Urteil des BGH vom 24.05.2007

BGH (form der ware, ware, form, marke, bundespatentgericht, dreidimensionale marke, verkehr, gestaltung, unterscheidungskraft, wert)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 36/04 Verkündet
am:
24. Mai 2007
Walz
Justizamtsinspektor
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die Marke Nr. 301 14 506
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 24. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und
Dr. Bergmann
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den an Verkündungs Statt am
30. November 2004 zugestellten Beschluss des 28. Senats (Mar-
ken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kos-
ten der Markeninhaberin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird
auf 50.000 € festgesetzt.
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Gründe:
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I. Für die Markeninhaberin ist seit dem 20. Juni 2001 die nachfolgend
zeichnerisch dargestellte dreidimensionale Marke
für die Ware "Kraftfahrzeugteile" eingetragen.
Die Antragstellerin hat die Löschung der eingetragenen Marke beantragt.
Mit Beschluss vom 15. Januar 2003 hat die Markenabteilung des Deutschen
Patent- und Markenamts die Löschung der Marke angeordnet.
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Die Beschwerde der Markeninhaberin ist ohne Erfolg geblieben (BPatG
GRUR 2005, 333).
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Hiergegen richtet sich die vom Bundespatentgericht zugelassene
Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin, mit der sie ihren Antrag auf Abwei-
sung des Löschungsantrags weiterverfolgt. Die Antragstellerin beantragt, die
Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
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II. Das Bundespatentgericht hat angenommen, die Eintragung der Marke
sei nach § 50 Abs. 1 und 2 MarkenG zu löschen, weil ihr der Ausschlussgrund
des § 3 Abs. 2 MarkenG sowie die Schutzhindernisse der fehlenden Unter-
scheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) und des Freihaltebedürfnisses (§ 8
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) entgegenstünden. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die beanspruchte Darstellung sei schon aufgrund technisch bedingter
Form nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vom Markenschutz ausgeschlossen. Bei
der Formgestaltung der sichtbaren Kraftfahrzeugteile bestünden zahlreiche
technische Vorgaben für die Stabilität des Fahrzeugs in Aufbau und Material-
auswahl, die Aerodynamik, die Funktionsfähigkeit der sichtbaren Teile, die Fer-
tigungs- und Reparaturfreundlichkeit, die optischen Bedingungen und den Un-
fall- oder Aufprallschutz von fremden Verkehrsteilnehmern. Der Gestaltungs-
freiheit eines Designers seien damit von vornherein Grenzen gesetzt. Bei einer
Frontverkleidung (Kühlerrahmen) müsse bereits angesichts der zwingenden
Vorgaben im Hinblick auf Stabilität, Verformbarkeit, Aufprallschutz, Hitzebe-
ständigkeit und Luftdurchlässigkeit von einer technischen Dominanz der Form
ausgegangen werden. Außerdem sei zu beachten, dass bei einem Kraftfahr-
zeugteil die technische Wirkung stets im Vordergrund stehe, da sein bestim-
mungsgemäßer Zweck der passgenaue Einbau in die Sachgesamtheit sei. Da-
zu gebe es keinerlei Formalternativen, was insbesondere bei der Verwendung
als Ersatzteil deutlich werde. Zur Erreichung eines technischen Effekts nicht
erforderliche Elemente bei der Detailgestaltung, wie etwa Aussparungen für den
Kühlergrill, seien lediglich unwesentliches dekoratives Beiwerk.
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Das als Marke beanspruchte Zeichen bestehe zudem ausschließlich aus
einer Form, die der Ware i.S. des § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ihren wesentlichen
Wert verleihe. Die angegriffene Darstellung erschöpfe sich in der Verkörperung
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eines sichtbaren Teils eines Kraftfahrzeugs, das - vor allem als Ersatzteil - nur
in dieser besonderen optischen Ausgestaltung und ästhetischen Wirkung markt-
und verkehrsfähig sei. Bei einem Autoersatzteil in Form einer Frontverkleidung,
die nur für ein ganz bestimmtes Fahrzeugmodell Verwendung finden könne und
das äußere Erscheinungsbild eines Kraftfahrzeugs ganz entscheidend mitprä-
ge, würden die betreffenden ästhetischen Elemente nicht mehr als eine bloße
Zutat zur Ware angesehen, sondern machten vielmehr deren Wesen aus.
Das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft sei gleichfalls
gegeben. Einer dreidimensionalen Marke, die aus der Form der beanspruchten
Waren bestehe, komme Unterscheidungskraft nur zu, wenn sie von der Norm
oder Branchenüblichkeit erheblich abweiche und deshalb ihre wesentliche Her-
kunftsfunktion erfülle. Es müsse ferner berücksichtigt werden, ob und inwieweit
sich der Verkehr bereits an die Herkunftskennzeichnung von Produktgestaltun-
gen gewöhnt habe und die Form nicht nur einer konkreten Funktion der Ware
oder ganz allgemein dem Bemühen zuschreibe, ein ästhetisch ansprechendes
Produkt zu schaffen. Davon sei hier auszugehen, da für den Verkehr eventuelle
Gestaltungsmerkmale der Ware als betriebskennzeichnende Hinweise keine
Rolle spielten. Der Verkehr verstehe die angegriffene Marke lediglich als ein
Karosserieteil, das zu einem bestimmten Kraftfahrzeugtyp passe, ohne etwa auf
eine besondere Linienführung oder weitere Gestaltungsdetails zu achten. Falls
dem Verkehr gestalterische Merkmale bei Kraftfahrzeugteilen der vorliegenden
Art überhaupt auffielen, werde er diese eher als Teil der Ware betrachten.
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Letztlich sei die vorliegende Warendarstellung vor dem Hintergrund des
auf dem Warengebiet der Kraftfahrzeuge überragenden Interesses der Allge-
meinheit an der Freihaltung der Formenvielfalt auch nach § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG freihaltungsbedürftig. Die Möglichkeiten der Produktformen bei Kraft-
fahrzeugen und damit zwangsläufig der diese Produktform prägenden sichtba-
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ren Teile, vor allem der Karosserie, seien durch technische Vorgaben relativ
eingeschränkt. Andererseits spiele die Optik eines Fahrzeugs für große Teile
des Verkehrs eine dominante Rolle; die Kaufentscheidung werde immer häufi-
ger vom Design beeinflusst. Daher komme der Erhaltung der Formenvielfalt ein
besonderer Stellenwert zu. Seien aber die Möglichkeiten beschränkt, die Pro-
duktgestaltung im Interesse einer Individualisierung zu variieren, müssten die
Wettbewerber ungehindert von Markenrechten Dritter auf einen möglichst gro-
ßen Formenschatz zurückgreifen können, um ein individuelles Produkt anbieten
zu können. Das gelte zwangsläufig auch für die sichtbaren, das Äußere prä-
genden Teile eines Fahrzeugs, zumal wenn sie sich - wie im Streitfall - in einer
geläufigen Abwandlung bereits bekannter Prototypen erschöpften.
III. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Beurteilung des Bun-
despatentgerichts, dass der Marke jedenfalls die Eintragungshindernisse nach
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegenstehen, hält den Angriffen der Rechts-
beschwerde im Ergebnis stand.
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1. Das Bundespatentgericht hat mit Recht angenommen, dass der ange-
griffenen Marke, die aus der Form der Ware besteht, nicht die Markenfähigkeit
i.S. von § 3 Abs. 1 MarkenG abgesprochen werden kann. Nach § 3 Abs. 1
MarkenG können Marken alle Zeichen sein, die geeignet sind, Waren oder
Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu
unterscheiden. Dazu gehört auch die Form einer Ware. Die Markenfähigkeit
eines Zeichens ist nach § 3 Abs. 1 MarkenG abstrakt, das heißt ohne Bezug zu
den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen, allein danach zu prüfen, ob
das Zeichen als solches geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Un-
ternehmens von denjenigen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden
(vgl. EuGH, Urt. v. 18.6.2002 - C-299/99, Slg. 2002, I-5475 = GRUR 2002, 804
Tz. 37 - Philips/Remington; BGH, Beschl. v. 20.11.2003 - I ZB 15/98, GRUR
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2004, 502, 503 = WRP 2004, 752 - Gabelstapler II, m.w.N.). Bei der als Marke
beanspruchten Form handelt es sich nicht um den Prototypen einer Frontver-
kleidung (Kühlerrahmen) eines Kraftfahrzeugs schlechthin, bei dem bereits die
abstrakte Markenfähigkeit zu verneinen wäre (vgl. hierzu BGH GRUR 2004,
502, 503 - Gabelstapler II, m.w.N.), sondern um eine Formgebung mit besonde-
ren Gestaltungselementen, die deren abstrakte Markenfähigkeit begründen.
2. Das Bundespatentgericht hat die Versagung des Schutzes vorrangig
auf § 3 Abs. 2 MarkenG gestützt. Die Voraussetzungen der in dieser Vorschrift
geregelten Ausschlusstatbestände hat es jedoch, wie die Rechtsbeschwerde zu
Recht beanstandet, nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
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a) Unter das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 MarkenG fallen Zeichen, die
ausschließlich aus einer Form bestehen, die durch die Art der Ware selbst be-
dingt ist, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist oder die
der Ware einen wesentlichen Wert verleiht. Damit schließt es das Gesetz im
öffentlichen Interesse aus, dass der Inhaber der Marke aufgrund seiner Mar-
keneintragung technische Lösungen oder Eigenschaften einer Ware für sich
monopolisieren und dadurch Mitbewerber daran hindern kann, bei der Gestal-
tung ihrer Produkte eine bekannte technische Lösung einzusetzen oder ihren
Produkten bestimmte vorteilhafte Eigenschaften zu verleihen.
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b) Den Feststellungen des Bundespatentgerichts kann nicht entnommen
werden, dass von dem angegriffenen Zeichen eine solche blockierende Wir-
kung ausgeht.
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aa) Das Bundespatentgericht stellt hinsichtlich des Ausschlussgrundes
nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zwar einerseits fest, bei einer Frontverkleidung
müsse angesichts der zwingenden Vorgaben im Hinblick auf Stabilität, Ver-
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formbarkeit, Aufprallschutz und Aerodynamik allgemein von einer technischen
Dominanz der Form ausgegangen werden. Die technische Wirkung stehe auch
deshalb im Vordergrund, weil bei einem Kraftfahrzeugteil der bestimmungsge-
mäße Zweck der passgenaue Einbau in die Sachgesamtheit sei. Dazu gebe es
keinerlei Formalternativen, was insbesondere bei der Verwendung als Ersatzteil
deutlich werde.
Das Bundespatentgericht führt andererseits aber auch aus, die Form ei-
ner Frontverkleidung sei nicht zwangsläufig durch die Art der Ware im Sinne
einer gattungsspezifischen Formgebung vorgegeben. Denn bei einer Verwen-
dung als Tuning- oder als Aerodynamikteil gebe es in der Detailgestaltung auch
Abweichungen von der typgemäßen Grundform. Demnach bestehen auch nach
den Feststellungen des Bundespatentgerichts trotz der technischen Vorgaben
Gestaltungsmöglichkeiten, die es jedem Hersteller erlauben, Frontverkleidun-
gen (Kühlerrahmen) für Kraftfahrzeuge zu entwickeln, die sich jeweils durch
eine eigenständige individualisierende Formgebung auszeichnen. In einem sol-
chen Fall ist der Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG wegen techni-
scher Bedingtheit der Form nicht gegeben (vgl. BGHZ 166, 65 Tz. 14 - Porsche
Boxster). Der Umstand, dass die Marke für Teile von Kraftfahrzeugen und damit
auch für entsprechende Ersatzteile verwendet werden soll, führt entgegen der
Auffassung des Bundespatentgerichts zu keiner anderen Beurteilung. Denn
auch bei der äußeren Form eines Kraftfahrzeugs in seiner Gesamtheit bestehen
vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten (vgl. BGHZ 166, 65 Tz. 14 - Porsche
Boxster). Ist aber bei der Sachgesamtheit (Kraftfahrzeug) von einer Vielfalt an
Gestaltungsmöglichkeiten auszugehen, so führt der bestimmungsgemäße
Zweck der als Marke beanspruchten Form, als Teil (hier: Frontverkleidung oder
Kühlerrahmen) einer solchen Sachgesamtheit verwendet zu werden, nicht zu
einer weiteren Beschränkung der Formgebung des Teils, die über die bereits
angeführten technischen Vorgaben hinausginge.
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bb) Entgegen der Auffassung des Bundespatentgerichts verleiht die hier
beanspruchte Form der Ware auch nicht einen wesentlichen Wert i.S. von § 3
Abs. 2 Nr. 3 MarkenG.
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(1) Unter dem durch die Form vermittelten Wert einer Ware i.S. von § 3
Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ist der ästhetische Wert zu verstehen, den die Form der
Ware verleiht (vgl. Fezer, Markengesetz, 3. Aufl., § 3 Rdn. 232; Hacker in
Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 3 Rdn. 100, m.w.N.). Nach § 3
Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ist ein Zeichen dem Schutz als Marke jedoch nur dann
nicht zugänglich, wenn es ausschließlich aus einer Form besteht, die der Ware
einen wesentlichen Wert verleiht. Der Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Nr. 3
MarkenG steht demnach dem Markenschutz einer ästhetisch wertvollen Form-
gebung nur dann entgegen, wenn der Verkehr allein in dem ästhetischen Ge-
halt der Form den wesentlichen Wert der Ware sieht und es deshalb von vorn-
herein als ausgeschlossen angesehen werden kann, dass der Form neben ihrer
ästhetischen Wirkung zumindest auch die Funktion eines Herkunftshinweises
zukommen kann (vgl. BPatG MarkenR 2004, 153, 156 - Kelly-bag; Hacker in
Ströbele/Hacker aaO § 3 Rdn. 102; Lange, Marken- und Kennzeichenrecht,
Rdn. 275; Koschtial, GRUR Int. 2004, 106, 111 f.). Davon kann in der Regel nur
ausgegangen werden, wenn der Verkehr in der ästhetischen Formgebung
selbst die eigentliche handelbare Ware sieht. So ist beispielsweise bei Kunst-
werken, die der Verkehr ausschließlich nach ihrem ästhetischen und künstleri-
schen Gehalt wertet, die eigentümliche Formgebung dem Markenschutz nicht
zugänglich, wenn nach der Verkehrsauffassung das Kunstwerk erst durch diese
Formgebung entsteht und die handelbare Ware selbst darstellt (vgl. BGHZ 5, 1,
6 - Hummelfiguren; 29, 62, 64 - Rosenthal-Vase, jeweils zum Ausstattungs-
schutz nach § 25 WZG; vgl. ferner Hildebrandt, Marken und andere Kennzei-
chen, § 4 Rdn. 139). Stellt dagegen in den Augen des Verkehrs nicht allein die
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ästhetische Formgebung die eigentliche Ware dar, sondern erscheint sie nur als
eine Zutat zu der Ware, deren Nutz- oder Verwendungszweck auf anderen Ei-
genschaften beruht, steht sie der Eintragung der Form als Marke auch dann
nicht entgegen, wenn es sich um eine ästhetisch besonders gelungene Gestal-
tung handelt (vgl. Eisenführ in Eisenführ/Schennen, Gemeinschaftsmarkenver-
ordnung, Art. 7 Rdn. 160). Bei der Gestaltung der Frontverkleidung eines Kraft-
fahrzeugs handelt es sich nicht um eine Formgebung, in der der Verkehr die
eigentliche handelbare Ware sieht. Der Nutzwert der Frontverkleidung als tech-
nisch bedingtes Bauteil eines Kraftfahrzeugs tritt selbst dann, wenn die ästheti-
sche Gestaltung im Einzelfall besonders gelungen sein sollte, nicht völlig hinter
den ästhetischen Wert der Formgebung zurück.
(2) Das Bundespatentgericht hat den Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2
Nr. 3 MarkenG dagegen deshalb als gegeben angesehen, weil sich die ange-
griffene Darstellung in der Verkörperung eines sichtbaren Teils eines Kraftfahr-
zeugs erschöpfe, die nur in dieser besonderen optischen Ausgestaltung und
ästhetischen Wirkung markt- und verkehrsfähig sei. Dies werde vor allem deut-
lich, wenn man die Ware "Kraftfahrzeugteile" unter dem Blickwinkel ihrer Ver-
wendung als Ersatzteil werte. Bei einem Autoersatzteil in Form einer Frontver-
kleidung, die nur für ein ganz bestimmtes Fahrzeugmodell Verwendung finden
könne und das äußere Erscheinungsbild eines Kraftfahrzeugs ganz entschei-
dend mitpräge, mache die Form das Wesen der Ware aus. Denn der Verkehr
akzeptiere nur diese Lösung, das heißt die Wiederherstellung des Originalzu-
stands, und begnüge sich nicht mit einer vielleicht billigeren, aber eben optisch
nicht identischen Variante.
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Für seine Auffassung hat das Bundespatentgericht maßgeblich den
Zweck der Vorschrift des § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG angeführt, den es darin ge-
sehen hat, dass die ästhetische Funktion von Waren grundsätzlich in Abgren-
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zung zum Urheber- und Geschmacksmusterrecht vom zeichenrechtlichen
Schutz ausgenommen werden müsse (vgl. dazu Hacker in Ströbele/Hacker
aaO § 3 Rdn. 100, m.w.N.). Auf die Abgrenzung des Markenschutzes für Wa-
renformen von dem Schutz der ästhetischen Formgebung durch das Urheber-
und Geschmacksmusterrecht lassen sich seine Erwägungen, mit denen es das
Vorliegen des Ausschlussgrunds nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG begründet hat,
jedoch nicht stützen. Denn bei der vom Bundespatentgericht angeführten Be-
deutung der hier beanspruchten Ware "Kraftfahrzeugteile" für den Ersatzteil-
markt geht es nicht um den Schutz ihrer ästhetischen Formgebung. Die Erwar-
tung des Verkehrs, dass das Ersatzteil eines Kraftfahrzeugteils dasselbe Er-
scheinungsbild aufweist wie das Originalteil, besteht unabhängig von der Form-
gebung im Einzelfall. Nicht die Form in ihrer ästhetischen Wirkung verleiht da-
her der hier in Rede stehenden Ware unter dem Gesichtspunkt des Ersatzteil-
geschäfts einen wesentlichen Wert, sondern allein deren Eigenschaft als Teil
eines Kraftfahrzeugs. Darin liegt aber allenfalls ein wirtschaftlicher Wert der Wa-
re, nicht jedoch ein aus der (ästhetischen Wirkung der) Form folgender Wert i.S.
von § 3 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG. Der Gefahr einer Beschränkung oder Monopoli-
sierung des Ersatzteilmarkts durch Markeneintragungen kann zudem hinrei-
chend durch Anwendung des § 23 Nr. 3 MarkenG begegnet werden (vgl. dazu
Hacker in Ströbele/Hacker aaO § 3 Rdn. 104).
3. Der Eintragung der Marke stehen jedoch - wie das Bundespatentge-
richt zu Recht in einer Hilfserwägung angenommen hat - die Eintragungshin-
dernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegen.
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a) Das Bundespatentgericht hat zum einen das Schutzhindernis des Feh-
lens jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) bejaht. Dage-
gen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
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aa) Unterscheidungskraft i.S. des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer
Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungs-
mittel für die von der Marke erfassten Produkte eines Unternehmens gegenüber
den Produkten anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Denn Hauptfunkti-
on der Marke ist es, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder
Dienstleistungen zu gewährleisten. Bei der Beurteilung der Unterscheidungs-
kraft ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, das heißt
jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhin-
dernis zu überwinden (vgl. BGHZ 167, 278 Tz. 18 - FUSSBALL WM 2006,
m.w.N.). Diese Grundsätze finden auch bei der Beurteilung der Unterschei-
dungskraft dreidimensionaler Marken Anwendung, die aus der Form der Ware
bestehen. Bei ihnen sind die Kriterien für die Unterscheidungskraft keine ande-
ren als für die übrigen Markenkategorien (vgl. EuGH, Urt. v. 22.6.2006
- C-24/05 P, Slg. 2006, I-5677 = GRUR Int. 2006, 842 Tz. 24 - Storck/HABM,
m.w.N.). Wie bei jeder anderen Markenform ist auch bei der dreidimensionalen,
die Ware selbst darstellenden Markenform allein zu prüfen, ob der Verkehr in
dem angemeldeten Zeichen für die in Rede stehenden Waren oder Dienst-
leistungen einen Herkunftshinweis sieht (vgl. EuGH, Urt. v. 8.4.2003 - C-53/01,
C-54/01, C-55/01, Slg. 2003, I-3161 = GRUR 2003, 514 Tz. 41 f., 46 - Linde,
Winward und Rado; BGH, Beschl. v. 23.11.2000 - I ZB 18/98, GRUR Int. 2001,
462, 463 f. = WRP 2001, 265 - Stabtaschenlampen I). Eine dreidimensionale
Marke, die allein aus der Form der Ware besteht, wird jedoch vom Verkehr nicht
notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wie eine herkömmliche Wort- und
Bildmarke, die ein gesondertes Zeichen darstellt und vom Erscheinungsbild der
gekennzeichneten Ware unabhängig ist. Gewöhnlich schließen Verbraucher
daher aus der Form der Ware oder ihrer Verpackung nicht auf die betriebliche
Herkunft (vgl. EuGH GRUR Int. 2006, 842 Tz. 25 - Storck/HABM, m.w.N.).
23
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bb) Dementsprechend geht der Senat in seiner Rechtsprechung bei drei-
dimensionalen Marken, die die Form der Ware darstellen, trotz Anlegung des
beschriebenen großzügigen Prüfungsmaßstabs davon aus, dass solchen Mar-
ken die erforderliche (konkrete) Unterscheidungskraft im Allgemeinen fehlt.
Denn die dreidimensionale naturgetreue Wiedergabe eines der Gattung nach
im Warenverzeichnis genannten Erzeugnisses ist häufig nicht geeignet, die Wa-
re ihrer Herkunft nach zu individualisieren (vgl. BGHZ 166, 65 Tz. 17 - Porsche
Boxster, m.w.N.). Bei dreidimensionalen Marken ist danach regelmäßig zu prü-
fen, ob die Form lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden
Begriffsinhalt verkörpert (hier: Frontverkleidung eines Kraftfahrzeugs). Geht die
Form darüber hinaus, zeichnet sie sich insbesondere durch besondere Gestal-
tungsmerkmale aus, ist zu prüfen, ob der Verkehr in ihnen nur bloße Gestal-
tungsmerkmale sieht oder sie als Herkunftshinweis versteht. Dabei ist zu be-
rücksichtigen, dass der Verkehr in einer bestimmten Formgestaltung nur dann
einen Herkunftshinweis sehen wird, wenn er diese Form nicht einer konkreten
anderen Funktion der Ware oder ganz allgemein dem Bemühen zuschreibt, ein
ästhetisch ansprechendes Produkt zu schaffen (BGHZ 166, 65 Tz. 17 - Porsche
Boxster, m.w.N.).
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cc) Das Bundespatentgericht hat ausgeführt, dass der Verkehr die ange-
griffene Marke, die aus der Form einer Frontverkleidung besteht, lediglich als
Karosserieteil versteht. Falls ihm bei Kraftfahrzeugteilen der vorliegenden Art
gestalterische Merkmale überhaupt auffielen, werde er diese eher als Teil der
Ware betrachten. Vorliegend handele es sich um ein Karosserieteil, das zwar
auch zur Aufnahme eines Kühlerelements dienen könne, sich als isolierte Ein-
zelware in nicht eingebautem Zustand aber in keiner Weise vom bekannten
Formenschatz abhebe. Insbesondere die Zweiteilung der Kühleröffnung finde
sich in vergleichbarer Weise auch bei anderen Herstellern.
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dd) Diese Erwägungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Das Bun-
despatentgericht hat rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass der Verkehr in der
Gestaltung von Kraftfahrzeugteilen der vorliegenden Art weder im Allgemeinen
noch im vorliegenden Fall aufgrund etwaiger besonderer Merkmale der Gestal-
tung der angegriffenen Marke einen Herkunftshinweis sieht. Es hat hinreichend
dargetan, dass die Marke nicht erheblich von den üblichen Formgestaltungen
auf diesem Gebiet abweicht, und hat daher ohne Rechtsfehler die Unterschei-
dungskraft der Marke verneint. Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht,
die charakteristische Gestaltung des Kühlergrills bei Kraftfahrzeugen bestimm-
ter Autohersteller belege das Gegenteil, und in diesem Zusammenhang auf die
typische Form der "BMW-Niere" (vgl. BGH, Beschl. v. 20.9.1984 - I ZB 9/83,
GRUR 1985, 383 - BMW-Niere) hinweist, lässt sie unberücksichtigt, dass im
Streitfall, wie schon das Bundespatentgericht zu Recht ausgeführt hat, Schutz
nicht für eine Kühlergestaltung entsprechend der "BMW-Niere" begehrt wird,
sondern für die Gestaltung einer Frontverkleidung (Kühlerrahmen). Die bean-
spruchte Gestaltung weist neben zwei nebeneinanderliegenden Öffnungen im
vorderen Teil zum einen weitere Gestaltungselemente auf, die ihr die Form ei-
nes Kühlerrahmens geben. Zum anderen fehlt bei ihr das gitterförmige Emblem
der "BMW-Niere", die Gegenstand der Senatsentscheidung vom 20. September
1984 war. Der Auffassung der Rechtsbeschwerde, die Gestaltung der angegrif-
fenen Marke werde schon deshalb durch der "BMW-Niere" entsprechende cha-
rakteristische Elemente geprägt, weil sie gleichfalls nebeneinanderliegende
Kühlergrillöffnungen aufweise, steht die Feststellung des Bundespatentgerichts
entgegen, dass sich dieses Gestaltungselement in vergleichbarer Weise auch
bei anderen Herstellern findet. Auf diesen Umstand hat bereits die Markenabtei-
lung abgestellt. Da die Markeninhaberin mit ihrer Beschwerde insoweit keine
Beanstandungen erhoben hat, durfte das Bundespatentgericht entgegen der
von der Rechtsbeschwerde erhobenen Verfahrensrüge seine Entscheidung
gleichfalls auf diese Erwägung stützen.
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b) Der Eintragung der angegriffenen Marke steht zum anderen - wie das
Bundespatentgericht zu Recht angenommen hat - das Eintragungshindernis
des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
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Da sich die angegriffene Marke darin erschöpft, die äußere Form der Wa-
re - hier der Frontverkleidung eines Kraftfahrzeugs - wiederzugeben, handelt es
sich um ein Zeichen, das Eigenschaften der beanspruchten Ware, nämlich die
äußere Gestaltung, beschreibt. Daran, dass derartige Gestaltungen nicht einem
Unternehmen vorbehalten bleiben, sondern frei verwendet werden können, be-
steht grundsätzlich ein besonderes Interesse der Allgemeinheit (vgl. EuGH
GRUR 2003, 514 Tz. 73 - Linde, Winward und Rado), das ein Eintragungshin-
dernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG begründen kann. Denn die Freiheit der
Gestaltung von Produkten darf nicht über Gebühr eingeschränkt werden. Nicht
anders als bei der Gestaltung von Kraftfahrzeugen im Ganzen ist dabei zu be-
rücksichtigen, dass dann, wenn Formgestaltungen wie die vorliegende ohne
weiteres als Marke eingetragen würden, außer Automobilherstellern auch sonst
jedermann mit verhältnismäßig geringem Aufwand eine Vielzahl ähnlicher Ges-
taltungen zum Gegenstand von Markenanmeldungen machen könnte und diese
Formgestaltungen damit zumindest innerhalb der Benutzungsschonfrist für die
Wettbewerber verschlossen wären (BGHZ 166, 65 Tz. 21 - Porsche Boxster).
Dies würde zu einer erheblichen Einschränkung der Gestaltungsfreiheit führen,
weil sich neue Gestaltungen nicht nur von den Produkten der Wettbewerber,
sondern auch von - möglicherweise sehr zahlreichen - Formgebungen absetzen
müssten, denen Markenschutz zugebilligt wäre.
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IV. Die Rechtsbeschwerde ist danach auf Kosten der Markeninhaberin
(§ 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG) zurückzuweisen.
Bornkamm
v.
Ungern-Sternberg Büscher
Schaffert
Bergmann
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 30.11.2004 - 28 W(pat) 172/03 -