Urteil des BGH vom 30.06.2009

BGH (recht am eigenen bild, grad des verschuldens, schwerer eingriff, zpo, bild, hamburg, zoll, beweggrund, grad, anlass)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VI ZR 339/08
vom
30. Juni 2009
in dem Rechtsstreit
- 2 -
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Juni 2009 durch die Vize-
präsidentin Dr. Müller, die Richter Zoll und Wellner, die Richterin Diederichsen
und den Richter Stöhr
beschlossen:
Die Anhörungsrüge vom 19. Juni 2009 gegen den Senatsbe-
schluss vom 9. Juni 2009 wird auf Kosten des Klägers zurückge-
wiesen.
Gründe:
Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Ge-
hörsrüge ist nicht begründet.
1
Nach Art. 103 Abs. 1 GG sind die Gerichte verpflichtet, das Vorbringen
der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte
brauchen jedoch nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der
Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f.; BGH, Be-
schluss vom 24. Februar 2005 - III ZR 263/04 - NJW 2005, 1432 f.). Artikel 103
Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag
eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise
oder ganz unberücksichtigt lassen (vgl. BVerfGE 21, 191, 194; 70, 288, 294;
st.Rspr.). Nach § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO kann das Revisionsgericht von einer
Begründung des Beschlusses, mit dem es über die Nichtzulassungsbeschwer-
2
- 3 -
de entscheidet, absehen, wenn diese nicht geeignet wäre, zur Klärung der Vor-
aussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist. Von die-
ser Möglichkeit hat der Senat im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht. Bei der
Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde hat er
das mit der Anhörungsrüge des Klägers als übergangen beanstandete Vorbrin-
gen in vollem Umfang geprüft, ihm aber keine Gründe für eine Zulassung der
Revision entnehmen können.
Die Frage, ob ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen hartnäckiger
schwerwiegender Verletzung des Rechts am eigenen Bild nach dem Subsidiari-
tätsgrundsatz ausscheidet, wenn der in Anspruch Genommene in der Vergan-
genheit bereits unter Androhung von Ordnungsmitteln rechtskräftig verurteilt
wurde, es generell zu unterlassen, Fotos des Betroffenen zu veröffentlichen und
der Betroffene daher die Möglichkeit hat, im Falle von Bildrechtsverletzungen
Ordnungsmittel gegen den Verletzer festsetzen zu lassen, ist über die bereits
vorhandene höchstrichterliche Rechtsprechung nicht weiter klärungsbedürftig,
sie ist auch nicht abstrakt klärungsfähig. Im Urteil vom 25. Mai 1971 - VI ZR
26/70 - VersR 1971, 845 (Dreckschleuder) hat der Senat bereits darauf hinge-
wiesen, dass in jedem Einzelfall zu prüfen ist, ob dem Betroffenen, dessen nicht
vermögensmäßige Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend ausgleichbar
ist, gerechterweise eine Genugtuung in Geld zuzusprechen ist. Ob ein derart
schwerer Eingriff in den Eigenwert der Persönlichkeit anzunehmen ist, kann nur
aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Hierbei
sind besonders die Art sowie Schwere der zugefügten Beeinträchtigung und der
Grad des Verschuldens, auch Anlass und Beweggrund des Handelns zu be-
rücksichtigen. In die gebotene Gesamtwürdigung ist auch einzubeziehen, ob
- wie im Streitfall - ein Unterlassungstitel erwirkt worden ist. Dass ein Unterlas-
sungstitel geeignet sein kann, die Entscheidung für eine Geldentschädigung zu
beeinflussen, entspricht allgemeiner Rechtsmeinung. Soweit die Nichtzulas-
3
- 4 -
sungsbeschwerde meint, dass in der Literatur (vgl. Burkhardt in Wenzel, Das
Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 14, Rn. 125) diese Auf-
fassung kritisiert worden sei, beziehen sich die Ausführungen auf die Wortbe-
richterstattung und nicht auf die unzulässige Bildveröffentlichung.
4
Für die Gewährung einer Geldentschädigung kommt es auf die Umstän-
de des Einzelfalls an, nach denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befrie-
digender Ausgleich für die Persönlichkeitsverletzung fehlt (Senat, BGHZ 128, 1,
12 f.). Zwar kann die Persönlichkeitsentfaltung von Kindern durch die Berichter-
stattung in Medien empfindlicher gestört werden als diejenige von Erwachse-
nen, so dass der Bereich in dem sie sich frei von öffentlicher Beobachtung füh-
len und entfalten dürfen, umfassender geschützt sein muss. Im vorliegenden
Fall kann dem jedoch durch das Ordnungsmittelverfahren Rechnung getragen
werden. Der Kläger ist auf den Fotos nur über die Abbildung mit seinen Eltern
- 5 -
und die Wortberichterstattung identifizierbar, so dass er dadurch in seinem
Recht am eigenen Bild nicht gravierend beeinträchtigt wird. Die Genugtuungs-
funktion der Geldentschädigung würde außerdem zu wirtschaftlich gesehen,
würde sie erfordern, dass dem Betroffenen selbst die finanziellen Mittel zuflie-
ßen.
Müller Zoll Wellner
Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 11.07.2008 - 324 O 1173/07 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 04.11.2008 - 7 U 72/08 -