Urteil des BGH vom 16.12.2004

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 72/04
Verkündet am:
16. Dezember 2004
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
VermG § 3 Abs. 3
Zur Inanspruchnahme des Verfügungsberechtigten auf Schadensersatz
durch den Restitutionsberechtigten wegen unterlassener Maßnahmen
zur Sicherung des Vermögenswerts.
BGH, Urteil vom 16. Dezember 2004 - III ZR 72/04 - Brandenburgisches OLG
LG Neuruppin
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die
Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 11. Zivilsenats
des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 18. Dezember
2003 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß Zahlung an die
Klägerin zu leisten und diese Begünstigte der getroffenen Fest-
stellung ist.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin und ihr im Revisionsverfahren verstorbener, von ihr allein
beerbter Ehemann - der frühere Kläger zu 2 - waren Eigentümer eines mit ei-
nem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks in B. in der DDR. Nach-
dem die Klägerin im Jahr 1988 die DDR verlassen hatte, wurde für ihren Anteil
der VEB Gebäudewirtschaft H. zum Treuhänder bestimmt. Ihr
Ehemann und zwei gemeinsame Söhne wurden im Mai 1989 ausgebürgert und
aus der DDR abgeschoben. Kurz zuvor hatte der Ehemann dem VEB eine Voll-
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macht zur "schenkweisen Verfügung über seinen Grundstücksanteil" erteilt.
Der VEB veräußerte das Grundstück am 2. November 1989 an den Rat der
Gemeinde B. , wobei der Grundstücksanteil des Ehemannes geschenkt
wurde. Am 12. April 1990 wurde im Grundbuch Eigentum des Volkes und der
Rat der Gemeinde als Rechtsträger eingetragen. Auf den Antrag der Klägerin
und ihres Ehemannes vom 11. Juni 1990 wurde ihnen das Grundstück mit Be-
scheid des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 7. April 1993
zurückübertragen. Ihren unter anderem auf einen Wertausgleich zielenden Wi-
derspruch wies das Landesamt durch bestandskräftig gewordenen Bescheid
vom 13. März 1996 zurück. Das Grundstück wurde der Klägerin und ihrem Ehe-
mann am 10. Juli 1996 von der beklagten Gemeinde zurückgegeben.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten, die sie für den schlechten Zu-
stand des Gebäudes - seit Mitte 1993 war im Keller stehendes Wasser nicht
mehr abgepumpt worden - verantwortlich macht, Schadensersatz. Das Landge-
richt hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im übrigen zur Zahlung von
307.000 DM (= 156.966,61 €) nebst Zinsen verurteilt und die Pflicht der Be-
klagten festgestellt, der Klägerin und ihrem Ehemann den weiteren, nach dem
31. März 2001 entstehenden Schaden zu ersetzen, soweit er auf dem von der
Beklagten zu vertretenden Wasserschaden beruht. Das Berufungsgericht hat
auf die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung, mit der weiterer
Mietausfallschaden bis zum 30. September 2003 geltend gemacht wurde, die
Verurteilungssumme auf 150.064,32 € herabgesetzt und die begehrte Feststel-
lung für die Zeit nach dem 30. September 2003 getroffen. Mit der vom Beru-
fungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabwei-
sungsantrag weiter.
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Entscheidungsgründe
I.
Die Revision ist nur insoweit zulässig, als es um den Grund des Klage-
anspruchs geht.
Zwar hat das Berufungsgericht im Tenor seiner Entscheidung die Revi-
sion zugelassen, ohne dort ausdrücklich eine Einschränkung der Zulassung zu
vermerken. Es entspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs, daß sich eine wirksame Beschränkung der Zulassung auch aus der
Begründung ergeben kann, die in dem Urteil für die Zulassung gegeben wird
(vgl. Senatsurteil vom 9. März 2000 - III ZR 356/98 - NJW 2000, 1794, 1796
m.w.N. - insoweit in BGHZ 144, 59 nicht abgedruckt; zum neuen Revisions-
recht Senatsurteil vom 27. Mai 2004 - III ZR 433/02 - ZfIR 2004, 647). Dies ist
hier der Fall. Das Berufungsgericht hat eine höchstrichterliche Klärung der
Frage herbeiführen wollen, ob der Klageanspruch dem Grunde nach auf eine
positive Forderungsverletzung unter dem Gesichtspunkt einer Schlechterfül-
lung der sogenannten Notgeschäftsführung im Rahmen des § 3 Abs. 3 Satz 3
VermG gestützt werden kann. Die Frage bezieht sich damit auf einen rechtli-
chen Ausschnitt des Streitgegenstands, über den das Berufungsgericht durch
ein Zwischenurteil über den Grund nach § 304 ZPO hätte entscheiden können
(vgl. BGH, Urteile vom 30. Juni 1982 - VIII ZR 259/81 - NJW 1982, 2380 f; vom
8. Dezember 1998 - VI ZR 66/98 - NJW 1999, 500). Zum Grund des Anspruchs
gehören auch die Pflichtenlage nach Einlegung des Widerspruchs und der
hierauf gegründete Einwand eines Mitverschuldens der Restitutionsberechtig-
ten.
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II.
Soweit die Revision zulässig ist, erweist sie sich als unbegründet.
1.
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die in § 3 Abs. 3 Satz 1
VermG geregelte Verpflichtung des Verfügungsberechtigten, nach Stellung ei-
nes Restitutionsantrags den Abschluß dinglicher Rechtsgeschäfte oder die Ein-
gehung langfristiger vertraglicher Verpflichtungen zu unterlassen, den Berech-
tigten vor Eingriffen in die Substanz des Vermögenswerts weitestgehend schüt-
zen soll. Dem Verfügungsberechtigten werde - im Sinne dieser Zielsetzung -
gestattet, Maßnahmen vorzunehmen, die zur Erhaltung des Vermögenswerts
erforderlich seien (§ 3 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b VermG). Es sei aber nicht zu
übersehen, daß ein Vermögenswert auch durch ein Untätigbleiben des Verfü-
gungsberechtigten nachhaltig beeinträchtigt werden könne, was der in § 3
Abs. 3 VermG zum Ausdruck gekommenen Zielsetzung widerspräche. Unter
diesen Umständen liege es nahe, dem Verfügungsberechtigten in einem ge-
wissen Umfang Handlungspflichten aufzuerlegen, um den Berechtigten vor ei-
nem Substanzverlust des Restitutionsgegenstandes zu bewahren. Die Pflicht
reiche allerdings nicht ebenso weit, wie dem Verfügungsberechtigten eine Aus-
nahme vom Unterlassungsgebot gestattet sei. Hier seien durch Vandalismus
Innenausbauten und Fenster zerstört worden und Schäden durch eingedrun-
genes Regenwasser und durch aus der Installation auslaufendes Wasser ent-
standen; wegen einer nicht mehr funktionsfähigen Drainrinne und einer nicht
mehr vorhandenen Tauchpumpe sei durch das nicht dicht schließende Gara-
gentor Oberflächenwasser in den Keller eingedrungen, das seit Mitte 1993 von
der Beklagten nicht mehr abgepumpt worden sei, und im bemerkenswert kalten
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Winter 1995/96 seien die wassergefüllten Gußheizkörper aufgefroren und
Wasserleitungen undicht geworden. Betrachte man dieses Schadensbild, so
ergebe sich, daß die Beklagte ihre Pflichten nicht hinreichend erfüllt habe. Ins-
besondere die Schädigung des Kellermauerwerks beruhe auf dem der Beklag-
ten vorzuwerfenden Unterlassen des Abpumpens eingedrungenen Wassers.
Der Klägerin und ihrem Ehemann könne es auch nicht als Mitverschulden an-
gerechnet werden, daß sie im April 1993 gegen den sie begünstigenden Resti-
tutionsbescheid Widerspruch eingelegt hätten und die Rückgabe des Grund-
stücks um etwa drei Jahre verzögert worden sei.
2.
Diese Beurteilung hält den Rügen der Revision im Ergebnis stand.
a) Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß das in
§ 3 Abs. 3 Satz 1 VermG geregelte Unterlassungsgebot dem Zweck dient, ei-
nem Erlöschen des Rückübertragungsanspruchs durch Verfügungen über den
Vermögenswert vorzubeugen und eine Aushöhlung der künftigen Rechtsstel-
lung des Berechtigten zu verhindern (vgl. Senatsurteile BGHZ 136, 57, 61; vom
17. Mai 2001 - III ZR 283/00 - VIZ 2001, 441, 442; vom 17. Juni 2004 - III ZR
335/03 - VIZ 2004, 452, 454). Von dem Unterlassungsgebot werden in § 3
Abs. 3 Satz 2, 3, 5 VermG Ausnahmen für verschiedene Fallgestaltungen ge-
macht, in denen den Belangen des Berechtigten in unterschiedlicher, der jewei-
ligen Maßnahme angepaßter Weise Rechnung getragen wird (vgl. Senatsurteil
vom 17. Mai 2001 aaO). Werden mit den Ausnahmen vom Unterlassungsgebot
vornehmlich Befugnisse angesprochen, die dem Verfügungsberechtigten als
Eigentümer trotz des Vorliegens eines Restitutionsantrags zustehen, ergeben
sich für ihn - etwa im Bereich des § 3 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a VermG - aber
auch Handlungspflichten, wenn z.B. die Verkehrssicherungspflicht die Behe-
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bung eines eingetretenen Schadens fordert oder ein Modernisierungs- und In-
standsetzungsgebot nach § 177 BauGB zu befolgen ist. Auch den Bestimmun-
gen des § 3 Abs. 3 Satz 7 und 9 VermG sind für den Bereich der Unterneh-
mensrestitution Pflichten des Verfügungsberechtigten zu entnehmen, für einen
gewissen Zeitraum ein Insolvenzverfahren abzuwenden. Allgemein hat der Ver-
fügungsberechtigte die Geschäfte, zu denen auch Maßnahmen tatsächlicher
Art hinzuzurechnen sind, nach § 3 Abs. 3 Satz 6 VermG so zu führen, wie das
Interesse des Berechtigten mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßli-
chen Willen es erfordert. Daß sich der Verfügungsberechtigte bei einer Verlet-
zung dieser Pflichten schadensersatzpflichtig machen kann, hat der Bundesge-
richtshof schon in verschiedenen Zusammenhängen ausgesprochen (vgl. Urtei-
le vom 14. Dezember 2001 - V ZR 493/99 - VIZ 2002, 214; vom 28. Juni 2002
- V ZR 165/01 - VIZ 2002, 622, 623; Senatsurteil BGHZ 150, 237, 243).
b) Durch die Stellung eines Restitutionsantrags entsteht zwischen dem
Berechtigten und dem Verfügungsberechtigten eine gesetzliche Sonderbe-
ziehung, die vor allem die Rechtsstellung des Letzteren, entsprechend dem
Grundsatz des § 903 Satz 1 BGB mit dem Vermögenswert nach Belieben zu
verfahren, beschränkt. Der Bundesgerichtshof hat diese Beziehung, insbeson-
dere im Hinblick auf die Bestimmung des § 3 Abs. 3 Satz 6 VermG, dahin be-
schrieben, sie trage Züge einer gesetzlichen Treuhand (vgl. BGHZ 128, 210,
211; Urteile vom 14. Dezember 2001 aaO; vom 28. Juni 2002 aaO; Senatsur-
teile BGHZ 136, 57, 62; 137, 183, 186; vom 19. März 1998 - III ZR 145/97 - VIZ
1998, 323; BGHZ 143, 18, 29; vom 17. Juni 2004 aaO). Die gesetzliche Son-
derbeziehung ist jedoch nicht umfassend als Treuhandverhältnis, etwa im Sin-
ne des Auftragsrechts, ausgebildet, sondern nur in einzelnen, vom Gesetz her-
vorgehobenen Fällen. Der Bundesgerichtshof hat daher auch immer den Un-
terschied zu den Fällen staatlicher Verwaltung betont. Dem staatlichen Verwal-
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schied zu den Fällen staatlicher Verwaltung betont. Dem staatlichen Verwalter
ist durch das Vermögensgesetz eine echte Treuhänderstellung zugewiesen
worden (vgl. Senatsurteil BGHZ 140, 355, 363), die ihm die Sicherung und ord-
nungsgemäße Verwaltung des Vermögenswerts aufgibt (§ 15 Abs. 1 VermG).
Dem entspricht es, daß ihm auch ein allgemeiner Aufwendungsersatzanspruch
entsprechend § 670 BGB zusteht, den der Verfügungsberechtigte, dem der
Vermögenswert bis zur Bestandskraft des Restitutionsbescheids zugeordnet
ist, gerade nicht hat (vgl. Senatsurteile BGHZ 137, 183, 187; 143, 18, 29) und
dem damit nicht die Rechtsstellung eines Beauftragten zugemessen werden
kann (vgl. Senatsurteil BGHZ 150, 237, 247 f). Mit dieser im Vermögensgesetz
vorgenommenen Ausgestaltung des Restitutionsverhältnisses einerseits und
des Verwalterverhältnisses andererseits stünde es nicht in Einklang, wenn man
die dem Verfügungsberechtigten als Ausnahme vom Unterlassungsgebot in § 3
Abs. 3 Satz 2, 3 , 5 VermG gegebenen Befugnisse ohne weiteres in entspre-
chende Handlungspflichten verwandeln wollte, denen er im Interesse des Be-
rechtigten nachkommen müßte. So weit geht auch die nach § 3 Abs. 3 Satz 6
Halbs. 2 VermG entsprechend anwendbare Vorschrift des § 678 BGB nicht, die
die Haftung an die Übernahme eines mit dem wirklichen oder mutmaßlichen
Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch stehenden Geschäfts knüpft, also
nicht von einer gesetzlichen Pflicht zur Führung des Geschäfts ausgeht.
c) Dies schließt aber nicht aus, der gesetzlichen Sonderbeziehung in
Anlehnung an das Unterlassungsgebot und seine Ausnahmen bestimmte
Handlungspflichten des Verfügungsberechtigten zu entnehmen. Die Befugnis
des Eigentümers, mit seiner Sache nach Belieben zu verfahren (§ 903 Satz 1
BGB), erfährt nämlich durch das Unterlassungsgebot des § 3 Abs. 3 Satz 1
VermG eine wichtige Einschränkung, die von dem Gedanken getragen ist, die
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Rechtsstellung des Berechtigten nicht auszuhöhlen und ihn vor einem Verlust
seines Vermögenswerts zu bewahren. Welche Anforderungen sich hieraus für
den Verfügungsberechtigten im einzelnen ergeben können, wird im Schrifttum
und in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt (vgl. etwa Säcker/Busche,
in: Säcker, Vermögensrecht, 1995, § 3 VermG Rn. 182, 192 in bezug auf Maß-
nahmen nach § 3 Abs. 3 Satz 2, 7, 9 VermG; Rapp, in: Kimme, Offene Vermö-
gensfragen, Stand November 1996, § 3 VermG Rn. 87 f bei der Gefahr einer
erheblichen nachteiligen Veränderung des Vermögensgegenstands; ähnlich
wohl Wasmuth, in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehema-
ligen DDR, Stand Januar 2004, § 3 VermG Rn. 380-380c; weitergehend Kinne,
in Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, Stand
Oktober 1997, § 3 VermG Rn. 85; Horn, Das Zivil- und Wirtschaftsrecht im neu-
en Bundesgebiet, 2. Aufl. 1993 § 13 Rn. 183; ablehnend Redeker/Hirtschulz/
Tank, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, Stand Januar 2004,
§ 3 VermG Rn. 243 f; allgemein zu diesem Thema Gohrke/Schmidt, VIZ 2003,
153; aus der Rechtsprechung OLG Naumburg VIZ 2000, 550, 551 f - Erhaltung
des Vermögenswerts in seiner Substanz -). Angesichts der konkreten Ausge-
staltung des Unterlassungsgebots und seiner Ausnahmen sind an die Annah-
me einer allein dem Unterlassungsgebot entnommenen "ungeschriebenen"
Handlungspflicht strenge Anforderungen zu stellen. So kann sich etwa aus dem
Unterlassungsgebot für den Verfügungsberechtigten die Pflicht ergeben, im
Rahmen des für ihn Zumutbaren Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, bei de-
ren Unterbleiben der Berechtigte den ernsten Verlust oder eine erhebliche Be-
einträchtigung des Vermögenswertes besorgen müßte. Wie die Grenzen im
Einzelfall zu ziehen sind - häufig wird gar nicht die Alternative zwischen einer
gebotenen oder für den Vermögenswert erforderlichen Maßnahme und ihrem
völligen Unterlassen in Rede stehen, sondern nur der Umfang einer im Grunde
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nicht streitigen Pflicht zur Erhaltung des Vermögenswerts -, hat der Tatrichter
unter Beachtung der in § 3 Abs. 3 VermG ausformulierten Maßstäbe und des
Sinns des Unterlassungsgebots zu entscheiden.
d) Gemessen hieran ist es nicht zu beanstanden, daß das Berufungsge-
richt der Beklagten vorgeworfen hat, jedenfalls seit Mitte 1993 das Abpumpen
in das Haus eindringenden Wassers unterlassen zu haben. Das Haus war seit
Juli 1990 unbewohnt. Wie ein Schreiben der Beklagten vom 10. Oktober 1991
an das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen belegt, sah die Beklagte
bereits zu diesem Zeitpunkt die Bausubstanz durch ständigen Eintritt von
Grundwasser in den Keller als gefährdet an. Zu einem nicht näher festgestell-
ten Zeitpunkt sind durch Vandalismus erhebliche Schäden, vor allem im Inne-
ren des Hauses, entstanden. Unter anderem sind die Dachfenster eingeschla-
gen worden, so daß Niederschlagswasser in das Haus eindringen konnte. Eine
Tauchpumpe, die über die Garagenzufahrt in den Keller fließendes Wasser
aus einer Drainrinne abführen sollte, ist entwendet worden. Der Beklagten war
bekannt, daß aus diesen Gründen in das Kellergeschoß immer wieder Nieder-
schlagswasser eindringen konnte, das - sollten bleibende Schäden vermieden
werden - abgepumpt werden mußte. Daran ändert der Umstand nichts, daß die
Beklagte eindringendes Grundwasser für das Schadensbild für verantwortlich
hielt. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Beklagte angesichts der an-
sonsten drohenden schwerwiegenden Schäden für den Vermögenswert ver-
pflichtet war, Sicherungsmaßnahmen für das leerstehende Haus zu treffen.
Hierzu gehörten jedenfalls die Abdichtung nach außen, um ein Eindringen von
Niederschlagswasser zu verhindern, mindestens das regelmäßige Abpumpen
von Wasser - wenn man nicht die viel näherliegende Möglichkeit der Wiederin-
betriebnahme einer elektrischen Tauchpumpe im Bereich der Drainrinne in Be-
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tracht zog, die ein Eindringen von Niederschlagswasser in das Kellergeschoß
von vornherein verhindert hätte - und ein Entleeren der Wasser- und Heizungs-
installation, um Frostschäden zu vermeiden. Diese Pflichten trafen die Beklagte
auch dann, wenn sie - wie hier - aus dem Vermögenswert keinen Nutzen zie-
hen und nicht gewiß sein konnte, ihre Aufwendungen ersetzt zu erhalten.
Soweit die Revision den Standpunkt vertritt, es dürften nur Pflichten be-
gründet werden, die sich eindeutig aus dem Gesetz herleiten ließen, damit sich
der Bürger als Normadressat über die von ihm zu erfüllenden gesetzlichen
Pflichten in zumutbarer Weise informieren könne, ergibt sich aus diesen grund-
sätzlich richtigen Maßstäben nichts für die Beklagte. Sie war sich ihrer Pflicht
zur Sicherung des Grundstücks durchaus bewußt, was sich daraus ergibt, daß
sie mindestens bis Anfang 1993 in regelmäßigen Abständen im Keller stehen-
des Wasser durch die freiwillige Feuerwehr abpumpen ließ. Daß sie die hier
beschriebenen weitergehenden Anforderungen nicht erfüllt und den Vermö-
genswert dem Verfall preisgegeben hat, so daß in Streit geraten ist, ob das
Haus - wie die Beklagte meint - abgerissen werden muß oder Sanierungsmaß-
nahmen noch möglich sind, vermag ihre Pflicht, die angesichts der im Verhält-
nis zu dem Vermögenswert wenig ins Gewicht fallenden Sicherungsmaßnah-
men durchzuführen, nicht in Frage zu stellen.
e) Die dargestellte Pflichtenlage bestand auch - wie das Berufungsge-
richt angenommen hat - bis zur Bestandskraft des Restitutionsbescheids, die
erst im Anschluß an den Widerspruchsbescheid vom 13. März 1996 eingetre-
ten ist, fort. Zwar ist nicht zu verkennen, daß sich die Rückgabe des Hauses
durch die Einlegung des Widerspruchs durch die Klägerin und ihren Ehemann
um etwa drei Jahre verzögert hat und daß nach den Feststellungen des Beru-
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fungsgerichts ein erheblicher Teil des eingetretenen Schadens darauf beruht,
daß die Beklagte seit Mitte 1993 kein Wasser mehr abgepumpt hat und die
schwerwiegenden Frostschäden erst im Winter 1995/96 eingetreten sind. Es ist
jedoch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht hier-
in bei einer Gesamtwürdigung kein mutwilliges Verhalten gesehen hat, das ei-
nen Ersatzanspruch ausschließen oder mindern würde.
Zwar war die Einlegung des Widerspruchs im wesentlichen unbehelflich.
Der von der Klägerin und ihrem Ehemann erstrebte Wertausgleich für den ein-
getretenen Wertverlust ihres Hauses war auf diesem Weg nicht zu erreichen.
Denn während § 7 Satz 1 VermG in der Fassung des Einigungsvertrags noch
regelte, daß Werterhöhungen und Wertminderungen auszugleichen waren,
ist die Rechtslage durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz vom
14. Juli 1992 (BGBl. I S. 1257) geändert worden. Seit dessen Inkrafttreten zum
22. Juli 1992 ist ein Ausgleich für Minderungen des Werts in § 7 Abs. 1 VermG
n.F. nicht mehr vorgesehen. Auch soweit der Widerspruch von der Erwägung
motiviert sein mag, eine Haftung nach § 13 VermG aus der Verwaltungstätig-
keit der Rechtsvorgängerin der Beklagten vor der Begründung von Volkseigen-
tum durchzusetzen, war die Einlegung eines Widerspruchs der hierfür unge-
eignete Weg. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Restitutionsbescheids war näm-
lich über einen solchen Schadensersatzanspruch eine von dem Restitutions-
bescheid gesonderte Entscheidung zu treffen (§ 33 Abs. 2 VermG i.d.F. des
Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes), die ihrerseits nicht Vorausset-
zung für die Rückübertragung des Eigentums war. Überdies war ein solcher
Anspruch deshalb fraglich, weil die Verwaltung noch vor dem Inkrafttreten des
Vermögensgesetzes ihr Ende fand. Danach bleibt allein die Erwägung der Be-
rechtigten im Raum, nach § 8 Abs. 1 VermG anstelle der Rückübertragung Ent-
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schädigung zu wählen; allerdings stand auch diesem Wahlrecht von vornherein
entgegen, daß der Ehemann der Klägerin durch seine Vollmacht den Weg ge-
ebnet hatte, seinen Grundstücksanteil durch Schenkung in Volkseigentum zu
übernehmen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 VermG).
Sind danach keine rechtlich durchgreifenden Erwägungen für die Erhe-
bung des Widerspruchs der Klägerin und ihres Ehemanns gegen den Restituti-
onsbescheid erkennbar, fällt ihr Verhalten gleichwohl letztlich nicht entschei-
dend ins Gewicht, weil sie sich - wenn auch ohne Erfolg - um eine (notdürftige)
Sicherung ihres Hauses bemüht haben. Nach den Feststellungen des Beru-
fungsgerichts haben die Klägerin und ihr Ehemann die Beklagte in 30 Schrei-
ben seit 1990 zu Sicherungsmaßnahmen aufgefordert. Unstreitig ist auch der
Inhalt ihres Schreibens vom 31. Juli 1993 geblieben, in dem sie die Beklagte
aufgrund eines Besuchs vom 28./29. Juli 1993 auf dringenden Handlungsbe-
darf hingewiesen und zugleich gebeten haben, mit ihnen Verbindung aufzu-
nehmen, um Auftrags- und Kostenfragen zu klären. Das Schreiben enthält zu-
gleich das Angebot, bei einem Streit über die Kosten diese zunächst selbst zu
tragen, verbunden mit der Bemerkung, die Beklagte habe gegen den Restituti-
onsbescheid keinen Widerspruch eingelegt und damit anerkannt, daß sie
rechtmäßige Eigentümer seien oder es wieder würden. Das Schreiben verdeut-
licht damit, daß es der Klägerin und ihrem Ehemann nicht darum ging, durch
Einlegung des Widerspruchs sich einer Verantwortlichkeit für den ihnen noch
nicht zugeordneten Vermögenswert zu entziehen und die Beklagte ohne weite-
res mit kostenauslösenden Pflichten zu belasten, sondern zu einer Lösung der
Probleme zu gelangen. Die Beklagte hat auf dieses Schreiben nicht reagiert
und damit als noch Verfügungsberechtigte nicht die Möglichkeit genutzt, die
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Klägerin und ihren Ehemann in Sicherungsmaßnahmen für das Grundstück
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einzubeziehen. Unter diesen Umständen ist es revisionsrechtlich nicht zu be-
anstanden, daß das Berufungsgericht bei einer Gesamtwürdigung ein Mitver-
schulden verneint hat.
Schlick
Wurm
Kapsa
Dörr
Galke