Urteil des BGH vom 18.05.1989

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 206/07 Verkündet
am:
28. Mai 2009
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 133 B, 157 B
Der Beschluss einer Wohnungseigentümergemeinschaft, mit dem sie ihren ver-
meintlichen Verwalter zur gerichtlichen Geltendmachung von das Gemein-
schaftseigentum betreffenden Gewährleistungsansprüchen ermächtigt, ist inte-
ressengerecht auszulegen. Handelt es sich bei dem vermeintlichen Verwalter um
eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die nicht wirksam zum Verwalter bestellt
werden kann (BGH, Beschlüsse vom 18. Mai 1989 - V ZB 4/89, BGHZ 107, 268,
271 f. und vom 26. Januar 2006 - V ZB 132/05, NJW 2006, 2189), ist der Be-
schluss dahin auszulegen, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ermächtigt
wird.
BGH, Urteil vom 28. Mai 2009 - VII ZR 206/07 - OLG Naumburg
LG Halle
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Februar 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, den
Richter Dr. Kuffer, die Richterin Safari Chabestari, den Richter Halfmeier und
den Richter Leupertz
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Naumburg vom 17. Oktober 2007 aufgeho-
ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, eine seit 25. August 2006 im Handelsregister eingetragene
OHG, verlangt als Rechtsnachfolgerin der W. & G. GbR und Verwalterin der
Wohnungseigentümergemeinschaft P.-M.-Straße 74 in H. im eigenen Namen
von der Beklagten die Beseitigung umfangreicher Mängel am Gemeinschaftsei-
gentum.
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Die Beklagte, eine Bauträgerin, teilte 1996 das von ihr erworbene bebau-
te Grundstück P.-M.-Straße 74 in Wohnungseigentum auf und verpflichtete sich
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gegenüber den jeweiligen Erwerbern der Eigentumswohnungen zu der erforder-
lichen Sanierung des aufstehenden Gebäudes. Eine fünfjährige Gewährleis-
tungsfrist wurde vereinbart. Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums erfolg-
te am 3. August 1998.
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Die Wohnungseigentümergemeinschaft bestellte zum 1. Februar 2002
die W. & G. GbR, vertreten durch die Gesellschafter W. und G., zur Verwalterin.
In der Eigentümerversammlung vom 21. Juni 2002 fassten die Wohnungseigen-
tümer folgenden Beschluss:
"Der Verwalter wird ermächtigt, im eigenen Namen mit Wirkung für
und gegen die Gemeinschaft Baumängelgewährleistungsansprü-
che bezüglich des Gemeinschaftseigentums der Anlage gegen
den Bauträgerverkäufer geltend zu machen und zwar auch auf ge-
richtlichem Wege."
Die W. & G. GbR (im Folgenden: GbR) stellte daraufhin am 24. Juli 2002
als "Verwalter gemäß WEG in Prozessstandschaft für die Wohnungseigentü-
mergemeinschaft" einen spätestens am 15. August 2002 zugestellten Antrag
auf Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens. Nach Abschluss dieses
Verfahrens erhob die GbR in gleicher Funktion am 16. August 2005 Klage auf
Beseitigung der im selbständigen Beweisverfahren sachverständig festgestell-
ten Baumängel. Nach Umwandlung der GbR in eine OHG wurde diese am
4. Oktober 2006 zur Verwalterin bestellt. Sie führt den Rechtsstreit fort.
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Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung der Gewährleistungs-
ansprüche abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Gewährleis-
tungsansprüche der Wohnungseigentümer weiter.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungs-
urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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Auf das Schuldverhältnis der Parteien ist das Bürgerliche Gesetzbuch in
der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB)
anwendbar. Die Verjährung bestimmt sich nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1
EGBGB.
I.
Das Berufungsgericht teilt die Auffassung des Landgerichts, die Beklagte
sei wegen Verjährung der Gewährleistungsansprüche der Wohnungseigentü-
mergemeinschaft zur Leistungsverweigerung berechtigt. Die seit 4. August
1998 laufende fünfjährige Gewährleistungsfrist sei durch das selbständige Be-
weisverfahren nicht gehemmt worden und damit am 4. August 2003 abgelau-
fen. Denn die GbR sei zur Antragstellung in gewillkürter Prozessstandschaft
nicht berechtigt gewesen, da sie von der Wohnungseigentümergemeinschaft
mit Beschluss vom 21. Juni 2002 nicht wirksam als Verwalterin zur Prozessfüh-
rung ermächtigt worden sei. Die Wohnungseigentümergemeinschaft habe so-
wohl nach dem Wortlaut des Beschlusses als auch entsprechend ihrem tat-
sächlichen Willen die Ermächtigung nur dem Verwalter und nicht der GbR er-
teilt. Da die Bestellung der GbR zur Verwalterin aus Rechtsgründen unwirksam
sei, habe sich die Ermächtigung an eine nicht existente Verwalterin gerichtet.
Anhaltspunkte dafür, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft das Handeln
einer anderen Person neben dem Verwalter gewollt hätte, seien nicht ersicht-
lich.
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II.
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Das Berufungsgericht hat mit nicht tragfähiger Begründung angenom-
men, die von der Klägerin geltend gemachten Gewährleistungsansprüche seien
verjährt.
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1. Im Ansatz richtig geht das Berufungsgericht davon aus, dass die GbR
nicht Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft war, da ihre zum
1. Februar 2002 erfolgte Bestellung unwirksam war. Denn eine GbR kann nicht
Verwalterin einer Wohnungseigentümergemeinschaft sein (BGH, Beschlüsse
vom 18. Mai 1989 - V ZB 4/89, BGHZ 107, 268, 271 f. und vom 26. Januar
2006 - V ZB 132/05, NJW 2006, 2189).
2. Das Berufungsgericht legt den Beschluss vom 21. Juni 2002 dahin
aus, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht die GbR, sondern die
nicht existente Verwalterin zur gerichtlichen Geltendmachung der Gewährleis-
tungsansprüche ermächtigt habe. Diese Auslegung hält der rechtlichen Nach-
prüfung unabhängig davon nicht stand, ob sie - wie die Auslegung von Sonder-
nachfolger bindenden Beschlüssen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. September
1998 - V ZB 11/98, BGHZ 139, 289) - revisionsrechtlich uneingeschränkt oder
lediglich insoweit überprüfbar ist, als gesetzliche Auslegungsregeln, Denkge-
setze und Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff au-
ßer Acht gelassen worden ist. Denn das Berufungsgericht weicht von anerkann-
ten Auslegungsgrundsätzen ab. Es hat insbesondere den Grundsatz der inte-
ressengerechten Auslegung verletzt (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 1997
- V ZR 248/96, NJW 1998, 535, 536; Urteil vom 11. Mai 1995 - VII ZR 116/94,
BauR 1995, 697 = ZfBR 1995, 259 m.w.N.). Die vom Senat vorzunehmende
Auslegung ergibt, dass die GbR ermächtigt worden ist, das selbständige Be-
weisverfahren durchzuführen.
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a) Das Berufungsgericht entnimmt bereits zu Unrecht dem Wortlaut des
Beschlusses, dass die Wohnungseigentümer nur einen Verwalter und nicht die
GbR ermächtigen wollten. Dass in dem Beschluss mehrfach von "Verwalter"
und nicht von "GbR" die Rede ist, erklärt sich ohne weiteres daraus, dass die
Wohnungseigentümer einen Unterschied zwischen "Verwalter" und "GbR" nicht
gesehen haben. Sie sind davon ausgegangen, dass die GbR ihre Verwalterin
ist. Dementsprechend ist zu Beginn des Protokolls der Eigentümerversammlung
die GbR als "HVW" = Hausverwalter bezeichnet.
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b) Das Berufungsgericht will offenbar den Beschluss der Wohnungsei-
gentümer dahin verstehen, dass eine unlösbare Verknüpfung zwischen der Er-
mächtigung der GbR und ihrer wirksamen Funktion als Verwalterin gewollt sei.
Das entspricht nicht der Interessenlage der Wohnungseigentümer. Diese waren
in erster Linie daran interessiert, ihre Rechte aus den Mängeln zu wahren. Dazu
wurde die GbR u.a. zur Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens er-
mächtigt. Die Beauftragung der GbR war zwar darauf zurückzuführen, dass sie
als Verwalterin fungierte. Der Umstand, dass die GbR Verwalterin sein sollte,
war jedoch keine Bedingung für die Ermächtigung der GbR, sondern lediglich
damals vorausgesetzte Grundlage für den entsprechenden Beschluss. Die Er-
mächtigung der GbR behielt ihre Berechtigung und entsprach den Interessen
der Wohnungseigentümer auch dann, wenn sie nicht Verwalterin war. Denn die
Ermächtigung erfüllte den von den Wohnungseigentümern verfolgten Zweck,
die Rechte aus den Mängeln zu wahren. Das vom Berufungsgericht dagegen
vorgebrachte Argument, die Wohnungseigentümer hätten mit entsprechender
Kostenfolge keine zwei Personen - die GbR und den Verwalter - beauftragen
wollen, ist verfehlt. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat nur eine Person
beauftragt. Sie hatte wirksam keinen Verwalter bestellt. Sobald ein Verwalter
bestellt worden wäre, hätten die entsprechenden Maßnahmen getroffen werden
können, um eine interessengerechte Lösung zu finden, wie es dann auch tat-
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sächlich mit der Gründung der OHG geschehen ist. Die vom Berufungsgericht
vorgenommene Auslegung führt letztlich dazu, einen Willen der Wohnungsei-
gentümer anzunehmen, eine unwirksame Ermächtigung eines nicht existenten
Verwalters sei einer wirksamen Ermächtigung der GbR vorzuziehen. Das ist
fernliegend und nicht interessengerecht.
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3. Auf dieser Grundlage kann im Revisionsverfahren nicht davon ausge-
gangen werden, dass der geltend gemachte Anspruch verjährt ist. Gemäß
§ 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB wird die Verjährung durch die Zustellung des Antrags
auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gehemmt. Die Hem-
mung endet gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach der Beendi-
gung des Verfahrens. Voraussetzung für die Hemmung ist nicht, dass der Inha-
ber des Anspruchs den Antrag auf Einleitung des selbständigen Beweisverfah-
rens stellt. Ausreichend ist jedenfalls, dass der Antrag in berechtigter Pro-
zessstandschaft für den Berechtigten gestellt wird (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli
2003 - VII ZR 360/02, BauR 2003, 1759 = NZBau 2003, 613 = ZfBR 2003, 768;
Urteil vom 16. September 1999 - VII ZR 385/98, BauR 1999, 1489 = NZBau
2000, 24 = ZfBR 2000, 39; zur Unterbrechung der Verjährung durch einen un-
zulässigen Antrag vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1993 - VII ZR 148/92, BauR
1993, 473 = ZfBR 1993, 182). Insoweit haben sich durch das Gesetz zur Mo-
dernisierung des Schuldrechts keine Änderungen an der bis dahin bestehenden
Rechtslage ergeben.
Diese Voraussetzungen für die Hemmung der Verjährung liegen vor.
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a) Die Wohnungseigentümer haben mit Mehrheitsbeschluss vom 21. Juni
2002 die GbR ermächtigt, deren Gewährleistungsansprüche wegen Mängeln
des Gemeinschaftseigentums im eigenen Namen gerichtlich geltend zu ma-
chen. Von dieser Ermächtigung ist auch die Einleitung des selbständigen Be-
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weisverfahrens gedeckt. Der Beschluss ist nach den Regeln des Wohnungsei-
gentumsrechts wirksam. Es handelt sich nicht um einen vereinbarungsabän-
dernden Beschluss, der wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig wäre
(BGH, Beschluss vom 20. September 2000 - V ZB 58/99, BGHZ 145, 158,
162 ff.). Die Wohnungseigentümer haben diesen Beschluss im Rahmen einer
ordnungsgemäßen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer
dienenden Verwaltung (§ 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2 WEG) fassen wollen. Gleiches
gilt für die Ermächtigung der GbR, diese Ansprüche auch auf gerichtlichem
Wege geltend zu machen. Unerheblich ist, dass die Wohnungseigentümer tat-
sächlich nicht einen Verwalter mit der Durchsetzung der Mängelansprüche er-
mächtigt haben. Die Wohnungseigentümer können durch Mehrheitsbeschluss
auch einen Dritten, der nicht ihr Verwalter ist, zur Geltendmachung von Ansprü-
chen ermächtigen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2005 - V ZR 235/04, NJW
2005, 2622 = MDR 2005, 1279; Staudinger/Bub, BGB, 12. Aufl., § 27 WEG
Rdn. 28, 34). Ob der Beschluss vom 21. Juni 2002 im Hinblick darauf, dass die
GbR nicht Verwalterin war, ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach, kann of-
fen bleiben, weil er nicht angefochten und daher bestandskräftig geworden ist.
b) Die GbR konnte als Außengesellschaft wirksam zur Prozessführung
ermächtigt werden. Seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Jahre
2001 (BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 343) ist
anerkannt, dass die BGB-Außengesellschaft rechtsfähig ist, soweit sie durch
Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet. In die-
sem Rahmen ist sie zugleich aktiv und passiv parteifähig. Der GbR als ver-
meintlicher Verwalterin sind mit der Übertragung der Befugnis, die Gewährleis-
tungsansprüche der Wohnungseigentümer geltend zu machen, diesen gegen-
über Rechte und Pflichten erwachsen. Besondere Rechtsvorschriften oder die
Eigenart des Rechtsverhältnisses zwischen der GbR und der Wohnungseigen-
tümergemeinschaft stehen der Geltendmachung der Ansprüche durch die GbR
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in gewillkürter Prozessstandschaft nicht entgegen. Insbesondere kommt den
Umständen, aus denen die Rechtsprechung die fehlende Tauglichkeit der GbR
als Verwalterin einer Wohnungseigentümergemeinschaft ableitet, im Rahmen
der Prozessstandschaft der GbR für die Wohnungseigentümergemeinschaft
keine Bedeutung zu.
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c) Die Prozessstandschaft der GbR war berechtigt. Sie hatte auf der
Grundlage der vermeintlichen Verwalterstellung ein eigenes rechtliches Interes-
se an der Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens.
III.
Das Berufungsgericht kann danach keinen Bestand haben. Die Verjäh-
rung ist durch die Zustellung des Antrags auf Durchführung des selbständigen
Beweisverfahrens spätestens am 15. August 2002 gehemmt worden. Das Beru-
fungsgericht hat nicht festgestellt, wann das aufgrund dieses Antrags durchge-
führte Beweisverfahren beendet wurde. Eine abschließende Entscheidung ist
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dem Senat deshalb nicht möglich. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen.
Kniffka Kuffer
Safari
Chabestari
Halfmeier
Leupertz
Vorinstanzen:
LG Halle, Entscheidung vom 21.12.2006 - 9 O 190/05 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 17.10.2007 - 6 U 14/07 -