Urteil des BGH vom 25.06.2003

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 344/02
Verkündet am:
25. Juni 2003
Kirchgeßner,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
§ 550 b Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 BGB a.F. (jetzt § 551 BGB)
Zur Rückforderung einer Mietkaution bei unwirksamer Fälligkeitsklausel.
BGH, Urteil vom 25.Juni 2003 - VIII ZR 344/02 - LG Leipzig
AG Leipzig
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Juni 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter
Dr. Hübsch, Dr. Leimert, Wiechers und Dr. Wolst
für Recht erkannt:
Die Revision der Kläger gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des
Landgerichts Leipzig vom 6. November 2002 wird zurückgewie-
sen.
Die Kläger haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Freigabe eines als Mietkaution an die Beklagte
verpfändeten Sparguthabens.
Die Kläger und die Rechtsvorgängerin der Beklagten schlossen am
11. Dezember 1998 einen Mietvertrag über eine Wohnung in H.
/L. . Nach § 3 dieses Vertrages beträgt der Grundmietzins monatlich
930 DM. In § 5 heißt es:
"1. Der Mieter leistet eine Kaution in Höhe von 2.790 DM
(DM zwei-sieben-neun-null).
2. Der Kautionsbetrag wird verzinst; er wird entrichtet durch Ver-
pfändung eines vom Mieter bei der B.
M. , Zweigstelle A. zu er-
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richtenden Sparkontos. Die Zinshöhe soll einer Spareinlage
mit gesetzlicher Kündigung entsprechen. Die Zinsen stehen
dem Mieter zu, sie erhöhen die Sicherheit. Die Sicherheitslei-
stung ist mit Abschluß des Mietvertrages zu erbringen.
3. Die Kaution wird nach Beendigung des Mietverhältnisses und
Rückgabe der Mietsache unter Berücksichtigung der dem
Vermieter etwa zustehenden Ansprüche, in diesem Falle
spätestens binnen sechs Monaten nach Rückgabe oder Be-
endigung, freigegeben."
Das Mietverhältnis begann am 15. März 1999. Die Kläger errichteten bei
der Sparkasse H. ein Sparkonto, auf das sie 2.790 DM einzahlten. Mit
Erklärung vom 9. April 1999 verpfändeten sie das Sparguthaben an die Rechts-
vorgängerin der Beklagten.
Die Kläger sind der Auffassung, die Kautionsabrede sei insgesamt un-
wirksam, die Kaution deshalb ohne Rechtsgrund geleistet worden.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die Beru-
fung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgen die
Kläger ihr Klageziel weiter.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht meint, die Verpfändung des Sparguthabens bei
der Sparkasse H. zugunsten der Beklagten sei nicht ohne Rechts-
grund erfolgt, so daß ein Freigabeanspruch der Kläger gemäß § 812 BGB nicht
gegeben sei. Die Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 4 des Mietvertrages sei zwar we-
gen Verstoßes gegen § 550 b Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 BGB a.F. (jetzt § 551 BGB)
sowie nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam, weil der Mieter danach die ge-
samte Kaution schon bei Abschluß des Mietvertrages zu leisten habe. Diese
Unwirksamkeit führe aber nicht dazu, daß die Kautionsabrede im ganzen un-
wirksam wäre. Unwirksam sei nur die Vereinbarung zur Fälligkeit der Kaution.
§ 5 des Mietvertrages enthalte sprachlich und inhaltlich selbständige Regelun-
gen, die teilbar seien und auch bei Wegfall der Fälligkeitsabrede in Absatz 2
Satz 4 einen eigenen sinnvoll bleibenden Regelungsgehalt hätten. Präventive
Erwägungen seien außer acht zu lassen. Der Gesetzgeber habe mit der Rege-
lung in § 550 b Abs. 3 BGB a.F. nicht den Vermieter bestrafen und durch eine
Pflicht zur Rückzahlung der Kaution einem Vermögensrisiko aussetzen wollen.
Da die Parteien aufgrund der unwirksamen Fälligkeitsregelung keine Vereinba-
rung über die Fälligkeit der Kaution getroffen hätten, greife gemäß § 6 Abs. 2
AGBG die in § 550 b Abs. 1 Satz 2, 3 BGB a.F. enthaltene gesetzliche Rege-
lung ein. Dies entspreche dem mutmaßlichen Willen redlicher Parteien. Der
Vermieter erhalte seine Sicherheitsleistung letztlich nur vorfristig.
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II.
Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg. Das Land-
gericht ist zu Recht der Auffassung, daß die Kläger gegenüber der Beklagten
keinen Anspruch auf Freigabe des verpfändeten Sparguthabens gemäß § 812
Abs. 1 Alt. 1 BGB bei noch bestehendem Mietverhältnis haben.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Ver-
einbarung in § 5 Abs. 2 Satz 4 des Mietvertrages - "Die Sicherheitsleistung ist
mit Abschluß des Mietvertrages zu erbringen"
-
unwirksam ist. Sie verstößt ge-
gen die zwingende Bestimmung des § 550 b Abs. 1 Satz 3 BGB a.F. Danach ist
der Mieter berechtigt, die Sicherheitsleistung in drei gleichen monatlichen Teil-
zahlungen zu leisten, wobei die erste Teilzahlung zu Beginn des Mietverhältnis-
ses fällig ist. Gemäß § 550 b Abs. 3 BGB a.F. ist eine hiervon zum Nachteil des
Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam. Durch § 5 Abs. 2 Satz 4 des
Mietvertrages werden die Rechte des Mieters zur ratenweisen Erfüllung der
Kaution und zur Zahlung erst bei Beginn des Mietverhältnisses unzulässig ein-
geschränkt.
2. Richtig ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, bei Wegfall des
vierten Satzes des § 5 Absatz 2 des Mietvertrages enthalte die restliche Be-
stimmung in ihrer verbleibenden Fassung noch eine sprachlich und inhaltlich
selbständige Regelung, die dem Vertragszweck diene.
In Absatz 1 des § 5 des Mietvertrages haben die Parteien vereinbart, daß
der Mieter eine Kaution in Höhe von 2.790 DM leisten soll; diese Regelung ist
gemessen an § 550 b Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. nicht zu beanstanden, da die zu
erbringende Sicherheit das Dreifache des auf einen Monat entfallenden Miet-
zinses ohne Nebenkosten nicht übersteigt. In Absatz 2 des § 5 des Mietvertra-
ges werden dann unter anderem die Art der Kautionsleistung (Verpfändung ei-
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nes Sparbuchs) sowie die Fälligkeit der Kaution geregelt. Ohne die unwirksame
Fälligkeitsregelung bleibt eine Abrede der Parteien über eine von den Klägern
zu erbringende Sicherheitsleistung in Höhe von 2.790 DM selbständig beste-
hen. Entgegen der von Instanzgerichten und der Literatur teilweise vertretene
Auffassungen (z.B. LG Berlin, Grundeigentum 2002, 55; LG München, NJW-RR
2001, 1230; Börstinghaus, MDR 1999, 965 f.) stellt die Annahme einer Teilun-
wirksamkeit einer Kautionsvereinbarung keine unzulässige geltungserhaltende
Reduktion einer Allgemeinen Geschäftsbedingung dar (Schmidt-Futterer, Miet-
recht, 7. Aufl., § 550 Rdnr. 28).
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die eine geltungserhalten-
de Reduktion von Formularklauseln auf einen zulässigen Kern ablehnt, betrifft
Klauseln, die zulässige und unzulässige Tatbestände sprachlich nicht trennbar
verbinden, bei denen daher die Ausgrenzung der unzulässigen und die Auf-
rechterhaltung der zulässigen Teile nur durch eine sprachliche und inhaltliche
Umgestaltung erreicht werden könnte (BGH, Urteil vom 28. Mai 1984 - III ZR
63/83, NJW 1984, 2816 unter II 3). Hier geht es aber nicht darum, für eine un-
zulässige Klausel eine neue Fassung zu finden, die für den Verwender mög-
lichst günstig, aber rechtlich gerade noch zulässig ist. Vielmehr wird eine
sprachlich und inhaltlich teilbare Formularbestimmung ohne ihre unzulässigen
Bestandteile mit ihrem zulässigen Inhalt aufrechterhalten. Das Verbot geltungs-
erhaltender Reduktion einer beanstandeten Klausel gilt nicht, wenn sich die
Formularklausel aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen zulässigen
und in einen unzulässigen Regelungsteil trennen läßt (BGHZ 136, 314, 322; vgl.
auch BGHZ 145, 203, 212).
3. Entgegen der Ansicht der Revision ist die Teilunwirksamkeit der Kauti-
onsabrede auch mit dem Sinn und Zweck des § 550 b BGB a.F. vereinbar.
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Mit dem Gesetz zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen vom
20. Dezember 1982 (BGBl. I S. 1912), mit dem auch § 550 b in das BGB ein-
gefügt worden ist, sollte "marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten mehr Geltung
verschafft" werden, der "sozialen Bedeutung des Mietverhältnisses für die Mie-
ter Rechnung getragen, als auch die Interessen des Vermieters an der Wirt-
schaftlichkeit der Wohnungen berücksichtigt" werden (Gesetzesbegr. BT-
Drucks. 9/2079 S. 1 f.). Die unübersichtliche Rechtslage zur Mietkaution sollte
bereinigt und ein Ausgleich zwischen dem Sicherungsbedürfnis des Vermieters
auf der einen und dem Schutzbedürfnis des Mieters auf der anderen Seite ge-
schaffen werden (Gesetzesbegr. BT-Drucks. 9/2079, S. 10). Im Hinblick auf
diesen Schutzzweck des § 550 b BGB a.F. wäre es verfehlt, eine Kautionsre-
gelung insgesamt für unwirksam zu erklären, weil eine Teilregelung zur Fällig-
keit gegen das Gesetz verstößt. Damit blieben die berechtigten Interessen des
Vermieters an einer Sicherheit und damit auch an der wirtschaftlichen Nutzbar-
keit der Wohnung außer acht. Der Vermieter erbringt dem Mieter gegenüber in
der Weise eine Vorleistung, daß er diesem die Wohnung zur Verfügung stellt,
die er nur bei Wahrung der besonderen Erfordernisse des Mieterschutzrechtes
zurückerhalten kann. Zudem besteht für einen Vermieter die Gefahr, daß die
vermietete Wohnung durch den Mieter beschädigt wird und der Schaden bei
Vertragsende nicht oder nicht vollständig von diesem beseitigt worden ist.
Durch die Mietsicherheit ist der Vermieter zumindest teilweise gegen hieraus
resultierende Schäden abgesichert. Demgegenüber kann ein Mieter in der Re-
gel nicht erwarten, daß sich ein Vermieter zur Überlassung einer Wohnung oh-
ne Stellung einer Mietsicherheit bereit erklärt. Die Leistung einer solchen Si-
cherheit entspricht der üblichen Praxis, die vom Gesetzgeber durch die Rege-
lung des § 550 b BGB a.F. auch ausdrücklich bestätigt worden ist.
Entgegen der Meinung der Revision läuft die Bestimmung des § 550 b
Abs. 1 Satz 3 BGB a.F. nicht leer, wenn die Kautionsregelung nicht insgesamt
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als unwirksam anzusehen ist. Der Mieter ist nicht verpflichtet, die Mietsicherheit
vor der gesetzlichen Fälligkeit zu entrichten. Er ist dazu nur berechtigt. Es steht
ihm frei, die Kaution sofort zu bezahlen oder sie bis zu den in § 550 b Abs. 1
BGB a.F. bestimmten Fälligkeitszeitpunkten einzubehalten. Der Vermieter hat
keine rechtliche Möglichkeit, die Zahlung der Kaution vor Fälligkeit zu erzwin-
gen.
Ein Mieter, von dem der Vermieter die vorzeitige Zahlung der vereinbar-
ten Kaution verlangt, ist auch nicht ohne rechtlichen Schutz. Ihm steht ein An-
spruch auf Überlassung der Wohnung zu, den er notfalls gerichtlich durchset-
zen kann. Entsprechend dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung ver-
mag der Mieter damit seine wirtschaftliche Belastung zu Beginn des Mietver-
hältnisses zu verringern (vgl. Gesetzesbegr. BT-Drucks. 9/2079 S. 14). Auch ist
die Kaution vom Zeitpunkt ihrer Zahlung an zu verzinsen.
III.
Die Vereinbarung einer Sicherheitsleistung in § 5 des Mietvertrages der
Parteien vom 11. Dezember 1998 ist mithin mit Ausnahme der Fälligkeitsregel
in Abs. 2 Satz 4 rechtswirksam. Die Verpfändung des Sparguthabens an die
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Beklagte erfolgte deshalb mit Rechtsgrund. Ein Bereicherungsanspruch der
Kläger gegenüber der Beklagten scheidet demnach aus.
Dr. Deppert
Dr. Hübsch
Dr. Leimert
Wiechers
Dr. Wolst