Urteil des BGH vom 22.02.2006

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
RiZ(R) 1/05
vom
22. Februar 2006
in dem Prüfungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
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DRiG § 61; GKG §§ 1, 66
a) Über die Erinnerung gegen den Kostenansatz in dienstgerichtlichen Ver-
fahren entscheidet das Dienstgericht des Bundes in der Besetzung mit fünf
Richtern, nicht der Einzelrichter.
b) In Verfahren vor den Richterdienstgerichten werden Gerichtskosten nicht
erhoben.
BGH, Dienstgericht des Bundes - Beschl. vom 22. Februar 2006 - RiZ(R) 1/05
- Dienstgericht beim LG Leipzig
des Richters
Antragsteller und Revisionsführer,
- Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte
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gegen
Antragsgegner und Revisionsgegner,
wegen dienstlicher Beurteilung;
hier: Kostenfestsetzung
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Der Bundesgerichtshof - Dienstgericht des Bundes - hat am 22. Februar 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Nobbe, die Richterin am
Bundesgerichtshof Solin-Stojanović, den Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Joeres, den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bayer
beschlossen:
Der Kostenansatz des Bundesgerichtshofs vom 16. Januar 2006,
geändert am 23. Januar 2006, wird aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden
nicht erstattet.
Gründe:
I.
Der Revisionsgegner wendet sich gegen die Kostenrechnung des Bun-
desgerichtshofs - Dienstgericht des Bundes - vom 16. Januar 2006, geändert
durch Schreiben vom 23. Januar 2006, mit der die Hälfte der Gerichtsgebühren
in Höhe von nunmehr insgesamt 363 € für die Revision in dem in der Hauptsa-
che erledigten Prüfungsverfahren angefordert worden ist.
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II.
1. Über die nach § 66 Abs. 1 GKG i.d.F. des Art. 1 des Kostenrechtsmo-
dernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718) eingelegte Erinnerung
hat das Dienstgericht des Bundes in der sich aus § 61 Abs. 2 DRiG ergebenen
Besetzung, also mit einem Vorsitzenden, zwei ständigen Beisitzern und zwei
nichtständigen Beisitzern zu entscheiden. Zwar sieht § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG
vor, dass über die Erinnerung das Gericht durch eines seiner Mitglieder als Ein-
zelrichter entscheidet. Dieser Regelung geht jedoch § 61 Abs. 2 Satz 1 DRiG
aus Gründen der Spezialität vor. Danach ist es ausnahmslos ausgeschlossen,
dass die Aufgaben des Richterdienstgerichts von einem Einzelrichter über-
nommen werden. Die mit einer Entscheidung durch den Einzelrichter möglichen
Beschleunigungseffekte können nur bei den Gerichten erreicht werden, bei de-
nen der Einzelrichter institutionell vorgesehen ist. Für das Dienstgericht ist eine
Entscheidung durch Einzelrichter gerichtsverfassungs- und prozessrechtlich
weder vorgesehen noch vorbehalten, so dass eine Entscheidungskompetenz
des Einzelrichters nicht besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2005
- V ZR 218/04 - NJW-RR 2005, 584 = BGHReport 2005, 670; BFH, Beschlüsse
vom 28. Juni 2005 - X E 1/05 - BFHE 209, 422, vom 1. September 2005 - III E
1/05 - BFH/NV 2006, 92 und vom 29. September 2005 - IV E 5/05 - BFH/NV
2006, 315).
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Dass für die Revision im erledigten Prüfungsverfahren gemäß § 80
Abs. 1 DRiG die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung sinngemäß gel-
ten und über die Erinnerung gemäß § 66 GKG nach dem Beschluss des
BVerwG vom 25. Januar 2006 - 10 KSt 5.05 -
hen> der Einzelrichter zu entscheiden hat, rechtfertigt keine abweichende Beur-
teilung. Darin wird im Wesentlichen darauf abgestellt, dass beim Bundesverwal-
tungsgericht dem Einzelrichter gesetzlich Entscheidungskompetenzen übertra-
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gen sind und dass die Geschäftsverteilung hierauf eingestellt ist. Demgegen-
über besteht selbst im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Dienstgericht des
Bundes keine Möglichkeit, abweichend von der Besetzungsregel des § 61
Abs. 2 Satz 1 DRiG - etwa in der Besetzung gemäß § 10 Abs. 3 Halbsatz 2
VwGO mit drei Berufsrichtern - zu entscheiden. § 61 Abs. 2 DRiG hat Vorrang
vor den gerichtsverfassungsrechtlichen Bestimmungen der Verwaltungsge-
richtsordnung - namentlich vor § 10 und § 87 a VwGO. § 61 Abs. 1 DRiG fügt
das Dienstgericht des Bundes als besonderen Senat in die Organisationsstruk-
turen des Bundesgerichtshofs ein. Das schließt die Anwendung von Vorschrif-
ten der VwGO über die funktionellen Zuständigkeiten innerhalb des Bundes-
verwaltungsgerichts aus.
2. Die Erinnerung hat Erfolg. Für das erledigte Revisionsverfahren wer-
den Gerichtskosten nicht erhoben.
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§ 1 Nr. 1 GKG sieht enumerativ vor, für welche Verfahren vor den ordent-
lichen Gerichten Gebühren und Auslagen nach dem Gerichtskostengesetz er-
hoben werden. Davon werden Verfahren beim Bundesgerichtshof, die nach der
Verwaltungsgerichtsordnung durchzuführen sind, nicht erfasst.
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Zwar ist das Dienstgericht des Bundes gemäß § 61 ff. DRiG ein Spruch-
körper der ordentlichen Gerichtsbarkeit, doch ist die von dem Dienstgericht an-
zuwendende Verfahrensordnung nicht in den Katalog des § 1 GKG aufgenom-
men. Gemäß § 63 DRiG gelten sinngemäß für das Verfahren in Disziplinarsa-
chen die Vorschriften des Bundesdisziplinargesetzes, für das Versetzungsver-
fahren und für das Prüfungsverfahren gemäß § 65 Abs. 1, § 66 Abs. 1 DRiG die
Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung. Diese Regelungen gelten gemäß
§ 80 Abs. 1 DRiG ebenfalls für die Revision im Versetzungs- und im Prüfungs-
verfahren. Gestaltet sich das Verfahren vor einem ordentlichen Gericht nach
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den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung oder des Bundesdisziplinar-
gesetzes, kann dies keinem der in § 1 Nr. 1 GKG genannten Verfahren zuge-
ordnet werden, in denen zulässigerweise Gerichtskosten erhoben werden.
Ohne ausreichende Rechtsgrundlage darf eine Kostenforderung nicht
geltend gemacht werden. Das verbietet der rechtsstaatliche Grundsatz des Ge-
setzesvorbehalts. Von diesem Prinzip geht auch § 1 GKG aus, wonach sämtli-
che gerichtliche Handlungen kostenfrei sind, soweit ein Gesetz nicht ausdrück-
lich etwas anderes vorschreibt. Somit kommt eine über den Wortlaut hinausge-
hende erweiternde Auslegung oder gar eine Analogie im Rahmen des § 1 GKG
nicht in Betracht.
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Dass für die Revision in dem von dem Revisionsführer eingeleiteten Prü-
fungsverfahren keine Gerichtskosten erhoben werden, entspricht im Übrigen
der kostenrechtlichen Privilegierung weiterer dienstrechtlicher Verfahren. Ge-
mäß § 78 Abs. 1 des Bundesdisziplinargesetzes vom 9. Juli 2001 (BGBl I
S. 1510), der gemäß § 63 Abs. 1 DRiG auch in Disziplinarsachen der Richter im
Bundesdienst anzuwenden ist, sind gerichtliche Disziplinarverfahren gerichts-
gebührenfrei. Es wäre in sich widersprüchlich und kaum verständlich, wenn
zwar nach ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung in richterlichen Disziplinar-
verfahren keine Gerichtsgebühren anfallen, dagegen in den anderen Verfahren
vor dem Dienstgericht Gerichtskosten erhoben würden.
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An der gegenteiligen im Beschluss des Dienstgerichts des Bundes vom
11. Mai 1984 (RiZ(R) 4/83) zu § 1 GKG a.F. vertretenen Auffassung, dass im
Verfahren vor dem Dienstgericht Gerichtskosten anfallen, kann nach der Neu-
fassung des § 1 GKG durch das Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts
(Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG) vom 5. Mai 2004 (BGBl I
S. 718) nicht mehr festgehalten werden. Nach der Auswertung und Präzisierung
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des Katalogs in § 1 GKG n.F. ist mit der einhelligen Kommentarliteratur (Meyer,
GKG 6. Aufl. § 1 Rdn. 1; Hartmann, Kostengesetze 35. Aufl. § 1 GKG Rdn. 1;
Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, Stand Dezember 2005 § 1 Rdn. 20) davon
auszugehen, dass § 1 GKG n.F. die einzelnen Verfahren, auf die das Gerichts-
kostengesetz anwendbar ist, enumerativ abschließend aufzählt mit der Folge,
dass alle gerichtlichen Verfahren und Handlungen gebühren- und auslagenfrei
sind, soweit nicht das Gerichtskostengesetz oder ein anderes Bundesgesetz
etwas anderes regeln.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 66 Abs. 8 GKG.
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Nobbe
Solin-Stojanović
Joeres
Gödel
Bayer
Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 22.11.2004 - 66 DG 1/03 -