einen Kopf (52) umfaßt, der eine nach außen
gerichtete Flanscheinrichtung und eine Ausnehmung (53) zur
Aufnahme des Kopfes (52) und der Flanscheinrichtung hat,
die lösbare Sperreinrichtung (59) in Eingriff mit dem Kopf (52)
und der Flanscheinrichtung bringbar ist, und die lösbare
Sperreinrichtung (59) in Eingriff mit dem Kopf (52) bringbar ist,
um die Umhüllungseinrichtung (33, 34) in dem Sperreingriff
mit der Trageinrichtung (27, 31) zu halten."
In der Verfahrenssprache Englisch lauten diese Patentansprüche wie
folgt:
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"12. An armature winding machine (10) having means (22, 23) for
winding coils of wire onto a slotted armature core (11), com-
prising: core holding means (19) for locating the armature core
(11) in a position to receive coils of wire from the winding
means (22, 23), shroud means (33, 34) for guiding wire into
selected slots in the armature core (11), support means (27,
31) for holding the shroud means (33, 34) adjacent the arma-
ture core (11), and means for releasably mounting the shroud
means (33, 34) on said support means (27, 31) whereby the
shroud means (33, 34) can be removed as a unit from the
support means (27, 31).
13. A machine according to claim 11 or 12 wherein the means for
releasably mounting the shroud means (33, 34) on the support
means (27, 31) includes a head (52) on the support means,
said head (52) having an outwardly directed flange means,
said shroud means (33, 34) having a groove (53) for accom-
modating the head (52) and flange means, and releasable lock
means (59) on the shroud means (33, 34) engageable with the
head (52) for holding the shroud means in assembled relation
with the support means (27, 31), said lock means (59) being
releasable whereby the shroud means (33, 34) can be re-
moved from the head (52).
16. A machine according to claim 11 or 12 wherein: said means
for releasably mounting the shroud means (33, 34) on the
support means (27, 31) includes cooperating means on the
shroud means (33, 34) and support means (27, 31), and re-
leasable lock means (59) for holding the cooperating means in
a locked position, said lock means (59) being movable to a
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released position wherein the shroud means (33, 34) can be
removed from the support means (27, 31).
17. A machine according to claim 16 wherein: said cooperating
means includes a head (52) having an outwardly directed
flange means and a groove (53) for accommodating the head
(52) and flange means, said releasable lock means (59) being
engageable with said head (52) and flange means, said re-
leasable lock means (59) being engageable with said head
(52) to hold the shroud means (33, 34) in locking engagement
with the support means (27, 31)."
Die Klägerinnen haben geltend gemacht, daß der Gegenstand der ange-
griffenen Patentansprüche des Streitpatents nicht neu, jedenfalls aber durch
den Stand der Technik nahegelegt sei. Sie haben sich dazu auf die US-
Patentschriften 1,121,798 (K8), 2,144,447 (K1), 2,348,948 (K2), 3,892,366 (K9)
und 4,300,271 (K10), verschiedene Unterlagen zu behaupteten Vorbenutzun-
gen sowie eine Fachbuchveröffentlichung bezogen. Sie haben beantragt, das
Streitpatent im Umfang seiner Patentansprüche 12 sowie 13, 16 und 17, soweit
diese unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 12 rückbezogen sind, mit
Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat das Streitpatent, soweit es angegriffen ist, nur einge-
schränkt verteidigt. Patentanspruch 12 hat sie nicht verteidigt. Patentanspruch
13 hat sie in erster Linie in Rückbeziehung auf Patentanspruch 12 unverändert,
hilfsweise unter Einfügung des gesetzten Teils ohne das unterstrichene
Wort, weiter hilfsweise unter Aufnahme des unterstrichenen Worts verteidigt.
Patentanspruch 16 hat sie in folgender Fassung, hilfsweise unter Einfügung des
gesetzten, nicht unterstrichenen Teils, weiter hilfsweise auch der unter-
strichenen Worte, verteidigt:
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"Eine Ankerwickelmaschine, die Einrichtungen (22, 23) zum Wik-
keln von Drahtwindungen auf einen mit Nuten versehenen Anker-
kern hat (11) und welche aufweist:
eine Kernhalteeinrichtung (19), welche den Ankerkern (11) in einer
Position anordnet, in der die Drahtwicklungen von der Wickelein-
richtung (22, 23) aufgenommen werden, eine Umhüllungseinrich-
tung (33, 34) zum Führen des Drahtes in die gewünschten Nuten in
dem Ankerkern (11), eine Trageinrichtung (27, 31) zum Halten der
Umhüllungseinrichtung (33, 34) in der Nähe des Ankerkerns (11)
und eine Einrichtung zum lösbaren Anbringen der Umhüllungsein-
richtung (33, 34) an der Trageinrichtung (27, 31), wodurch die Um-
hüllungseinrichtung (33, 34) als eine Einheit von der Trageinrich-
tung (27, 31) abgenommen werden kann, wobei
die Einrichtung zum lösbaren Anbringen an der Umhüllungsein-
richtung (33, 34) und an der Trageinrichtung (27, 31) zum Anbrin-
gen der Umhüllungseinrichtung (33, 34) in ihrer Betriebsposition,
sowie eine lösbare Sperreinrichtung (59)
umfaßt, um
die zusammenarbeitenden Einrichtungen in einer Sperrstellung zu
halten, und wobei
die Sperreinrichtung (59) in eine Lösestellung bewegbar ist, in der
die Umhüllungseinrichtung (33, 34) von der Trageinrichtung (27, 31)
abgenommen werden kann."
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Patentanspruch 17 hat die Beklagte in Rückbeziehung auf den vertei-
digten Patentanspruch 16, hilfsweise in dessen hilfsweise verteidigten Fassun-
gen, verteidigt.
Das Bundespatentgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Kla-
gen das Streitpatent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland teilweise
für nichtig erklärt, und zwar im Umfang seines Patentanspruchs 12, seines Pa-
tentanspruchs 13 in Rückbeziehung auf Patentanspruch 12, soweit er über die
hilfsweise verteidigte Fassung hinausgeht, seines Patentanspruchs 16 in Rück-
beziehung auf Patentanspruch 12 sowie seines Patentanspruchs 17 in Rückbe-
ziehung über Patentanspruch 16 auf Patentanspruch 12, soweit er über folgen-
de Fassung hinausgeht:
"Eine Ankerwickelmaschine, die Einrichtungen (22, 23) zum Wik-
keln von Drahtwindungen auf einen mit Nuten versehenen Anker-
kern hat (11) und welche aufweist: Eine Kernhalteeinrichtung (19),
welche den Ankerkern (11) in einer Position anordnet, in der die
Drahtwicklungen von der Wickeleinrichtung (22, 23) aufgenommen
werden, eine Umhüllungseinrichtung (33, 34) zum Führen des
Drahtes in die gewünschten Nuten in dem Ankerkern (11), eine
Trageinrichtung (27, 31) zum Halten der Umhüllungseinrichtung
(33, 34) in der Nähe des Ankerkerns (11) und eine Einrichtung zum
lösbaren Anbringen der Umhüllungseinrichtung (33, 34) an der
Trageinrichtung (27, 31), wodurch die Umhüllungseinrichtung (33,
34) als eine Einheit von der Trageinrichtung (27, 31) abgenommen
werden kann, wobei die Einrichtung zum lösbaren Anbringen an der
Umhüllungseinrichtung (33, 34) und an der Trageinrichtung (27, 31)
zum Anbringen der Umhüllungseinrichtung (33, 34) in ihrer Be-
triebsposition, sowie eine lösbare Sperreinrichtung (59) in Form ei-
nes Sperrbolzens oder einer Sperrklaue umfaßt, um die zusam-
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menarbeitenden Einrichtungen in einer Sperrstellung zu halten, und
wobei die Sperreinrichtung (59) in eine Lösestellung bewegbar ist,
in der die Umhüllungseinrichtung (33, 34) von der Trageinrichtung
(27, 31) abgenommen werden kann, und bei der die Zusammenar-
beitungseinrichtung einen Kopf (52) umfaßt, der eine nach außen
gerichtete Flanscheinrichtung und eine Ausnehmung (53) zur Auf-
nahme des Kopfes (52) und der Flanscheinrichtung hat, die lösbare
Sperreinrichtung (59) in Eingriff mit dem Kopf (52) und der Flansch-
einrichtung bringbar ist, und die lösbare Sperreinrichtung (59) in
Eingriff mit dem Kopf (52) bringbar ist, um die Umhüllungseinrich-
tung (33, 34) in dem Sperreingriff mit der Trageinrichtung (27, 31)
zu halten."
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin zu 1 ihr erstinstanzliches Begehren
weiter, soweit das Bundespatentgericht diesem nicht entsprochen hat. Sie
macht dabei auch geltend, daß die Erfindung nicht so offenbart sei, daß ein
Fachmann sie ausführen könne und daß der vom Bundespatentgericht als be-
standsfähig angesehene Patentanspruch 13 nicht durch die ursprüngliche Of-
fenbarung in der Anmeldung des Streitpatents gedeckt sei. Die Beklagte vertei-
digt das angegriffene Urteil. Hilfsweise verteidigt sie nunmehr Patentanspruch
13 in erster Linie in folgender Fassung (Änderungen unterstrichen):
"Ankerwickelmaschine (10), die Einrichtungen (22, 23) zum Wickeln
von Drahtwindungen auf einen mit Nuten versehenen Ankerkern
(11) hat, und welche aufweist:
eine Kernhalteeinrichtung (19), welche den Ankerkern (11) in einer
Position anordnet, in der die Drahtwicklungen von der Wickelein-
richtung (22, 23) aufgenommen werden, eine Umhüllungseinrich-
tung (33, 34) zum Führen des Drahtes in die gewünschten Nuten in
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dem Ankerkern (11), eine Trageinrichtung (27, 31) zum Halten der
Umhüllungseinrichtung (33, 34) in der Nähe des Ankerkerns (11)
und eine Einrichtung zum lösbaren Anbringen der Umhüllungsein-
richtung (33, 34) an der Trageinrichtung (27, 31), wodurch die Um-
hüllungseinrichtung (33, 34) als eine Einheit von der Trageinrich-
tung (27, 31) abgenommen werden kann, wobei die Einrichtung
zum lösbaren Anbringen der Umhüllungseinrichtung (33, 34) an der
Trageinrichtung (27, 31) zusammenarbeitende Einrichtungen an der
Umhüllungseinrichtung (33, 34) und an der Trageinrichtung (27, 31)
zum Anbringen der Umhüllungseinrichtung (33, 34) in ihrer Be-
triebsposition enthält, wobei die zusammenarbeitenden Einrichtun-
gen einen Kopf (52) an der Trageinrichtung mit einer nach außen
weisenden Flanscheinrichtung, sowie eine Ausnehmung (53) an der
Umhüllungseinrichtung (33, 34) zur Aufnahme des Kopfs (52) und
der Flanscheinrichtung aufweisen, wobei die Einrichtung zum lösba-
ren Anbringen der Umhüllungseinrichtung (33, 34) an der Tragein-
richtung (27, 31) weiter eine lösbare Sperreinrichtung in Form eines
Sperrbolzens oder einer Sperrklaue (59) an der Umhüllungsein-
richtung (33, 34) enthält, die in Eingriff mit dem Kopf (52) zum Hal-
ten der Umhüllungseinrichtung in dem zusammengebauten Zustand
mit der Trageinrichtung (27, 31) bringbar ist, und die Sperreinrich-
tung (59) lösbar ist, wodurch die Umhüllungseinrichtung (33, 34)
von dem Kopf (52) abgenommen werden kann."
Weiter hilfsweise verteidigt sie die Patentansprüche 13 und 17 in der
Weise, daß dort jeweils das Wort "Ausnahmung" durch das Wort "Nut", noch
weiter hilfsweise durch "T-förmige Nut" ersetzt werden und schließlich in der
Weise, daß zu dieser Ergänzung zusätzlich anstelle der Worte "einen Kopf" die
Worte "einen T-förmigen Kopf" gesetzt werden. Dabei sollen die Rückbezie-
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hungen in den angegriffenen Patentansprüchen jeweils entsprechend angepaßt
werden.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Dr.-Ing. O. W. ,
, ein schriftliches
Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und er-
gänzt hat. Die Klägerin zu 1 hat ein schriftliches Gutachten von Prof. Dr.-Ing.
R. H. , , vorgelegt.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils
und zur weiteren teilweisen Nichtigerklärung des Streitpatents in dem Umfang,
in dem die Berufungsklägerin dieses angreift.
I. 1. Das Streitpatent betrifft, soweit es angegriffen ist, Ankerwickelma-
schinen, die Einrichtungen zum Wickeln von Drahtwindungen auf einen mit
Nuten versehenen Ankerkern aufweisen. Bei solchen Ankerwickelmaschinen
werden Drahtwindungen auf den mit Nuten versehenen Ankerkern gewickelt.
Die Wellenenden des Ankerkerns werden von Halterungen gehalten und wäh-
rend des Wickelvorgangs indexiert. Diese sind mit Spannanordnungen verse-
hen, die in die Halterungen integriert sind und nicht ohne weiteres von der Ma-
schine abgenommen werden können. Will man einen Ankerkern mit anderer
Wellengröße einsetzen, muß die gesamte Halterung ausgetauscht werden, was
erheblichen Zeitaufwand erfordert, der sich vor allem daraus ergibt, daß solche
Ankerwickelmaschinen weiter Umhüllungen oder Drahtformer aufweisen, die
nahe an den gegenüberliegenden Seiten des Ankerkerns angeordnet sind. De-
ren äußere Oberflächen führen den Draht, der von den flügelartigen Armen ab-
gespult wird, in die vorgesehenen Nutenpaare des Ankerkerns. Sollen unter-
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schiedlich große Ankerkerne gewickelt werden, müssen unterschiedlich gestal-
tete Umhüllungen auf den Trägern der Maschine angebracht werden, was zeit-
und arbeitsaufwendig ist, wenn sie - wie in dem in der einleitenden Beschrei-
bung erläuterten Stand der Technik - aus der Richtung aufgesetzt werden müs-
sen, in der sich im Betriebszustand der Anker befindet (Streitpatent, Beschrei-
bung Sp. 1 Z. 8 - 58).
2. Durch das Streitpatent soll demgegenüber eine Ankerwickelmaschine
zur Verfügung gestellt werden, bei der die Spannanordnung und die Umhül-
lungseinrichtung leicht und schnell ausgetauscht werden können (vgl. Be-
schreibung Sp. 1 Z. 59 - Sp. 2 Z. 37).
3. a) Hierzu lehrt der vom Bundespatentgericht als bestandsfähig ange-
sehene verteidigte Patentanspruch 13 in Rückbeziehung auf den nicht vertei-
digten Patentanspruch 12 eine Ankerwickelmaschine, die aufweist, wobei in der
Aufzählung die mit dem ersten Hilfsantrag eingefügten Merkmale kursiv wieder-
gegeben sind:
(1.)
Wickeleinrichtung
auf einen mit Nuten versehenen Ankerkern,
(2.)
Kernhalteeinrichtung
sition anordnet, in der die Drahtwicklungen von der Wik-
keleinrichtung aufgenommen werden,
(3.)
Umhüllungseinrichtung
die gewünschten Nuten im Ankerkern,
(3.1)
die eine Ausnehmung zur Aufnahme des Kopfs und der
Flanscheinrichtung der Trageinrichtung hat und
(3.2)
eine lösbare Sperreinrichtung
aufweist, die in Eingriff mit dem Kopf
zum Halten der Umhüllungseinrichtung im zusammenge-
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bauten Zustand mit der Trageinrichtung gebraucht werden
kann, wodurch die Umhüllungseinrichtung vom Kopf abge-
nommen werden kann,
(4.)
Trageinrichtung
tung in der Nähe des Ankerkerns und
(5.)
Einrichtung zum
lungseinrichtung an der Trageinrichtung,
(5.1)
wodurch die Umhüllungseinrichtung als eine Einheit von der
Trageinrichtung abgenommen werden kann, und
(5.2)
die einen Kopf an der Trageinrichtung aufweist,
(5.2.1) der eine nach außen weisende Flanscheinrichtung hat.
b) Der vom Bundespatentgericht als bestandsfähig angesehene - aller-
dings in seiner Formulierung nur schwer verständliche - Patentanspruch 17 in
Rückbeziehung über den nicht als bestandsfähig angesehenen Patentanspruch
16 auf den nicht verteidigten Patentanspruch 12 lehrt eine Ankerwickelmaschi-
ne, die aufweist:
(1.)
Einrichtungen zum Wickeln
einen mit Nuten versehenen Ankerkern,
(2.)
Kernhalteeinrichtung
Position anordnet, in der die Drahtwicklungen von der
Wickeleinrichtung aufgenommen werden,
(3.)
Umhüllungseinrichtung
die gewünschten Nuten in dem Ankerkern,
(4.)
Trageinrichtung
richtung in der Nähe des Ankerkerns und
(5.)
Einrichtung zum
Umhüllungseinrichtung (und) an der Trageinrichtung,
- 14 -
(5.1)
wodurch die Umhüllungseinrichtung als eine Einheit von
der Trageinrichtung abgenommen werden kann,
(5.2a)
mit (einer) zusammenarbeitenden Einrichtung(en) an der
Umhüllungseinrichtung und der Trageinrichtung
(5.2a.1)
zum Anbringen der Umhüllungseinrichtung in ihrer Be-
triebsposition
(5.2a.2)
und einen Kopf umfaßt
(5.2a.2.1) mit einer nach außen gerichteten Flanscheinrichtung
(5.2a.3)
und eine Ausnehmung zur Aufnahme des Kopfs und der
Flanscheinrichtung hat, und
(5.3)
eine lösbare Sperreinrichtung aufweist, durch die die zu-
sammenarbeitenden Einrichtungen in einer Sperrstellung
gehalten werden,
(5.3.1)
die in Eingriff mit dem Kopf und der Flanscheinrichtung
gebracht werden kann, um die Umhüllungseinrichtung im
Sperreingriff mit der Trageinrichtung zu halten,
(5.3.2)
in eine Lösestellung bewegbar ist, in der die Umhül-
lungseinrichtung von der Trageinrichtung abgenommen
werden kann,
(5.3.3)
in Form eines Sperrbolzens oder einer Sperrklaue.
c) Die Vorrichtungen nach den beiden verteidigten Patentansprüchen
stimmen mithin in den Merkmalen 1, 2 und 4 sowie teilweise in den Merkmals-
gruppen 3 und 5 überein; sie unterscheiden sich dabei hinsichtlich der Merk-
male 3.1 und 3.2, 5.2 und 5.2.1, die nur bei der Vorrichtung nach dem vertei-
digten Patentanspruch 13 vorhanden sind, und 5.2a, 5.2a.1, 5.2a.2, 5.2a.2.1,
5.2a.3, 5.3, 5.3.1, 5.3.2 und 5.3.3, die nur bei der Vorrichtung nach dem vertei-
digten Patentanspruch 17 vorgesehen sind.
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4. a) Bei solchen Ankerwickelmaschinen werden Drahtwindungen auf
dem mit Nuten versehenen Ankerkern aufgewickelt; wie dies geschieht, ist in
der Beschreibung des Streitpatents beispielhaft beschrieben (Sp. 3 Z. 63 - Sp. 4
Z. 65). Die Ankerkerne müssen dabei nach dem Aufwickeln des Drahts von der
Maschine abgenommen und durch einen neuen, zu umwickelnden Ankerkern
ersetzt werden. Die mit der Nichtigkeitsklage angegriffenen Patentansprüche
betreffen Maßnahmen, die sich auf den Austausch der Ankerkerne beziehen,
und setzen hierbei eine besondere Ausgestaltung der Ankerwickelmaschine nur
insoweit voraus, als dies in den Merkmalen dieser Patentansprüche zum Aus-
druck kommt. Dies sehen auch die Parteien und der gerichtliche Sachverstän-
dige nicht anders.
b) Die in den angegriffenen Patentansprüchen vorgesehene lösbare
Sperreinrichtung (Bezugszeichen 59) ist in der Beschreibung des Streitpatents
(Sp. 5 Z. 42 - Sp. 6 Z. 20) behandelt. Diese Beschreibung füllt jedoch den all-
gemeiner gehaltenen Umfang der angegriffenen Patentansprüche nicht aus,
sondern erläutert die Erfindung in Form eines Ausführungsbeispiels, auf das
sich der durch das Streitpatent begründete Schutz nicht beschränkt. Die
Sperreinrichtung (im maßgeblichen englischen Text "Lock means") hat nach
diesem Ausführungsbeispiel einen Körper (61), der mit Bolzen (62) am Körper
(38) befestigt ist. Der untere Teil des Körpers (61) hat ein Durchgangsloch (63),
das einen länglichen Sperrbolzen (64) aufnimmt. Das innere Ende (66) des
Sperrbolzens (64) ist nach oben und außen verjüngt; die Verjüngung nimmt den
unteren Teil des Kopfs (52) auf, wodurch der Kopf (52) im Eingriff mit dem ge-
krümmten Ende (58) der Nut (53) gehalten wird. Der Sperrbolzen (64) wird
durch ein Loch in den Körper (38) gleitend eingebracht, so daß er in die Nut
(53) reicht. Ein Hebel (68) ist drehbar auf einem Drehzapfen (69) montiert, der
durch Löcher im Körper (61) hindurchreicht. Das untere Ende des Hebels (68)
hat einen nach unten zeigenden Finger (71), der in eine Nut (72) des Sperrbol-
zens (64) reicht. Der Hebel (68) drückt den Sperrbolzen (64) in eine Lösestel-
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lung, wenn er in Pfeilrichtung (73) bewegt wird. In seine Sperrstellung wird der
Sperrbolzen (64) über den Hebel (68) durch ein Federpaar (74, 76) gedrückt.
Fig. 6 der Zeichnungen des Streitpatents zeigt dies (vergrößert):
II. Es kann dahinstehen, ob die angegriffenen Patentansprüche in ihren
verteidigten Fassungen durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt sind und
ob die in ihnen unter Schutz gestellte technische Lehre ausführbar ist. Denn
jedenfalls ist diese Lehre gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig.
Dabei stimmen die in erster Linie verteidigten Patentansprüche 13 und 17 in
ihrem für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit maßgeblichen technischen
Gehalt überein, weshalb sich eine getrennte Behandlung erübrigt. Dies sehen
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auch die Parteien, der gerichtliche Sachverständige und der Parteigutachter
nicht anders.
1. Der Gegenstand der verteidigten Patentansprüche 13 und 17 ist neu,
was auch die Berufungsklägerin im Berufungsverfahren nicht mehr ernsthaft in
Abrede gestellt hat.
2. Für den Fachmann, einen Maschinenbauingenieur mit Fachhoch-
schulausbildung, der über mehrjährige Berufserfahrung und Kenntnisse auf
dem Gebiet des Werkzeugmaschinenbaus verfügt, bedurfte es keines erfinderi-
schen Zutuns, um zum Gegenstand der im Berufungsverfahren in erster Linie
verteidigten Patentansprüche zu gelangen (Art. 52 Abs. 1, 56 EPÜ). Dies führt
auch insoweit zur Nichtigerklärung des Streitpatents (Art. 138 Abs. 1 Buchst. a
EPÜ, Art. II § 8 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG).
Als nächstkommenden Stand der Technik sieht der Senat dabei in Über-
einstimmung mit der Berufungsklägerin, der beklagten Patentinhaberin, dem
gerichtlichen Sachverständigen und dem Parteigutachter die US-Patentschrift
3,892,366 (Ott) an. Die Entgegenhaltung betrifft Drahtführungselemente für eine
Ankerwickelmaschine. Die nachstehend wiedergegebenen Figuren 4 und 5 zei-
gen eine Ansicht eines Wickelelements sowie eine Draufsicht, wobei jeweils
Teile im Schnitt gezeigt werden:
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Die Vorrichtung weist eine Einrichtung (flügelartige Arme, "flyer" 40,
Sp. 3 Z. 36 ff.) zum Wickeln von Drahtwindungen auf einen mit Nuten versehe-
nen Ankerkern (Merkmal 1), eine Kernhalteeinrichtung (Merkmal 2), eine Um-
hüllungseinrichtung (Wickelführungselemente, "winding guide forms" 60, 62;
Sp. 3 Z. 47 f.; Merkmal 3) zum Führen des Drahts (44) in die gewünschten Nu-
ten des Ankerkerns und eine Trageinrichtung ("extension", 50, "bearing", 52;
Sp. 3. Z. 44 ff.; Merkmal 5), die die Umhüllungseinrichtung in der Nähe des An-
kerkerns hält, auf; sie sieht weiter eine Einrichtung zum Anbringen der Umhül-
lungseinrichtung an der Trageinrichtung vor (Sp. 3. Z. 44 ff.; Sp. 5 Z. 55 ff.). Die
übrigen Merkmale der verteidigten Patentansprüche 13 und 17, sind, wie der
gerichtliche Sachverständige angegeben hat, zwar nicht identisch, aber doch in
ihrer Funktion verwirklicht. So entsprechen dem Kopf und der Flanscheinrich-
tung (Merkmale 5.2, 5.2.1 beim verteidigten Patentanspruch 13, Merkmale
5.2a.2, 5.2a.2.1 beim verteidigten Patentanspruch 17) die Bezugszeichen 50,
52 und der Flanscheinrichtung das Bezugszeichen 54. Der lösbaren Sperrein-
richtung (Merkmale 3.2 bzw. 5.3) entsprechen in ihrer Funktion, wie das Bun-
despatentgericht festgestellt und der gerichtliche Sachverständige überzeugend
bestätigt hat, die Schrauben 56 der Entgegenhaltung. Die Lösbarkeit ergibt sich
schließlich aus der Beschreibung (Sp. 5 Z. 55 ff.). Die Gewindeschrauben (56)
erfüllen die Funktionen einer Sperreinrichtung, was das Bundespatentgericht
zutreffend gesehen hat. Was schließlich die bei dem verteidigten Patentan-
spruch 12 gegenüber dem Stand der Technik unterschiedliche Anordnung der
Ausnehmung zur Aufnahme des Kopfs und der Flanscheinrichtung an der Um-
hüllungseinrichtung (Merkmal 3.1) betrifft, hat das Bundespatentgericht zutref-
fend ausgeführt, daß hierin eine erfinderische Leistung nicht zu sehen ist; der
gerichtliche Sachverständige wie der Privatgutachter beurteilen dies ersichtlich
nicht anders. Der Senat tritt insoweit der Beurteilung durch das Bundespatent-
gericht bei.
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Allerdings unterscheiden sich die Vorrichtungen nach den verteidigten
Patentansprüchen 13 und 17 in der Ausgestaltung der Sperreinrichtung von der
Entgegenhaltung. Hierin hat das Bundespatentgericht einen erfinderischen
Überschuß gesehen, weil die Ausbildung der Sperreinrichtung in Form eines
Sperrbolzens oder einer Sperrklaue weder aus dem Stand der Technik bekannt
gewesen sei noch der Fachmann unter Einsatz seines Fachwissens auf sie auf
Grund des Standes der Technik habe kommen können. Zwar seien Bolzen und
Klauen dem Fachmann aus den Grundlagen der Maschinenelementelehre be-
kannt. Auf Grund der beim Betrieb von Ankerwickelmaschinen auftretenden
Mikroschwingungen sei der Fachmann jedoch davon abgehalten worden, die
bei der US-Patentschrift 3,892,366 vorgesehenen Schrauben durch Bolzen zu
ersetzen, mit denen - anders als durch Schrauben - eine zur Erreichung einer
rüttelfesten Verbindung erforderliche Vorspannkraft nicht zu erzielen sei. Auch
der sonst genannte Stand der Technik offenbare keine lösbare Sperrvorrichtung
mit einem Sperrbolzen oder einer Sperrklaue.
Die Berufungsklägerin meint demgegenüber, die Verwendung eines aus
den Grundlagen der Maschinenelementelehre allgemein bekannten Bauteils
entsprechend seiner Zweckbestimmung könne für sich allein auch unter den
vom Bundespatentgericht gesehenen besonderen Umständen eine erfinderi-
sche Leistung nicht begründen. Auch erreichten etwa auftretende Mikroschwin-
gungen beim Betrieb von Ankerwickelmaschinen kein solches Ausmaß, daß der
Fachmann befürchten müsse, Sperrbolzen oder Sperrklauen könnten sich lok-
kern. Zudem umfasse der übergeordnete Begriff "Sperrbolzen" auch Sperr-
schrauben und sei deshalb zu Abgrenzung vom Stand der Technik nicht geeig-
net. Schließlich werde auch bei Sperrbolzen und Sperrklauen ein Festhalten
solange wie erforderlich regelmäßig mit dem Fachmann bekannten zusätzlichen
Maßnahmen (Federvorbelastung, selbsthemmendes Schraubgewinde, Konter-
mutter, Sicherungsstift oder Einrasten) sichergestellt; den Einsatz ungesicherter
Sperrbolzen offenbare das Streitpatent in keinem Ausführungsbeispiel.
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Demgegenüber verweist die beklagte Patentinhaberin auf die Andersar-
tigkeit der Anordnung insbesondere nach dem verteidigten Patentanspruch 17.
Sie sieht eine erfinderische Leistung nicht nur in der Ausgestaltung der
Sperreinrichtung als Sperrbolzen oder Sperrklaue, sondern auch in der Zu-
sammenschau dieser Ausgestaltung mit der Art und Weise, wie die Sperrein-
richtung mit den anderen Vorrichtungsteilen in Eingriff gebracht werden kann.
Der Senat ist auf Grund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung
davon überzeugt, daß sich die Ausgestaltungen, für die in den angegriffenen
Patentansprüchen in ihrer in erster Linie verteidigten Fassung Schutz bean-
sprucht wird, für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der
Technik ergaben. Der hier verhältnismäßig hoch qualifizierte und über erhebli-
che praktische Erfahrung verfügende Fachmann erkannte, daß bei der Vor-
richtung nach der US-Patentschrift 3,892,366 (Ott) die Montage und Demonta-
ge der Umhüllungseinrichtung schwierig und aufwendig ist. Wie das sachkundig
besetzte Bundespatentgericht zutreffend festgestellt hat, muß eine Bedie-
nungsperson, um dort die Schrauben 56 eindrehen zu können, die anzubrin-
gende Umhüllungseinrichtung nicht nur bezüglich des Kopfs koaxial an die
Flanschverbindung halten, sondern auch in einer bestimmten Drehlage, damit
die Löcher in der Flanscheinrichtung den jeweiligen Gewindelöchern gegenü-
berstehen; der gerichtliche Sachverständige hat dies in der mündlichen Ver-
handlung bestätigt. Der Fachmann konnte, wollte er dies vereinfachen, auf
Grund seines Fachwissens und Fachkönnens hier Abhilfe schaffen, indem er
die koaxiale Lage dadurch vorläufig sicherstellte, daß er ein Teil in das andere
zunächst formschlüssig eingreifen ließ; dazu bot sich ein Auflegen des anzu-
bringenden Teils zunächst - wie das Bundespatentgericht plastisch ausgeführt
hat - wie bei einem Räderwechsel bei einem Fahrzeug an, wodurch eine Zen-
trierung und Ausrichtung, allerdings bei zunächst verbleibender axialer Ver-
schiebbarkeit erreicht werden konnte. Daß auch diese Verschiebbarkeit besei-
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tigt werden mußte, erkannte der Fachmann ohne weiteres, weil die Vorrichtung
andernfalls ihre Funktion nicht mit hinreichender Genauigkeit erfüllt hätte. Es
bereitete ihm auch keine Schwierigkeiten, gegen die Verschiebbarkeit Abhilfe
zu schaffen; dies hat der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Ver-
handlung bestätigt.
War es für den Fachmann somit naheliegend, von der schwer zu hand-
habenden Schraubverbindung der US-Patentschrift 3,892,366 (Ott) abzugehen,
standen ihm vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung, die Verbindung auf andere
Weise vorzunehmen. Hierzu standen ihm Möglichkeiten einer axialen wie einer
radialen Einführung des zu befestigenden Teils zur Verfügung, wobei der ge-
richtliche Sachverständige eine gewisse Präferenz für eine radiale Einführung
gesehen, aber auch axiale Verbindungen, etwa in Form eines Bajonettver-
schlusses, als naheliegend bezeichnet hat. Da die Verbindung entsprechend
ihrer Bestimmung für ein wiederholtes Auswechseln leicht lösbar gestaltet wer-
den mußte, kamen andererseits solche Lösungen von vornherein als ungeeig-
net nicht in Betracht, bei denen die Verbindung nicht leicht lösbar ist, wie das
Einbringen eines Bolzens mit Preßpassung. Dies führte den Fachmann ohne
weiteres zu der Überlegung, an die Stelle der Verschraubung eine leicht lösbare
Bolzenverbindung zu setzen. Damit war zunächst eine Verbindung der Teile
erreicht, aber noch nicht die Sicherung dieser Verbindung, zu der insbesondere
wegen der vom Bundespatentgericht angesprochenen Gefahr des Auswan-
derns des Bolzens infolge möglicherweise auftretender Mikroschwingungen
Anlaß bestand.
Auch diese Schwierigkeit war indessen für den praktisch erfahrenen
Fachmann erkennbar und für ihn aus dem ihm geläufigen Formenschatz lösbar.
Der gerichtliche Sachverständige hat dazu in der mündlichen Verhandlung
überzeugend ausgeführt, daß der Fachmann viele mögliche Lösungen sehen
und bewerten werde; dabei erkenne er, daß ein einfacher Bolzen untauglich sei,
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er werde aber ohne weiteres etwa auf die ihm geläufigen Exzenterbolzen, die
das Problem der Mikroschwingungen beseitigten, zurückgreifen.
Damit war für den Fachmann aber die Lösung der in erster Linie vertei-
digten Patentansprüche, die nicht auf die Ausbildung beschränkt sind, wie sie
das Ausführungsbeispiel des Streitpatents beschreibt, sondern jede Art von
Sperrbolzen und Sperrklaue, mit oder ohne zusätzliche Sicherungsmaßnahme,
einschließen, nahegelegt. Diese erforderte zwar eine Mehrzahl von gedankli-
chen Schritten, die aber jeder einzeln und insgesamt die Fähigkeiten des
Fachmanns nicht überschritten, wie der gerichtliche Sachverständige überzeu-
gend bestätigt hat, und deshalb eine erfinderische Leistung nicht begründen
können.
III. Patentanspruch 13 in seiner in erster Linie hilfsweise verteidigten
Fassung enthält zusätzliche Angaben darüber, wie die verschiedenen Verbin-
dungselemente an der Vorrichtung angebracht sind, nämlich an der Tragein-
richtung, der Umhüllungseinrichtung und an (funktional beschriebenen) zu-
sammenarbeitenden Einrichtungen. Soweit, was zweifelhaft erscheint, aber ei-
ner abschließenden Klärung nicht bedarf, diese Merkmalskombination durch die
ursprüngliche Offenbarung und insbesondere durch das erteilte Patent gedeckt
sein sollte, ergibt sich hieraus keine andere Beurteilung der erfinderischen Tä-
tigkeit als bei den in erster Linie verteidigten angegriffenen Patentansprüchen,
weil der Fachmann die konkrete Anordnung den gegebenen Verhältnissen ent-
sprechend vorsehen und vornehmen wird.
IV. Die weiteren hilfsweise verteidigten Patentansprüche, bei denen der
Begriff "Ausnehmung" durch den Begriff "Nut" oder den Begriff "T-förmige Nut"
ersetzt worden ist und auch der Kopf T-förmig ausgebildet sein soll, rechtferti-
gen ebenfalls kein anderes Ergebnis. Zwar wird hierdurch der Schutzgegen-
stand auf solche Ausführungen eingeschränkt, bei denen sinnvollerweise nur
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ein radiales Einführen des Kopfs zur Verbindung in Betracht kommt, der ge-
richtliche Sachverständige hat ein radiales Einführen aber als geläufige Maß-
nahme angesehen; der Senat tritt ihm hierin bei. Für ein radiales Einführen lag
aber eine dem Maschinenbauer geläufige T-förmige Ausnehmung nahe; erst
recht bot es sich in diesem Fall an, den Kopf entsprechend zu gestalten. Auch
die Zusammenschau dieser einfachen Maßnahme mit den anderen rechtfertigt
kein anderes Ergebnis.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 91
ZPO. Der Senat hatte die Kostenentscheidung entsprechend dem Ergebnis des
zweitinstanzlichen Verfahrens auch hinsichtlich der am Berufungsverfahren
nicht mehr beteiligten Klägerin zu 2 abzuändern; hieran ist er durch die Nicht-
anfechtung des erstinstanzlichen Urteils durch diese Klägerin nicht gehindert
(vgl. Sen.Urt. v. 23.9.1997 - X ZR 64/96, GRUR 1998, 138, 139 - Staubfilter).
Die nur einen Teil der Prozeßparteien betreffende Rechtskraft der materiellen
Entscheidung soll nämlich die im Ergebnis richtige Kostenverteilung zwischen
allen Beteiligten nicht hindern, selbst wenn einer der Prozeßbeteiligten infolge
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der materiellen Rechtskraft der für oder gegen ihn ergangenen Entscheidung
bereits aus dem Prozeß ausgeschieden ist (BGH, Urt. v. 14.7.1981
- VI ZR 35/79, MDR 1981, 928; vgl. Zöller/Herget, ZPO 23. Aufl. § 100 Rdn. 8;
Musielak/Wolst ZPO 3. Aufl. § 97 Rdn. 5).
Melullis
Jestaedt
Scharen
Keukenschrijver
Asendorf
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X ZR 121/99
vom
4. Dezember 2002
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Dezember 2002
durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Prof. Dr. Jestaedt,
Scharen, Keukenschrijver und Asendorf
beschlossen:
Die Entscheidungsformel des Urteils vom 19. November 2002
wird wegen offenbarer Unrichtigkeit dahin berichtigt, daß in ihrem
Absatz 2 das Wort "unmittelbar" entfällt.
Melullis
Jestaedt
Scharen
Keukenschrijver
Asendorf