Urteil des BGH vom 09.01.2008

BGH (stgb, stpo, aufhebung, missbrauch, umfang, schuldspruch, nachprüfung, halten, verurteilung, verwertung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 498/07
vom
9. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 9. Januar 2008 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Bonn vom 11. Juni 2007
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte in 14
Fällen des sexuellen Missbrauchs eines Kindes und in zwei
Fällen des sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen
schuldig ist;
b) in den Einzelstrafaussprüchen in den Fällen III 1-14 der Ur-
teilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch jeweils mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückver-
wiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs ei-
ner Schutzbefohlenen in 16 Fällen, davon in 14 Fällen in Tateinheit mit sexuel-
lem Missbrauch eines Kindes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren
und drei Monaten verurteilt.
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Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Ver-
letzung formellen und materiellen Rechtes rügt. Sein Rechtsmittel hat in dem
aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im
Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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Zutreffend weist der Generalbundesanwalt darauf hin, dass in den Fällen
III 1-14 der Urteilsgründe das in Tateinheit zum sexuellen Missbrauch eines
Kindes (§ 176 StGB) stehende Delikt des § 174 StGB nach den Urteilsfeststel-
lungen verjährt ist. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Ange-
klagte diese Taten vor dem 1. April 1998 begangen hat (UA S. 9 und UA
S. 41/42). Gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB ist demnach spätestens am 1. April
2003 Verfolgungsverjährung eingetreten. Diese Taten waren daher zum Zeit-
punkt der Änderung der Ruhensvorschrift des § 78 b Abs. 1 Nr. 1 StGB (Inkraft-
treten: 1. April 2004) bereits verjährt. Der jeweils in Tateinheit stehende sexuel-
le Missbrauch eines Kindes ist jedoch nicht verjährt; auch bei Tateinheit unter-
liegt jede Gesetzesverletzung einer eigenen Verjährung. Die nach dem
11. September 1999 begangenen Taten des sexuellen Missbrauchs von
Schutzbefohlenen (Fälle III 15 und 16 der Urteilsgründe) sind ebenfalls nicht
verjährt (§§ 78 Abs. 3 Nr. 4, 78 b Abs. 1 Nr. 1 StGB).
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Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend selbst berichtigt; § 265
StPO steht dem nicht entgegen. Die Änderung des Schuldspruchs in den Fällen
III 1-14 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der betreffenden Einzelstrafaus-
sprüche.
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Auch wenn es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grund-
sätzlich möglich ist, verjährte Strafen bei der Strafzumessung, wenn auch mit
eingeschränktem Gewicht, zu berücksichtigen, kann der Senat hier nicht aus-
schließen, dass das Landgericht ohne die strafschärfende Verwertung der tat-
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einheitlichen Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen
auf niedrigere Einzelstrafen erkannt hätte. Denn das Landgericht hat hier "ins-
besondere" (UA S. 45) strafschärfend gewertet, dass der Angeklagte bei diesen
Taten zwei Tatbestände erfüllt hat (vgl. auch BGH, Beschl. vom 11. September
2007 - 3 StR 330/07). Die Aufhebung dieser Einzelstrafen zieht die Aufhebung
der Gesamtstrafe nach sich.
Die Einzelstrafaussprüche in den Fällen III 15 und 16 der Urteilsgründe,
in denen der Tatrichter rechtsfehlerfrei wegen sexuellen Missbrauchs einer
Schutzbefohlenen verurteilt hat, halten rechtlicher Nachprüfung jedoch stand.
Der Tatrichter durfte hier zu Lasten des Angeklagten werten, dass er bei diesen
Taten "mit einer versuchten vaginalen Penetration einen besonders schwerwie-
genden Eingriff bei der Geschädigten beabsichtigte". Denn der Angeklagte ist
von diesem Versuch jeweils nicht freiwillig zurückgetreten, sondern ist mit sei-
nen Bemühungen am Widerstand des Mädchens gescheitert.
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