Urteil des BGH vom 09.12.2009

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 107/08 Verkündet
am:
9. Dezember 2009
Breskic,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
EGBGB Artt. 14, 15, 18; BGB § 313
a) Der Anspruch auf eine nach iranischem Recht vereinbarte Morgengabe un-
terliegt - als allgemeine Wirkung der Ehe - dem von Art. 14 EGBGB berufe-
nen Sachrecht.
b) Zu den nach deutschem Sachrecht bestehenden Möglichkeiten, einen als
Morgengabe in iranischer Währung vereinbarten Betrag an die iranische
Geldwertentwicklung anzupassen.
BGH, Urteil vom 9. Dezember 2009 - XII ZR 107/08 - OLG Hamburg
AG Hamburg-Barmbek
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Dezember 2009 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz, Dr. Klinkhammer und Schilling
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 1. Familiense-
nats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom
29. Mai 2008 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts
Hamburg-Barmbek - Familiengericht - vom 16. November 2006
wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung einer vereinbarten und
nach Maßgabe des iranischen Rechts an die iranische Geldwertentwicklung
angepassten Morgengabe.
1
Die Parteien - damals iranische Staatsangehörige - schlossen 1992 in
Teheran die Ehe. Dabei verpflichtete sich der Beklagte zur Leistung einer "Mor-
gengabe". Diese sollte bestehen aus "Ein Koran, ein Spiegel, ein Paar Kerzen-
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träger und Rl. 15.000.000" (iranische Rial; nach dem Kursstand vom 29. März
2006 umgerechnet: 1.428,23 €), die "restlos zu Lasten des Ehemannes gehen"
sollten "und bei Forderung seitens der Ehefrau ihr auszuzahlen" seien. Die Hei-
ratsurkunde trägt die Unterschrift mehrerer Zeugen, darunter auch eine Unter-
schrift mit dem Namen des Vaters der Klägerin.
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1993 verließen die Parteien den Iran und erwarben später die deutsche
Staatsangehörigkeit. Die Ehe wurde 2006 auf Antrag beider Parteien in
Deutschland nach deutschem Recht rechtskräftig geschieden.
Die Klägerin beruft sich auf die Anwendbarkeit iranischen Rechts und
verlangt vom Beklagten als Morgengabe die vereinbarte, aber nach Maßgabe
des iranischen Rechts an die dortige Geldwertentwicklung angepasste Geldleis-
tung in Höhe von (15.000.000 Rl. x 274,5 : 27,9 =) 147.580.500 Rl. (entspricht
nach den Berechnungen der Klägerin: 13.204,60 €). Die Ehe sei wirksam ge-
schlossen worden. Ihr Vater sei bei der Eheschließung persönlich anwesend
gewesen und habe die Heiratsurkunde selbst unterschrieben.
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Der Beklagte hält deutsches Recht für anwendbar. Bei Anwendung irani-
schen Rechts müsse zudem das iranische Scheidungsrecht einbezogen wer-
den. Danach sei die Ehefrau bei einer von ihr initiierten Scheidung zur Zahlung
einer Abfindung in Höhe der Morgengabe oder - nach Verhandlung - auch eines
höheren oder niedrigeren Betrages verpflichtet. Da die Klägerin die Eheschei-
dung beantragt habe, rechne er vorsorglich mit diesem Abfindungsanspruch
auf. Im Übrigen sei die Ehe nicht wirksam geschlossen, da der Vater der Kläge-
rin bei der Eheschließung nicht anwesend gewesen sei; statt seiner habe ein
Onkel der Klägerin die Heiratsurkunde mit dem Namen des Vaters unterschrie-
ben.
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- 4 -
Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von lediglich 1.428,23 €
(Nominalbetrag der Morgengabe, umgerechnet) verurteilt und die Klage im Üb-
rigen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der
Klage in vollem Umfang entsprochen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit
der zugelassenen Revision.
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Entscheidungsgründe:
Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg.
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I.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist das Klagebegehren nach
iranischem Recht zu beurteilen. Die Morgengabe sei güterrechtlich zu qualifizie-
ren. Deshalb sei gemäß Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB das
im Zeitpunkt der Eheschließung gemeinsame Heimatrecht der Ehegatten maß-
gebend. Das danach berufene iranische Recht sehe vor, den als Morgengabe
in iranischer Währung vereinbarten Geldbetrag nach Maßgabe einer von der
Zentralbank des Iran festgelegten Indexierung (Kennzahl der Inflationsrate im
Jahr vor Scheidungsausspruch [hier 274,5] geteilt durch Kennzahl bei Ehe-
schließung [hier 27,9]) an die iranische Geldwertentwicklung anzupassen (ge-
setzliche Anmerkung zu Art. 1082 iranisches ZGB; mit Wirkung auch für zuvor
geschlossene Ehen in Geltung seit 1998; abgedruckt bei Bergmann/Ferid/
Henrich/Enayat Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Iran - Stand 1. Okto-
ber 2002 - S. 123 sowie bei Yassari StAZ 2003, 198, 200 f. und Fn. 21; vgl.
auch dies. FamRZ 2002, 1093 f.). Die Wirksamkeit der von den Parteien ge-
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schlossenen Ehe stehe auch dann außer Zweifel, wenn der Vater bei der Ehe-
schließung nicht persönlich anwesend gewesen sei.
II.
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Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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1. Das Oberlandesgericht geht zu Unrecht davon aus, dass die Vereinba-
rung über die Morgengabe nach iranischem Recht zu beurteilen und die Mor-
gengabe deshalb auch nach Maßgabe dieses Rechts an die iranische Geld-
wertentwicklung anzupassen sei. Nach welchem Recht Vereinbarungen, in de-
nen sich ein Ehegatte zur Zahlung einer sog. Morgengabe verpflichtet, zu beur-
teilen sind, bestimmt sich vorrangig danach, wie solche Vereinbarungen nach
deutschem Internationalen Privatrecht zu qualifizieren sind.
a) Die Frage nach der Qualifikation von Morgengabeversprechen konnte
der Bundesgerichtshof bislang dahinstehen lassen (vgl. Senatsurteile vom
14. Oktober 1998 - XII ZR 66/97 - FamRZ 1999, 217 und vom 28. Januar 1987
- IVb ZR 10/86 - FamRZ 1987, 463, 464; vgl. auch Senatsurteil vom 6. Oktober
2004 - XII ZR 225/01 - FamRZ 2004, 1952, 1958). In der Rechtsprechung der
Instanzgerichte und in der Literatur wird diese Frage unterschiedlich beantwor-
tet.
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Allgemein wird darauf verwiesen, dass sich das tief im islamischen Recht
verwurzelte Rechtsinstitut der Morgengabe (auch "Brautgabe" oder "Mahr") in
allen islamischen Rechtsordnungen ähnele, dabei aber - nach Tradition und
aktueller Funktion - unterschiedliche Vorstellungen und Ziele verwirkliche. An-
geführt wird etwa das überkommene Verständnis der Morgengabe als einer
Gegenleistung für die körperliche Hingabe der Frau oder als Äquivalent für den
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dem Mann in der Ehe geschuldeten Gehorsam. In Rechtsordnungen, welche
die Verstoßungsscheidung kennen, soll die Morgengabe (auch) den Zweck ver-
folgen, den Ehemann von einer missbräuchlichen Ausübung seines Versto-
ßungsrechts abzuhalten. Eine heute wohl vorrangige Funktion der Morgengabe
wird im Aufbau von Vermögen für die Ehefrau gesehen, die bei Scheidung oder
Tod des Mannes vielfach schutzlos dastehe. Insoweit wird auf den im klassisch-
islamischen Recht seit alters her geltenden Güterstand der Gütertrennung und
eine dort nur eng begrenzte Verpflichtung des Ehemannes zur Zahlung von
nachehelichem Unterhalt verwiesen (vgl. zum Ganzen etwa Wurmnest RabelsZ
2007, 527, 538 ff.; Yassari StAZ 2003, 198, 199 und 201; dies. FamRZ 2002,
1088, 1093 f.).
Hieraus werden, wie das Berufungsgericht näher dargelegt hat, für die in-
ternational-privatrechtliche Qualifikation der Morgengabe unterschiedliche
Schlüsse gezogen (Überblick über den Meinungsstand bei Staudinger/
Mankowski BGB [2003] Art. 14 EGBGB Rdn. 273 ff.; Johannsen/Henrich Ehe-
recht 4. Aufl. Art. 14 EGBGB Rdn. 6; Palandt/Heldrich 68. Aufl. Art. 13 Rdn. 9;
Henrich FS Sonnenberger 2004, 389; Wurmnest aaO S. 546 ff.). Zum Teil wird
die Morgengabe jedenfalls dann, wenn sie nicht schon bei der Eheschließung
bezahlt wird, den allgemeinen Wirkungen der Ehe zugeordnet und dem Art. 14
EGBGB unterstellt (OLG Köln FamRZ 2006, 1380, 1381; Staudinger/
Mankowski aaO Rdn. 273; Johannsen/Henrich aaO; Henrich Internationales
Familienrecht aaO; ders. FS Sonnenberger aaO; ders. FamRZ 2004, 1958,
1959. Ebenso Palandt/Heldrich BGB 68. Aufl. Art. 13 Rdn. 9, der allerdings
Art. 18 Abs. 4 EGBGB anwenden will, wenn die Morgengabe im Zusammen-
hang mit der Scheidung geltend gemacht wird; ebenso OLG Nürnberg FamRZ
2001, 1613). Andere Stimmen befürworten eine güterrechtliche Qualifikation
(Art. 15 EGBGB; vgl. etwa OLG Bremen FamRZ 1980, 606; MünchKomm/Siehr
BGB 4. Aufl. Art. 15 EGBGB; Soergel/Schurig BGB 12. Aufl. Art. 14 EGBGB
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Rdn. 48 und Art. 15 EGBGB Rdn. 35; Bamberger/Roth/Mörsdorf-Schulte BGB
2. Aufl. Art. 14 EGBGB Rdn. 20; Wurmnest aaO S. 553 ff.; vgl. auch OLG Köln
IPrax 1983, 73). Nach wieder anderer Ansicht sind Vereinbarungen über die
Morgengabe unterhaltsrechtlich zu qualifizieren (Art. 18 EGBGB; vgl. etwa OLG
Celle FamRZ 1998, 374, 375; KG FamRZ 1988, 296; für Anwendung des
Art. 18 Abs. 4 EGBGB bei Geltendmachung der Morgengabe im Zusammen-
hang mit der Scheidung vgl. bereits oben OLG Nürnberg aaO und Pa-
landt/Heldrich aaO). Mitunter wird auch eine schuldrechtliche Qualifikation in
den Kreis möglicher Lösungen einbezogen (Art. 28 EGBGB; so etwa OLG Köln
OLGR 1993, 328 = NJW-RR 1994, 200; KG FamRZ 1980, 470). Nach einer
weiteren Auffassung soll für die Qualifikation der Morgengabe der Kontext
maßgebend sein, in dem die Ehefrau den Anspruch auf die Morgengabe gel-
tend mache, mit der Folge, dass bei bestehender Ehe das Ehewirkungsstatut,
bei Geltendmachung im Zuge einer Scheidung das Scheidungsstatut und bei
Forderung der Morgengabe nach dem Tod des Ehemannes das Erbstatut An-
wendung finde (vgl. etwa Heldrich IPrax 1983, 64 und die ausf. Nachw. bei
Wurmnest aaO S. 548 Fn. 120).
b) Der Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an, nach wel-
cher der Anspruch auf die Morgengabe als eine allgemeine Wirkung der Ehe zu
qualifizieren und deshalb dem Art. 14 EGBGB zu unterstellen ist. Dabei geht
der Senat davon aus, dass die Morgengabe - je nach Fallgestaltung - aus der
Sicht des deutschen Rechts Berührungspunkte mit dem ehelichen bzw. nach-
ehelichen Unterhaltsrecht, dem Ehegüterrecht, dem Scheidungs- und dem
Erbrecht aufweisen kann, dass sie sich aber weder generell noch für den vor-
liegenden Fall schwerpunktmäßig einem dieser Institute zuordnen lässt.
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aa) Gegen eine ausschließlich unterhaltsrechtliche Qualifikation spricht
bereits, dass die Morgengabe weder eine Bedürftigkeit der Ehefrau verlangt
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noch auf eine bestimmte Bedürfnislage der Ehefrau abgestimmt ist. Während
des Bestehens der Ehe trifft den Ehemann eine umfassende Unterhaltspflicht,
die nicht nur die Aufbringung der Haushaltskosten, sondern in sozialadäquatem
Rahmen auch die persönlichen Bedürfnisse der Ehefrau einbezieht und von der
Morgengabe unabhängig ist (Wurmnest aaO S. 551). Im Scheidungsfall dient
die Morgengabe zwar auch der Versorgung der Ehefrau - mithin einer Funktion,
die im deutschen Recht vom nachehelichen Unterhalt erfüllt wird. Dies ändert
aber nichts daran, dass die - wenn auch eng begrenzte - Verpflichtung zum
nachehelichen Unterhalt neben die Verpflichtung zur Zahlung der Morgengabe
tritt; materiell-rechtlich wird also zwischen dem laufenden Unterhalt und der
Grundlage der eigenen Vermögensbildung der Frau unterschieden (wie hier
etwa Staudinger/Mankowski BGB 13.
Bearb. Art. 14 EGBGB Rdn. 273;
Bamberger/Roth/Otte BGB 2. Aufl. Art. 14 EGBGB Rdn. 64; Johannsen/Henrich
aaO Rdn. 6; Wurmnest aaO S. 551; Henrich Internationales Familienrecht
2. Aufl. S. 69).
bb) Gegen eine güterrechtliche Qualifikation spricht, dass die Verpflich-
tung zur Zahlung einer Morgengabe für sich genommen keinen Güterstand be-
gründet. Zwar kann die Morgengabe mögliche Nachteile, welche die vom irani-
schen Recht vorgegebene Gütertrennung (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich/Enayat
aaO S. 50) für die Ehefrau im Scheidungsfall mit sich bringt, im Einzelfall in be-
grenztem Rahmen kompensieren. Sie zielt - etwa bei der Vereinbarung einer
mehr symbolischen Gabe (Beispiel nach Johannsen/Henrich aaO Rdn. 6: Koran
und Goldmünze) - aber nicht notwendig auf eine solche (begrenzte) vermö-
gensmäßige Sicherung der Ehefrau. Zudem wird die Morgengabe generell auf
der Grundlage der wirtschaftlichen Verhältnisse vor der Eheschließung berech-
net und ist von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung des Mannesvermö-
gens unabhängig; sie kann also nicht - wie der Zugewinnausgleich - als pau-
schalierte Teilhabe der Ehefrau an der vom Ehemann in der Ehe erzielten Ver-
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mögenssteigerung verstanden werden (wie hier: Staudinger/Mankowski aaO
Rdn. 274; Johannsen/Henrich aaO Rdn. 6; Henrich Internationales Familien-
recht 2. Aufl. S. 69).
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cc) Eine schuldvertragliche Qualifikation lässt unberücksichtigt, dass die
Morgengabe zwar in der Regel, aber nicht notwendig auf einer vertraglichen
Grundlage beruht. Sie verkennt zudem, dass diese Grundlage nicht schuld-
rechtlichen, sondern eherechtlichen Charakter hat, und zwar auch dann, wenn
die Morgengabe erst in einer auf den eigentlichen Eheschließungsvertrag fol-
genden Abrede vereinbart wurde. Eheverträge werden indes nicht den Artt. 27
bis 36 EGBGB unterstellt; für die Vereinbarung einer Morgengabe kann nichts
anderes gelten (wie hier: Staudinger/Mankowski aaO Rdn. 276).
dd) Auch eine Anknüpfung, die danach differenziert, zu welchem Zeit-
punkt der Anspruch auf die Morgengabe erhoben wird, und deshalb etwa einen
im Zusammenhang mit der Scheidung geltend gemachten Anspruch dem
Scheidungsstatut, eine nach dem Tod des Ehemannes verfolgte Forderung auf
die Morgengabe dagegen dem Erbstatut unterwirft, vermag nicht zu überzeu-
gen. Denn sie berücksichtigt nicht, dass der Anspruch auf die Morgengabe mit
der Eheschließung entsteht und, auch falls er gestundet wird, seinen Charakter
dadurch nicht wandelt. Dies gilt auch für seine international-privatrechtliche
Qualifikation (instruktiv Wurmnest aaO S. 549).
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ee) Islamisch geprägte Rechtsordnungen, die - wie auch die des Iran -
das Versprechen einer Morgengabe nicht als Wirksamkeitsvoraussetzung der
Eheschließung normieren, verstehen den Anspruch auf die Morgengabe als
eine Ehewirkung. Daraus lässt sich freilich noch kein zwingender Schluss auf
die Einordnung der Morgengabe in das Begriffssystem des deutschen Internati-
onalen Privatrechts ziehen und die Annahme begründen, die Morgengabe müs-
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- 10 -
se notwendig unter Art. 14 EGBGB subsumiert werden. Dies gilt schon deshalb
nicht, weil im islamisch-rechtlichen Schrifttum der Begriff der Ehewirkungen
synonym für alle -
vermögensrechtlichen wie nichtvermögensrechtlichen
-
Rechte und Pflichten gebraucht wird (Wurmnest aaO S. 546). Richtig ist auch,
dass der Begriff der allgemeinen Wirkungen der Ehe in Art. 14 EGBGB im we-
sentlichen solche Sachbereiche erfasst, welche die persönlichen Rechtsbezie-
hungen der Ehegatten zueinander sowie ihr Verhältnis zu Dritten betreffen (vgl.
etwa Kropholler Internationales Privatrecht 2004 S. 341). Dies folgt jedoch we-
niger aus dem Begriff der "allgemeinen Ehewirkungen" als vielmehr aus der
Systematik des EGBGB, welche die Eheschließung, das Ehegüterrecht sowie
das Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht speziellen Statuten unterstellt und
damit dem unmittelbaren Anwendungsbereich des Art. 14 EGBGB nur einen
Restbereich, im wesentlichen eben die personalen Rechtsbeziehungen, be-
lässt. Von diesem systematischen Ausgangspunkt her lassen sich unter den
allgemeinen Wirkungen der Ehe alle Wirkungen der Ehe verstehen, für die kei-
ne andere speziellere Verweisungsnorm bereitgestellt wird (MünchKomm/Siehr
BGB 4. Aufl. Art. 14 EGBGB Rdn. 5). Art. 14 EGBGB wird damit zugleich zu
einer Art Auffangtatbestand. In diesem Auffangtatbestand ist auch für den An-
spruch auf die Morgengabe, weil von den spezielleren Familienstatuten nicht
- auch nicht schwerpunktmäßig - erfasst, Raum. Einer "dehnenden" Anwendung
des Ehewirkungsbegriffs (Wurmnest aaO S. 553) bedarf es dazu nicht.
Mit diesem kollisionsrechtlichen Verständnis der Morgengabe wird eine
Lösung erreicht, die im praktischen Ergebnis auch von jenen Stimmen in
Rechtsprechung und Literatur befürwortet wird, die den Anspruch auf die Mor-
gengabe, wenn er - wie auch hier - im Zusammenhang mit der Scheidung gel-
tend gemacht wird, unterhaltsrechtlich qualifizieren und über die Verweisung
des Art. 18 Abs. 4 EGBGB dem Scheidungsstatut und damit letztlich dem bei
Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags maßgebenden Ehewirkungsstatut
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(Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 EGBGB), hier also deutschem Recht, unterstellen
wollen.
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Deutliche Unterschiede ergeben sich dagegen zu der Auffassung, wel-
che die Morgengabe als ein güterrechtlich einzuordnendes Rechtsinstitut ver-
steht und dieses dem Art. 15 EGBGB - mithin dem bei Eheschließung gelten-
den Ehewirkungsstatut - zuordnet. Der Senat verkennt nicht den Vorteil, der mit
dem unwandelbaren Ehegüterrechtsstatut für die Rechtssicherheit verbunden
ist und den Ehegatten eine für die Dauer ihrer Ehe gleichbleibende, von allen
Veränderungen ihrer Lebensumstände unabhängige kollisionsrechtliche Be-
handlung ihrer ehegüterrechtlichen Verhältnisse verbürgt. Diesem Vorzug ist
indes der Gewinn gegenüberzustellen, den eine die gewandelten Lebensum-
stände berücksichtigende Anknüpfung namentlich dort mit sich bringt, wo - wie
im vorliegenden Fall - Ehegatten den bisherigen Lebens- und Kulturraum auf-
grund eines gemeinsamen Entschlusses verlassen haben, eine neue gemein-
same Staatsangehörigkeit erwerben und in ein grundlegend anderes soziales
und rechtliches Umfeld eingebunden werden. Dies gilt besonders in Ansehung
von Rechtsinstituten, die - wie die Morgengabe - von einer starken kulturell-
religiösen Tradition geprägt sind und die sich in ein dieser Tradition weitgehend
fremdes Ehe-, Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht wie das deutsche Fami-
lienrecht kaum ohne innere Brüche einfügen lassen. Die Unterstellung der Mor-
gengabe unter das wandelbare Ehewirkungsstatut und damit - im Ergebnis -
unter das deutsche Sach- (Familien-)recht vermeidet solche Friktionen besser
als das vom Güterrechtsstatut bewirkte starre Festhalten an einem Sachrecht,
das aufgrund gewandelter Anknüpfung für andere, mit der Morgengabe in Zu-
sammenhang stehende familienrechtliche Regelungen, wie hier: Scheidung und
nachehelicher Unterhalt, keine Geltung beanspruchen kann.
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Der vorliegende Fall verdeutlicht diesen Vorzug. Der Anspruch auf die
Morgengabe wird mit der Subsumtion unter die allgemeinen Ehewirkungen
- anders als bei einer güterrechtlichen Anknüpfung - einem wandelbaren Statut
unterworfen. Die Anknüpfung an das wandelbare Ehewirkungsstatut sichert den
Gleichlauf der international-rechtlichen Behandlung der Morgengabe mit der
ebenfalls wandelbaren kollisionsrechtlichen Anknüpfung von Scheidung und
nachehelichem Unterhalt: Scheidung, nachehelicher Unterhalt und Versprechen
der Morgengabe unterstehen damit demselben Sachrecht. Der Ehemann kann
deshalb dem Verlangen der Ehefrau nicht, wie hier geschehen, den Einwand
entgegensetzen, bei einer nach iranischem Recht durchzuführenden Scheidung
hätte die Ehefrau ihm für sein Einverständnis mit der Scheidung ein Entgelt leis-
ten müssen, das nach iranischem Recht in einem Verzicht auf die Morgengabe
oder in der Zuwendung eines anderen, mit der Morgengabe aber wertmäßig
korrelierenden Vermögensgegenstandes liegen könne; dieses Vorteils dürfe er
nicht durch eine unterschiedliche Anknüpfung des Scheidungsrechts und der
damit - nach dem anwendbaren iranischen Recht - verwobenen Morgengabe
verlustig gehen. Einer solchen Argumentation ist von vornherein der Boden ent-
zogen, wenn Morgengabe und Scheidungsrecht demselben - hier deutschen -
Sachrecht unterstellt werden (vgl. auch Wurmnest FamRZ 2005, 1878, 1883 f.).
Entsprechendes gilt für die Frage, ob für das Versprechen der Morgengabe
- etwa im Hinblick auf den sich nach deutschem Recht beurteilenden nacheheli-
chen Unterhalt - nach iranischem Recht die Geschäftsgrundlage (in Analogie zu
dem aus dem deutschen Recht bekannten Institut) entfallen ist. Morgengabe
und nachehelicher Unterhalt unterliegen demselben - deutschen - Sachrecht.
Die Frage eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage für das Versprechen der
Morgengabe bestimmt sich deshalb allein nach deutschem Recht (vgl. hierzu
Wurmnest FamRZ 2005, 1878, insbes. 1884). Einer - naturgemäß weitgehend
fiktiven - Nachempfindung deutscher Rechtsgrundsätze in einem fremdrechtli-
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chen Regelungsgefüge, das auf einen ganz anderen kulturellen und sozialen
Kontext zugeschnitten ist, bleiben die deutschen Gerichte damit weitgehend
enthoben.
23
2. Da die Parteien deutsche Staatsangehörige sind, ist die Morgengabe
- nach dem von Art. 14 Abs. 1 EGBGB berufenen deutschen Sachrecht - als
eine ehevertragliche Zusage des Ehemannes anzusehen. Sie verpflichtet den
Ehemann, der Ehefrau den in der Zusage genannten Geldbetrag zu zahlen.
Eine Anpassung dieses Betrages an die iranische Geldwertentwicklung, wie sie
das iranische Recht vorsieht, ist zwar auch nach deutschem Recht - im Wege
der Auslegung der getroffenen Vereinbarung oder nach den Grundsätzen über
den Wegfall der Geschäftsgrundlage - grundsätzlich möglich. Die Vorausset-
zungen des deutschen Rechts für eine solche Anpassung liegen hier jedoch
nicht vor.
Eine Vertragsauslegung, die eine Anpassung des als Morgengabe ge-
schuldeten Betrages an die iranische Geldwertentwicklung begründen könnte,
kommt nicht in Betracht. Der Wortlaut der Abrede gibt für eine solche Anpas-
sung - als von den Parteien gewollt - nichts her. Auch eine stillschweigende ver-
tragliche Inbezugnahme der Parteien auf die iranische Anpassungsregelung
scheidet aus, da diese Regelung erst 1998, also rund sechs Jahre nach der
Eheschließung, iranisches Recht geworden ist.
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Fehlt es - wie hier - an einer vertraglich vereinbarten Regelung über die
Anpassung eines in einer fremden Währung als geschuldet vereinbarten Betra-
ges, so kann dieser Betrag zwar gleichwohl - nach den Grundsätzen des Weg-
falls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) - an die Wertentwicklung der auslän-
dischen Währung anzupassen sein. Dies setzt allerdings voraus, dass der Wert
der ausländischen Währung spürbar verfällt, dass diese Entwicklung bei der
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Vereinbarung nicht vorhersehbar war und dass dem Gläubiger ein Festhalten
an der unveränderten Vereinbarung nicht zugemutet werden kann. Diese Vor-
aussetzungen liegen - worauf bereits das Amtsgericht hingewiesen hat - hier
indes ebenfalls nicht vor. Zum einen ist nicht festgestellt und weder von der
Klägerin dargetan noch sonst ersichtlich, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlus-
ses die iranische Währung stabil und die weitere Währungsentwicklung deshalb
nicht vorhersehbar war; die damaligen Inflationsraten sprechen im Gegenteil für
eine auch schon bei Vertragsschluss ungewisse Währungsentwicklung. Zum
andern ist zu berücksichtigen, dass sich ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf
nachehelichen Unterhalt und Versorgungsausgleich aufgrund des Statuten-
wechsels, der mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch beide
Parteien einhergegangen ist, nach deutschem Scheidungsfolgenrecht be-
stimmt. Das deutsche Scheidungsfolgenrecht stellt die geschiedene Ehefrau
deutlich besser als das iranische Recht. Diese vom deutschen Sachrecht be-
wirkte Besserstellung der geschiedenen Ehefrau kann es rechtfertigen, ihr
- umgekehrt - Nachteile zuzumuten, die sich für sie im Einzelfall daraus ergeben
können, dass das deutsche Sachrecht nunmehr auch für eine zwischen den
Eheleuten getroffene Vereinbarung einer Morgengabe maßgebend ist.
So liegen die Dinge hier: Mit dem Wechsel des Ehewirkungsstatuts geht
die Klägerin zwar die Vorteile einer "automatischen" Anpassung des als Mor-
gengabe vereinbarten Betrages an die iranische Geldwertentwicklung nach
Maßgabe des iranischen Index verlustig. Dem steht indes als Vorteil der
- ebenfalls durch den Statutenwechsel bewirkte - Schutz gegenüber, den das
deutsche Scheidungsfolgenrecht der Klägerin als geschiedener Ehefrau ge-
währt. Im Hinblick auf diesen Schutz ist es für die Klägerin nicht schlechthin
unzumutbar, sich an dem als Morgengabe vereinbarten Betrag festhalten zu
lassen. Auf die Frage, ob die Klägerin aus der Anwendbarkeit des deutschen
Scheidungsfolgenrechts konkrete Vorteile zieht, ob sie also insbesondere
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nachehelichen Unterhalt oder Versorgungsausgleich beanspruchen kann,
kommt es nicht an. Denn jedenfalls kann vom Beklagten nicht ohne weiteres
erwartet werden, er hätte sich bei Vertragsschluss - in (hypothetischer) Kennt-
nis der künftigen Entwicklung und damit auch der späteren Geltung des deut-
schen Scheidungsfolgenrechts für seine Ehe - redlicherweise auf eine Rege-
lung einlassen müssen, die der Ehefrau - neben möglichen mit dem Statuten-
wechsel einhergehenden Vorteilen - zusätzlich eine automatische Anpassung
der Morgengabe an die iranische Währungsentwicklung verbürgt.
3. Damit bewendet es bei dem der Klägerin vom Amtsgericht bereits
rechtskräftig zugesprochenen Betrag. Auf die von der Revision angesprochene
Frage, ob ein Anspruch der Klägerin auf die Morgengabe - im Hinblick auf die
behauptete Abwesenheit ihres Vaters bei der Eheschließung und einen damit
möglicherweise einhergehenden Wirksamkeitsmangel der Ehe - überhaupt ent-
standen ist, kommt es nicht an. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob und in-
wieweit (bejahendenfalls) ein solcher Anspruch im Wege der Auslegung des
Morgengabeversprechens um ein Entgelt zu mindern ist, das die Klägerin dem
Beklagten bei einer nach iranischem Recht erfolgten Scheidung schulden wür-
de (vgl. dazu OLG Hamburg FamRZ 2004, 459; ablehnend etwa Wurmnest
FamRZ 2005, 1878, 1883)
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III.
Nach allem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der Senat
vermag in der Sache abschließend zu entscheiden. Das Berufungsurteil war
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aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts
zurückzuweisen.
Hahne Weber-Monecke Wagenitz
Klinkhammer Schilling
Vorinstanzen:
AG Hamburg-Barmbek, Entscheidung vom 16.11.2006 - 891 F 21/06 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 29.05.2008 - 10 UF 83/06 -