Urteil des BGH vom 23.01.2007

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 205/06 Verkündet
am:
25. Oktober 2007
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 133 B, 157 B, 633 a.F.
Für die Beurteilung der Frage, welche werkvertragliche Verpflichtung ein Bauträger
übernimmt, kann ein dem Erwerber übergebener Prospekt ausschlaggebend sein.
BGB §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 2; EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1
Richtet sich die Verjährung nach der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB, so
ist ihr Fristbeginn in Überleitungsfällen nach Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB unter
Einbeziehung der subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB zu bestimmen
(im Anschluss an BGH, Urteil vom 23. Januar 2007 - XI ZR 44/06, BGHZ 171, 1).
BGH, Urteil vom 25. Oktober 2007 - VII ZR 205/06 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter
Dr. Kuffer, Bauner, die Richterin Safari Chabestari und den Richter Halfmeier
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. September 2006 wird zu-
rückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt Schadensersatz aus einem mit der Beklagten ge-
schlossenen Bauträgervertrag.
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Er erwarb mit notariellem Vertrag vom 7. Mai 1998 eine aus zwei Etagen
bestehende, von der Beklagten noch zu errichtende Dachgeschosswohnung. In
dem von der Beklagten herausgegebenen Verkaufsprospekt bewarb die Be-
klagte die Wohnung als Dachgeschoss-Maisonettewohnung; in der Grundriss-
zeichnung der oberen Etage (Spitzboden) waren ein Doppelbett mit Nacht-
schränkchen und weiteres Mobiliar dargestellt. Die Wohnung wurde am 10. Mai
1999 abgenommen und durch die Beklagte für den Kläger vermietet. Im Jahre
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2002 untersagte das Bauaufsichtsamt die Nutzung der oberen Etage zu Wohn-
zwecken und erlaubte lediglich eine Nutzung als Abstellraum.
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Der Kläger verlangt mit der am 28. April 2005 zugestellten Klage Scha-
densersatz in Höhe von 13.357,85 € zuzüglich Zinsen wegen Minderwertes der
Wohnung.
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Das Landgericht hat die Klage wegen der von der Beklagten erhobenen
Einrede der Verjährung abgewiesen.
Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben und die Revision zugelassen.
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Die Beklagte erstrebt mit ihrer Revision die Wiederherstellung des land-
gerichtlichen Urteils.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
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I.
1. Das Berufungsgericht erachtet die Werkleistung der Beklagten als feh-
lerhaft, § 633 Abs. 1 BGB a.F. Zu den Zustandsmerkmalen, welche die Woh-
nung habe aufweisen sollen, habe gehört, dass der Raum im Spitzboden zuläs-
sigerweise als Wohnung genutzt werden könne. Dem stehe nicht entgegen,
dass die bauordnungsrechtlich unbedenkliche Nutzung des Spitzbodens zu
Wohnzwecken in der eigentlichen Vertragsurkunde keinen Niederschlag gefun-
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den habe. Eine Beschaffenheitsvereinbarung könne sich nicht nur aus der Ver-
kaufsurkunde selbst, sondern auch aus sonstigen Umständen ergeben, sofern
diese bei Vertragsschluss noch fortwirkten. Für die Bestimmung des Vertrags-
inhalts könne sogar die nur einseitige Vorstellung einer Vertragspartei von Be-
deutung sein, wenn der Erklärungsempfänger den wirklichen Willen des Erklä-
renden erkenne und in Kenntnis dieses Willens den Vertrag abschließe. Die
Vorstellungen des Erwerbers über die zulässige uneingeschränkte Nutzbarkeit
des Spitzbodens zu Wohnzwecken seien Vertragsinhalt geworden. Aus dem
Prospekt ergebe sich, dass die Beklagte eine Maisonettewohnung, also eine
zweigeschossige Wohnung "im Ausbau" angeboten habe. Da im Prospekt Mo-
biliar eingezeichnet gewesen sei, sei der Eindruck entstanden, dass der Raum
als Schlafzimmer und damit zu Wohnzwecken nutzbar sei. Auch in dem dem
Kläger überlassenen Berechnungsbeispiel des Wirtschaftsprüfers sei eine
Wohnfläche von 42 m² angegeben. Unter Abzug des Spitzbodens weise die
Wohnung lediglich eine Wohnfläche von rund 34,68 m² auf.
2. Das Berufungsgericht hält den geltend gemachten Schadensersatzan-
spruch für nicht verjährt.
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Auszugehen sei zunächst von einer dreißigjährigen Verjährungsfrist nach
§ 195 BGB a.F., beginnend mit der am 10. Mai 1999 erfolgten Abnahme, weil
die Beklagte den Mangel arglistig im Sinne des § 638 Abs. 1 BGB a.F. ver-
schwiegen habe. Gemäß Art. 229 EGBGB finde das ab das zum 1. Januar
2002 geltende neue Verjährungsrecht auch auf die an diesem Tag noch nicht
verjährten Ansprüche Anwendung.
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Demgemäß trete an die Stelle der dreißigjährigen Frist eine regelmäßige
Frist von drei Jahren (§ 195 i.V.m. § 634a Abs. 3 Satz 1 BGB n.F.), die gemäß
§ 199 BGB n.F. mit dem Schluss des Jahres beginne, in dem der Anspruch
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entstanden sei und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Um-
ständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt habe oder ohne gro-
be Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Dabei dürfe gemäß § 634a Abs. 3
Satz 2 BGB n.F. die fünfjährige Verjährungsfrist des § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB
n.F. nicht unterschritten werden.
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Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB sehe weiter vor, dass die kürzere Ver-
jährungsfrist nach dem neuen Verjährungsrecht vom 1. Januar 2002 an be-
rechnet werde. Danach wäre die dreijährige Verjährungsfrist am 31. Dezember
2004 abgelaufen. Insoweit werde überwiegend die Meinung vertreten, dass zur
Bestimmung des Fristbeginns die Vorschrift des § 199 Abs. 1 BGB n.F. hinzu-
zuziehen sei. Dem schließe sich der Senat an. Da nicht festzustellen sei, dass
der Kläger vor dem 1. Januar 2002 die danach erforderliche Kenntnis gehabt
habe, könne die Verjährungsfrist nicht vor Ende 2002 nicht zu laufen begonnen
haben. Dann aber sei die Verjährung rechtzeitig durch Klageerhebung unter-
brochen worden.
II.
Die hiergegen gerichteten Rügen der Revision haben keinen Erfolg.
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Das Berufungsgericht nimmt zu Recht an, dass die Beklagte einen Man-
gel (1.) der Wohnung arglistig (2.) verschwiegen hat. Die Beklagte erhebt ohne
Erfolg die Einrede der Verjährung (3.).
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1. Das Berufungsgericht nimmt zu Recht an, dass die Wohnung des Klä-
gers mangelhaft ist und von der vereinbarten Beschaffenheit erheblich abweicht
(§ 633 BGB a.F.). Dabei ist das Berufungsgericht von zutreffenden rechtlichen
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Erwägungen ausgegangen und hat keine anerkannten Auslegungsgrundsätze
verkannt.
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a) Richtig und von der Revision auch nicht angegriffen ist die Ansicht des
Berufungsgerichts, dass bei Fehlen von Angaben über Wohnflächen in Erwer-
berverträgen die einseitigen Vorstellungen des Erwerbers für den Inhalt des
Vertrags maßgeblich sind, wenn der Bauträger in eigener oder ihm zurechenba-
rer Kenntnis des Willens des Erwerbers den Vertrag abschließt (BGH, Urteil
vom 8. Januar 2004 - VII ZR 181/02, BauR 2004, 847 = ZfBR 2004, 359
= NZBau 2004, 269).
Dass der Beklagten die aus den von ihr übergebenen Unterlagen resul-
tierende Vorstellung des Klägers über die Nutzbarkeit des Spitzbodens als
Wohnung bekannt war, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen.
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b) Das Berufungsgericht hat bei der Beurteilung der von der Beklagten
geschuldeten werkvertraglichen Leistungen zu Recht dem Prospekt der Beklag-
ten wesentliche Bedeutung beigemessen, der eine zweigeschossige Maisonet-
tewohnung "im Ausbau" und in der oberen Etage (Spitzboden) ein Doppelbett
mit Nachtschränkchen und weiteres Mobiliar auswies. Ohne Erfolg weist die
Revision insoweit darauf hin, dass im notariellen Vertrag nur auf eine Beschrei-
bung verwiesen wird, in welcher der Spitzboden ebenso wie in der Wohnflä-
chenberechnung des Architekten als "Abstellraum" (Spitzboden) bezeichnet
wird. Dies steht jedoch nicht einer Beurteilung entgegen, die bei der Ver-
tragsauslegung in entscheidender Weise den Prospekt in den Vordergrund
stellt, auf dessen Angaben nach den getroffenen Feststellungen der Erwerbs-
entschluss des Klägers maßgeblich beruhte. Die auf dieser Grundlage ange-
stellten Erwägungen des Berufungsgerichts zum Umfang der werkvertraglich
geschuldeten Beschaffenheit der Wohnung verstoßen nicht gegen anerkannte
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Auslegungsgrundsätze und sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, auch
wenn sich das Berufungsgericht in seinem Urteil nicht ausdrücklich mit der Bau-
beschreibung und dem Auszug aus dem Bauplan auseinandergesetzt hat.
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2. Die Revision wendet sich vergeblich dagegen, dass das Berufungsge-
richt ein arglistiges Verschweigen der Beklagten annimmt.
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a) "Arglistig verschweigt", wer sich bewusst ist, dass ein bestimmter Um-
stand für die Entschließung seines Vertragspartners erheblich ist, nach Treu
und Glauben diesen Umstand mitzuteilen verpflichtet ist und ihn nicht offenbart
(BGH, Urteil vom 23. Mai 2002 - VII ZR 219/01, BauR 2002, 1401 = ZfBR 2002,
680 = NZBau 2002, 503). Entscheidend hierfür ist nicht, dass der Unternehmer
bewusst die Folgen einer vertragswidrigen Ausführung in Kauf nimmt. Arglist
erfordert auch keine Schädigungsabsicht und keinen Vorteil.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war der Beklagten be-
wusst, dass der Charakter der verkauften Eigentumswohnung als Maisonette-
wohnung, also einer über zwei Etagen zu Wohnzwecken geeigneten und bau-
rechtlich nutzbaren Wohnung, für die Kaufentscheidung des Klägers bedeutsam
war und dieser bei Kenntnis der wahren Umstände den Vertrag nicht mit die-
sem Inhalt abgeschlossen hätte. Als gesichert sieht es das Berufungsgericht
zudem an, dass die Beklagte, die die Baugenehmigung eingeholt hat, wusste,
dass eine Nutzung des Spitzbodens zu Wohnzwecken nicht genehmigt war.
Demgegenüber kommt den von der Revision als ausschlaggebend für die Beur-
teilung der Arglist angesehenen Umständen, im Erwerbsvertrag und den ihm
beigefügten Unterlagen sei der Spitzboden auch als Abstellraum ausgewiesen,
keine wesentliche Bedeutung zu. Diese Umstände widerlegen nicht die Arglist
der Beklagten, sondern bestätigen diese eher.
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3. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass für den Beginn
der Verjährungsfrist nach Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB in Verbindung mit
§ 195 BGB nicht allein der 1. Januar 2002 maßgebend ist, sondern auch die
Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. vorliegen müssen.
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Die streitige Frage, wie in den von Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB geregel-
ten Übergangsfällen die kenntnisabhängige Dreijahresfrist des § 195 BGB zu
berechnen ist - weswegen auch das Berufungsgericht die Revision zugelassen
hat -, hat der XI. Senat des Bundesgerichtshofs zwischenzeitlich entschieden
(Urteil vom 23. Januar 2007 - XI ZR 44/06, BauR 2007, 871 = NJW 2007, 1584
= BGHZ 171, 1). Er hat die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsmeinung
bestätigt. Der Senat hält diese Beurteilung, die auch von der Revision hinge-
nommen wird, für zutreffend und schließt sich ihr an.
Nach den weiteren nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsge-
richts kann von einer Kenntniserlangung des Klägers im Sinne des § 199 Abs. 1
Nr. 2 BGB n.F. erst im Jahre 2002 ausgegangen werden. Zutreffend ist daher,
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dass die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB n.F. erst mit Schluss des
Jahres 2002 zu laufen begann und zum Zeitpunkt der Zustellung der Klage am
28. April 2005 noch nicht abgelaufen war.
Dressler Kuffer Bauner
Safari
Chabestari
Halfmeier
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.12.2005 - 6 O 128/05 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 28.09.2006 - I-5 U 17/06 -