Urteil des BGH vom 10.12.2013

BGH: vermittler, propaganda, anleger, willkür, wiederholung, erhaltung, festschrift, reform

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VI ZR 323/13
vom
10. Dezember 2013
in dem Rechtsstreit
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Dezember 2013 durch
den Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin Diederichsen, den Richter Pau-
ge, die Richterin von Pentz und den Richter Offenloch
beschlossen:
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gegen den Be-
schluss des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf
vom 13. Juni 2013 wird zurückgewiesen, weil sie nicht aufzeigt,
dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfor-
dert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Die Zulassung der Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitli-
chen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) ge-
boten.
Gründe:
1. Dieser Zulassungsgrund wäre in den Fällen einer Divergenz, die von
der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht wird, gegeben, wenn die an-
zufechtende Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichran-
gigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung
in diesem Sinne liegt nicht vor, wenn die anzufechtende Entscheidung ein und
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dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mit-
hin einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung
aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (vgl. BGH, Beschluss
vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221; vom 25. Juli 2002 - V ZR
118/02, NJW 2002, 3180; vom 31. Oktober 2002 - V ZR 100/02, WM 2003,
259). Diese Voraussetzung zeigt die Nichtzulassungsbeschwerde in ihrer Be-
schwerdebegründung nicht auf (§ 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Zwar rügt sie, das
Berufungsgericht habe abweichend von der den Urteilen vom 4. Juni 2013
- VI ZR 288/12, VersR 2013, 1144; VI ZR 293/12 juris und VI ZR 292/12 juris
zugrunde liegenden Rechtsauffassung fehlerhaft eine vorsätzliche sittenwidrige
Schädigung des Klägers durch die Beklagte angenommen. Damit ist jedoch
noch nicht dargelegt, dass das Berufungsgericht einen abstrakten Rechtssatz
aufgestellt hat, der von der Rechtsprechung des Senats abweicht, zumal dem
Berufungsgericht bei Fassung des Beschlusses vom 13. Juni 2013 die Begrün-
dung der Urteile vom 4. Juni 2013 noch nicht bekannt sein konnte. Es handelt
sich allenfalls um eine fehlerhafte, den Grundsätzen der höchstrichterlichen
Rechtsprechung widersprechende Rechtsanwendung, wodurch eine Divergenz
nicht begründet wird (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02,
BGHZ 154, 288, 292 ff.).
2. Zwar ist der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) nicht nur auf die Fälle
der Divergenz beschränkt, seine Voraussetzungen sind aber auch nicht schon
dann erfüllt, wenn - was die Nichtzulassungsbeschwerde geltend macht und zu
Gunsten der Beklagten zu unterstellen ist - die Entscheidung des Berufungsge-
richts, gemessen an der Rechtsprechung des Senats, fehlerhaft ergangen ist.
Entscheidungen der Instanzgerichte sind nicht in jedem Fall auf ihre Richtigkeit
revisionsrechtlich zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Erforderlich
ist vielmehr, dass über den Einzelfall hinaus ein allgemeines Interesse an einer
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korrigierenden Entscheidung des Revisionsgerichts besteht (vgl. Begründung
zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-
Drucks. 14/4722, S. 104). Im Interesse der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des
Bundesgerichtshofs (vgl. hierzu Rimmelspacher in Festschrift für Schumann,
2001, S. 327, 331 f.; Wenzel, NJW 2002, 3353) ist die Revision nur für solche
Sachen zu eröffnen, deren Entscheidung Bedeutung über den Einzelfall hinaus
zukommt, weil hierbei Fragen auch mit Blick auf die Wiederholung ähnlicher
Fälle zu beantworten sind oder sonstige Interessen der Allgemeinheit in beson-
derem Maße berührt werden. Solche Umstände zeigt die Nichtzulassungsbe-
schwerde nicht auf.
3. Schließlich ist die Revision auch nicht deshalb zuzulassen, weil die
angegriffene Entscheidung auf einem Rechtsfehler beruhte, der geeignet ist,
das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Dies ist zwar der Fall,
wenn eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes in seiner Ausprägung
als Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) oder eine Verletzung der Verfahrensgrund-
rechte des Beschwerdeführers gegeben ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom
27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 295; vom 4. Juli 2002 - V ZB
16/02, NJW 2002, 3029 und V ZR 75/02, NJW 2002, 2957). Doch legt die
Nichtzulassungsbeschwerde nicht dar, dass sich solche Fehler in der Entschei-
dung des Berufungsgerichts zu Lasten der Beklagten ausgewirkt hätten.
a) Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Beklagten auf Gewährung
rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG nicht schon dadurch verletzt,
dass es trotz des Antrags der Beklagten die Frist zur Stellungnahme nicht ver-
längert und den Verkündungstermin nicht verschoben hat. Es hat sachlich be-
gründet, warum dies nicht geboten ist. Die Entscheidung verstößt auch nicht
gegen das Verbot der Willkür. Die richterliche Auslegung und Anwendung des
materiellen Rechts und des Verfahrensrechts ist erst willkürlich, wenn die feh-
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lerhafte Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar
ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägun-
gen beruht (BVerfGE 42, 64, 74; 67, 90, 94). Solche Umstände sind der Nicht-
zulassungsbeschwerde nicht zu entnehmen.
b) Auf den von der Nichtzulassungsbeschwerde als übergangen gerüg-
ten Vortrag der Beklagten, dass der Vermittler B. für die Beklagte nicht tätig
gewesen sei, kam es für die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht an. Das
Berufungsgericht hat ebenso wie das Landgericht (vgl. Beschluss des Beru-
fungsgerichts Bl. 5 unten/6 und Urteil des Landgerichts Bl. 9, 2. Abs. aE) offen
gelassen, ob der Kläger über den Vermittler B. , den Vermittler Y. oder
eine dritte Person die Anlagen gezeichnet hat. Es hat auf den Aktienvertrieb
durch eine allgemeine Mund-zu-Mund-Propaganda abgestellt. Auch wenn, was
die Beklagte geltend macht, der Kläger die Aktien im Wege eines Zweiterwerbs
gekauft hätte, wäre er geschädigt, wenn er dies im Vertrauen auf falsche Anga-
ben der Beklagten getan hat, die gezielt auf mögliche Anleger ausgerichtet wa-
ren.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2,
2. Halbs. ZPO abgesehen.
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Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1
ZPO).
Streitwert: 46.016,27
Galke
Diederichsen
Pauge
von Pentz
Offenloch
Vorinstanzen:
LG Krefeld, Entscheidung vom 05.10.2012 - 5 O 489/10 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 13.06.2013 - I-14 U 28/13 -
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