Urteil des BGH vom 05.12.2007, XII ZR 183/05
Leitsatzentscheidung
- Entschieden
- 05.12.2007
- Schlagworte
- Gesellschaft, Krise, Zeitpunkt, Abtretung, Erlöschen des anspruchs, Entstehung der forderung, Schutz der gläubiger, Abschluss des vertrages, Gesellschafter, Forderung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 183/05 Verkündet am: 5. Dezember 2007 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 535 Abs. 2 und 404; GmbHG §§ 32 a und 32 b
Dem Zessionar von künftigen Mietzinsforderungen kann gemäß § 404 BGB
auch die erst nach der Zession eingetretene eigenkapitalersetzende Funktion
der Gebrauchsüberlassung entgegengehalten werden, soweit die geltend gemachten Mietzinsforderungen nach Eintritt der eigenkapitalersetzenden Funktion entstanden sind.
BGH, Urteil vom 5. Dezember 2007 - XII ZR 183/05 - OLG Hamm LG Münster
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Oktober 2007 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Fuchs, Dr. Ahlt, die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 16. September 2005 wird auf Kosten der
Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die klagende Bank verlangt aus abgetretenem Recht der G. 1
GmbH (im Folgenden: G. GmbH) von dem Beklagten, der am 1. April
2003 zum vorläufigen und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Mai
2003 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der C. AG (im Folgenden: Schuldnerin) bestellt wurde, die Zahlung von Mietzins für die Monate
April bis August 2003.
Die G. GmbH vermietete ab 1. März 2001 bis zum 31. Dezember 2015 2
mit automatischer Verlängerungsklausel Gewerberäume zu einem monatlichen
Mietzins von 77.614,07 € einschließlich Mehrwertsteuer an die Co. AG
International. Aus dieser entstand im Jahr 2002 nach verschiedenen Beteili-
gungsveränderungen durch Umfirmierung, die am 2. August 2002 im Handelsregister eingetragen wurde, die Schuldnerin.
3Die G. GmbH hatte alle gegenwärtigen und künftigen Mietzinsforderungen mit Vereinbarung vom 2. Mai 2001 an die Klägerin zur Sicherung von deren
bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüchen gegen die G. GmbH abgetreten. Ziffer 4 der Abtretungsvereinbarung enthält folgende Regelung:
"Die Bank ist berechtigt, eine nach Nr. 3 Abs. 2 dem Sicherungsgeber eingeräumte Einziehungsbefugnis zu widerrufen und die Forderungsabtretungen auch im Namen des Sicherungsgebers gegenüber den jeweiligen Drittschuldnern offen zu legen und die Forderungen einzuziehen, wenn der Kreditnehmer mit fälligen Zahlungen auf die durch diesen Vertrag gesicherten Forderungen in Verzug ist, seine Zahlungen eingestellt hat oder die Eröffnung eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt worden ist. Diese Maßnahmen wird die Bank nur in dem Umfang ergreifen, wie es zur Erfüllung der rückständigen Forderungen erforderlich ist."
Ziffer 5 des Abtretungsvertrages lautet:
"Der Sicherungsgeber verpflichtet sich, nennenswerte Änderungen der Mietverträge, insbesondere hinsichtlich des Mietzinses und der Laufzeit, nur im Einvernehmen mit der Bank zu vereinbaren."
4Die G. GmbH ist an der Schuldnerin beteiligt. Ursprünglich hielt sie von
deren Grundkapital (2.000.000 €) einen Anteil von 82,5 % (1.650.000 €). Nach
Übertragung eines Teils ihrer Inhaberaktien an Dritte am 15. Juli 2002 hielt die
G. GmbH von dem Grundkapital der Schuldnerin noch einen Anteil von 12,44 %
(248.800 €). 598.600 Aktien hatte sie am 15. Juli 2002 an die H.
GmbH (im Folgenden: H. GmbH), die an dem 275.000 € betragenden Stammkapital der G. GmbH mit einem Kapitalanteil von 200.000 € beteiligt
war, übertragen. Den restlichen Kapitalanteil der G. GmbH von 75.000 € hielt
die T. GmbH (im Folgenden: T. GmbH) treuhänderisch für die H.
GmbH.
5Mit Beschluss vom 15. November 2002 wurde das Grundkapital der
Schuldnerin durch Ausgabe von 2 Mio. neuer Vorzugsaktien an die T. GmbH
auf 4 Mio. € erhöht.
6Die Schuldnerin zahlte die Miete für das Jahr 2001. Im Jahr 2002 leistete
sie keine Mietzahlung. Am 9. August 2002 schlossen die G. GmbH und die
Schuldnerin eine Vereinbarung, in der die G. GmbH im Hinblick auf die schwierige wirtschaftliche Lage der Schuldnerin auf die Miete für das Jahr 2002 in Höhe von 1.055.993,64 € zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer verzichtete.
Im Jahr 2003 verstärkten sich die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Schuldnerin. Sie stellte nach Zahlung der Miete für Januar bis März 2003 die Mietzahlungen ein.
7Am 1. April 2003 wurde der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter
bestellt. In einem auch an die G. GmbH versandten Schreiben vom 2. April
2003 teilten der Vorstandsvorsitzende, ein weiteres Vorstandsmitglied und der
Beklagte den Lieferanten der Schuldnerin mit, dass die Produktion weiterlaufe
und eine dauerhafte Sanierung des Unternehmens angestrebt werde. Mit Beschluss vom 1. Mai 2003 eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren ü-
ber das Vermögen der Schuldnerin und ernannte den Beklagten zum Insolvenzverwalter. Die Klägerin zeigte dem Beklagten mit Schreiben vom 22. Mai
2003 unter Vorlage des Abtretungsvertrages vom 2. Mai 2001 die Abtretung der
Forderungen an und verlangte Zahlung der Miete an sich. Mit Schreiben vom
1. Juli 2003 teilte die G. GmbH dem Beklagten mit, dass die offenen Mietzinsforderungen im Hinblick auf die von der Klägerin bereits angezeigte Abtretung
mit befreiender Wirkung nur noch an diese geleistet werden könnten. Der Be-
klagte lehnte Zahlungen für das von der Schuldnerin weiter genutzte Mietobjekt
mit der Begründung ab, die Nutzungsüberlassung sei wie ein eigenkapitalersetzendes Darlehen zu behandeln. Die G. GmbH hat den Mietvertrag mit Schreiben vom 31.Oktober 2003 fristlos wegen Zahlungsverzuges gekündigt.
8Das Landgericht hat der im Urkundenprozess geltend gemachten Klage,
nachdem der Beklagte durch Teilvergleich die Klageforderung im Urkundenprozess unter Vorbehalt der Rechte im Nachverfahren anerkannt hatte, durch Teilanerkenntnisurteil unter Vorbehalt der Rechte im Nachverfahren stattgegeben.
Im Nachverfahren hat das Landgericht das Anerkenntnisurteil bestätigt. Auf die
gegen das Anerkenntnisvorbehaltsurteil und das Schlussurteil gerichtete Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Berufung gegen das Anerkenntnisvorbehaltsurteil als unbegründet zurückgewiesen. Der Berufung gegen
das Schlussurteil hat es stattgegeben und die Klage unter Aufhebung des Anerkenntnisvorbehaltsurteils abgewiesen.
9Gegen das der Berufung stattgebende Urteil richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe:
10Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
11Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt: Zwar bestehe sowohl ein wirksamer Mietvertrag als auch eine wirksame Abtretungsvereinbarung
hinsichtlich der geltend gemachten Mietzinsansprüche. Der Klageanspruch
scheitere jedoch an den sich aus § 32 a GmbHG ergebenden Regeln über eine
eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung, die auch auf die Aktiengesellschaft anwendbar seien. Sowohl die personellen als auch die sachlichen Voraussetzungen für eine Anwendung dieser Regeln lägen vor. Die Schuldnerin
habe sich spätestens zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Mietverzichts für das
gesamte Jahr 2002, am 9. August 2002, in einer Krise gemäß § 32 a GmbHG
befunden. Denn zu diesem Zeitpunkt, zu dem der Mietrückstand bereits acht
Monatsmieten betragen habe und die G. GmbH wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage der Schuldnerin auf die Mieten für das gesamte Jahr 2002
verzichtet habe, wäre kein außenstehender Dritter als Vermieter bereit gewesen, der Schuldnerin noch länger die Nutzung des Grundstücks zu überlassen.
Er hätte vielmehr das Mietverhältnis fristlos gekündigt.
12Bei Eintritt der Krise habe die G. GmbH die gemäß § 32 a GmbHG erforderliche unternehmerische Beteiligung an der Schuldnerin innegehabt. Diese
unternehmerische Beteiligung habe auch fortbestanden, nachdem die G. GmbH
durch Übertragung von Inhaberaktien der Schuldnerin an Dritte, davon
598.600 Stück an die H. GmbH, nur noch 12,44 % der Anteile der Schuldnerin
gehalten habe. Denn gemeinsam mit der H. GmbH, die faktisch ihre Alleingesellschafterin gewesen sei, sei der G. GmbH eine bestimmende Einflussnahme
auf die Schuldnerin möglich gewesen und habe ein "koordiniertes Stehenlassen" der Finanzierungshilfe erfolgen können. Vor diesem Hintergrund stelle sich
die Verzichtsvereinbarung vom 9. August 2002 als gemeinsame Entscheidung
der verflochtenen Gesellschaften dar.
13
dem 9. August 2002 als Eigenkapitalersatz zu qualifizieren mit der Folge, dass
ab diesem Zeitpunkt keine Miete mehr verlangt werden könne. Denn auch ursprünglich nicht als Kapitalersatz dienende Gesellschaftermittel würden nachträglich von den Bindungen der §§ 30 ff. GmbHG analog erfasst, wenn der Gesellschafter sie bei Eintritt der Krise nicht abziehe, obwohl ihm dies zumindest
objektiv möglich gewesen wäre, indem er beispielsweise ein Miet- oder Pachtverhältnis nicht kündige. Die Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts gelte auch für
die Gesellschafterstellung. Ein späteres Ausscheiden des Gesellschafters hebe
die Eigenschaft als kapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen nicht auf; diese
Eigenschaft präge den Inhalt des Anspruchs auf Dauer.
Obwohl die Abtretung der Mietzinsforderungen bereits am 2. Mai 2001 14
und damit vor der Krise der späteren Schuldnerin erfolgt sei, könne der Beklagte die eigenkapitalersetzende Funktion der Gebrauchsüberlassung der Klägerin
nach § 404 BGB entgegenhalten.
Bei der Abtretung künftiger Forderungen sei der Zeitpunkt maßgeblich, in 15
dem die Abtretung wirksam werde, also der Zeitpunkt des Entstehens der Forderung. Der Zessionar könne die Forderung nur mit dem Inhalt erwerben, mit
dem sie begründet worden sei. Im vorliegenden Fall seien die geltend gemachten Mietzinsforderungen für April bis August 2003 erst zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem die auf einer Eigenkapitalfunktion beruhende Bindung bereits
eingetreten sei.
Ein anderes Ergebnis könne sich nur dann ergeben, wenn man diese
16 Die Nutzungsüberlassung durch die G. GmbH sei somit spätestens ab
Bindung der Nutzungsüberlassung einem Rechtsgeschäft im Sinne des § 407
BGB gleichstelle. Die nach den Eigenkapitalersatzregeln in der Krise der Gesellschaft eintretende Undurchsetzbarkeit der Mietforderungen führe zwar, wie
eine rechtsgeschäftliche Stundungsabrede, nicht zu einem Erlöschen des Anspruchs, sondern nur dazu, dass die Gesellschaft für die Dauer der Krise das
jeweils fällig werdende Nutzungsentgelt nicht zahlen müsse. Die Eigenkapitalfunktion der Nutzungsüberlassung sei jedoch nicht als rechtsgeschäftliche
Stundungsabrede im Sinne von § 407 BGB anzusehen. Dagegen spreche bereits, dass es insoweit an einer vertraglichen Einigung fehle.
17Auch erfordere der von §§ 32 a, 32 b GmbHG bezweckte Gläubigerschutz Vorrang vor den Interessen des Kreditgebers. Letztlich biete nur die Anwendung des § 404 BGB hinreichende Gewähr dafür, dass die zwingenden und
streng zu handhabenden Regeln über die Kapitalerhaltung und den Kapitalersatz nicht leer liefen. Andernfalls bestehe die nahe liegende Möglichkeit, im
Wege der - in der Praxis häufig anzutreffenden - Vorausabtretung von Mietforderungen gleichsam vorsorglich einer Anwendung der §§ 32 a, 32 b GmbHG
entgegen zu wirken. Die Interessen des Kreditgebers träten daher grundsätzlich
zurück, zumal dieser nicht schutzlos gestellt sei, sondern neben der Abtretung
weitere Sicherungsmittel wählen könne, die ihm ausnahmsweise, wie z.B. als
Grundpfandrechtsgläubiger, eine stärkere Stellung als dem Gesellschaftsgläubiger zuweisen würden. Diesen Weg der Absicherung durch Grundpfandrechte
habe die Klägerin jedoch nicht gewählt.
18Das Berufungsgericht hat die Revision zur Klärung der Rechtsfrage zugelassen, ob die durch eine eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung begründete Undurchsetzbarkeit eines Mietzinsanspruchs wie eine Vorausverfügung über die künftigen Ansprüche in Form einer rechtsgeschäftlichen Stundungsabrede zu behandeln sei mit der Folge, dass die Undurchsetzbarkeit gegenüber einer früheren Vorausabtretung nachrangig sei und dem Abtretungsempfänger nach § 404 BGB nicht entgegengehalten werden könne.
II.
19Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
201. Das Berufungsgericht ist zu Recht und von der Revision unbeanstandet davon ausgegangen, dass spätestens ab dem 9. August 2002 und damit in
dem hier maßgeblichen Zeitraum vom 1. April bis 31. August 2003 die personellen und sachlichen Voraussetzungen für eine Umqualifizierung der Gebrauchsüberlassung in haftendes Eigenkapital (§ 32 a Abs. 1, 3 GmbHG) vorgelegen
haben.
a) Den von der Rechtsprechung entwickelten und in §§ 32 a, 32 b 21
GmbHG für das Insolvenzverfahren geregelten Grundsätzen des Eigenkapitalersatzes unterfallen alle vermögenswerten Leistungen, die der Gesellschafter
oder ein rechtlich gleich zu behandelnder Dritter der Gesellschaft als Fremdleistung anstelle von notwendigem haftenden Eigenkapital in der Krise zur Verfügung stellt oder belässt. Durch die Umqualifizierung der Gesellschafterleistung
in haftendes Eigenkapital soll zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft ausgeschlossen werden, dass sich der Gesellschafter im Falle eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs der Gesellschaft vorrangig vor oder gleichrangig mit
deren Gläubigern aus dem noch vorhandenen Gesellschaftsvermögen befriedigt. Zugleich soll verhindert werden, dass eine Krise der Gesellschaft durch
Gesellschafterleistungen verschleppt und das verbliebene Vermögen zu Lasten
der Gläubiger weiter verringert wird (BGHZ 109, 55, 57; BGH Urteil vom
21. Januar 2005 - II ZR 240/02 - ZIP 2005, 484, 485; Scholz/K. Schmidt
GmbHG 10. Aufl. §§ 32 a, 32 b Rdn. 4 m.w.N.; Jungmann ZIP 1999, 601, 603).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann auch eine 22
Gebrauchsüberlassung eigenkapitalersetzende Funktion haben (BGHZ 109, 55,
57 ff.; 127, 17, 21; 140, 147, 150; 166, 125, 129; BGH Urteile vom 31. Januar
2005 - II ZR 240/02 - ZIP 2005, 484, 485; und vom 28. Februar 2005 - II ZR
103/02 - ZIP 2005, 660, 661). Auch eine ursprünglich nicht als Kapitalersatz
dienende Gebrauchsüberlassung wird nachträglich u.a. dann zu Eigenkapitalersatz, wenn der Gesellschafter sie bei Eintritt der Krise nicht abzieht, obwohl ihm
dies zumindest objektiv möglich wäre (BGHZ 121, 31, 35) oder die Gesellschaft
nicht auflöst (vgl. Goette/Kleindiek Eigenkapitalersatzrecht in der Praxis, 5. Aufl.
Rdn. 75). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass - ebenso wie bei der Mittelzuführung in der schon bestehenden Krise - der Gesellschafter wegen seiner Verantwortung für eine ordnungsgemäße Finanzierung eine liquidationsreife Gesellschaft nur dann fortführen darf, wenn ihr haftendes Kapital zur Verfügung
gestellt wird (sog. Finanzierungsfolgenverantwortung, vgl. Goette/Kleindiek aaO
Rdn. 30).
Von einer Krise ist außer bei Insolvenzreife der Gesellschaft schon dann 23
auszugehen, wenn die Gesellschaft kredit- bzw. überlassungsunwürdig ist
(BGH Urteile vom 3. April 2006 - II ZR 332/05 - ZIP 2006, 996, 997; vom
7. März 2005 - II ZR 138/03 - ZIP 2005, 807). Letzteres ist anzunehmen, wenn
ein als ordentlicher Kaufmann handelnder Gesellschafter der Gesellschaft den
Gebrauch des Mietobjekts nicht oder nicht weiter überlassen hätte (§ 32 a
Abs. 1, 3 GmbHG). Das ist dann der Fall, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft zu einem Zeitpunkt, zu dem ein außenstehender Dritter nicht bereit gewesen wäre, dieser die Geschäftsräume mietweise zu überlassen, ihr weiter die
Nutzung eingeräumt hat, statt den Mietvertrag zu kündigen (BGHZ 109, 55, 59
f.; 121, 31, 35; BGH Urteil vom 14. Juni 1993 - II ZR 252/92 - ZIP 1993, 1072,
1073).
24Diese Regeln über den Eigenkapitalersatz finden nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch auf die Aktiengesellschaft sinngemäß Anwendung.
Die erforderliche unternehmerische Beteiligung eines Aktionärs liegt allerdings
erst dann vor, wenn er mehr als 25 % der Aktien der Gesellschaft hält oder - bei
geringerer, aber nicht unbeträchtlicher Beteiligung - verbunden mit weiteren
Umständen über gesellschaftsrechtlich fundierte Einflussmöglichkeiten in der
Gesellschaft verfügt, die einer Sperrminorität vergleichbar sind (BGHZ 90, 381,
386, 388 f.; Urteil vom 9. Mai 2005 - II ZR 66/03 - ZIP 2005, 1316). Da die Eigenkapitalersatzregeln an diese unternehmerische Beteiligung anknüpfen, verliert eine eigenkapitalersetzende Gebrauchsüberlassung diese Qualität durch
eine spätere Veränderung der gesellschaftlichen Beteiligung nicht (Goette Die
GmbH 2. Aufl. Rdn. 104, 105 m.w.N.).
b) Die Voraussetzungen für eine eigenkapitalersetzende Funktion der 25
Gebrauchsüberlassung liegen hier vor.
26Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich die Schuldnerin spätestens seit der Mietverzichtsvereinbarung vom 9. August 2002 in der
von § 32 a GmbHG geforderten Krise befunden hat. Denn zu diesem Zeitpunkt
hätte im Hinblick auf den Rückstand mit acht Monatsmieten kein außenstehender Dritter dieser das Betriebsgrundstück zur Verfügung gestellt oder noch weiter mietweise überlassen. Die G. GmbH hätte das Mietverhältnis auch beenden
können. Bereits seit März 2002 war ihr eine fristlose Kündigung des Mietvertrages wegen Zahlungsverzugs der Schuldnerin mit der Miete seit Januar 2002
(§ 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB) möglich.
27Zu dem Zeitpunkt des Eintritts der Krise hatte die G. GmbH, wie das Berufungsgericht zutreffend und von der Revision nicht angegriffen angenommen
hat, weiter die erforderliche unternehmerische Beteiligung an der Schuldnerin
inne. Sie hielt auch nach der Übertragung eines Großteils ihrer Aktien am
15. Juli 2002 zum Zeitpunkt des Eintritts der Krise gemeinsam mit ihrer fakti-
schen Alleingesellschafterin, der H. GmbH, einen Anteil von 42,37 % des Gesamtkapitals der Schuldnerin. Das verschaffte ihr eine fundierte Einflussnahme
auf deren Entscheidungen. Die spätere Änderung der Beteiligungsverhältnisse
ändert nichts daran, dass die Gebrauchsüberlassung Eigenkapital ersetzt.
28c) Rechtsfolge der Umqualifizierung der Gebrauchsüberlassung in haftendes Eigenkapital ist, dass der Gesellschafter von der Gesellschaft bzw. von
deren Insolvenzverwalter den vereinbarten Mietzins so lange nicht fordern
kann, wie dieser nicht aus ungebundenem Vermögen der Gesellschaft gezahlt
werden kann (BGHZ 127, 1 ff.; 127, 17 ff.; 140, 147; 149 f. m.w.N.; Urteil vom
31. Januar 2005 - II ZR 240/02 - ZIP 2005, 484, 485). Der Rechtscharakter des
Nutzungsverhältnisses ändert sich dadurch nicht. Es bleibt ein Mietverhältnis.
Dem vermietenden Gesellschafter wird lediglich für die Dauer der Krise verwehrt, den vereinbarten Mietzins zu fordern. Nach Überwindung der Krise ist er
nicht gehindert, sich den rückständigen Mietzins auszahlen zu lassen, soweit
dies geschehen kann, ohne dass das zur Deckung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft angegriffen wird (BGHZ 140, 147, 153).
2. Das Berufungsgericht ist - entgegen der Ansicht der Revision - zu 29
Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte der Klägerin als Zessionarin die
aus der eigenkapitalersetzenden Funktion der Gebrauchüberlassung folgende
Undurchsetzbarkeit der Mietzinsforderungen gemäß § 404 BGB entgegenhalten
kann.
30a) Nach § 404 BGB kann der Schuldner dem neuen Gläubiger die Einwendungen entgegensetzen, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen
den bisherigen Gläubiger begründet waren. Eine solche Einwendung ist auch
die Durchsetzungssperre, die einer Forderung aufgrund der eigenkapitalersetzenden Funktion der Leistung des Gesellschafters an die Gesellschaft entge-
gensteht. Diese Durchsetzungssperre ist nicht an die Person des Zedenten gebunden und kann deshalb nach § 404 BGB auch einem Zessionar entgegengehalten werden (BGHZ 104, 33, 43; 166, 125, 130; MünchKomm/Roth 5. Aufl.
§ 404 BGB Rdn. 5; Ulmer/Habersack GmbHG [2006] §§ 32 a, b Rdn. 57;
Scholz/K. Schmidt GmbHG 10. Aufl. §§ 32 a, b Rdn. 153).
31b) Nach herrschender Meinung kann der Schuldner dem Zessionar, an
den der Gesellschafter Mietzinsansprüche, die bereits zum Zeitpunkt der Abtretung mit dem Einwand des Eigenkapitalersatzes behaftet waren, abgetreten
hat, diesen Einwand gemäß § 404 BGB entgegenhalten (BGHZ 166, 125, 130;
für den Darlehensrückzahlungsanspruch: BGHZ 104, 33, 43; MünchKomm/Roth
aaO Rdn. 5; Scholz/K. Schmidt GmbHG aaO).
Das gilt - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - auch für 32
den Fall, das die Gebrauchsüberlassung - wie hier - erst nach der Abtretung
künftiger Mietzinsansprüche, aber vor deren Entstehung eigenkapitalersetzend
geworden ist.
Die in § 404 BGB vorgesehene zeitliche Einschränkung muss im Hinblick 33
auf dessen Schutzzweck, eine Verschlechterung der Verteidigungsmöglichkeiten des Schuldners infolge der Zession zu verhindern (vgl. Senatsurteil vom
19. Oktober 2005 - XII ZR 224/03 - NJW 2006, 219, 220; MünchKomm/Roth
5. Aufl. § 404 Rdn. 10), dahin interpretiert werden, dass bei der Abtretung künftiger Forderungen als maßgeblicher Zeitpunkt der Zeitpunkt anzusehen ist, in
dem die Abtretung wirksam wird (MünchKomm/Roth aaO § 404 Rdn. 12), also
der Zeitpunkt des Entstehens der Forderung (BGHZ 88, 205, 206; BGH Urteil
vom 16. März 1995 - IX ZR 72/94 - NJW 1995, 1668, 1671). Denn der Zessionar erwirbt sie nur mit dem Inhalt, mit dem sie zur Entstehung gelangt. Deshalb
ist bei einer Vorausabtretung künftiger oder aufschiebend bedingter Forderun-
gen zwischen der Verbindlichkeit des Verfügungsgeschäfts und dem Wirksamwerden des mit ihm bezweckten späteren Rechtsübergangs zu unterscheiden.
Die im Abtretungsvertrag enthaltene rechtsgeschäftliche Verfügung ist zwar mit
Vertragsabschluss beendet und für den Veräußerer insofern bindend, als er den
späteren Erwerb der Forderung durch den Abtretungsempfänger nicht mehr
durch eine neue Abtretung vereiteln kann. Vollendet wird die Abtretung aber
erst dann, wenn und soweit alle Voraussetzungen für die Entstehung der Forderung in der Person des Veräußerers erfüllt sind (BGHZ 88, 205, 206).
Bei Dauerschuldverhältnissen kommt es deshalb maßgeblich darauf an, 34
ob das Recht auf die Leistung bereits mit Abschluss des Vertrages "betagt" ist
oder gemäß §§ 163, 158 Abs. 1 BGB erst mit der Inanspruchnahme der jeweiligen Gegenleistung entsteht. Während die betagte Forderung zwar bereits existent, aber noch nicht fällig ist, entsteht die befristete Forderung erst in der Zukunft.
Bei Mietverträgen wird überwiegend angenommen, dass diese befristete 35
Rechtsgeschäfte im letztgenannten Sinne sind (BGH Urteile vom 2. Juni 2005
- IX ZR 263/03 - NJW-RR 2005, 1641, 1642; vom 30. Januar 1997 - IX ZR
89/96 – ZIP 1997, 513, 514). Im Hinblick darauf, dass Gegenstand des Mietvertrages die Gebrauchsüberlassung einer Sache gegen Zahlung eines regelmäßig nach Zeitabschnitten bemessenen Mietzinses ist, wird davon ausgegangen,
dass bei einem Mietvertrag über Grundstücke derjenige, der sich Mietzinsansprüche im Voraus abtreten lässt, eine gesicherte Rechtsposition erst im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Nutzungszeitraum erwirbt, für den der Mietzins jeweils periodisch geschuldet wird. Forderungen auf
Zahlung des Mietzinses sind deshalb regelmäßig keine betagten, sondern befristete Forderungen (BGH Urteil vom 2. Juni 2005 - IX ZR 263/03 - NJW-RR
2005, 1641, 1642).
Dem steht die abweichende Einordnung der Leasingraten bei einem auf 36
bestimmte Zeit abgeschlossenen Leasingvertrag als betagte Forderungen (vgl.
BGHZ 111, 84) nicht entgegen. In der Entscheidung wird ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass die unterschiedliche Behandlung von Leasingraten gegenüber Mietzinsen durch die Besonderheit des Leasingvertrags begründet ist, bei
dem die Leasingraten - anders als beim Mietvertrag - nicht nur das Entgelt für
einen bestimmten Zeitabschnitt der Gebrauchsüberlassung darstellen, sondern
zugleich für die bereits geleistete Vorfinanzierung.
Im vorliegenden Fall sind die geltend gemachten Mietzinsforderungen in 37
der Zeit von April bis August 2003, somit zu einem Zeitpunkt entstanden, in
dem ihrer Durchsetzung die bereits seit dem 9. August 2002 eingetretene eigenkapitalersetzende Bindung entgegenstand.
c) Wie das Berufungsgericht weiter zu Recht angenommen hat, steht 38
§ 407 Abs. 1 2. Alt. BGB dem Einwand des Eigenkapitalersatzes nicht entgegen. Die Umqualifizierung der Gebrauchsüberlassung in Eigenkapital ist kein
Rechtsgeschäft im Sinne des § 407 Abs. 1 BGB. Zwar werden darunter auch
einseitige Rechtsgeschäfte des Zedenten verstanden (MünchKomm/Roth
5. Aufl. § 407 Rdn. 7). Die Folgen des Eigenkapitalersatzes treten jedoch nicht
durch einseitiges Rechtsgeschäft, sondern kraft Gesetzes ein. Allein daraus,
dass die Folgen der eigenkapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung denen
einer Stundung vergleichbar sind, lässt sich eine entsprechende Anwendung
von § 407 Abs. 1 BGB nicht begründen. Auch gebietet die Interessenkollision
zwischen Gesellschafter- und Gesellschaftsgläubigern keine Bevorzugung der
Gesellschaftergläubiger. Vielmehr würde bei entsprechender Anwendung des
§ 407 BGB der durch die Regeln des Eigenkapitalersatzes bezweckte Schutz
der Gesellschaftsgläubiger dadurch gefährdet, dass durch die in der Praxis ge-
läufige Vorausabtretung von Mietforderungen die Anwendbarkeit der Eigenkapitalersatzregeln ausgeschlossen würde.
Hahne Fuchs Ahlt
Vézina Dose
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 27.02.2004 - 23 O 218/03 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 16.09.2005 - 30 U 78/04 -