Urteil des BGH vom 03.12.1976

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 206/07
Verkündet
am:
6. März 2008
K i e f e r
Justizangestellter
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 195 n.F.; § 196 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 a.F.; § 201 Satz 1 BGB a.F.; § 204
Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 n.F.; § 209 Abs. 2 Nr. 1 a.F.; EGBGB Art. 229 Abs. 1
Satz 3, Abs. 2, Abs. 4; ZPO § 693 Abs. 2 a.F.; § 167 n.F.
Die Rückwirkung der Zustellung des Mahnbescheids auf den Eingang des An-
trags (§ 693 Abs. 2 ZPO in der Fassung des Gesetzes vom 3. Dezember
1976, BGBl. I S. 3281, und in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung
des Schuldrechts vom 26. November 2001, BGBl. I S. 3138, sowie § 167 ZPO
n.F.) setzt nicht voraus, dass die Verjährung zum Zeitpunkt der Zustellung oh-
ne die Rückwirkung eingetreten wäre.
BGH, Urteil vom 6. März 2008 - III ZR 206/07 - KG Berlin
LG
Berlin
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. März 2008 durch den Vorsitzenden Richter Schlick, die Richter
Dr. Wurm, Dörr, Wöstmann und die Richterin Harsdorf-Gebhardt
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 14. Zivilsenats
des Kammergerichts in Berlin vom 13. Juli 2007 wird zurückge-
wiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz nur noch darüber, ob dem
von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf eine Verwaltervergütung für
1999 die Einrede der Verjährung entgegensteht.
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Die Klägerin hat wegen dieser Forderung am 27. Dezember 2001 einen
Mahnbescheid beantragt, der am 10. Januar 2002 erlassen und der Beklagten
am 15. Januar 2002 zugestellt worden ist. Am Folgetag ist der Widerspruch der
Beklagten beim Mahngericht eingegangen, wovon die Klägerin durch Verfügung
des Gerichts vom 17. Januar 2002 in Kenntnis gesetzt worden ist. Am
22. Dezember 2004 hat sie den Kostenvorschuss eingezahlt, worauf die Sache
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vom Mahngericht an das Landgericht Berlin abgegeben worden ist. Am 1. Juli
2005 ist die Anspruchsbegründung bei Gericht eingegangen und der Beklagten
am 11. Juli 2005 zugestellt worden.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von
14.725,21 € nebst Zinsen verurteilt.
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Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsge-
richt zurückgewiesen.
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Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklag-
te ihren Klageabweisungsantrag weiter.
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Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
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Die von der Beklagten erhobenen Rügen gegen die Auffassung des Be-
rufungsgerichts, die Forderung der Klägerin sei nicht verjährt, greifen nicht
durch.
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1.
Die Verjährungsfrist betrug ursprünglich vier Jahre gemäß § 196 Abs. 1
Nr. 1, Abs. 2 BGB a. F.
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Die Klägerin macht als Kaufmann Ansprüche wegen der Besorgung
fremder Geschäfte für die Beklagte geltend.
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Ihre Leistung erfolgte im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten für
deren Gewerbebetrieb. Gemäß § 344 Abs. 1 HGB gelten die von einem Kauf-
mann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betriebe des Han-
delsgeschäfts gehörig. Die Beklagte als in das Handelsregister eingetragene
GmbH & Co. KG betreibt nach § 6 Abs. 1, § 2 Satz 1 HGB ein Handelsgewerbe.
Aufgrund des § 6 HGB ist es ihr verwehrt, sich darauf zu berufen, sie betreibe in
Wahrheit kein (Handels-)Gewerbe (vgl. BGHZ 66, 43, 50 f; Staudinger/
Peters, BGB, Bearb. 2001, § 196 Rn. 22). Unerheblich ist es deshalb, ob sich
die Vermietung der Wohnungen durch die Beklagte für sich genommen bereits
als Betrieb eines Gewerbes darstellt.
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2.
Die Verjährung begann gemäß § 201 Satz 1 BGB a.F. mit Ablauf des
31. Dezember 1999. Sie wurde am 27. Dezember 2001 infolge des von der
Klägerin gestellten Mahnbescheidsantrags gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB a.F.
i.V.m. § 693 Abs. 2 ZPO in der Fassung des Gesetzes vom 3. Dezember 1976
(BGBl. I S. 3281) unterbrochen, da der beantragte Mahnbescheid der Beklagten
im Sinne der Vorschrift demnächst zugestellt wurde. Die Änderung des § 693
Abs. 2 ZPO durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom
26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) ab dem 1. Januar 2002 ist nicht entschei-
dend, da es sich hierbei nur um eine redaktionelle Folgeänderung anlässlich der
Neugestaltung des Verjährungsrechts handelt (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 278),
die nicht für Zustellungsvorgänge gilt, die zur Anwendung des alten Verjäh-
rungsrechts führen (vgl. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 3 EGBGB).
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a) Ohne Erfolg bleibt der Einwand der Revision, die Rückwirkung der Zu-
stellung des Mahnbescheids setze voraus, dass die Verjährung zum Zeitpunkt
der Zustellung ohne die Rückwirkung eingetreten sei. Solches ist weder dem
Wortlaut des § 693 Abs. 2 ZPO in der früheren Fassung noch dem in der Fas-
sung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts noch dem Wortlaut
des am 1. Juli 2002 in Kraft getretenen § 167 ZPO n.F. zu entnehmen. Im Übri-
gen mag die Rückbeziehung der Zustellung ohne Auswirkung bleiben, wenn die
Zustellung des Mahnbescheids in nicht rechtsverjährter Zeit erfolgt. Soweit sich
jedoch zwischen dem Antrag und der Zustellung des Mahnbescheids die Sach-
und Rechtslage ändert - was die Beklagte hier im Hinblick auf die Gesetzesän-
derung durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zum 1. Januar 2002 gel-
tend macht - und sich hierdurch die Voraussetzungen des Eintritts der Verjäh-
rung zum Nachteil des Gläubigers verschlechtern, ist die Anwendung des Ge-
setzes und die Rückbeziehung auf den Mahnbescheidsantrag vielmehr gebo-
ten. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es nämlich, die Partei bei der Zustellung
von Amts wegen vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des
gerichtlichen Geschäftsbetriebs zu bewahren (vgl. BGH, Urteile vom 11. Juli
2003 - V ZR 414/02 - NJW 2003, 2830, 2831;vom 18. Mai 1995 - VII ZR
191/94 - NJW 1995, 2230, 2231).
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b) Der Umstand, dass nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB seit Inkrafttreten des
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes die Zustellung des Mahnbescheids nur
noch die Hemmung der Verjährung zur Folge hat, hindert nicht deren Unterbre-
chung wegen des vorher gestellten Antrags (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB,
67. Aufl., EGBGB Art. 229 § 6 Rn. 8; Prütting/Kesseler, BGB, 2. Aufl., EGBGB
Art. 229 § 6 Rn. 7; a.A. OLG München NJW-RR 2005, 1108, 1109). Gemäß
Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 3 EGBGB kann auch ein nach dem 31. Dezember
2001 eintretender Umstand die Unterbrechung der Verjährung bis zum 1. Ja-
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nuar 2002 nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches in der bis da-
hin geltenden Fassung auslösen. Diese Folge hat der Gesetzgeber beabsichtigt
(BT-Drucks. 14/7052 S. 207 mit Hinweis auf § 212 Abs. 2 BGB a.F.; vgl. BGH,
Urteil vom 7. März 2007 - VIII ZR 218/06 - NJW 2007, 2034, 2035 Rn. 22 zum
umgekehrten Fall, dass eine Unterbrechung als nicht erfolgt gilt).
3.
Die Unterbrechung der Verjährung endete mit Ablauf des 31. Dezember
2001 und setzte sich ab dem 1. Januar 2002 nach Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB
als Hemmung fort. Gemäß § 229 § 6 Abs. 4 EGBGB betrug die Verjährungsfrist
jedoch nur noch drei Jahre entsprechend § 195 BGB n.F.
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Da nach Mitteilung über den Widerspruch des Beklagten durch gerichtli-
che Verfügung vom 17. Januar 2002 das Verfahren in Stillstand geriet, endete
die Hemmung sechs Monate nach Zugang der letzten Verfügung des Gerichts
(§ 204 Abs. 2 Satz 1, 2 BGB; vgl. BGHZ 134, 387, 390 f). Demgemäß war un-
beschadet der zwischendurch erneut eingetretenen Hemmung aufgrund der
Fortsetzung des Verfahrens (§ 204 Abs. 2 Satz 3 BGB) bei Zustellung der An-
tragsbegründung am 11. Juli 2005 die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen
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und die Beklagte deshalb nicht gemäß § 214 Abs. 1 BGB berechtigt, die Leis-
tung zu verweigern.
Schlick
Wurm
Dörr
Wöstmann
Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 02.03.2006 - 8 O 708/04 -
KG Berlin, Entscheidung vom 13.07.2007 - 14 U 65/06 -