Urteil des BGH vom 07.07.2005

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 7/05
vom
7. Juli 2005
in der Zwangsvollstreckungssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ
: nein
BGHR
:
ja
ZPO § 756
Der Einwand des Schuldners, die im Zug-um-Zug-Urteil als Gegenleistung kon-
kret bezeichnete Sache sei mit einem Mangel behaftet, ist vom Gerichtsvollzie-
her nicht zu berücksichtigen.
BGH, Beschl. v. 7. Juli 2005 - I ZB 7/05 - LG Augsburg
AG Aichach
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Juli 2005 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-
Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Bergmann
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 5. Zivilkammer
des Landgerichts Augsburg vom 22. Oktober 2004 wird auf Ko-
sten des Schuldners zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird
auf 1.500 € festgesetzt.
Gründe:
I. Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung
aus einem rechtskräftigen amtsgerichtlichen Endurteil vom 28. August 2003,
mit dem der Schuldner verurteilt wurde, an den Gläubiger 1.480 € nebst Zinsen
zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe eines im Urteilstenor näher bezeich-
neten PKW. Das Fahrzeug wurde dem Schuldner am 22. April 2004 tatsächlich
angeboten. Er lehnte die Rücknahme jedoch ab, da der PKW fahruntüchtig sei.
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In der Folgezeit fanden mehrere erfolglose Mobiliarvollstreckungsversu-
che gegen den Schuldner statt. Er wurde daraufhin von dem Gerichtsvollzieher
zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 Abs. 1 Nr. 4, § 900
Abs. 1 ZPO aufgefordert. Dagegen legte der Schuldner Widerspruch ein mit
der Begründung, er befinde sich nicht im Annahmeverzug, weil ihm das Fahr-
zeug nicht im Zustand nachhaltiger Fahrbereitschaft angeboten worden sei.
Der Widerspruch wurde zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Be-
schwerde des Schuldners hatte keinen Erfolg.
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch
im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, für das Vollstreckungsver-
fahren sei grundsätzlich nur der Inhalt des Tenors der vollstreckungsfähigen
Entscheidung, gegebenenfalls unter klarstellender Heranziehung der Entschei-
dungsgründe, maßgeblich. In dem im Streitfall zugrundeliegenden Titel sei als
Zug um Zug zu bewirkende Leistung des Gläubigers lediglich die Rückgabe
des anhand der Fahrgestellnummer bezeichneten PKW ausgeurteilt worden.
Ein bestimmter Zustand des Fahrzeugs werde weder im Urteilstenor noch in
den Entscheidungsgründen gefordert. Der Gerichtsvollzieher habe danach nur
zu prüfen, ob die angebotene Gegenleistung richtig, insbesondere identisch,
sei. Da dem Schuldner im vorliegenden Fall das richtige Fahrzeug tatsächlich
angeboten worden sei, habe der Gerichtsvollzieher mit der Zwangsvollstrek-
kung beginnen dürfen.
2. Die Rechtsbeschwerde vertritt demgegenüber die Auffassung, der Ge-
richtsvollzieher müsse bei einer Zug um Zug-Verurteilung vor Beginn der
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Zwangsvollstreckung prüfen, ob die angebotene Leistung mängelfrei sei. Dem
kann nicht beigetreten werden.
3. Das Beschwerdegericht hat mit Recht angenommen, daß dem Voll-
streckungsschuldner die von dem Gläubiger zu erbringende Gegenleistung in
einer den Voraussetzungen des § 756 Abs. 1 ZPO genügenden Weise ange-
boten worden ist.
a) Nach § 756 Abs. 1 ZPO darf der Gerichtsvollzieher, wenn die Voll-
streckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an
den Schuldner abhängt, die Zwangsvollstreckung nicht beginnen, bevor er dem
Schuldner die diesem gebührende Leistung in einer den Verzug der Annahme
begründenden Weise angeboten hat. Die von dem Gläubiger geschuldete Ge-
genleistung muß so angeboten werden, wie sie im Vollstreckungstitel beschrie-
ben ist (vgl. Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 756 Rdn. 4). Bei Unklarheiten
können gegebenenfalls Tatbestand und Entscheidungsgründe des zu voll-
streckenden Urteils zur Konkretisierung der von dem Gläubiger geschuldeten
Leistung herangezogen werden (vgl. MünchKomm.ZPO/Heßler, 2. Aufl., § 756
Rdn. 27). Demgemäß ist bei einer Gattungsschuld das Angebot einer Sache
von mittlerer Art und Güte (§ 243 Abs. 1 BGB, § 360 HGB) erforderlich. Ist der
zu leistende Gegenstand - wie im Streitfall - individuell bezeichnet (Stück-
schuld), ist dieser dem Vollstreckungsschuldner anzubieten und zu übergeben
(MünchKomm.ZPO/Heßler aaO, § 756 Rdn. 27; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl.,
§ 756 Rdn. 7; Musielak/Lackmann aaO, § 756 Rdn. 4).
b) Umstritten ist, ob und in welchem Umfang der Gerichtsvollzieher von
sich aus oder jedenfalls auf eine Beanstandung des Schuldners hin zu prüfen
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habe, ob nicht die angebotene, im Vollstreckungstitel konkret bezeichnete Sa-
che mit erheblichen Mängeln behaftet sei (vgl. MünchKomm.ZPO/Heßler aaO,
§ 756 Rdn. 29 ff.; Zöller/Stöber aaO, § 756 Rdn. 7; Stein/Jonas/Münzberg,
ZPO, 22. Aufl., § 756 Rdn. 22, jeweils mit umfangreichen Nachweisen zum Mei-
nungsstand).
Für die Frage, in welchem Zustand der von dem Vollstreckungsgläubiger
zu leistende Gegenstand dem Vollstreckungsschuldner zu übergeben ist, ist in
erster Linie der Vollstreckungstitel maßgeblich. Sofern der Titel oder Tatbe-
stand und Entscheidungsgründe des zu vollstreckenden Urteils keine geson-
derten Angaben zur Beschaffenheit der von dem Gläubiger zu erbringenden
Gegenleistung enthalten, kommt es nur darauf an, daß der angebotene mit
dem bezeichneten Gegenstand identisch ist. Die Prüfungskompetenz des Voll-
streckungsorgans wird nach dem Grundsatz der Formalisierung der Zwangs-
vollstreckung durch den Titelinhalt begrenzt. Enthält der Titel nur die Angabe,
daß ein individueller Gegenstand anzubieten ist, ist nur die Identität zu prüfen
(vgl. Musielak/Lackmann aaO, § 756 Rdn. 4; Stein/Jonas/Münzberg aaO, § 756
Rdn. 22; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz,
2. Aufl., § 756 Rdn. 6). Daher ist die Vollstreckung durchzuführen, wenn die im
Titel eindeutig genannte Sache angeboten wird.
Die Rüge des Schuldners, der angebotene Gegenstand habe sich seit
der Übergabe an den Gläubiger derart verschlechtert, daß er ihn nicht mehr
annehmen müsse, hat der Gerichtsvollzieher nur zu berücksichtigen, wenn die
Mängel zu einer Identitätsänderung der angebotenen Sache geführt haben. Im
übrigen muß der Schuldner seine Einwendungen im Wege einer Vollstrek-
kungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend machen (vgl. OLG Stuttgart DGVZ
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1991, 8 f.; LG Hamburg DGVZ 1984, 10; LG Rottweil DGVZ 1990, 171 f.; LG
Karlsruhe DGVZ 1998, 27; Musielak/Lackmann aaO, § 756 Rdn. 4; Stein/
Jonas/Münzberg aaO, § 756 Rdn. 22; Schuschke/Walker aaO, § 756 Rdn. 6;
Putzo in: Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 756 Rdn. 8; Wieczorek/Schütze/
Salzmann, ZPO, 3. Aufl., § 756 Rdn. 12; a.A. LG Bonn DGVZ 1983, 187, 188;
LG Hannover DGVZ 1984, 152; LG Neuruppin NJW-RR 2004, 854; vgl. auch
Zöller/Stöber aaO, § 756 Rdn. 7; MünchKomm.ZPO/Heßler aaO, § 756
Rdn. 12, 29).
c) Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts ist der Schuldner in
dem der Vollstreckung zugrundeliegenden Urteil zur Zahlung von 1.480 € nebst
Zinsen verurteilt worden, Zug um Zug gegen Rückgabe lediglich eines anhand
der Fahrgestellnummer zu individualisierenden PKWs. Diesen Gegenstand hat
der Gläubiger dem Schuldner am 22. April 2004 tatsächlich angeboten. Ein
bestimmter Zustand des Fahrzeugs wird weder im Urteilstenor noch in den Ent-
scheidungsgründen gefordert. Auf dieser Tatsachengrundlage kann entgegen
der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht angenommen werden, daß der von
dem Vollstreckungsgläubiger an den Schuldner zurückzugebende PKW fahrbe-
reit sein muß. Eine solche Annahme läßt sich auch nicht aufgrund einer Ausle-
gung des in Rede stehenden Vollstreckungstitels gewinnen, da es hierfür - wie
das Beschwerdegericht unangegriffen festgestellt hat - an konkreten Anhalts-
punkten fehlt.
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III. Danach war die Rechtsbeschwerde des Schuldners mit der Kosten-
folge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Ullmann
v. Ungern-Sternberg
Pokrant
Büscher
Bergmann