Urteil des BGH vom 24.05.2007

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 142/05
Verkündet
am:
24. Mai 2007
Preuß
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 675
a) Der anwaltliche Beklagtenvertreter im Zivilprozess ist schon in der Eingangsin-
stanz verpflichtet, zum Schutz seiner Partei auf Schlüssigkeitsbedenken gegen die
Klage hinzuweisen, wenn er nicht ausschließen kann, dass das Gericht solche
Gesichtspunkte übersieht.
b)
Beruht das zu Lasten des Mandanten ergangene Urteil auf einem
übersehenen Schlüssigkeitsmangel der Klage, so muss der Rechtsanwalt seinen
Mandanten über die hieraus folgenden Angriffsmöglichkeiten für ein Berufungsver-
fahren aufklären.
VAHRG § 3b Abs. 1 Nr. 2; BGB §§ 394, 399 Fall 1; ZPO §§ 851, 850c; SGB I § 54
Abs. 4; SGB VI § 187 Abs. 1 Nr. 2
Gegen die Verpflichtung, im Wege des Versorgungsausgleichs für den Berechtigten
Beiträge zur Begründung von Anrechten in einer gesetzlichen Rentenversicherung zu
zahlen, kann nur in dem Umfang aufgerechnet werden, in dem die hierdurch erhöhte
Altersrente pfändbar wäre.
BGB § 251 Abs. 2 Satz 1
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Es ist für den Schädiger im Rahmen einer umfassenden Güter- und Interessenabwä-
gung nicht zumutbar, als Dritter durch Beitragsentrichtung im Wege des Schadenser-
satzes einen rechtskräftig angeordneten Anspruch auf Versorgungsausgleich nach
§ 3b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG zu erfüllen, der gegen den Schuldner des Versorgungs-
ausgleichs nicht mehr durchsetzbar ist. Der Schädiger schuldet nur Geldersatz für
die geminderte Rente im Rentenbezugszeitraum.
BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - IX ZR 142/05 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
- 3 -
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer und die
Richter Dr. Ganter, Raebel, Dr. Kayser und Dr. Detlev Fischer
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden die Urteile des
16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12. Mai
2005 und der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom
23. Juli 2004 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, an die Klä-
gerin vom Zeitpunkt der Erlangung der Rentenberechtigung in der
gesetzlichen Rentenversicherung an fortlaufend Beträge zu zah-
len, die erforderlich sind, um die Klägerin so zu stellen, als sei auf
ihr Versicherungskonto bei der Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte Berlin (Vers.-Nr. ... ) unverzüglich nach
Eintritt der Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts
- Familiengerichts - Weinheim vom 25. Oktober 2002 (1 F 104/00)
ein Betrag von 31.565,99 € gezahlt worden. Im Übrigen wird die
Klage abgewiesen.
Die weitergehenden Rechtsmittel des Beklagten werden zurück-
gewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte 4/5 und die
Klägerin 1/5.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Klägerin erkannte in notarieller Urkunde vom 14. Dezember 1998 an,
ihrem damaligen Ehemann, mit dem sie bereits in Scheidung lebte, 242.000 DM
zu schulden, und unterwarf sich insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung.
Am 22. Oktober 1999 wurde die Ehe geschieden. Das Familiengericht verurteil-
te den Ehemann, zur Begründung von Anwartschaften der gesetzlichen Ren-
tenversicherung einen Betrag von 61.737,72 DM auf das Versicherungskonto
seiner geschiedenen Ehefrau zu zahlen.
1
Als die Klägerin die Zwangsvollstreckung zur Durchsetzung dieses An-
spruchs ankündigte, erhob der Ehemann Vollstreckungsabwehrklage mit der
Begründung, der Anspruch sei durch Aufrechnung mit der Forderung aus der
notariellen Urkunde erloschen. In diesem Rechtsstreit wurde die Klägerin von
dem beklagten Rechtsanwalt vertreten. Das Familiengericht gab der Klage statt.
Sein am 25. Oktober 2002 verkündetes Urteil wurde rechtskräftig.
2
Die Klägerin, die inzwischen mehrfach die eidesstattliche Versicherung
geleistet hat, nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch, weil er
gegen das Urteil, welches sachlich unrichtig sei, kein Rechtsmittel eingelegt
habe. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt, auf das Ver-
sicherungskonto der Klägerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestell-
te einen Betrag von 31.565,99 € zum Zweck der Erfüllung des Anspruchs der
Klägerin gegen ihren geschiedenen Ehemann auf Begründung von Rentenan-
wartschaften zu zahlen, und hat die Verpflichtung des Beklagten festgestellt,
der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr aus der verspäteten Einzahlung
des genannten Betrages entsteht. Die Berufung des Beklagten ist zurückgewie-
sen worden. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er
sein Klageabweisungsbegehren weiter.
3
- 5 -
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nur zu einem verhältnismäßig geringfügigen Teil begrün-
det.
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I.
Das Berufungsgericht hat dem Beklagten zur Last gelegt, für die Klägerin
gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 25. Oktober 2002 keine Berufung ein-
gelegt zu haben. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, alle für den Prozesser-
folg seiner Mandantin notwendigen Handlungen zu ergreifen. Die Berufung ge-
gen das amtsgerichtliche Urteil habe zum Erfolg führen müssen. Die mit der
Vollstreckungsgegenklage eingewendete Aufrechnung gegen den Anspruch der
Klägerin auf Versorgungsausgleich gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG sei aus
mehreren Gründen unzulässig gewesen. Es fehle schon an der Gleichartigkeit
der beiderseitigen Ansprüche. Gegen den Anspruch auf Versorgungsausgleich
könne aber auch nach § 394 BGB nicht aufgerechnet werden. Zum einen sei er
wegen seines unterhaltsrechtlichen Zusammenhangs entsprechend § 850b
Abs. 1 Nr. 2 ZPO unpfändbar. Zum anderen sei der Anspruch auf Versorgungs-
ausgleich der Aufrechnung entzogen gewesen, weil er ohne Veränderung sei-
nes Inhalts nicht abgetreten und deshalb ebenfalls nicht gepfändet werden kön-
ne.
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Aufgrund der schuldhaften Verletzung des anwaltlichen Geschäftsbesor-
gungsvertrages habe der Beklagte hier den Schaden der Klägerin in der Weise
zu ersetzen, dass er als Dritter den Anspruch seiner Mandantin auf Versor-
gungsausgleich durch Beitragsentrichtung auf ihr Versicherungskonto erfülle.
Dazu sei der Beklagte imstande, weil das rechtskräftige Urteil vom 25. Oktober
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2002 nur zwischen den Parteien der Vollstreckungsgegenklage wirke. Ausgleich
für einen schadensersatzrechtlichen Vorteil der Klägerin stehe dem Beklagten
nicht zu.
II.
Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen
Punkten Stand. Der Beklagte hat zwar seine anwaltlichen Pflichten gegenüber
der Klägerin schuldhaft verletzt. Der Schadensersatz hierfür ist aber nicht in der
vom Berufungsgericht angenommenen Weise zu leisten.
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1. Der Beklagte hat der Klägerin nicht empfohlen, gegen das der Voll-
streckungsabwehrklage stattgebende Urteil Berufung einzulegen. Dieses zu
Lasten seiner Mandantin ergangene Urteil ist rechtlich nicht haltbar. Den
Rechtsfehler hätte er erkennen und der Klägerin nach entsprechender Beleh-
rung raten müssen, Berufung einzulegen.
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a) Der Ehemann der Klägerin hätte mit der Vollstreckungsabwehrklage
nicht durchdringen dürfen, weil die Aufrechnung gegenüber dem titulierten An-
spruch der Klägerin aus dem Scheidungsurteil unzulässig war (§ 394 Satz 1
BGB).
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Der Anspruch auf Versorgungsausgleich gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 2
VAHRG richtet sich auf die Begründung von Rentenanwartschaften gemäß § 8
Abs. 1 Nr. 2, § 66 Abs. 1 Nr. 4, § 76 Abs. 2, § 187 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI. Er kann
nur durch Zahlung an einen bestimmten Träger der gesetzlichen Rentenversi-
cherung erfüllt werden. Eine Abtretung oder Pfändung des Anspruchs würde
eine Änderung seines Inhaltes bewirken und ist daher nach § 399 Fall 1 BGB,
§ 851 Abs. 1 ZPO nichtig (vgl. OLG München FamRZ 1993, 814, 815; v. Horn-
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hardt FamRZ 1979, 655, 659; Göppinger/Wenz, Vereinbarungen anlässlich der
Ehescheidung 7. Aufl. § 3 Rn. 60; Ruland/Tiemann, Versorgungsausgleich und
steuerliche Folgen der Ehescheidung 1977 Rn. 487 f; Soergel/Lipp, BGB
13. Aufl. § 1587b Rn. 46). Davon machte § 851 Abs. 2 ZPO hier keine Aus-
nahme, weil die grundsätzlich wie Arbeitseinkommen pfändbare Altersrente der
Klägerin (§ 54 Abs. 4 SGB I; vgl. auch BGH, Beschl. v. 21. November 2002
- IX ZB 85/02, WM 2003, 548) einschließlich der Verbesserung durch den ge-
schuldeten Versorgungsausgleich den Pfändungsfreibetrag des § 850c ZPO in
der Fassung vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2942) nicht überstieg. Die
Vollstreckungsabwehrklage war daher unschlüssig.
b) Der Beklagte hätte diesen Fehler des Urteils erkennen und die Kläge-
rin deshalb über die Möglichkeit und die Aussichten einer Berufung beraten
müssen.
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aa) In welchem Umfang der Anwalt den Mandanten nach einem Instanz-
verlust über die Aussichten eines Rechtsmittels zu belehren hat, ist allerdings
durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch nicht umfassend ge-
klärt. Eine entsprechende Belehrungspflicht besteht jedenfalls hinsichtlich der
formellen Voraussetzungen des Rechtsmittels (vgl. BGH, Urt. v. 6. Juli 1989 - IX
ZR 75/88, WM 1989, 1826, 1827), bei ohne weiteres erkennbarer Divergenz zur
höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGHZ 85, 252, 259 ff; BGH, Urt. v.
17. Januar 2002 - IX ZR 182/00, WM 2002, 513, 515) sowie in den Fällen, in
denen der Fehler des Urteils auch darauf beruht, dass der Rechtsanwalt nicht
sachgerecht gearbeitet, er das unrichtige Urteil also mitverschuldet hat (BGH,
Urt. v. 17. Januar 2002, aaO; insoweit ausdrücklich zustimmend BVerfG NJW
2002, 2937, 2938). Unter solchen Umständen erfordert es die vorausgegange-
ne Pflichtwidrigkeit, den Mandanten konkret auf die Umstände hinzuweisen, die
ein Rechtsmittel aussichtsreich erscheinen lassen (vgl. Fahrendorf in Rin-
sche/Terbille/Fahrendorf, Die Haftung des Rechtsanwalts 7. Aufl. Rn. 1547
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Fn. 693). Dagegen gehört es ohne gesonderten Auftrag nicht zu den Aufgaben
eines Berufungsanwalts, die materiellen Gründe des Berufungsurteils einer ein-
gehenden Prüfung auf ihre Richtigkeit zu unterziehen, erfolgversprechende An-
griffspunkte herauszuarbeiten und sie auf ihre Revisibilität hin zu untersuchen
(BGH, Urt. v. 27. März 2003 - IX ZR 399/99, WM 1003, 1146, 1148; vgl. auch
Urt. v. 10. Juli 2003 - IX ZR 5/00, NJW 2003, 2986, 2987).
bb) Nach diesen Grundsätzen durfte sich der Beklagte im Streitfall nicht
mit dem allgemeinen Hinweis auf die Möglichkeit der Berufung begnügen; denn
er hatte die Rechtsverteidigung der Beklagten gegenüber der Vollstreckungs-
abwehrklage nur unzureichend erarbeitet. Bei sachgerechter Wahrnehmung
des Prozessmandats hätte er den Rechtsfehler des ergangenen Urteils ohne
weiteres erkennen können.
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Wer als Rechtsanwalt die Vertretung der beklagten Partei in einem Zivil-
prozess übernimmt, muss grundsätzlich prüfen, ob die gegnerische Klage
eventuell schon an fehlender Schlüssigkeit scheitert. Sind bei verkehrsüblicher
Sorgfalt solche Mängel erkennbar, so hat der Prozessbevollmächtigte sie
grundsätzlich im Rechtsstreit geltend zu machen (vgl. RGZ 139, 358, 362;
BGH, Urt. v. 24. März 1988 - IX ZR 114/87, NJW 1988, 3013, 3016; v. 4. Juni
1996 - IX ZR 51/95, NJW 1996, 2648, 2650; Sieg in Zugehör/Fischer/Sieg/
Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 675). Eine solche Verpflich-
tung entspricht dem in § 1 Abs. 3 BORA zum Ausdruck gekommenen Selbst-
verständnis der Anwaltschaft und begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken (vgl. BVerfGE 76, 171, 187 f; BVerfG NJW 2002, 2937).
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Zweifel an der Wirksamkeit der vom Ehemann der Klägerin erklärten Auf-
rechnung drängten sich schon im Hinblick auf die besondere Rechtsnatur des
Anspruchs aus § 3b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG sowie die Beteiligung eines öffentlich-
rechtlichen Rechtsträgers gemäß § 53b Abs. 2 Satz 1 FGG (vgl. dazu BGH,
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Beschl. v. 18. Januar 1989 - IVb ZB 208/87, NJW 1989, 1858, 1859) auf. Die
Berechtigung des Einwands wurde zudem durch die damals bereits veröffent-
lichte Rechtsprechung und Literatur (vgl. oben zu 1. a) bestätigt. Schließlich
gab es auch keinen sonstigen Grund, von der Erhebung des Einwands, die Auf-
rechnung sei unzulässig, abzusehen. Die von der Mandantin erhaltene Informa-
tion ermöglichte dem Beklagten lediglich Einwendungen, deren Erheblichkeit
und Beweisaussichten in hohem Maße fragwürdig waren. Das pfälzische Ober-
landesgericht Zweibrücken hatte bereits in seinem Urteil vom 24. Januar 2002
die Vollstreckungsgegenklage umgekehrten Betreffs für unbegründet erachtet,
die gleichfalls auf die Behauptung der Klägerin gestützt war, bei der notariellen
Haftungs- und Vollstreckungsunterwerfung vom 14. Dezember 1998 habe es
sich um ein sittenwidriges Scheingeschäft zum Zwecke der Gläubigerbenachtei-
ligung gehandelt.
2. Hätte der Beklagte die Klägerin in dem gebotenen Umfang über die
Erfolgsaussichten der Berufung belehrt, wäre das zu Lasten der Klägerin er-
gangene Urteil des Familiengerichts aufgehoben und die Vollstreckungsab-
wehrklage des Ehemannes abgewiesen worden.
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Kommt es auf die Frage an, wie ein Rechtsstreit bei pflichtgemäßem
Verhalten des Rechtsanwalts der unterlegenen Partei ausgegangen wäre, so ist
die Schadensursächlichkeit seiner Pflichtwidrigkeit dann zu bejahen, wenn das
im Vorprozess aufgrund seiner unterlassenen Empfehlung unterbliebene
Rechtsmittel richtigerweise hätte Erfolg haben müssen (BGHZ 145, 256, 265 f;
163, 223, 227; BGH, Urt. v. 23. November 2006 - IX ZR 21/03, WM 2007, 419,
422). Dies ist - wie im Zusammenhang mit der Pflichtverletzung des Beklagten
bereits ausgeführt - zu bejahen. Daran, dass die Klägerin nach entsprechender
Belehrung des Beklagten die Berufung gegen das Urteil vom 25. Oktober 2002
eingelegt und durchgeführt hätte, kann kein vernünftiger Zweifel bestehen. Der
Beklagte beruft sich auch nicht auf das Gegenteil.
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3. Die Klägerin ist infolge der Rechtskraft des der Vollstreckungsabwehr-
klage des Ehemannes stattgebenden Urteils auch geschädigt worden.
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a) Die Vollstreckungsgegenklage ist eine prozessuale Gestaltungsklage,
deren Streitgegenstand auf die vollständige oder teilweise Beseitigung der Voll-
streckbarkeit des Titels gerichtet ist (BGHZ 22, 54, 56; 55, 255, 256; 85, 367,
371; 127, 146, 149; BGH, Urt. v. 19. Juni 1984 - IX ZR 89/83, LM ZPO § 767
Nr. 63 = MDR 1985, 138; v. 23. Mai 1989 - IX ZR 57/88, WM 1989, 1514, 1516;
Beschl. v. 5. Juli 2005 - VII ZB 10/05, WM 2005, 1991, 1992). Es steht damit
rechtskräftig fest, dass der Anspruch der Klägerin auf Versorgungsausgleich
gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG aus dem Scheidungsurteil nicht mehr gegen
ihren geschiedenen Ehemann durchgesetzt werden kann. Darin liegt ein Scha-
den der Klägerin im Umfang der hierdurch entgangenen Rentenanwartschaften,
wenn auch fühlbare Auswirkungen vorläufig fehlen (vgl. BGHZ 137, 11, 20). Die
Leistungsfähigkeit des geschiedenen Ehemannes der Klägerin, die geschulde-
ten Beitragszahlungen für den Versorgungsausgleich zu erbringen, hat der Be-
klagte nicht bestritten.
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b) Der Schaden der Klägerin ist nicht durch anderweitige Vorteile entfal-
len. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob das stattgebende Urteil
der Vollstreckungsgegenklage zur Folge hat, dass die nachträglich aufgerech-
nete Forderung rechtskräftig erlischt (so noch BGHZ 48, 356, 360; 89, 349,
352 f). Dagegen spricht, dass die mit der Aufrechnung bekämpfte Forderung
nur ihre Vollstreckbarkeit verliert. Selbst die Tilgung des notariellen Schuldaner-
kenntnisses der Klägerin im Umfang des Urteils vom 25. Oktober 2002 würde
aber ihren Schaden derzeit nicht ausgleichen.
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Die Klägerin ist nach den abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen
unpfändbar. Ihr geschiedener Ehemann hat mit seiner unzulässigen Aufrech-
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nung durch das vom Beklagten mitverschuldete Fehlurteil vom 25. Oktober
2002 eine Deckung erhalten, die er sonst nicht hätte erreichen können. Auch
ein Zurückbehaltungsrecht zu seinen Gunsten bestand nicht. Dieses wird ver-
neint, wenn seine Ausübung einen der Aufrechnung gleichkommenden Erfolg
haben würde, letztere aber nach § 394 BGB - wie hier - ausgeschlossen ist
(BGHZ 16, 37, 49; 38, 122, 129; BGH, Urt. v. 16. Juni 1987 - X ZR 61/86, NJW
1987, 3254, 3255 unter II. 3.). Ein solcher Fall lag vor; denn die Klägerin hätte
ansonsten zur Durchsetzung ihres aufrechnungsfesten Anspruchs den nicht
mehr werthaltigen Anspruch ihres geschiedenen Ehemannes vollwertig befrie-
digen müssen.
Sollte die Klägerin später wieder vermögend werden, so dass die - im
Jahre 2002 teilweise weggefallene - Vollstreckbarkeit des Schuldanerkenntnis-
ses ihrem geschiedenen Ehemann insoweit noch Befriedigung seines An-
spruchs gewährt haben würde, auf diese Möglichkeit hat sich der Beklagte be-
rufen, so kann er deswegen später Bereicherungsklage (verlängerte Vollstre-
ckungsabwehrklage) erheben. Im gegenwärtigen Rechtsstreit ist diese unge-
wisse Möglichkeit eines zukünftigen Schadenswegfalls nicht zu berücksichtigen.
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c) Der Schaden der Klägerin entfällt auch nicht dadurch, dass sie ihren
geschiedenen Ehemann nach Eintritt in das Rentenalter möglicherweise auf
schuldrechtlichen Versorgungsausgleich (§ 2 VAHRG, § 1587e Abs. 3, § 1587f
Nr. 3, § 1587g Nr. 1 Satz 2 BGB) oder auf Leistung von Altersunterhalt (§ 1571
BGB) in Anspruch nehmen kann. Die Verfolgung dieser Ansprüche kann einen
neuen Rechtsstreit erfordern, während die Klägerin mit dem familiengerichtlich
angeordneten Versorgungsausgleich eine gesicherte Rechtsposition besaß.
Auch die spätere Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche ist heute offen. Ein An-
spruch auf schuldrechtlichen Versorgungsausgleich ist gegebenenfalls nach
§ 255 BGB an den Ersatzverpflichteten abzutreten. Der nur bei Bedürftigkeit im
Sinne des § 1577 BGB bestehende Anspruch auf Altersunterhalt nach § 1571
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BGB ist dagegen nicht pfändbar (§ 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und deshalb nach
§ 400 BGB nicht der Abtretung unterworfen. Wegen der Subsidiarität des Un-
terhaltsanspruchs besteht auch kein auszugleichendes Gesamtschuldverhältnis
(vgl. BGH, Urt. v. 15. Juni 2004 - VI ZR 60/03, NJW 2004, 2892, 2893).
4. Rechtsfehlerhaft ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der ge-
schuldete Schadensersatz sei durch Zahlung an die Bundesversicherungsan-
stalt für Angestellte in Form der Drittleistung nach § 267 BGB auf den angeord-
neten Versorgungsausgleich nach § 3b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG zu erbringen.
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a) Nach dem Rechtsgedanken des § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB tritt das In-
teresse des Geschädigten an einem vollständigen Schadensausgleich nach
Treu und Glauben hinter dem Schutz des Ersatzpflichtigen vor unzumutbaren
Belastungen zurück, wenn der verlangte Herstellungsaufwand unverhältnismä-
ßig hoch ist; der Geschädigte muss sich dann mit einer Kompensation durch
einen Wertausgleich seines Schadens zufrieden geben. Die Zumutbarkeits-
grenze ist durch eine Güter- und Interessenabwägung zu ermitteln, wobei an
die Annahme von Unverhältnismäßigkeit strenge Anforderungen zu stellen sind
(vgl. BGHZ 59, 365, 367 f; 63, 295, 297 ff). Eine rechtsähnliche Situation be-
steht im Streitfall, wo die Herstellung eines Rechtszustandes in Frage kommt.
Gegenwärtig herrscht noch keine Gewissheit, ob die Klägerin das Rentenbe-
zugsalter erreicht und für welchen Zeitraum sie Anspruch auf Rentenleistungen
gegenüber der Bundesversicherungsanstalt haben wird. Müsste der Beklagte
die der Klägerin entgangenen Rentenanwartschaften in Form einer Zahlung an
die Bundesversicherungsanstalt ausgleichen, wäre es möglich, dass von dieser
Leistung ausschließlich oder zum Teil nicht die Klägerin, sondern der Renten-
versicherungsträger Nutzen zieht. Dieses Wirtschaftlichkeitsrisiko war bei der
Regelung des Versorgungsausgleichs nicht zu umgehen; denn es liegt in der
versicherungsrechtlichen Struktur der gesetzlichen Altersrente begründet. Wird
- wie hier - Schadensersatz für vereitelten Versorgungsausgleich geschuldet,
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- 13 -
wäre die dem Schadensersatzschuldner zumutbare Opfergrenze überschritten,
wenn nunmehr ihm dieses Risiko aufgebürdet würde. Für die Klägerin wirkt sich
der bereits eingetretene Schaden spürbar erst nach Erreichen des Rentenalters
aus. Auch unter Berücksichtigung ihres berechtigten Interesses an einer eigen-
ständigen Alterssicherung erscheint es deshalb nicht gerechtfertigt, den Beklag-
ten zum Schadensersatz durch Zahlung an den Rentenversicherungsträger zu
verurteilen, um den gegen den Schuldner nicht mehr durchsetzbaren Versor-
gungsausgleich als Dritter gemäß § 267 BGB zu entrichten.
b) Erweist sich die erhobene Leistungsklage als unbegründet, entspricht
aber der Erlass eines Feststellungsurteils dem Interesse des Klägers, so kann
das Gericht dem in dem Leistungsbegehren enthaltenen Antrag auf Feststel-
lung des Rechtsverhältnisses auch dann stattgeben, wenn dieser Antrag nicht
ausdrücklich hilfsweise gestellt ist (BGHZ 118, 70, 81 f). Deshalb ist vorliegend
die Verpflichtung des Beklagten festzustellen, an die Klägerin vom Zeitpunkt der
Erlangung der Rentenberechtigung in der gesetzlichen Rentenversicherung an
fortlaufend die Beträge zu bezahlen, die erforderlich sind, um sie so zu stellen,
als hätte ihr geschiedener Ehemann unverzüglich nach Eintritt der Rechtskraft
des Urteils in der Vollstreckungsgegenklage den vom Familiengericht angeord-
neten Betrag von 31.565,99 € zur Begründung von Rentenanwartschaften auf
ihr Versicherungskonto bezahlt.
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c) Die Klägerin ist durch diese Art der Schadensersatzleistung im Ergeb-
nis nicht schlechter gesichert als bei der Anordnung einer Zahlung durch den
Beklagten an die Rentenversicherungsanstalt für Angestellte; insbesondere wird
ihr damit nicht das Insolvenzrisiko des Beklagten aufgebürdet. Als Rechtsanwalt
ist er verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus
einer Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden
abzuschließen und die Versicherung während der Dauer seiner Zulassung auf-
rechtzuerhalten (§ 51 Abs. 1 Satz 1 BRAO). Der Dritte ist hier vor Risiken in der
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Person des Versicherungsnehmers nach § 158c VVG besonders geschützt. Der
geschädigte Dritte kann zudem in der Insolvenz des Versicherungsnehmers
wegen des ihm gegen den Insolvenzschuldner zustehenden Schadensersatz-
anspruchs abgesonderte Befriedigung aus der Entschädigungsforderung des
Versicherungsnehmers verlangen (§ 157 VVG). Die Entschädigungsforderung,
die zunächst auf Befreiung von dem Schadensersatzanspruch des Dritten ge-
richtet ist, wandelt sich mit der Insolvenzeröffnung grundsätzlich in einen Zah-
lungsanspruch um (vgl. Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 157
Rn. 3; MünchKomm-InsO/Ganter, § 51 Rn. 236). Der Dritte kann den Scha-
densersatzanspruch ohne vorherige Pfändung und Überweisung unmittelbar
gegenüber dem Versicherer einziehen, sofern er mit für diesen verbindlicher
Wirkung im Sinne der §§ 149, 154 Abs. 1 VVG festgestellt und fällig geworden
ist (vgl. BGH, Urt. v. 8. April 1987 - IVa ZR 12/86, VersR 1987, 655; v. 9. Januar
1991 - IV ZR 264/89, VersR 1991, 414, 415; v. 7. Juli 1993 - IV ZR 131/92,
NJW-RR 1993, 1306). Das zur Absonderung berechtigende Befriedigungsrecht
des Dritten überdauert die Insolvenz (BGH, Urt. v. 28. März 1996 - IX ZR 77/95,
WM 1996, 835, 837; MünchKomm-InsO/Ganter, aaO Rn. 239).
Abweichend davon gilt bei einem Rentenanspruch, dass dieser entspre-
chend den §§ 41, 45 Satz 1, § 46 Satz 2 InsO in eine fällige Kapitalforderung
umzuwandeln und im Prüfungsverfahren deshalb nach den §§ 174 ff InsO oder
auf Grund einer Feststellungsklage nach den §§ 180 ff InsO als solcher festzu-
stellen ist; anschließend kann der Haftpflichtgläubiger von dem Versicherer die
Zahlung des Kapitals verlangen (vgl. MünchKomm-InsO/Ganter, aaO Rn. 239;
Voit/Knappmann in aaO Rn. 6). Vorliegend ist die Verpflichtung des Beklagten
sowohl der Dauer als auch der Höhe nach - wegen der Ungewissheit des Um-
fangs künftiger Rentenerhöhungen - unbestimmt. Zusätzlich wäre der Anspruch
noch aufschiebend bedingt, wenn der Beklagte vor dem Rentenbeginn der Klä-
gerin in Insolvenz fiele. Nach der Insolvenzordnung berechtigen Forderungen
unter aufschiebender Bedingung wie nach dem früheren § 67 KO nur zur Siche-
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rung (vgl. MünchKomm-InsO/Lwowski/Bitter § 42 Rn. 11). Auch gegenüber dem
Haftpflichtversicherer hätte die Klägerin somit in diesem Fall nach Feststellung
des Anspruchs zur Tabelle bzw. nach erfolgreicher Tabellenfeststellungsklage
Anspruch auf Sicherheitsleistung (vgl. § 155 Abs. 2 VVG).
5. Die Klägerin hat die Prozesskosten anteilig nach § 92 Abs. 1 Satz 1
ZPO zu tragen, weil sie lediglich mit der Feststellung der Schadensersatzpflicht
des Beklagten obsiegt. Bei einer positiven Feststellungsklage ist regelmäßig ein
Abschlag von 20 % gegenüber dem Wert einer entsprechenden Leistungsklage
vorzunehmen. Hiervon ist auch dann keine Ausnahme zu machen, wenn damit
zu rechnen ist, dass der Schuldner sich dem Feststellungsanspruch beugt (vgl.
Beschl. v. 15. Januar 1997 - VIII ZR 303/96, NJW 1997, 385, 386; Zöller/
Herget, ZPO 26. Aufl. § 3 Rn. 16 Stichwort "Feststellungsklage"). Ausgehend
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von dem nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG maßgebenden höheren Wert des Leis-
tungsantrags führt das zu einer Kostenquote von 4/5 zu 1/5.
Dr.
Gero
Fischer
Dr.
Ganter
Raebel
Dr.
Kayser
Dr.
Detlev
Fischer
Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 23.07.2004 - 3 O 364/03 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 12.05.2005 - 16 U 1/04 -